Abgeltungssteuer

Langfristiges Sparen: Besteuerung überprüfen

Wenn am 1. Januar 2009 die Abgeltungssteuer in Kraft tritt, erlebt Deutschland einen Systemwechsel: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik werden die verschiedenen Einkunftsarten nicht mehr einheitlich besteuert. Im künftigen dualen Steuerregime werden Zinserträge und Dividenden einheitlich mit 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer erfasst. Zusätzlich werden von der Abgeltungssteuer auch Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften belastet.

Das grundlegende Konzept der Abgeltungssteuer beruht auf einem Steuerabzug an der Quelle, mit dem die Einkommensteuer des Anlegers künftig prinzipiell abgegolten ist; Kapitaleinkünfte bedürfen dann keiner Steuererklärung mehr. Was praktisch klingt und zu Vorteilen für Anleger, Finanzbehörden und Finanzdienstleister hätte führen können, wird die Ziele des Gesetzes ohne Nachbesserungen nicht erreichen. Der hohe Steuersatz, die sogenannte Zuflussfiktion bei thesaurierenden Investmentfonds und Aspekte der Kirchensteuer werden dazu führen, dass die Mehrheit der Anleger auch in Zukunft an einer Steuererklärung für Kapitaleinkünfte nicht vorbei kommt.

Vorsorgebemühungen konterkariert

Schlimmer noch: Die Besteuerung auch langfristiger Veräußerungsgewinne stellt eine gravierende Steuererhöhung dar, die nicht nur inflationsbedingte Wertsteigerungen erfasst, sondern auch die Vorsorgeanstrengungen der Bevölkerung konterkariert - und für den Systemwechsel weder nötig noch unbedingt sinnvoll erscheint.

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Die erste: Wer bei hohem Einkommen schon ein größeres Vermögen aufgebaut hat und es sich leisten kann, bei der Kapitalanlage auf sichere Zinsanlagen zu setzen, zahlt künftig weniger Steuern. Die zweite: Die Abgeltungssteuer erfasst Wertzuwächse bei Investmentfonds nur für Neuanlagen ab dem 1. Januar 2009. Es ist daher allen Anlegern zu raten, sich steuerfreie Wertzuwächse mit Blick auf ihr heute zur Anlage zur Verfügung stehendes Vermögen langfristig zu sichern. Dazu besteht bis zum 31. Dezember 2008 Gelegenheit.

Wer vor 30 Jahren 10 000 Euro in einen Aktienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland investiert hat, konnte am 31. Dezember 2007 im Mittel über eine Ablaufleistung von 174 494 Euro verfügen. Das entspricht einer Rendite von zehn Prozent pro Jahr und zeigt, dass zwischenzeitliche Einbrüche wie 1987 und 2000 bis 2002 für den Langfristanleger kaum relevant sind.

Die Abgeltungssteuer wird dazu führen, dass eine solche Aktienfondsanlage ab dem Jahr 2009 zwar immer noch lohnend, aber nach Steuern doch deutlich weniger rentabel sein wird: In 30 Jahren werden auf den Auszahlungsbetrag über 30 000 Euro Steuern zu zahlen sein, so dass die Ablaufleistung unseres realen Beispiels auf 143 788 Euro sinkt. Denn die dann von der Abgeltungssteuer erfassten Veräußerungsgewinne machen bekanntlich den Großteil der langfristigen Aktienrendite aus.

Die schlechten Nachrichten betreffen vor allem die junge und mittlere Generation, diejenigen, die noch kein größeres Vermögen aufbauen konnten, für die aber eigenverantwortliche Altersvorsorge besonders wichtig ist. Sie können mangels Masse weder großes Vermögen durch das Nutzen der Übergangsregelung ins Trockene bringen noch würden sie mit den künftig besser gestellten Zinsprodukten langfristig gut fahren noch gilt für ihre begonnenen Fondssparpläne Vertrauensschutz: Denn bei Fondssparplänen unterliegen zwar alle im Rahmen des Sparvertrags vor dem 1. Januar 2009 erworbenen Anteile der jetzigen Regelung, aber alle danach erworbenen Anteile werden - auch wenn der Vertrag schon seit Jahren läuft - wie der Kauf von neuen Einmalanlagen betrachtet. Motivation, für das Alter vorzusorgen, sieht anders aus.

Abgeltungssteuer bedarf der Nachbesserung

Die unterschiedliche Besteuerung von Fondssparplänen und Lebens- beziehungsweise Rentenversicherungen veranlasst Berater, auch für reine Sparvorgänge Versicherungsprodukte zu empfehlen. Insbesondere fondsgebundene Lebensversicherungen werden wegen ihres fiskalischen Vorteils bereits massiv als Alternative zum "reinen" Fondssparplan beworben - obwohl dies nach Kosten und Steuern in der Regel keine Vorteile bringt.

Wenn der drohende Zugriff des Fiskus auf das Vorsorgevermögen aber als so belastend wahrgenommen wird, dass Bürger häufig entweder gänzlich auf diese zusätzliche Altersvorsorge verzichten oder rein steuerinduziert ungeeignete Vorsorgeformen wählen, werden Spargelder systematisch in kostenintensive Anlagen gedrängt. Die Verbraucherzentrale Bremen hat ausgerechnet, dass durch die höheren Kosten des "Versicherungsmantels" der Steuervorteil mehr als zunichte gemacht wird. Um nicht missverstanden zu werden: Es erscheint grundsätzlich richtig, langfris tiges Sparen zum Aufbau einer eigenen Altersvorsorge steuerlich zu entlasten und gegenüber anderen Sparzielen zu privilegieren. Denn hierdurch wird das wichtige Ziel unterstützt, dass möglichst viele Menschen eine ausreichende eigene Altersvorsorge aufbauen und im Alter nicht auf zusätzliche Transferleistungen aus öffentlichen Kassen angewiesen sind.

Benachteiligung von Sparplänen nicht gerechtfertigt

Es ist ferner nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber den Sparzweck Altersvorsorge unterstellt, wenn die Anspardauer mindestens zwölf Jahre betragen hat und der Sparer 60 Jahre alt ist. Daher ist es gut und richtig, dass diese Regelung für Lebensversicherungsverträge geschaffen wurde.

Allerdings ist fraglich, ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen die steuerliche Besserstellung von Versicherungen gegenüber Sparplänen gerechtfertigt ist. Dies könnte man annehmen, wenn Versicherungen Merkmale oder Eigenschaften aufwiesen, die sie "förderungswürdiger" machten als andere Sparpläne. Solche Merkmale könnten zum Beispiel sein: besonders niedrige Kosten, langfristig überlegene Rendite oder höhere Transparenz als bei anderen Sparprodukten. Es könnte ferner an die Anlagesicherheit gedacht werden. Sind Lebensversicherungen sicherer als andere Sparformen? Eine Mindestgarantie ist nicht vorgeschrieben, und Versicherungsunternehmen können insolvent werden. Dagegen sind Investmentfonds als Sondervermögen konkurssicher.

Wenig überzeugend wäre auch das Argument, ein eventuell vorhandener Todesfallschutz rechtfertige den Steuervorteil. Ein Todesfallschutz dient gerade nicht der Altersvorsorge, sondern der Absicherung Hinterbliebener. Der Gesichtspunkt ist aber auch schon deshalb irrelevant, weil ein über die Auszahlung des vorhandenen Kapitals hinausgehender Todesfallschutz in der Praxis ebenso wenig Voraussetzung für das Vorliegen einer Kapital bildenden Lebensversicherung im Sinne des Paragrafen 20 Absatz 1 Nr. 6 EStG ist wie die Absicherung anderer biometrischer Risiken.

Für alle diese Zusatzleistungen gilt, dass sie auch separat angeboten werden und nicht mit dem Sparvorgang gekoppelt sein müssen. Da rechtliche und ökonomische Gründe für eine Besserstellung nicht ersichtlich sind, gibt es möglicherweise politische Gründe dafür. Immerhin waren Lebensversicherungen bis Ende 2004 gänzlich steuerfrei, sodass die volle Besteuerung der Erträge durch das Alterseinkünftegesetz als zu hart empfunden worden wäre.

Dies erscheint durchaus berechtigt. Vor diesem Hintergrund ist eine Schlechterstellung anderer Sparpläne im Abgeltungssteuerregime aber erst recht nicht akzeptabel. Denn die Ablaufleistung eines Aktienfonds-Sparplans ist seit Jahrzehnten und auch heute noch steuerfrei. Die Situation ist also der von Lebensversicherungen beim Alterseinkünftegesetz durchaus vergleichbar.

Gleichbehandlung des Altersvorsorgesparens

Es liegt folglich nichts näher, als im künftigen Abgeltungssteuerregime Lebensversicherungen und andere Sparpläne gleich zu behandeln, und zwar in der Weise, dass bei allen vergleichbaren Sparprodukten nach einer Spardauer von mindestens zwölf Jahren und einem Mindestalter von 60 der gesamte Wertzuwachs letztlich mit dem hälftigen persönlichen Einkommensteuersatz belegt wird.

Im Rahmen der Unternehmenssteuerreform ist eine solche Feinjustierung der Abgeltungssteuer unterblieben, weil eher Fragen der Unternehmensbesteuerung im Vordergrund der Beratungen standen. Dies sollte rechtzeitig vor dem Inkrafttreten der Abgeltungssteuer nachgeholt werden. Die ungleiche Besteuerung miteinander konkurrierender Sparprodukte verschlechtert die Bedingungen für eigenverantwortliches, ungefördertes Vorsorgesparen erheblich und ist vor dem Hintergrund der wachsenden Notwendigkeit der Altersvorsorge kontraproduktiv.

Entschlossenes Handeln der Politik ist nötig, um drohende und möglicherweise irreversible Fehlentwicklungen im Vorsorgeverhalten der Bürger zu verhindern. Dabei geht es darum, systematisch verfehlte Steuerungswirkungen des derzeitigen Rahmenwerks nachzujustieren. Dies lässt sich ohne fiskalische Belastungen bewerkstelligen.

Langfristige Sparpläne und Einmalanlagen müssen als Maßnahme zur Altersvorsorge weniger einschneidend besteuert werden als kurzfristig erzielte Gewinne. Der Staat muss deutlich machen, dass er eigenverantwortliches Sparen zur Altersvorsorge anerkennt. Andere Länder machen es vor: Bei Franzosen und Briten sorgt der Gesetzgeber mit entsprechenden Freibeträgen vor. Noch vorteilhafter für Altersvorsorgesparer ist die Situation in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, wo langfristige Wertzuwächse generell oder nach einer Jahresfrist nicht besteuert werden.

Auf mittlere Sicht bedarf es daher mit Blick auf die Altersvorsorge einer grundsätzlichen Überprüfung der Besteuerung langfristiger Sparpläne. Doch zumindest einen ersten, kleinen Schritt sollte der Gesetzgeber jetzt tun und Investmentsparpläne, die ab 2009 abgeschlossen werden, genauso behandeln wie Versicherungen. Das bedeutet, dass bei der Endbesteuerung der Wertzuwachs nicht der Abgeltungssteuer, sondern wie bei Versicherungen nur zur Hälfte der persönlichen Einkommensteuer unterliegt.

Diese führt vor allem bei Durchschnittsverdienern zu einer nennenswerten steuerlichen Entlastung, denn bei einem persönlichen Steuersatz von 30 Prozent sind statt des Abgeltungssteuersatzes von 25 Prozent nur 15 Prozent auf die Differenz zwischen Einzahlungsbetrag und Auszahlungssumme zu zahlen. Diese Nachjustierung würde sich selbst finanzieren beziehungsweise wäre im Ergebnis mindestens steuerneutral, weil die niedrigere Besteuerung durch die höhere Effizienz beziehungsweise die niedrigeren Kosten des Fondssparplans ohne Versicherungsmantel ausgeglichen wird. Gleichzeitig profitieren die Altersvorsorgesparer von höheren Nachsteuerrenditen.

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