Öffentlichkeitsarbeit

Kommunikation von Finanzdienstleistern: Nach der Krise ist vor der Krise

Der zweite Börsencrash in einem Jahrzehnt, massive Verluste in den Wertpapierdepots, Falschberatung insbesondere bei Anlagerisiken und Produktempfehlungen, Boni selbst für Manager von schwer angeschlagenen Banken - Finanzdienstleister haben einen schweren Stand in Medien und öffentlicher Meinung. Image und Reputation der Institute haben seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2007/2008 deutlich gelitten. Vor diesem Hintergrund haben sich Bedürfnisse und Ansprüche von Bankkunden spürbar verändert. Politik und Bankenaufsicht reagieren mit Beipackzetteln und Beraterregistern. Finanzdienstleister und ihre Verbände lehnen solche Initiativen eher ab.

Wie kommunizieren Privatbanken und Vermögensverwalter in dieser Situation? Dieser Frage ist die Münchner Medien- und Kommunikationsberatung Commendo Agentur für Unternehmenskommunikation nachgegangen. Sie hat im Rahmen einer Bench-mark-Studie die Medien- und Internetkommunikation von 27 ausgewählten Privatbanken, Auslandsbanken und Vermögensverwaltern im deutschsprachigen Raum untersucht. Analysiert wurden 19 Einzelkriterien in den für Kunden zentralen Faktoren Sicherheit, Produkt- und Leistungstransparenz, Glaub- und Vertrauenswürdigkeit sowie Verständlichkeit.

Über alle vier Faktoren hinweg erreichten die untersuchten Unternehmen im Schnitt rund 59 Prozent der maximal möglichen Punktzahl. Die Benchmark setzt die Neue Vermögen AG mit knapp über 89 Prozent. Die drei besten Unternehmen konnten die Konkurrenz um fast zehn Prozentpunkte hinter sich lassen und überzeugten in allen vier untersuchten Kategorien. Nachholbedarf besteht dagegen für zehn Unternehmen, die insgesamt auf weniger als die Hälfte der Punkte kamen.

Insgesamt schnitten die deutschen Privatbanken (64 Prozent) leicht besser ab als die Vermögensverwalter (61 Prozent). Rund zehn Prozentpunkte weniger erreichten die ausländischen Privatbanken und landeten so mit 53 Prozent auf dem dritten Platz. Hier beeinträchtigen allerdings Sonderfaktoren wie die anhaltende Diskussion über Steuerhinterziehung die Situation und haben zu einem reservierteren Kommunikationsverhalten in der Außendarstellung geführt.

Das Ergebnis wird durch aktuelle Studien bestätigt, wonach über 50 Prozent der Bevölkerung äußern, dass sich ihre Hausbank nur wenig oder gar nicht darum bemüht, in der Finanzkrise verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) beurteilt die Maßnahmen als vollständig erfolglos. Bankkunden fordern insbesondere mehr Kundennähe, bessere Beratung, Transparenz, Seriosität, Verantwortung und Sicherheit (Marketing Partner, 2009). Finanzdienstleister, die diese Ansprüche ihrer wichtigsten Stakeholdergruppen nicht ernst nehmen, laufen Gefahr, dass ihre Kunden zur Konkurrenz abwandern. Denn das Ergebnis zeigt auch, dass es Anbieter gibt, die angemessen kommunizieren.

Sicherheit: Wichtigstes Kriterium erzielt schwächste Werte

Obwohl Sicherheit in der Studie das wichtigste Kriterium war und mit fünffacher Gewichtung in die Wertung einging, fahren die untersuchten Unternehmen hier das schwächste Ergebnis ein (53 Prozent).

Wenig ermutigend sind die Resultate in den beiden Unterkategorien Risikostreuung und Risikoklassen der Produkte (48 Prozent beziehungsweise 50 Prozent). Ein Großteil der Unternehmen macht nur sehr allgemeine oder gar keine Aussagen über Anlagestrategien. Eine risikoorientierte Einordnung der angebotenen Produkte suchen potenzielle Kunden meist vergebens. Auch gehen nur wenige Unternehmen auf unterschiedliche Anlegerwünsche, Sicherheitsbedürfnisse und Renditeerwartungen ein.

Ein Beispiel: Ein potenzieller Kunde möchte sich über das Angebot einer Privatbank informieren. Er findet viele nette Texte, die erklären, dass sein Geld bei dieser Bank in guten Händen ist, dass Werte und Ver trauen eine große Rolle spielen. Außerdem kann er Factsheets zu den angebotenen Produkten abrufen. Soweit so gut. Aller dings stößt er dort auf Begriffe wie Asset Allocation, Volatilität und Sharpe Ratio, die er nicht versteht. Nirgendwo wird erklärt, auf welche Produkte er bei welchem Sicherheitsbedürfnis zurückgreifen sollte, mit welcher Rendite er rechnen kann und welche Risiken er dabei eingeht. Unklar bleibt auch, wie er die verschiedenen Produkte kombinieren könnte, um eine möglichst umfassende Risikostreuung vorzunehmen.

Wer sich im Finanzmarkt gut auskennt, kann mit den gemachten Angaben sicherlich eine Menge anfangen und sich die Anlageprodukte entsprechend selbst zusammenstellen. Die Vermögensverwaltung zielt jedoch auf Kunden ab, die sich gerade nicht selbst kümmern wollen. Dennoch geben immerhin 72 Prozent der Anleger an, bei Beratungsgesprächen zum Thema Finanzen/Geldanlage nicht alles (ganz) verstanden zu haben (Focus Online 2009). Dabei attestieren repräsentative Untersuchungen knapp der Hälfte der Erwerbsfähigen "mangelhafte" oder allenfalls "ausreichende" Finanzkenntnisse - mehr als jeder Zweite stimmt der Aussage, "keine Ahnung vom Börsengeschehen" zu haben, tendenziell oder voll zu (Bankenverband 2008). Berücksichtigt man den Einfluss der sozialen Erwünschtheit bei solchen Umfragen, dürften die Werte eher noch höher liegen.

Die Folgen sind dramatisch: Immerhin drei Viertel der Bundesbürger (74 Prozent) geben an, dass ihr Vertrauen in die Anlageberatung von Banken im Verlauf der Finanzkrise gesunken ist (ING-Diba 2010). Die Investitionen in sicherheitsorientierte Anlagen nehmen zu (German Wealth Report 2009). Die ganzheitliche Betreuung an allen denkbaren Kontaktpunkten - dazu gehört auch der Onlineauftritt - gewinnt zunehmend an Bedeutung (You-Gov-Psychonomics 2010). Knapp neun von zehn Bundesbürgern (87 Prozent) ist es wichtig, Finanzprodukte zu verstehen (Allianz Bank Money Trends 2010).

Auf Anglizismen verzichten

Was können Banken und Vermögensverwalter tun?

Um sicherzustellen, dass Kunden nachvollziehen können, was sie lesen, bietet sich zum Beispiel an, ein Finanzglossar bereitzustellen und durch konkrete Beispiele zu veranschaulichen. Hier wer den alle wichtigen Begriffe für Laien einfach und verständlich erläutert. Kunden fällt es dann leichter, die angebotenen Informationen einzuordnen.

Ein Ampelsystem für die angebotenen Produkte kann zusätzlich helfen, Kunden auf intuitive Weise über die Sicherheit der angebotenen Produkte zu informieren.

Der wichtigste Schritt ist der weitgehende Verzicht auf Anglizismen.

Nur wenig besser als in der Kategorie Sicherheit schneiden die Unternehmen bei der Produkt- und Leistungstransparenz ab (54 Prozent). Dabei zeichnen sich zwei gegensätzliche Gruppen ab: Die eine Hälfte macht sehr ausführliche Angaben zur Zusammensetzung der Portfolios, Kursentwicklungen, Verlauf der An- und Verkaufswerte sowie Anlagevolumen etwa in Form von Factsheets. Auch der Beratungsprozess wird von der Hälfte der Unternehmen detailliert beschrieben. So erhalten potenzielle Kunden ausführliche Informationen zur Analyse der Vermögenssituation, Bedarfs- und Zielbestimmung und der individuellen Risikoneigung.

Ähnlich verhält es sich mit den Angaben zu Gebühren und Honoraren: Immerhin etwa ein Drittel der Unternehmen legt die Verwaltungs- und Beratungskosten offen. Die zweite Gruppe der Unternehmen macht dagegen zu den genannten Kriterien so gut wie überhaupt keine Angaben. Dabei ist gerade Transparenz einer der Hauptwünsche von Anlegern, wenn es darum geht, Vertrauen (zurück) zu gewinnen. Sie fordern Angebote, bei denen sie nicht das Gefühl haben, "über den Tisch gezogen" zu werden (Marketing Partner 2009). 70 Prozent der Bevölkerung finden, dass Banken bei der Beratung die persönliche Lebenssituation zu wenig beachten (Chordiant 2010). So lassen sich Anleger zunehmend von Emotionen leiten, statt in ihrer Anlage auf Fakten zu vertrauen (World Wealth Report 2010).

Die Offenlegung aller Gebühren, Honorare und Provisionen gibt Anlegern das Gefühl, zu wissen, worauf sie sich einlassen. Broschüren und Internetrubriken zu häufig gestellten Fragen (FAQ) helfen zusätzlich, die wichtigsten Antworten bereits im Vorfeld zu geben. Potenzielle Kunden fühlen sich dann ernst genommen und sind so womöglich eher geneigt, präsentierten Fakten Glauben zu schenken und sich nicht allein auf ihr Bauchgefühl zu ver lassen.

Der Beratung ein Gesicht geben

Besser schneiden die Unternehmen in der Studie in den beiden Kategorien Verständlichkeit (68 Prozent) sowie Glaub- und Vertrauenswürdigkeit (65 Prozent) ab. Überdurchschnittlich gut sind die Werte für das Unterkriterium Stil (75 Prozent). Trotzdem zeigen einige Unternehmen Mängel in den genannten Bereichen.

Eine einfache Möglichkeit, Nähe zu Kunden herzustellen, ist eine stärkere Personalisierung des Außenauftritts. So können Vor stände und vor allem die Kundenberater online vorgestellt werden. Foto, Lebenslauf, ein persönliches Statement und Kontaktdaten nehmen bereits einer unverbindlichen Informationsbeschaffung die Anonymität. Für Bestandskunden erleichtern sie zudem den Kontakt zu ihrem persönlichen Ansprechpartner.

Eine konsequente Weiterentwicklung eines persönlich orientierten Auftritts ist es, Kundenberater als Experten in der Medien- und Internetkommunikation einzusetzen. Wer könnte ein glaubwürdigerer Botschafter eines Unternehmens sein als dessen Mitarbeiter? Als Experten in Ratgeberrubriken und bei Leseraktionen von Tageszeitungen, als Autoren von Fachbeiträgen in Anlegermagazinen oder in Verbraucherforen beziehungsweise auf Finanzportalen im Internet.

Vertrauenskrise noch nicht vorbei

Das Ergebnis der Studie stimmt insgesamt nachdenklich. Die eingangs zitierten Zahlen belegen, dass die Vertrauenskrise keineswegs vorbei ist. Nur 17 Prozent der Privatkunden geben an, dass es ihren Banken gelungen ist, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen (Marketing Partner 2009). Der GPRA Vertrauensindex (Q3 2010) zeigt, dass die Finanzbranche von allen untersuchten Branchen nach wie vor das geringste Vertrauen genießt. Wie ist ein solches Resultat zu erklären? Wird die Krise nach wie vor von vielen Unternehmen unterschätzt?

Auf den ersten Blick scheinen drei Erklärungsansätze möglich: Während ein Teil der Institute überzeugt ist, dass die Banken- und Finanzkrise bereits überstanden ist (oder dies zumindest glauben möchte), hält sich ein anderer Teil gar nicht für betroffen. Dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken tendenziell besser durch die Krise gekommen sind, liegt nach dieser Sichtweise eher an ihrer anders gearteten Klientel als an ihrer Anlagepolitik. Und schließlich so scheint es, gibt es eine dritte Gruppe, die so sehr mit sich selbst beschäftigt ist, dass sie nicht wahrnimmt, was um sie herum geschieht.

Für alle drei Positionen lassen sich Indizien und Vertreter in Medien und Öffentlichkeit finden. Doch auf den zweiten Blick unterschätzen die Erklärungsansätze die Komplexität der Situation. Die Forschung kennt die beschriebenen Phänomene als Abweichungen zwischen persönlichen Wahrnehmungen und öffentlicher Meinung: Mal täuscht sich die Mehrheit in ihrer Einschätzung der Mehrheit ("pluralistic ignorance"). Ein andermal verzerren eigene Einstellungen die Wahrnehmung des Meinungsklimas ("looking glass perception").

Und schließlich führt die Vermeidung von widersprüchlichen Informationen zu einseitiger Wahrnehmung ("kognitive Dissonanz"). Stets kommt es neben der eigenen Meinung auch auf die Wahrnehmung der Meinungen von anderen an ("third person perception"). Die Folge beschreibt das sogenannte "Thomas-Theorem": Auch Irrtümer beziehungsweise Täuschungen ziehen reale Konsequenzen nach sich. Die PR-Praxis kennt das Phänomen in der Fassung von Epiktet: "Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen bestimmen das Zusammenleben."

Strategien für das Zurückgewinnen von Vertrauen

Banken und Finanzdienstleister müssen wieder zurückfinden zur Erdung in der Beziehung mit ihren Kunden. Viele haben den regelmäßigen Kontakt systematisch abgebaut: Bares holt sich die Kundschaft am Geldautomaten, Kontoauszüge im Internet oder am Auszugsdrucker, und die laufenden Finanzgeschäfte werden online erledigt. Das spart Kosten und kommt auch den Kunden zugute. Girokonto und Beratung sollen selbstverständlich, das heißt kostenlos sein.

Vertrauen kann jedoch nicht "kommuniziert", sondern nur durch positive Erfahrung erworben werden. Oder es wird in Form "blinden Vertrauens" geschenkt - solange bis es enttäuscht wird und wieder mühsam aufgebaut werden muss. Es ist weniger Folge von Kommunikation als vielmehr notwendige Voraussetzung für ihr Gelingen: Gerade der Ersatz persönlicher Kommunikation von Angesicht zu Angesicht durch mediale Kommunikation macht es erforderlich, Informationen zu "glauben" und zu "vertrauen".

Wenn aber Kommunikation Vertrauen nicht erzeugen kann, welche Strategien sind alternativ denkbar? Vertrauen lässt sich nur (zurück)gewinnen durch positive Erfahrung. Dafür müssen Privatbanken und Vermögensverwalter im ersten Schritt Lernbereitschaft signalisieren und im zweiten Schritt auf Wahrnehmungen und Einschätzungen ihrer Ziel- und Anspruchgruppen eingehen.

Kunden als "Wirkungsbeschleuniger"

Erst wenn Bankkunden erleben, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden, kann wieder eine positive, sich selbst verstärkende Spirale in Gang gesetzt werden. Sei es, dass sich der Berater mehr Zeit nimmt im Gespräch und auf die individuelle Situation deutlich stärker eingeht. Oder dass Risiken und Kosten von Anfang an offengelegt werden und nicht erst mit dem Depotauszug transparent werden.

Ein Wirkungsbeschleuniger kann dabei auch kommunikativ vermittelte Erfahrung sein - etwa durch authentische Kunden, die sich als Kundenbeiräte engagieren oder als Testimonials auftreten. Oder positive Bewertungen durch unabhängige Dritte, wie dies etwa bei Medienberichten, Testergebnissen, Ratings und Gütesiegeln der Fall ist. Auch die Ergebnisse von Perception Studies und Kundenzufriedenheitsbefragungen können diese Funktion übernehmen und als "Kundenbarometer" in der externen Kommunikation kontinuierliche Verbesserungen sichtbar machen. Kommunikation ermöglicht und stärkt dann im besten Sinne "Public Relations": als öffentliche Beziehungen zwischen Finanzinstitut und Kunden mit dem Ziel langfristiger gegenseitiger Kooperationsgewinne.

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