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ETFs: Das große Missverständnis

Transparenz und günstige Kosten - so lauten die stärksten und stets wiederholten Argumente pro Indexfonds. Das vermittelt, dass es sich hier um einfache Produkte handelt, mit denen vor allem Fondsanleger vor die Alternative gestellt werden. Doch das ist nur eine Seite der Medaille: ETFs können ein höchst beratungsbedürftiges Finanzinstrument sein.

Anlegers Liebling bedarf nicht viel: Drei Buchstaben, eine Null vor dem Komma bei den Kosten, eine parallele Wertentwicklung zum gewählten Index und vermeintlich jede Menge Transparenz. Damit ist ETF zum erfolgreichsten Buchstabenkürzel der Finanzgeschichte geworden. Weltweit haben Anleger laut Blackrock rund 2 500 Milliarden US-Dollar in die börsengehandelten Fonds investiert. Und im Jahr 2013 flossen weitere 200 Milliarden Dollar zusätzlich in ETFs. Dieser Zuwachs resultiert rein aus Neuinvestitionen - nicht aus Kursgewinnen!

Ein beratungsbedürftiges Produkt

Kein Wunder also, dass seit ihrer Zulassung hierzulande im Jahr 2000 das Angebot an ETFs stetig gestiegen ist. Aktuell können Anleger aus mehr als 2 200 Indexfonds mit über 4 000 Börsennotierungen wählen. Darunter finden sich eine ganze Reihe exotischer Produkte - ETFs auf kleine, wenig kapitalisierte Aktienmärkte etwa, oder solche, die beispielsweise die Entwicklung von Hedgefonds abbilden beziehungsweise gewisse Trading-Strategien.

Gerade diese Produktvielfalt aber wird immer mehr zur Herausforderung: Die Komplexität überfordert viele Anleger, das sagte jeder zweite Vermögensberater bei einer Befragung im Rahmen des Vermögensbarometers von Cortal Consors im Februar. Das Marktsegment der ETFs werde zunehmend unübersichtlich und verliere an Transparenz.

Das bedeutet, dass ETFs ein beratungsbedürftiges Produkt sind. Dieser Umstand aber ist bei Anlegern in der Regel noch nicht angekommen. ETFs haben in den vergangenen Jahren schließlich die "ultimative Lobhudelei" erfahren. Nicht nur von den Medien sind sie geradezu gehypt worden als billigere und bessere Alternative zu aktiv gemanagten Fonds oder auch dem Engagement in einzelnen Aktien. Daneben haben sie den Ruf, ein einfaches Investmentvehikel zu sein, mit dem auch Kleinanleger an exotischen Märkten oder der Preisentwicklung von Rohstoffen direkt partizipieren können.

Die Marktmacht der ETFs

So haben Indexfonds mittlerweile regelrecht Marktmacht entwickelt und können Kurse bewegen. Das wird immer wieder besonders auf den Rohstoffmärkten anschaulich. Ein wesentlicher Anteil am prozentual zweistelligen Preisanstieg von Palladium in diesem Jahr wird beispielsweise der Auflage von zwei südafrikanischen ETFs zugeschrieben, die mit dem physischen Metall hinterlegt sind und inzwischen für mehr als ein Fünftel der Weltjahresproduktion stehen.

Die ETF-Welt ist also mitnichten immer einfach und transparent. Sie ist vielmehr weitaus komplizierter, als es für die meisten Anleger den Anschein hat, und sie ist folglich alles andere als leicht zu durchblicken.

Auf die Situation kommt es an

Hinzu kommt, dass keineswegs jeder Fondsanleger mit einem ETF grundsätzlich besser und billiger bedient ist als mit dem klassischen Investmentfonds.

Zuallererst einmal gilt: Der Einsatz von ETFs ist situationsbedingt. Laut Vermögensbarometer von Cortal Consors hält knapp die Hälfte der ETF-Investoren ihr Investment langfristig. Der Rest nutzt Indexfonds eher kurzfristig.

In der Tat ist dies einer der großen Vorteile der Fonds: Ein Anleger, der etwa den Dax für aussichtsreich hält und in der Breite auf ihn setzen möchte, ist mit einem entsprechenden Dax-ETF adäquat bedient. Wer eine klare Strategie für seine Anlage in einem marktbreiten Index besitzt, der hat es auch relativ leicht, gute und liquide Produkte zu finden. Es herrscht schließlich ausreichender Wettbewerb zwischen den Anbietern.

Zu den ETF-Topsellern zählen denn auch jene, welche die großen Indizes abbilden - Dax, Euro Stoxx oder MSCI World. In fallenden Marktphasen wiederum erfreuen sich bei Tradern die jeweiligen Short-Produkte großer Beliebtheit.

Replizierende oder synthetische ETFs?

Stichwort Produktauswahl. Denn hier beginnt die Crux mit den Finessen der ETFs. Jeder Käufer sollte sich auch die Struktur des Produkts seiner Wahl ansehen. Es gibt nämlich entscheidende Unterschiede - zwischen ETFs, die den zugrunde liegenden Index replizierend, also 1:1 nachbilden, und jenen, die synthetisch mit Hilfe von Swaps aufgebaut sind. Bei Letzteren sollte der Anleger wissen, dass er damit derivative Instrumente in sein Portfolio holt - und das ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. Gerade bei Nischenmärkten wird gerne zu diesem Mittel gegriffen, aber auch bei Produkten auf sehr marktbreite Indizes wie den MSCI World mit seinen etwa 1400 Aktien.

Ein replizierender Fonds bietet zwar mehr Sicherheit, das schlägt sich in der Regel aber bei den Kosten nieder. Andererseits zahlt auch nicht jeder Anleger gerne Quellensteuer auf Dividendenerträge, was bei den replizierenden ETFs wiederum der Fall ist.

Weniger Konkurrenz, höhere Kosten

Stichwort Kosten. Die Frage der TER stellt sich gerade bei Produkten auf exotischere Märkte. Hier sind nicht nur die Spreads deutlich größer als bei den marktbreiten Indizes. Auch die Konkurrenz der Anbieter ist geringer, der Kostendruck durch die Konkurrenzsituation bleibt weitgehend aus. Unter dem Strich steht mitnichten eine Null vor dem Komma, und diese Indexfonds liegen von der Kostenseite her nicht mehr weit entfernt von dem, was für einen gemanagten Fonds gezahlt werden muss - zumal angesichts der heute üblich gewordenen Reduktionen des Ausgabeaufschlags. Auch für aktive Trader lohnt es sich, hier genau zu rechnen.

Die Verfechter von Indexfonds führen gerne ins Feld, dass es keineswegs allen gemanagten Fonds stets gelingt, ihre eigene Benchmark zu übertreffen. Dem kann man entgegnen, dass dies sehr oft auch für Abwärtsbewegungen gilt. Dann bleiben herkömmliche Investmentfonds in der Regel hinter dem Index zurück, sprich: Sie machen weniger Verluste. Beim Indexfonds dagegen ist der Anleger voll dabei, auch wenn es in Richtung Süden geht.

Alternative zu Zertifikaten

Stichwort Transparenz. Mitunter mag zwar die Konstruktion eines ETF transparent sein, aber keineswegs der Markt, auf den er sich bezieht. Die Rede ist von Investmentvehikeln, die sich beispielsweise auf Hedgefonds beziehen. Oder Smart-Beta-Produkte, die Alternativen zu den Aktien eines Index verwenden. Das setzt eine eindeutige Strategie voraus und den Mut zum Risiko. Und einen tiefen Einblick in die jeweilige Konstruktion des ETF.

Aber sprechen wir hierbei überhaupt noch von Produkten, die ein klassischer Fondsanleger bei seinem Investment im Blick, respektive im Depot haben will? Geht es hier noch um die Alternative zum klassischen aktiv gemanagten Fonds - nur transparenter und günstiger? Eher nicht.

Wir bewegen uns vielmehr auf einem Feld, das gewöhnlich durch Zertifikate beackert wird. Dort aber finden sich in der Regel aktive Trader mit großem Wissen, klaren Anlagestrategien und ausgeprägtem Risikobewusstsein. Für sie stellen Indexfonds, inklusive der diversen Short-Produkte, mithin eine Ergänzung, beziehungsweise einen Ersatz für die Produkte des Zertifikatemarktes dar. Da aber befindet man sich, um es deutlich zu sagen, auf einer ganz anderen Baustelle als bei der üblichen Fondsanlage.

Klare Grenzen bei Anleihen

Stichwort Strategie. Zurück zur großen Masse der Investoren. Was wollen diese eigentlich wirklich? Nach den leidvollen Erfahrungen mit Technologieblase und Finanzkrise ist Otto-Normalanleger in erster Linie von einem nachvollziehbaren Sicherheitsbedürfnis und einem gewissen Kostenbewusstsein geprägt. Das kann in Summe das Bedürfnis nach Anleihe-Indexfonds ergeben.

Doch gerade deren Konstruktion widerspricht dem eigentlichen Anspruch eines sicherheitsorientierten Investors. Denn eine Besonderheit bei Bond-Indizes ist dem Gros der Anleger wohl nicht bewusst: Der größte Schuldner hat immer auch das größte Gewicht im Index. Das bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass dieser auch der beste Schuldner ist. Unter den Staatsschuldnern der Eurozone zum Beispiel nimmt neben Deutschland diese Position Italien ein. Würde der Anleger eine italienische Staatsanleihe auch direkt kaufen?

Ein weiteres Problem bei Renten-ETFs ist, dass eigentlich alle Indexbestandteile stets durch Liquidität gedeckt sein müssten. Doch genau dies darf bezweifelt werden. Zudem fallen beim Handel auch noch relativ hohe Kosten an. Um es ganz deutlich zu sagen: Gerade im Bereich der Anleihen haben ETFs klare Grenzen und sind, blickt man hinter die Fassade, nur für eine Minderheit der privaten Anleger geeignet.

Das Problem der Beratung

Stichwort Beratung: Indexfonds sind also ein durchaus beratungsintensives Produkt.

- Wie ist der jeweilige ETF aufgebaut,

- welches Risiko verbirgt sich hinter der Konstruktion,

- wie sind seine wahren Kosten im Vergleich zu einem gemanagten Pendant

- und inwieweit deckt sich all dies mit den Vorstellungen des Anlegers.

Das Problem dabei: Beratung auf ETF-Basis ist in dem Umfang, den nicht zuletzt der Gesetzgeber heutzutage verlangt, vonseiten der Bank nicht leistbar, da sie aufgrund der Kostenstrukturen der Fonds schlichtweg nicht finanzierbar ist.

Paradefall für die Honorarberatung

Im Beratungsalltag spielt das jedoch nicht einmal eine so große Rolle, wie man meinen möchte. Dort geht es vorwiegend um Anlageziele und Horizonte, und - aus der Praxis heraus gesprochen - ist es den Kunden letztlich oft einerlei, ob sie auf einen Indexfonds oder ein gemanagtes Produkt setzen. Hauptsache, es passt zu den Rahmenbedingungen ihrer Erwartungen und Ansprüche. Wobei man sich eines Umstands bewusst sein muss: Das Investment für Jahrzehnte gibt es nicht mehr. Die Buy- and Hold-Strategie eines André Kostolany ist passé. Das gilt - natürlich - für Indexfonds, das gilt aber ebenso für gemanagte Fonds, auf die bei Cortal Consors übrigens immer noch drei von vier neu eröffneten Sparplänen entfallen. Gerade der Erfolg wird ihnen oft zum Verhängnis: Es existieren genügend Beispiele von Fonds, die an ihrer positiven Performance regelrecht erstickt sind. Weil sie in der Folge mit zu viel Anlegergeld geflutet wurden und nicht mehr sinnvoll investieren konnten.

Doch zurück zu den ETFs. Spezielle Beratung kann hier einzig die Honorarberatung leisten. Dort bekommen Anleger nicht nur die passenden Tools für kurzfristige Trades an die Hand, inklusive Stopp- und Zielkursen.

Auch für längerfristige Engagements bekommen sie die volle Auswahl geboten, das heißt eben auch herkömmliche Investmentfonds. Wobei man anmerken muss: Bei diesen entfallen für Kunden der Honorarberatung die Transaktionskosten, dazu werden auch alle Kickbacks erstattet. Da muss der Anleger dann schon mit sehr spitzem Bleistift rechnen, ob er mit einem vergleichbaren ETF tatsächlicher günstiger und besser wegkommt. Oder ob ihm ein gezielt gewählter Fondsmanager nicht doch einen Mehrwert bieten kann.

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