Kooperationen

Gemeinsame SB-Filiale - ein Zukunftsmodell?

Das Sauerland ist eine deutsche Mittelgebirgsregion im Südosten von Nord-rhein-Westfalen. Kleine Ausläufer des Hochsauerlandes reichen bis in einen nordwestlichen Zipfel von Hessen um Willingen. Zwar gilt das Sauerland als ein eher dünn besiedeltes Gebiet, aber abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung gab und gibt es erhebliche Unterschiede in der Bevölkerungsdichte.

Der Hochsauerlandkreis, als Teilregion des Sauerlandes, mit seinen zwölf Städten und Gemeinden ist mit 1 959 Quadratkilometern der flächengrößte Kreis Nordrhein-Westfalens. Die Besiedlungsdichte differiert relativ stark zwischen verstädterten (Arnsberg, 75000 Einwohner, 391 Einwohner/Quadratkilometer) und überwiegend ländlichen Strukturen, in denen sie im Durchschnitt bei 140 Einwohnern je Quadratkilometer Siedlungsfläche liegt. Die Gesamteinwohnerzahl des Hochsauerlandkreises beläuft sich auf ungefähr 270000.

Sundern, eine Kleinstadt im westlichen Sauerland, hat insgesamt rund 29 000 Einwohner. Sie besteht aus der Kernstadt mit rund 13000 Anwohnern und weiteren 15 angeschlossenen kleinen und kleinsten Ortsteilen zwischen 200 und 3 000 Einwohnern.

Die gewerbliche Struktur des Wirtschaftsstandortes Sundern ist geprägt durch das Handwerk, kleine und mittelständische Betriebe sowie einen ausgeprägten Handel. Viele Unternehmen sind international aufstellt und produzieren und vertreiben ihre Produkte weltweit. Bestimmt wird die gewerbliche Struktur überwiegend durch die metallverarbeitende Industrie, die Produktion von Elektro-, Haus- und Küchengeräten und die Herstellung von Papier und Kartonagen. Ergänzt wird die Struktur des Wirtschaftsstandortes Sundern durch Handwerk, Handel und Dienstleistungen. Auf diese Region ist das Geschäftsgebiet der Sparkasse Arnsberg-Sundern und der Volksbank Sauerland e. G. regional begrenzt: das der Sparkasse auf die Städte Arnsberg und Sundern, das der Volksbank auf das Sauerland.

Die Sparkasse Arnsberg-Sundern unterhält im Stadtgebiet Sundern neben der Gebietsdirektion in der Hauptstraße weitere fünf Geschäftsstellen.

Die Volksbank ist in der Stadt Sundern neben ihrer Hauptfiliale im Zentrum in den angeschlossenen Ortschaften mit insgesamt acht Geschäftsstellen und einer SB-Geschäftsstelle vertreten.

Die Geschäftsstellen der Institute befinden sich in insgesamt neun der 16 Ortschaften. An fünf Standorten sind sowohl Sparkasse als auch Volksbank jeweils mit einer Geschäftsstelle vertreten.

Mitten in Sundern sind Sparkasse und Volksbank mit ihren Gebietsdirektionen präsent. Von dort aus erfolgt die kundenorientierte Betreuung und Beratung der Kunden für die Kernstadt und die angeschlossenen Ortschaften. Daneben wurde im oberen Teil von Sundern, in fußläufiger Entfernung von etwa zehn Minuten, jeweils eine personenbesetzte Service-Geschäftsstelle vorgehalten. Diese Servicestellen befinden sich am Rande eines Wohngebietes mit rund 4 500 Einwohnern. Wie sehr häufig zu sehen, befinden sich beide Servicestellen in unmittelbarer Nachbarschaft voneinander. An diesem Standort wurde von den beiden Instituten ein Projektmodell initiiert.

Gemeinsamer geschäftspolitischer Ansatz

Bei allen Unterschieden zwischen Sparkassen und Volksbanken hatten deren Gründungsväter fast die gleichen Ursprungsgedanken. Diese werden von beiden Instituten auch heute noch in den aktuellen Geschäftsmodellen unverändert gelebt: Sie arbeiten in der Region und für die Region - insbesondere für die Menschen, die hier ihre Heimat haben. Ihr geschäftspolitisches Wirken ist in erster Linie auf die Menschen, die sie betreuen, ausgerichtet.

Dieser gemeinsame geschäftsstrategische Ansatz war Ausgangspunkt für eine erste Kontaktaufnahme der ansonsten in einem fairen, aber lebhaften Wettbewerb stehenden Institute in einem beschränkten regionalen Markt.

Herauszustellen ist, dass der ausschlaggebende Faktor für die Gespräche für beide Institute nicht allein der betriebswirtschaftliche Ansatz war. Die beteiligten Gesprächspartner sahen sich - durchaus nachvollziehbar - mit den gleichen Herausforderungen der Zukunft konfrontiert: Die flächendeckende Präsenz ist in beiden Geschäftsmodellen der Institute fest verankert. Damit sind beide Institute schon durch ihre geschäftspolitischen Aufträge verpflichtet, auf Dauer sicherzustellen, dass ihre Kunden auch unter geänderten Rahmenbedingungen flächendeckend mit Bargeld versorgt werden.

Daneben gilt es für beide Institute, sich im Rahmen der geschäftsstrategischen Planungen den Herausforderungen der Zukunft rechtzeitig zu öffnen, das geänderte Nutzungsverhalten der Kunden zu berücksichtigen und über gestaltbare Wege und Möglichkeiten für eine "neue Flächenversorgung" nachzudenken.

Geschäftsstellenstandort nicht mehr wirtschaftlich

Schnell herrschte in den Gesprächen Übereinstimmung, dass die Auslastung der beiden personenbesetzten Geschäftsstellen am Rande des innerstädtischen Wohngebiets Silmecke auf Sicht noch weiter zurückgehen wird. Rein unter betriebswirtschaftlichen Aspekten war für beide Institute der Geschäftsstellenstandort bereits zum heutigen Zeitpunkt nicht positiv darstellbar. Dazu kommen die erwarteten demografischen Veränderungen in der Zukunft, die für Sundern einen Bevölkerungsrückgang prognostizieren. Zum einen wird somit der demografische Wandel insbesondere in den ländlicheren Gegenden in den kommenden Jahren spürbar werden. Und zum anderen wird sich der Trend, Servicedienstleistungen mit Hilfe von Technik zu nutzen, nochmals weiter verstärken.

Wichtigster Ansatz war: Der Service der Geldversorgung, der für die Kunden vorgehalten wird, soll sich nicht verschlechtern. Beide Institute wollen die Leistungen für ihre Kunden nicht einschränken, sondern durch innovatives Handeln Möglichkeiten für die Zukunft öffnen. Auf dieser Basis haben beide Institute die Idee erar beitet, als Pilotprojekt an dem für beide Seiten für einen für eigenen Geldautomaten zu gering frequentierten Standort Silmecke eine gemeinsame Selbstbedienungszweigstelle mit der klaren Zielsetzung zu betreiben, für die Kunden beider Institute auch künftig den gewohnten Geld- und Kontoservice vorzuhalten und den Service möglichst noch zu verbessern.

Irritationen bei einigen Gesprächspartnern

Nachdem diese Idee "geboren" war, galt es für beide Institute, hierfür die Weichen zu stellen und intensive Gespräche mit den politischen Vertretern, aber auch mit den Aufsichtsgremien zu führen. Hierbei darf nicht unerwähnt bleiben, dass diese innovative Idee bei einigen Gesprächsteilnehmern zunächst auf Irritationen stieß. Aussagen wie: "Ihr investiert Millionen in die Werbung, um euch voneinander zu unterscheiden, und jetzt wird alles in einen Topf geworfen?" waren ebenso zu hören wie: "Eine tolle Idee, die man auch an anderen Standorten durchaus praktizieren könnte". Schlussendlich wurde das Pilotprojekt von allen Seiten abgesegnet.

Die Rahmenbedingungen waren schnell ausgehandelt und wurden in einem Kooperationsvertrag festgelegt.

Da der Mietvertrag der Sparkasse an ihrem Standort auslief, wurde als Standort für die gemeinsame Selbstbedienungs-Geschäftsstelle das sich im Eigentum der Volksbank befindliche Geschäftslokal gewählt. Neben dem gemeinsamen Geldautomaten sind in dem Geschäftslokal Kontoauszugsdrucker und ein Selbstbedienungsterminal der Sparkasse untergebracht. Die Kunden der beiden Institute können ihre Geldservice-Geschäfte in gewohnter Weise und kostenfrei erledigen. Wirtschaftlicher Betreiber des Geldautomaten ist die Volksbank Sauerland; die Rahmenbedingungen für die Kunden sind unverändert.

Die Kunden mitnehmen

Ein wesentlicher Schritt, um diese Idee erfolgreich umzusetzen, stand beiden Häusern noch bevor. Sie mussten ihre Kunden auf dem Weg ihrer Idee mitnehmen.

Die Sparkasse hat weit im Vorfeld der tatsächlichen Realisierung mit allen Geschäftskunden, die ihre Konten in der Geschäftsstelle führten, Gespräche geführt, um deren individuellen Bedarf an Servicedienstleistungen zu ermitteln. So waren zum Beispiel Fragen rund um Kleingeld- und Geldwechselthemen zu klären, persönliche Empfindsamkeiten verständnisvoll und lösungsorientiert aufzulösen und konkrete und individuelle Lösungen aufzuzeigen.

Die Kunden der beiden Geldinstitute wurden zudem per Anschreiben über die Änderungen infor miert. Die Reaktionen waren durchaus kontrovers. Um zum Erfolg zu gelangen, war es daher ausnehmend wichtig, eine offene Kommunikation zu betreiben und jeden Hinweis aufzunehmen. Um darüber hinaus einen Überblick den tatsächlichen Bedarf der Kunden zu quantifizieren, wurden durch die Mitarbeiter in den Geschäftsstellen alle Geschäftsvorfälle aufgezeichnet.

Für ihre Privatkunden hat sich die Sparkasse etwas ganz Besonderes ausgedacht.

Bürgerbus zur Sparkasse

Das Wohngebiet Silmecke liegt abseits von den Buslinien des öffentlichen Personennahverkehrs. Um in die in der Innenstadt Sunderns gelegenen Kompetenzzentren beider Institute zu gelangen, müssen die Bewohner auf den eigenen PKW oder den Bürgerbus Sundern e. V. zugreifen, einen gemeinnützigen Verein, der mit ehrenamtlichen Fahrern die Randgebiete Sunderns betreut.

Dieses Angebot wird vorwiegend von älteren Personen genutzt, die nicht mobil sind und sich den Fußweg nicht mehr zumuten können. Ab dem 15. November 2010 wurde in Kooperation mit dem Bürgerbus Sundern e. V. die Linienführung des Bürgerbusses geändert, die jetzt auch die Gebietsdirektion im Zentrum der Stadt anfährt. Alle Kunden der Sparkasse können mit der Vorlage ihrer Sparkassencard diesen Bürgerbusservice kostenlos nutzen. Dieser zusätzliche Service wurde von den Kunden mehr als positiv aufgenommen und war in den Gesprächen mit den von den Veränderungen betroffenen Kunden ein stärkendes Argument.

Unterschriftensammlung gegen die Veränderung

Nicht verschweigen darf man, dass nicht alle Kunden von der Kooperationsidee überzeugt waren. Einige Kunden und auch Anwohner haben durch eine Unterschriftensammlung, die der Volksbank übergeben wurde, ihren Unmut über die Veränderungen geäußert. Beim Hinterfragen der Gründe waren es jedoch hauptsächlich emotionale Befindlichkeiten, die die Kunden betroffen machten. Diese konnten durch sachliche und offene Gespräche ausgeräumt werden.

Von den insgesamt eingereichten Unterschriften waren nur 36 Prozent von Kunden der Volksbank (etwa 250), nur elf dieser Kunden waren älter als 75 Jahre. Diesen Kunden wurde von der Volksbank ein persönlicher Bargeldservice angeboten. Keiner der Kunden hat diesen Service bislang genutzt.

Bei der Sparkasse ergab sich nur in zwei Fällen ergänzender Gesprächsbedarf. Auch hier konnten die Sachargumente letztlich überzeugen.

Keinen Kunden verloren

Der Start der gemeinsamen SB-Geschäftsstelle erfolgte im November 2010. Kleinere Anlaufschwierigkeiten und Stolpersteine durch die Administration der Technik (Sparkassenkunden erhielten das Bargeld kostenlos, wurden aber - je nach Girokontomodell - mit einem Buchungsposten für Lastschriften belastet) wurden eng begleitet und konnten problemlos beseitigt werden. Beschwerden aus der Bevölkerung wurden beiden Instituten nicht mehr zugetragen.

Beide Vorstandsmitglieder sind heute nach einer sechsmonatigen Anlaufphase - mehr denn je davon überzeugt, den richtigen Schritt getan zu haben: Die beteiligten Institute haben keinen Kunden verloren, die Technik wird gut genutzt und die Auslastungsquoten zeigen, dass die Kooperation auch unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll war. Erwartungsgemäß sind durch die Umwandlung der vormals personenbesetzten Geschäftsstellen in eine reine Selbst-bedienungs-Geschäftsstelle die Barverfügungen nochmals zurückgegangen. Im Jahr 2011 rechnen die Institute mit einer Gesamtpostenzahl von 40 000 Verfügungen.

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