Technik im Retail

Erfolgsfaktor Produktions- und Prozessoptimierung

Eine Differenzierung im Wettbewerb allein über das eigentliche Kernprodukt ist aufgrund der steigenden Homogenisierung, in der Preis und Verfügbarkeit der Produkte sich immer weiter angleichen, kaum noch möglich.1) Dies trifft im besonderen Maße auf Banken zu, die ihr Angebot ausschließlich an Privatkunden richten und einfache, standardisierte Produkte vorhalten. Wenn darüber hinaus Tradition (Filialnetz) und Innovation (beratende Direktbank) für einen optimalen Kundennutzen miteinander vernetzt werden, mündet ein solcher strategischer Ansatz in einer hohen Anforderung an das Management der verschiedenen Kundeneintrittskanäle. Denn diese Philosophie benötigt eine voll integrierte Multikanalbank, die ihren Kunden gleichwertige Zugänge zu den Produkten über die persönliche Beratung in den Filialen, das Telefon oder das Internet ermöglicht. Resultierend aus einer Verschärfung des Wettbewerbsdrucks im Kerngeschäft stellt sich dabei die Frage, ob im Service- und Dienstleistungsbereich die Qualität der Prozesse ausreichend hoch ist und nur wenig Niveauschwankungen aufweist.2)

Als eine zentrale Managementaufgabe kann daher die Gestaltung optimaler Produktionsabläufe bezeichnet werden. Elementare Bedeutung nimmt dabei die Vernetzung der betroffenen Teilbereiche zu einer auf Ganzheitlichkeit ausgelegten Modellsicht ein. Daher rücken neben der reinen Prozessoptimierung auch die Aufbauorganisation, die Personalqualifikation sowie die risikopolitische Positionierung in den Betrachtungsfokus.

Sich ändernde Kundenwünsche, neue Technologien oder veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen bilden wichtige Einflussfaktoren und machen die Aufgabe der Produktionsoptimierung zu einem dauerhaften, dynamischen und erfolgsentscheidenden Prozess. Insbesondere wenn es gelingt, alle bisherigen Gewohnheiten des Produktionsablaufs bezogen auf Kundenwunsch und Produkt systematisch infrage zu stellen sowie zielorientiert weiterzuentwickeln, können wirkliche Verbesserungen realisiert werden.

Ständiger Zwang zur Verbesserung

An erster Stelle ist somit bei der Produktionsgestaltung auf die Vermeidung von verdeckter Verschwendung zu achten. Lediglich kostengünstig zu arbeiten reicht für eine solche "schlanke Produktion" demnach nicht aus. Vielmehr ist zusätzlich das Produkt gemäß dem Kundenwunsch zu produzieren. Nur das Zusammenspiel dieser beiden Faktoren - und insofern das Aufeinandertreffen der internen mit der externen Sichtweise - gewährleistet eine nachhaltige Gewinnsicherung.3)

Greift die Hypothese auch für Banken, dass sich der Gewinn nach Abzug der Herstellungskosten ergibt, bedeutet das für die Produktion einen ständigen Zwang zur Verbesserung. Auf diese Weise kann der unvermeidliche Anstieg bei den Faktorkosten - in diesem Fall handelt es sich um Kosten der Technik oder Personalkosten - dadurch ausgeglichen werden, dass der Produktionsaufwand sinkt. Hierbei handelt es sich aus dem Blickwinkel der Produktion um den einzigen Stellhebel, mit dem die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens dauerhaft gesichert werden kann, da bei zunehmendem Wettbewerbsdruck Kosteneinsparungen neben den Ertragssteigerungen als überlebenswichtig angesehen werden können.4)

Neuorganisation der Produktionsbank

Dies erkennend hat die PSD Bank Nord ein umfangreiches Projekt gestartet, in dem die grundsätzliche Ausrichtung und der organisatorische Aufbau der kompletten Produktionsbank einer grundlegenden Überprüfung unterzogen wurden. Zeitgleich hat sie ihren Kernprozess der Baufinanzierung einer Reorganisation unterzogen.

Als primäres Projektziel wurde die Hebung von Synergieeffekten bei gleichzeitiger Sicherstellung einer übergreifenden Steuerung definiert. Der letztgenannte Punkt orientiert sich an industriellen Fertigungsprozessen und soll eine flexible Reaktion auf nicht linear auftretende Auftragseingänge ermöglichen. Eine große Herausforderung hierbei besteht darin, die grundsätzlich einem statischen Zeitgefüge unterliegenden Personalkapazitäten mit dieser Flexibilisierung in Einklang zu bringen.

Dem Modell der Vernetzung folgend, wurden aufbauorganisatorisch in einem ersten Schritt verschiedene, zuvor eigenständig planende und agierende Einheiten organisatorisch und räumlich zusammengeführt. Dabei wurden die sich teilweise überschneidenden Aufgaben klar definiert und hierarchisch einem Entscheidungsträger unterstellt. Dieser funktionalen Organisationsstruktur liegen zuvor erarbeitete Sollprozesse zugrunde. Nach der Zusammenführung der verschiedenen Funktionen und Prozesse erfolgt die Bearbeitung sämtlicher Geschäftsprozesse rund um den Neukunden und das "Passiv- und Gironeugeschäft in der Abteilung Passiv Zahlungsverkehr Neugeschäft". Die Bearbeitung der Kreditabwicklung für alle Kontoarten wird in der Abteilung Kredit "Bestand" durchgeführt.

Vorgangsgestützte Bearbeitung im Kernbankensystem

Da aufgrund der Ausrichtung der Bank dem Kreditneugeschäft eine besondere Bedeutung zukommt, wird die zentrale Produktion des gesamten Neugeschäftes in der Abteilung Kredit "Neu" verantwortet. Vorbild für die weitere Aufschlüsselung der zugrunde liegenden Teilprozesse war wiederum der industrielle Fertigungsprozess. Analog der industriellen Segmentfertigung, in der eine chronologische Montage der Produkte durch verschiedene Fachteams erfolgt, wurde die Gestaltung der Bearbeitungsprozesse innerhalb der Bank nach Produktionseinheiten von der Eingangskontrolle der Kreditanträge bis zur Darlehensvalutierung definiert.

Der definierte Ablauf sieht durchgängig, über den gesamten Prozess, eine vorgangsgestützte Bearbeitung im Kernbanksystem vor. Der Vorgang soll den jeweiligen Bearbeiter durch die durchzuführenden Schritte leiten. Durch administrative Vorbelegungen, Maskensteuerungen und Übernahmen der Bezugsobjekte (wie Personen, Vermögenswerte, Sicherheiten, Formulare) werden Prozessvereinfachungen und Zeitvorteile erzielt (siehe Abbildung 1). Die Bearbeitung eines Kreditprozesses erfolgt durchgängig elektronisch auf Basis der Vorgänge. Zur Sicherstellung einer gleichbleibend hohen Qualität wurden dabei elektronische Checklisten hinterlegt. Wenn der Vorgang zu einer anderen Organisationseinheit übergeben wird, ist technisch eine entsprechende Funktion "Vorgang weiterleiten" platziert. Um die mit der Einführung des geschilderten Prozesses erwarteten Vorteile nutzen zu können, wurde eine Standardisierung der Wertermittlungsverfahren vorgenommen, da die Gestaltung der Aufgabenschritte zur Recherche und Ermittlung der Daten sowie die Berechnung von Beleihungswerten erheblichen Einfluss auf den Bearbeitungsaufwand in der Antragsbearbeitung aufweisen.

Mit Hilfe der Vorgänge sind Bearbeitungs- und Durchlaufzeiten sowie Bearbeitungsmengen und Fehlerquoten ermittelbar und eine einheitliche Vorgehensweise sichergestellt. Jedes Mitglied einer Einheit übernimmt somit alle in diesem Produktionsschritt anfallenden Tätigkeiten - eine Entscheidung, die zu einer deutlich erhöhten Flexibilität geführt hat. Nach einem vordefinierten Prozess übernimmt die nächste Einheit den Kreditvorgang, nachdem die vorherige ihre Produktionstätigkeit beendet hat.

Reorganisation des Kernprozesses der Baufinanzierung

Innerhalb der PSD Bank Nord stellt die Baufinanzierung den komplexesten Vertriebs-/Betriebsprozess dar. Dieser ist zudem durch ein hohes Maß an bereichsübergreifender Bearbeitung, umfassenden aufsichtsrechtlichen Anforderungen und komplexen Kompetenz- und Kontrollsystemen geprägt. Die effiziente Leistungserstellung ist insofern eine notwendige Voraussetzung zur Sicherung der dauerhaften Wettbewerbsfähigkeit.

Zielsetzung der Optimierung war eine primär kostenorientierte Restrukturierung des Neugeschäftsprozesses. Diese wird im Wesentlichen durch eine am Ausfallrisiko orientierte Differenzierung in drei Bearbeitungsvarianten (Kompakt/ Standard/Qualifiziert) und die konsequente Abstimmung des Prozesses auf die Möglichkeiten und Restriktionen des Kernbanksystems angestrebt.

Die Variante "PSD private Baufinanzierung Kompakt" sieht eine vereinfachte Bearbeitung als Blankokredit bis maximal 50 000 Euro zur wohnwirtschaftlichen Verwendung ohne die Bestellung von Realsicherheiten vor. Gemäß den Abgrenzungskriterien wird diese Finanzierungsvariante als risikoarm eingestuft. Zielsetzung der Gestaltung im Soll-Prozess ist es, einerseits Bearbeitungszeiten und -aufwand für die Bank deutlich zu reduzieren und andererseits dem Kunden eine schnelle und unkomplizierte Produktvariante für das im Verhältnis relativ geringe Finanzierungsvolumen anbieten zu können. Als Finanzierungsvoraussetzung ist die vorhandene Immobilie des Kunden definiert. Diese ist durch einen aktuellen Grundbuchauszug im Beratungsgespräch nachzuweisen (Kunde = Eigentümer der Wohnimmobilie). Grundsätzlich stellt die Kompaktvariante primär auf die Überdeckung in der Haushaltsrechnung ab.

Die Variante "PSD private Baufinanzierung Standard" beschreibt die Bearbeitung der häufigsten Kreditvariante, das heißt den angestrebten Normalfall einer privaten Baufinanzierung. Zielsetzung der Gestaltung im Soll-Prozess ist es, bereichsübergreifende Schnittstellen zu vermeiden und dadurch die Durchlaufzeit vom Vertragsversand bis zur eigentlichen Kreditzusage zu optimieren. Vereinfachungen und Entlastungen ergeben sich dabei durch die Standardisierung der Haushaltsrechnung und der Beleihungswertermittlung.

Die Variante "PSD private Baufinanzierung Qualifiziert" beschreibt die Bearbeitung der als bearbeitungsaufwendig oder risiko behaftet eingestuften privaten Baufinanzierungskredite. Inhaltlich wird die Bearbeitung insbesondere um die Qualitätssicherung der Verträge und die Beleihungswertermittlung (in der Regel mittels Gutachten) erweitert.

Generell für alle Varianten gilt, dass alle Aufgaben der Antragsbearbeitung bis zur Erstellung der Darlehensverträge nach der Beratung der Marktfolge zugeordnet werden. Dadurch können die wesentlichen Entscheidungsparameter für die Kreditgenehmigung unter Risikogesichtspunkten ermittelt und funktional getrennt festgesetzt werden. Durch den parallel eingeführten technischen Genehmigungsprozess, unter Nutzung einer entsprechenden Software, konnte eine massive Reduzierung der Prozesslaufzeit erreicht werden.

Spürbare Kostenvorteile realisiert

Durch die vernetzt durchgeführte Umsetzung der Neuorganisation im Jahr 2011 konnten im Hinblick auf Prozesse, Aufbauorganisation und Personalqualifikation erhebliche Verbesserungen erreicht werden. Spürbare Kostenvorteile konnten aufbauorganisatorisch bereits realisiert werden. Ursächlich dafür ist die deutliche Reduzierung des Bearbeitungsaufwands je Kreditfall. Ferner wurde ein neues Soll-Organigramm entwickelt und mit notwendigen Qualifizierungsprofilen unterlegt.

In Bezug auf die Reorganisation des Prozesses zur Baufinanzierung konnten massive Verkürzungen der Prozesszeiten bei gleichzeitiger Erhöhung der Bearbeitungsqualität erreicht werden. Darüber hinaus konnte die Qualität der Kreditunterlagen erhöht werden. Zudem wurde eine Verbesserung in Bezug auf die Risikosteuerung realisiert.

Zum Zeitpunkt des Projektabschlusses ist für 95 Prozent der Anträge der Vertrag taggleich (Kalendertag) erstellt worden, die weiteren fünf Prozent wurden am Folgetag erstellt (vergleiche Abbildung 2). Die Reduzierung der Prozesszeit gegenüber dem Sachstand vor Optimierung beträgt mehr als 40 Prozent. Unter Berücksichtigung des Sachkostenaufwands wurde eine Reduzierung der Kosten realisiert, die über 13 Prozent liegt.

Durch die abgeschlossene Projektierung wurde eine erhebliche Prozessoptimierung und die Möglichkeit der Mehrmandantenfähigkeit erlangt. Diese könnte zukünftig genutzt werden, um für andere Genossenschaftsbanken im Rahmen eines Spitzenausgleichs oder einer Kooperation im Baufinanzierungsbereich die Produktion der Kreditanträge als entgeltliche Dienstleistung zu übernehmen.

Anmerkungen

1) siehe Hofbauer / Schöpfel, 2009, S.16.

2) siehe Töpfer, 2007, S. 9.

3) siehe Erlach, 2010, S. 1 ff.

4) siehe Erlach, 2010, S. 10; Töpfer, 2007, S. 9.

Literaturverzeichnis

Erlach, K. (2010): Wertstromdesign. Der Weg zur schlanken Fabrik. Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag.

Hofbauer, G.; Schöpfel, B. (2009): Professionelles Kundenmanagement. Ganzheitliches CRM und seine Rahmenbedingungen. Erlangen: Publicis Publishing.

Töpfer, A. (2007): Six Sigma. Konzeption und Erfolgsbeispiele für praktizierte Null-Fehler-Qualität. Berlin/Heidelberg: Springer-Verlag.

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