Kundenbindung

Kundenbindung: zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Kundenbindung ist für Kreditinstitute von zentraler Bedeutung und wird
für den Unternehmenserfolg in Zukunft noch wichtiger werden. Obwohl
dies in der Branche weitgehend bekannt ist, liegt die Umsetzung dieser
Erkenntnis in der Praxis im Argen, wie eine Studie der
Unternehmensberatung MSU Consulting aus Bad Homburg in Zusammenarbeit
mit dem Lehrstuhl Marketing I der Johannes Gutenberg-Universität in
Mainz aufzeigt.
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Kundenbindung erhöht die Cross-Buying-Absicht von Bankkunden, steigert
die Toleranz gegenüber Preiserhöhungen und wirkt sich positiv auf die
Weiterempfehlungsbereitschaft aus. Die Effekte einer verbesserten
Kundenbindung auf den Unternehmenserfolg sind erheblich.
Neukundenanwerbungen erfordern hohe Investitionen - die Pflege
aktueller Kundenpotenziale beansprucht lediglich 15 bis 20 Prozent
jener Aufwendungen, die eingesetzt werden müssen, um neue Kunden zu
gewinnen. Mit zunehmender Dauer der Geschäftsbeziehung können die
operativen Kosten gesenkt sowie die Erlöse gesteigert werden, so dass
die Profitabilität mit zunehmender Kundenbindung steigt. Um
langfristig erfolgreich am Markt zu agieren, stellen der Aufbau und
die Pflege stabiler Kundenbeziehungen für Kreditinstitute somit eine
der wichtigsten Aufgaben dar.
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Jeder sechste Kunde ist abwanderungsgefährdet
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Aus einer Befragung des Top-Managements der nach Bilanzsumme 1000
größten Kreditinstitute Deutschlands (Großbanken, Sparkassen,
Genossenschaftsbanken, Automobil- und Direktbanken) geht hervor, dass
die Zeichen der Zeit erkannt werden - 98 Prozent aller Befragten
schätzen die zukünftige Relevanz der Kundenbindung für den
Unternehmenserfolg als noch wichtiger als bisher ein - die Verankerung
und operative Umsetzung erfolgen dennoch bis dato unzureichend.
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Ein Kunde führt durchschnittlich 2,3 verschiedene Geschäftsbeziehungen
mit Kreditinstituten - eine potenzielle Gefahr, da Kunden von
verschiedenen Wettbewerbern mit gezielten Produktangeboten regelmäßig
angesprochen werden.
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Die durchschnittliche Kundenabwanderungsrate in den Kreditinstituten
beträgt knapp vier Prozent pro Jahr.
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Der Anteil abwanderungsgefährdeter Kunden liegt jedoch bei
durchschnittlich 15 Prozent - in mehr als jedem fünften Kreditinstitut
sogar bei über 20 Prozent.
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{L65533}Die Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden ist in über 80
Prozent aller Banken mittelmäßig bis gering.
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Mangelhafte Umsetzung
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Dieser Faktenlage entsprechend schätzen zwei Drittel aller
Kreditinstitute die Bindung ihrer Kunden lediglich als mittelmäßig
ein. Somit bleiben erhebliche Geschäftspotenziale ungenutzt:
Cross-Selling-Potenziale werden von 50 Prozent, Up-Selling-Potenziale
sogar von 65 Prozent aller Kreditinstitute als "niedrig" bis "sehr
niedrig" beurteilt.
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Die wesentliche Schwäche im Kundenbindungsmanagement der Banken liegt
in einer nicht optimalen Implementierung von der Strategie bis zur
operativen Ausgestaltung und Kontrolle wird das
Kundenbindungsmanagement nicht konsequent umgesetzt. Zwischen Anspruch
und Wirklichkeit klafft eine große Lücke.
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Zwar bescheinigen 98 Prozent der Befragten dem Thema Kundenbindung
eine hohe strategische Relevanz für den Unternehmenserfolg, und es
findet immerhin noch in 73 Prozent der Institute eine Verankerung der
Kundenbindung in der Unternehmensstrategie statt, auf der operativen
Ebene wird Kundenbindung jedoch unzureichend umgesetzt.
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So existieren in gerade einmal 36 Prozent der Institute klare
Zielvorgaben zur Umsetzung der Kundenbindungsstrategie. Nur in 30
Prozent der Unternehmen werden die genutzten Kundenbindungsinstrumente
in ein umfassendes Gesamtkonzept integriert - nach welchen Kriterien
die Instrumente ausgewählt werden, bleibt somit fraglich.
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Zudem existiert lediglich in ernüchternden 18 Prozent aller befragten
Kreditinstitute ein systematisches Controlling der
Kundenbindungsaktivitäten. Obwohl das Budget für
Kundenbindungsaktivitäten mit mehr als einem Drittel den höchsten
Anteil des Marketingbudgets in den Kreditinstituten ausmacht, ist vor
diesem Hintergrund davon auszugehen, dass diese Investitionen
weitgehend verpuffen ohne die gewünschten Effekte zu erzielen. Ein
gewissenhaftes Controlling ist daher unverzichtbar, um ineffiziente
Instrumente zu entlarven, durch gewinnbringende Instrumente zu
ersetzen und folglich ein erfolgreiches Gesamtsystem aufzubauen.
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Persönliche Mitarbeiterzuordnung wirkt
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Neben der Verankerung des Kundenbindungsmanagements in den
Kreditinstituten besteht erheblicher Optimierungsbedarf hinsichtlich
der Ausgestaltung und des Einsatzes der Kundenbindungsinstrumente. Im
Rahmen der Studie wurde für die Kategorien CRM,
Vertriebskanalmanagement, Mitarbeiterqualifikation und Anreizsysteme
sowie spezifische Kundenprogramme die jeweilige Bedeutung der
einzelnen Instrumente für die Kundenbindung ermittelt. Hier zeigt sich
ein relativ klares Profil, welche Instrumente von hoher Relevanz und
welche von nachrangiger Bedeutung.
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Der erste Hebel liegt in der Ausgestaltung des Multi-Kanalmanagements
der Kreditinstitute, das heißt im Management der Kontakt- und
Ansprachewege zu den Kunden. Die Studienergebnisse weisen insbesondere
auf die positive Wirkung einer persönlichen und direkten Zuordnung von
Bankmitarbeitern hin. Neben dem persönlichen Faktor ist jedoch auch
der "On-line-Faktor" von Relevanz - 85 Prozent der befragten Institute
sehen in einem exzellenten Online-Banking-Angebot einen wesentlichen
Hebel für Kundenbindung (24h-Banking, Convenience in der Bedienung,
Bankportal als Informations-, Aktions- und Abschlussplattform, Kunde
agiert als Bank-/Fondsmanager).
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Der zweite Hebel liegt im Customer Relationship Management.
Insbesondere die Zielgruppensegmentierung, eine systematische
Kundenansprache, ein konsequentes Kampagnenmanagement (zum Beispiel
Jahresaktionsplanung) sowie ein umfassendes Beschwerdemanagement
stellen hier die zentralen Instrumente der Kundenbindung dar.
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Bonusprogramme bringen wenig Gegenüber den skizzierten gibt es eine
ganze Reihe von Instrumenten, die eine deutlich geringere Bedeutung
für die Kundenbindung aufweisen. Hierunter fallen insbesondere
spezifische Programme wie zum Beispiel Kundenzeitschriften,
Kundenclubs, Weiterempfehlungsprämien und Bonusprogramme.
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Aufgrund ihrer geringen Hebelwirkung für die Kundenbindung sind diese
Instrumente in den Kreditinstituten einer kritischen Analyse zu
unterziehen und gegebenenfalls aus dem Kundenbindungsinstrumentarium
zu entfernen.

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