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Lebensversicherungsreformgesetz: Mäßige Begeisterung

Am 4. Juni hat das Bundeskabinett den Gesetzesvorschlag des Gesetzes zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte, kurz Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) verabschiedet, mit dem "ungerechtfertigte Mittelabflüsse aus dem Vermögen der Lebensversicherer" unterbunden und auf diese Weise sichergestellt werden soll, dass die Mittel zur Erfüllung der Versicherungsnehmer aus den zugesagten Garantien zur Verfügung stehen. Dafür, so das Bundesfinanzministerium, wird von allen Beteiligten ein angemessener Beitrag verlangt. Informationen zum Thema hat das Bundesfinanzministerium denn auch unter der Internetadresse "lebensfairsicherungsgesetz.de" ins Netz gestellt.

- Durch eine verringerte bilanzielle Anrechenbarkeit von Abschlusskosten von 0,4 auf 0,25 Prozent sollen Anreize für die Versicherer geschaffen werden, ihre Abschlusskosten zu senken.

- Aktionäre müssen in dem Maße auf Ausschüttungen verzichten, wie die Garantiezusagen nicht ausfinanziert sind.

- Und auch ausscheidende Versicherte werden nur in dem Maß an den Bewertungsreserven festverzinslicher Wertpapiere beteiligt, der den "Sicherungsbedarf" für die gewährten Garantien übersteigt. Das Verfahren zur Berechnung dieses Sicherungsbedarfs wird gesetzlich vorgegeben.

Umstrittener Zeitplan

Gleichzeitig soll der Garantiezins für neue Verträge zum 1. Januar 2015 auf 1,25 Prozent gesenkt werden. Damit folgt der Regierungsentwurf einem Vorschlag der Deutschen Aktuarvereinigung vom Januar dieses Jahres.

Dennoch ist die Assekuranz gerade über diesen Zeitplan entsetzt: Die Absenkung des Höchstrechnungszinssatzes zum Jahreswechsel sei in der Kürze der Zeit technisch nicht darstellbar, zumal in Verbindung mit der vorgesehenen Offenlegungspflicht für Abschlussprovisionen und der Änderung des Höchstzillmerungssatzes, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV), Berlin. Schließlich müssen nicht nur die Tarife neu kalkuliert, sondern auch die Angebots- und Bestandsführungssysteme entsprechend angepasst werden.

Wenig sinnvoll scheint der Stichtag 1. Januar 2015 auch vor dem Hintergrund des Inkrafttretens von Solvency II zum 1. Januar 2016 mit der neuen Form der Eigenmittelunterlegung für langfristige Garantien bei Lebensversicherungen. Die Einführung neuer Tarifgenerationen nur ein Jahr vor Solvency II hätte insofern beträchtliche Mehrfachbelastungen zur Folge, letztlich auf Kosten der Rentabilität der Kundenpolicen.

Garantiezinssenkung: Probleme bei Riester-Verträgen?

Der Bund der Versicherten e.V. (BdV) hat im Zusammenhang mit dem neuen Garantiezins noch ganz andere Befürchtungen: Zumindest für ältere Verbraucher könnten unter diesen Bedingungen womöglich keine geförderten Altersvorsorgeverträge mehr angeboten werden, weil der Kapitalerhalt bei einem Satz von nur noch 1,25 Prozent nicht mehr dargestellt werden könne. Somit sei die Absenkung des Höchstrechnungszinses von großem Nachteil für Anbieter klassischer Garantieprodukte und bevorzuge damit "schlechtere fondsgebundene Tarife" und neuartige Garantieprodukte mit geringerem Garantieprofil.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. schlägt in diese Kerbe. Der BdV fordert deshalb nicht nur eine Verschiebung, sondern einen gänzlichen Verzicht auf die Absenkung des Höchstrechnungszinssatzes, während der VZBV Kostensenkung bei gleichzeitig neuer Regelung der Kostenverteilung anmahnt.

Bemühter Gesetzgeber

Das Bemühen des Gesetzgebers, einen fairen Interessensausgleich zwischen allen Beteiligten zu schaffen, wird von allen, die sich zu dem Gesetzentwurf geäußert haben, mehr oder weniger unisono gelobt. Es liegt aber auch in der Natur der Sache, dass die einzelnen Regelungen je nach Perspektive des Kommentators unterschiedlich bewertet werden.

So beurteilt der GDV als Branchenverband der Assekuranz die Einschränkung bei der Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere als "dringend notwendig". Schließlich hatte die Branche vor dem Hintergrund des lang anhaltenden Niedrigzinsumfeldes gerade an dieser Stelle nach dem Gesetzgeber gerufen, um die an sich absurde Situation abzustellen, dass die Unternehmen in Zeiten, in denen es immer schwieriger wird, die zugesagten Garantien zu erwirtschaften, zulasten des Kollektivs zu hohen Sonderausschüttungen gezwungen sind. Dass dieser Aspekt bei der Verbraucherschutzseite auf wenig Gegenliebe stößt, ist hingegen wenig überraschend.

Genau umgekehrt ist das Bild im Hinblick auf die Koppelung der Ausschüttungen an die Aktionäre an den Sicherungsbedarf. Während hier Verbraucherschützer wie zum Beispiel der Verbraucherzentrale Bundesverband, Berlin, die eingeschlagene Richtung loben, sieht die Assekuranz diesen Teil des Maßnahmenpakets außerordentlich kritisch.

Damit bestehe für die Unternehmen faktisch keine Möglichkeit mehr, neues Kapital aufzunehmen, so der GDV. Gerade vor dem Hintergrund der nach Solvency II geforderten Stärkung der Eigenmittelausstattung sei eine solche Regelung deshalb "absolut kontraproduktiv". Auch sei die Ausschüttungssperre mit einer Vielzahl von bilanziellen, gesellschafts- und steuerrechtlichen sowie verfassungsrechtlichen Problemen verbunden, die mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht gelöst seien.

Und schließlich die Abschlusskosten. Auch hier befürchtet die Branche einseitig eine Belastung der Unternehmen, da das Gesetz keinen Weg vorsieht, bestehende Vermittlerverträge zu ändern.

Offenlegung von Vertriebsprovisionen?

Die Offenlegung der Vertriebsprovisionen - bekanntlich ein Lieblingsthema der Politik beim Vertrieb von Finanzdienstleistungsprodukten für Privatkunden - wird von allen Seiten gleichermaßen kritisiert. Den Verbraucherschützern geht sie nicht weit genug - sie fordern einen Ausweis jeglicher monetären Anreize, um "Umgehungstatbestände" zu vermeiden, wie es der Verbraucherzentrale Bundesverband in seiner Stellungnahme formuliert. Die Anbieterseite verweist darauf, dass die Vertriebsprovisionen, die ja nur ein Teil der gesamten Abschlusskosten sind, für den Kunden wenig Aussagekraft haben, und fordert stattdessen den Ausweis der Gesamtkostenbelastung.

Auch an dieser Stelle stellt sich zudem ein technisches Umsetzungsproblem: Der konkrete Bedarf der Abschlussprovision ist dem Vermittler heute im Beratungsprozess in der Regel gar nicht bekannt, weil deren Bemessungsgrundlage bei den einzelnen Produkten variiert. Für die verlangte Offenlegung muss also die IT-Unterstützung im Beratungsprozess angepasst werden, was beim Inkrafttreten des Gesetzes schon im Sommer dieses Jahres zumindest ehr - geizig scheint.

Kündigungswelle oder neuer Schlussverkauf?

Unter dem Strich bleibt die Feststellung: Richtig zufrieden scheint mit dem Lebensversicherungsreformgesetz keine Seite. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Der Grundsatz, wonach ein guter Kompromiss sich dadurch auszeichnet, dass alle Parteien daran etwas auszusetzen haben, hat schließlich seine Berechtigung.

Ob der Lebensversicherung nun erst einmal eine Kündigungswelle bevorsteht oder doch eher ein erneuter "Schlussverkauf" mit dem jetzt noch höheren Garantiezins, wird sich zeigen. Vermutlich könnte es beides geben. Kündigungen seitens jener Kunden, die Angst haben, bei einem Durchhalten des Vertrags letztlich schlechter dazustehen, eine Abschlusswelle zum Jahresende bei jenen, die sich noch die jetzigen 1,75 Garantiezins sichern wollen, weil sie vielleicht mit noch stärkeren Absenkungen in der Zukunft rechnen. Die immer wieder aufflammende Debatte um Negativzinsen, auch für Kunden, mögen hier zu einem Schub beitragen.

Die Kündigungswelle wird vielleicht nicht gar so stark ausfallen. Schließlich warnen selbst Verbraucherschützer vor einer vorschnellen Vertragsbeendigung. Doch auch der Schlussverkaufseffekt dürfte sich in Grenzen halten.

- Zum einen waren solche Sonderkonjunkturen in letzter Zeit ein wenig zu häufig.

- Zum anderen dürfte die Verunsicherung vieler Verbraucher, die die ständige Diskussion um die Lebensversicherer verursacht hat, ihre Spuren hinterlassen haben.

- Nicht zuletzt muss sich auch die Vermittlerseite mit den neuen Rahmenbedingungen, Tarifen und Offenlegungspflichten erst einmal vertraut machen. Schließlich fällt ein möglicher Schlussverkauf in eine Phase, in der neue Regelungen wie die Absenkung des Höchstzillmerungssatzes um 15 Basispunkte bereits gelten. Auch dieser Eingriff in das Vertriebsmodell wird sich zweifellos auf die Neuabschlüsse auswirken.

Bestehende Lebensversicherungen werden durch das Gesetz somit zwar wohl gesichert. Dass Ziel, dass kein Kunde Angst haben muss, die ihm zugesagten Leistungen am Schluss nicht zu erreichen, dürfte damit erreicht werden. Ob die Lebensversicherung durch die Neuregelungen aus dem derzeitigen Attraktivitätstief herauskommt, ist indessen eine ganz andere Frage.

Möglicherweise ist das aber politisch auch gar nicht gewollt - schließlich soll der Verbraucher sich doch zur Vermeidung von Altersarmut verstärkt dem Kapitalmarkt zuwenden. Dann muss die Politik freilich auch die Frage beantworten, was das für die staatlich geförderte private Altersvorsorge bedeutet. Auch hier steht eine Neuorientierung schließlich noch an.

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