Privatkundengeschäft

Millionen Europäer warten auf das Basiskonto

Fast jeder bekommt Rechnungen oder Zahlungen - doch viele Menschen in der Europäischen Union können beides nicht bargeldlos abwickeln. Ob Überweisungen, Lastschriften, Ein- und Auszahlungen: Rund sieben Millionen Menschen in der EU können diese Basis-Bankdienstleistungen nicht nutzen, weil ihnen ein Konto verwehrt wird. Im 21. Jahrhundert, in dem auch simpelste Geschäfte immer häufiger bargeldlos und teilweise nur noch bargeldlos abgewickelt werden, ist das nicht akzeptabel. Denn es bedeutet, dass diese Menschen an vielen Bereichen des Alltagslebens nur mit Schwierigkeiten teilhaben können. Die Europäische Kommission hat deshalb Mitte Juli einen ersten wichtigen Schritt unternommen, um mit einheitlichen Standards dafür zu sorgen, dass jeder, der das möchte, auch ein Konto eröffnen kann.

Ohne Überziehungsmöglichkeiten und gegen "angemessenen Preis"

Mit der von mir vorgeschlagenen Empfehlung an die 27 EU-Staaten hat die Kommission definiert, welche Basisdienstleistungen ein Zahlungskonto mindestens aufweisen sollte. Die wesentlichen Punkte der Empfehlung sind:

Jeder in der Union ansässige Bürger sollte das Recht auf Eröffnung und Nutzung eines Basiskontos haben, und zwar unabhängig von seiner Finanzlage und auch in einem Mitgliedstaat, in dem er keinen ständigen Wohnsitz hat, vorausgesetzt er hat dort nicht schon ein solches Konto.

Mit dem Basiskonto sollte der Erhalt, die Einzahlung, Überweisung und das Abheben von Geldbeträgen möglich sein. Auch sollte es Lastschriften und Überweisungen gestatten, aber keine Überziehungsfazilitäten anbieten.

Das Konto darf einen Preis haben, der muss aber angemessen sein. Es ist Sache der Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass dies der Fall ist. Der Preis darf keine abschreckende Hürde sein.

Jeder Mitgliedstaat kann selbst bestimmen, welcher oder welche Dienstleister dieses Basiskonto anbieten sollte(n). Die Mitgliedstaaten können einen, mehrere oder sogar alle Zahlungsdienstleister als Anbieter von Basiskonten bestellen.

Marktversagen korrigieren

Warum diese Empfehlung? Warum überlässt die Kommission das Eröffnen von Konten nicht allein Angebot und Nachfrage? Oder freiwilligen Selbstverpflichtungen? Weil es nicht ausreichend funktioniert. Das zeigt die Erfahrung. Die Kommission hat über Zahlungsdienstleister viele Beschwerden erhalten, weil diese sich gegen das Eröffnen von Zahlungskonten gesperrt haben. Auch über Anbieter in Deutschland.

Es geht also nicht um einen willkürlichen Eingriff in den Markt. Es geht darum, ein Marktversagen an einer gesellschaftlich wichtigen Stelle zu korrigieren.

Deshalb ist der Zugang zum Basiskonto auch Teil der Binnenmarktakte. Dies zeigt zum einen, welch hohen Stellenwert die Kommission diesem Thema beimisst. Zum anderen, wie wichtig das Thema auch in einem europäischen Zusammenhang ist: In vielen Bereichen bauen wir gerade auch für den Verbraucher Hürden beim Einkauf in anderen Ländern ab. Aber haben Sie schon einmal grenzüberschreitend bestellt, ohne bargeldlos zu zahlen?

Keine unnötigen Auflagen

Wer die Empfehlung genau liest, der wird schnell merken, wie ausgewogen sie ist:

Sie sorgt zum einen dafür, dass jeder am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilhaben kann,

sie vermeidet aber andererseits jede unnötige Auflage für Banken und andere Anbieter.

Zum einen lässt die Kommission den Mitgliedstaaten sehr viel Freiraum, wie sie den Zugang zum Basiskonto organisieren. Wir erwarten noch nicht einmal, dass notwendigerweise alle Banken dieses im Angebot haben müssen.

Selbstverständlich wollen wir Banken auch nicht dazu zwingen, Kredite an Kunden zu vergeben, die sie sich nicht leisten können. Deshalb soll das Basiskonto nur auf Guthabenbasis funktionieren, ohne Dispositionskredit.

Auch wenn unsere Untersuchungen von sechs bis sieben Millionen Menschen ausgehen, die deshalb kein Konto haben, weil ihnen die Eröffnung verweigert wurde, dürften am Ende noch viel mehr Bürgerinnen und Bürger von der Empfehlung profitieren. Rund 30 Millionen Erwachsene in der EU- das sind sieben Prozent aller Verbraucher - haben kein Zahlungskonto. Einige wollen oder brauchen möglicherweise keines, doch sobald ein Konto problemlos zu haben ist, wird es auch für mehr Menschen attraktiv.

Ungezählt sind jene Menschen, die Probleme haben, in einem anderen Mitgliedstaat der EU ein Konto zu eröffnen, wenn sie sich dort nur vorübergehend aufhalten: Studenten etwa oder Saisonarbeitnehmer. Auch wenn man es sich kaum vorstellen kann: Seit Jahren bekommt die Kommission immer wieder Briefe von Bürgerinnen und Bürgern, denen ein Konto nur deshalb verweigert wurde, weil sie in dem Land nicht ihren Hauptwohnsitz haben.

Sepa und die Empfehlungen für das Basiskonto ergänzen einander

Man könnte einwenden, in Zeiten von Sepa, dem Einheitlichen Euro Zahlungsraum, bräuchten wir keine europäische Regelung für das Basiskonto. Schließlich soll ein Konto genügen, um alle Zahlungsvorgänge in Euro zu organisieren. Ich sehe das anders: Sepa und die Empfehlung für das Basiskonto ergänzen einander. Ohne Konto gibt es auch keine Teilhabe an Sepa.

Und auch das Zweitkonto im Land des Studiums oder des Saisonarbeitsplatzes wird für viele aus Kostengründen vorerst nötig bleiben, zumal wenn Heimat- oder Gastland nicht der Euro-Zone angehören. Unsere rechtlich nicht bindende Empfehlung ist ein erster Schritt. Wir haben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgerufen, sie innerhalb von sechs Monaten umzusetzen.

Nach einem Jahr, im kommenden Sommer, werden wir Bilanz ziehen. Sollte sich die Lage nicht genügend zum Besseren gewendet haben, werden wir auch über verbindliche Maßnahmen nachdenken. Denn jeder in der Europäischen Union muss bargeldlos zahlen und sein Geld überwiesen bekommen können, wenn er es denn möchte.

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