Redaktionsgespräch mit Hartwig Schneidereit

"Reinrassige Investmentbanken werden nur für spezielle Projekte engagiert"

Hartwig Schneidereit, Leiter Kapitalmarktfinanzierung und Risikomanagement, Deutsche Bahn AG, Berlin

Bei der Deutschen Bahn läuft die Finanzierung aller Unternehmenstöchter zentral über die Mutter. Wie die Kapitalmärkte genutzt und die Zusammenarbeit mit den Banken gesteuert wird, erläutert Hartwig Schneidereit im Redaktionsgespräch. Der Leiter Kapitalmarktfinanzierung und Risikomanagement erwartet von seinen Geschäftspartnern das klassische Angebot einer Universalbank. Investmentbanken engagiert sein Haus in der Regel nur für spezielle Projekte. Vom einem Kulturwandel bei den Investmentbanken ist aus seiner Sicht bisher noch wenig zu spüren. (Red.)

Herr Schneidereit, welche Finanzierungsformen nutzt die Deutsche Bahn?

Die langfristige Refinanzierung der Deutsche Bahn Gruppe wird exklusiv über die Kapitalmärkte getätigt. Über die Bondmärkte nehmen wir durchschnittlich zwei Milliarden Euro im Jahr auf. Das bestehende Commercial Paper (CP) Programm wurde in den vergangenen Jahren aufgrund der guten Liquiditätsausstattung dagegen nur in geringem Umfang genutzt. Darüber hinaus verfügen wir über Kreditlinien zur Aufnahme von Geldmarktmitteln, Back-up-Linien für das CP-Programm - die noch nie genutzt wurden - sowie Aval-Vereinbarungen. Die Geldmarktlinien werden praktisch nur genutzt, um die seltenen Liquiditätsspitzen gegebenenfalls auszugleichen.

Finanzieren Sie auch die Tochterunternehmen oder sind diese in Finanzierungsfragen autark?

Die Finanzierung sämtlicher Unternehmenstöchter der Gruppe läuft zentral über die Mutter in Berlin. Zentral steuern wir das Treasury-Management und die damit verbundene Feinsteuerung der Fristentransformation. Für die weltweit vertretenen Tochterfirmen nutzen wir - von uns verhandelte und standardisierte - sogenannte Umbrella-Lines. Diese stehen für die Töchter - für Working-Capital-Finanzierung, Avale und in geringem Maße für Devisenabsicherung - zur Verfügung. Die Vertrags- und Konditionsgestaltung dieser Linien wird zentral von uns in Berlin mit den Banken verhandelt.

Nach welchen Kriterien wählen Sie ihre Geschäftsbanken aus?

Von unseren Geschäftspartnern erwarten wir ein breites Produktangebot, also das klassische Angebot einer Universalbank. Reinrassige Investmentbanken werden in der Regel nur für spezielle Projekte engagiert. Aber mittlerweile haben sich ja viele Investmentbanken zu Universalbanken entwickelt und bieten auch Kredite oder Kreditlinien an.

Von großer Bedeutung ist für uns, dass die Banken über ein leistungsfähiges internationales Netzwerk verfügen, um auch unsere Tochtergesellschaften in 130 Ländern vor Ort kompetent zu betreuen. Darüber hinaus arbeiten wir aber teilweise auch mit Häusern zusammen, die nicht über das entsprechende internationale Netzwerk verfügen.

Mit wie vielen Banken arbeiten Sie zusammen?

Der Kerngruppe der Banken, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, leitet sich sehr stark von den bereitgestellten Backup-Linien ab. Zu dieser Gruppe gehören derzeit rund 20 Banken.

Welche Rolle spielt die Bonität der Bank für die Zusammenarbeit?

Wir stellen als Deutsche Bahn grundsätzlich hohe Anforderungen an die Bonität der Banken, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir verfügen selbst über "AA"-Ratings der führenden Agenturen und damit über eine ausgesprochen hohe Bonität. Von unseren Bankpartnern erwarten wir eine hohe Kreditwürdigkeit, ein "BBB" reicht in den meisten Fällen für eine Zusammenarbeit nicht mehr aus.

Wie beurteilen Sie die Bonität der Banken?

Die Deutsche Bahn hat ein ausgefeiltes Kreditlinienmanagement für ihre Bankenverbindungen etabliert. Es funktioniert eigentlich genauso wie eine Kreditabteilung einer Bank, nur in die umgekehrte Richtung. Der Umfang der Allokation unserer Mittel, insbesondere die Geldmarktanlage, hängt sehr stark von der Bonität der jeweiligen Bank ab. Die Bonität unserer Bankenverbindungen wird von uns regelmäßig analysiert und - falls nötig - auch sehr kurzfristig Beschränkungen oder Einstellungen der Geschäfte beschlossen. Durch unser zeitnahes Überwachungssystem für die Bonitätsbewertung haben wir während und seit der Bankenkrise keinen Schaden genommen. Oder anders ausgedrückt, wir haben uns keinen blauen Fleck geholt.

Gibt es Besonderheiten bei Derivate-Transaktionen?

Nach dem Untergang von Lehman Brothers hat sich die Deutsche Bahn entschieden, im Derivate-Geschäft mit Banken grundsätzlich mit "Credit Support Agreements" (CSA) zu arbeiten. Die Besicherung von Derivate-Transaktionen gibt uns bei der Zusammenarbeit mit Banken etwas mehr Flexibilität bezüglich der Institutsbonität. Wir nutzen bei den CSAs die banküblichen Standards wie das tägliche Margining für jede einzelne Position.

Wie wichtig ist Ihnen "deutsches" Banking?

Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Bankpartner deutsche Regeln und deutsches Recht bei unseren Transaktionen anwenden beziehungsweise akzeptieren. So schließen wir Swap-Verträge nach dem deutschen Rahmenvertrag und nicht nach dem ISDA-Protokoll ab. Unsere Anleiheemissionen werden ausschließlich unter deutschem Recht begeben. Entsprechend ist es angenehm, wenn auf der Bankenseite das entsprechende Wissen und Verständnis vorhanden ist und nicht jeweils mit angelsächsisch geprägten Rechtsabteilungen stunden lange Diskussionen geführt werden müssen. Vielleicht sind wir in dieser Beziehung einer der letzten Dinosaurier, aber der Qualität unserer Transaktionen tut es gut. Die Akzeptanz dieser Regeln wird von uns auch bei der Allokation von Geschäft goutiert.

Wer erhält bei Ihnen die Bondmandate?

Grundsätzlich qualifizieren sich die meisten der 20 Kernbanken auch als Federführer für unsere Anleiheemissionen. Wenn eine Bank jedoch das Produktangebot einschränkt, sich aus für uns wichtigen Ländern zurückzieht oder einfach die fachliche Betreuung nicht gut genug ist, dann kommt sie für ein Mandat nicht mehr infrage. Es gibt aber auch Häuser, denen das Ertragspotenzial aus der Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn nicht groß genug ist. Wir haben damit auch kein Problem, man trennt sich dann in aller geschäftlichen Freundschaft.

Hat sich das Umfeld für die Begebung von Anleihen verändert?

Ja und Nein. Nein, weil die Nachfrage nach Emissionen von Unternehmen mit hoher Bonität weiterhin extrem stark ist und wir folglich sehr günstige Finanzierungskonditionen erhalten. Ja, weil sich die Zweitmarktliquidität deutlich verschlechtert hat. Ursächlich dafür ist, dass die Banken dem Markt und den Investoren kaum noch "eigene Bücher" zur Verfügung stellen. Nach sechs Monaten sind auch größere Bonds häufig illiquide geworden. Entsprechend sind Emittenten wie die Deutsche Bahn stärker abhängig von langfristig denkenden, so genannten Buy & Hold Investoren, Anlegern, als noch vor ein paar Jahren. Aufgrund der ungenügenden Liquidität ist auch die Preisfindung für eine neue Anleihe schwieriger geworden. Die Orientierung ist kaum noch an den eigenen, älteren Bonds möglich, sondern der Markt ist auf die Konditionen jüngst begebener Titel von vergleichbaren Unternehmen angewiesen. Dass die Banken den Sekundärmarkt so stark vernachlässigen, sehen wir sehr kritisch.

Gibt es bei Ihnen im eigenen Hause Kompetenzen, für die früher Banken benötigt wurden?

Wir verfügen seit vielen Jahren in unserem Bereich über Kapitalmarktspezialisten, die teilweise früher bei kommerziellen oder Investmentbanken gearbeitet haben. Im Treasury arbeiten auch Kollegen, die früher im Treasury-Bereich von Dax-30-Unternehmen tätig waren.

Des Weiteren verfügen wir seit einigen Jahren über zwei eigene Mergers & Akquisition Teams, die viele Transaktionen mit Bordmitteln stemmen können. Lediglich bei größeren Übernahmen und Fusionen, die schon länger nicht mehr getätigt wurden, sichern wir uns die Unterstützung durch externe Spezialisten. Bei den Avalen treten wir zunehmend aufgrund unserer höheren Bonität selbst als Kontrahent auf. Die eigene Kapitalmarktexpertise ist in der Zusammenarbeit mit den Banken sehr hilfreich.

Bei den Banken wird viel über Kulturwandel gesprochen - spüren Sie den bereits?

Über das Thema Kulturwandel - vor allem im Investment Banking - liest man viel. Ich habe aber leider nicht den Eindruck, dass er beim Kunden wirklich ankommt. Momentan erleben wir leider, dass unsere Betreuer mehr mit Innenpolitik, Restrukturierungsmaßnahmen und Regulierungsthemen beschäftig sind, als sich mit ihren Kunden beschäftigen zu können. Dies ist kein Vorwurf an die Betreuer, sondern spiegelt die aktuelle Realität in der Zusammenarbeit mit Banken wider. Hier sind auch Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden gefordert.

Was sollte sich ändern?

Einige Basel-III-Regelungen gehören entschärft, da sich das Gegenteil vom dem, was beabsichtigt war, ergeben hat. Einige der Kollateralschäden waren sicherlich nicht so geplant. Auch der Einfluss der Europäischen Zentralbank auf die Entwicklung der Märkte ist durchaus kritisch zu sehen. Die massiven Rückkäufe von Staatsanleihen oder Covered Bonds verzerren die Preisbildung im Markt und Risiken werden nicht mehr gepreist. Dies kann nicht im Interesse funktionierender Märkte sein, die der Refinanzierung der Realwirtschaft zu dienen haben.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X