Redaktionsgespräch mit Michael Reuther

"Wir haben die Komplexität des Investmentbankings unseres Hauses entscheidend reduziert"

Michael Reuther, Mitglied des Vorstands, Commerzbank AG, Frankfurt am Main

Nach deutlichen Anpassungen des Investmentbankings in den Jahren der Integration der Dresdner Bank betont Michael Reuther ausdrücklich die inzwischen in diesem Geschäftsfeld erreichte Kontinuität in der strategischen Aufstellung seines Hauses. Im Redaktionsgespräch verweist der zuständige Vorstand der Commerzbank auf einen zunehmenden Beitrag des Auslandsgeschäftes in der Ertragsrechnung dieses Segmentes und erläutert die unverändert große Bedeutung des Standorts London für das Angebot von strukturierten Lösungen sowie für den Vertrieb. Für die Weiterentwicklung seines Geschäftsfeldes wünscht er sich Klarheit über das regulatorische Umfeld und kalkulierbare Rahmenbedingungen. Er plädiert dabei für eine Beibehaltung des Universalbank-Modells. (Red.)

Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, wie sähe für Sie das ideale Investmentbanking aus?

Zum Ersten wünsche ich mir, dass der Nutzen, den das Investmentbanking für die Realwirtschaft hat, auch wahrgenommen wird. Zum Zweiten bedarf es dringlich einer Klarheit über das regulatorische Umfeld für unser Geschäft und kalkulierbare Rahmenbedingungen für die Zukunft. Und zum Dritten wäre die Rückkehr zu einem normalen Zinsumfeld wünschenswert.

An welchen Ertragszielen orientiert sich Ihr Ressort im eigenen Haus?

Unser klar auf die Bedürfnisse der Kunden ausgerichtetes Investmentbanking soll auf Dauer seine Kapitalkosten verdienen und damit einen positiven Wertbeitrag leisten. Konkret legen wir Wert auf Diversifizierung. Das heißt: Ein Geschäftsfeld, das zyklusbedingt gute Beiträge leisten kann, kompensiert für ein anderes, das gerade gegen schwierigere Marktbedingungen kämpft. Ziel ist es, in den einzelnen Geschäftsfeldern bei einem hochschießenden Zyklus deutlich mehr als die Kapitalkosten zu verdienen, in der Mitte des Zyklus diese Schwelle zu erreichen und in der Flaute des Geschäfts wenigstens für die operativen Kosten aufkommen zu können. Mit anderen Worten: In rauen Zeiten wollen wir, dass das betroffene Geschäftsfeld mindestens eine "Null" im operativen Ergebnis abliefert, in guten Phasen dann aber eine entsprechende Outperformance erzielt. Wir haben dazu eine sehr bewusste Allokation des Kapitals vorgenommen.

Mit diesem Konzept sind wir bisher gut gefahren und haben geliefert. Der pflegliche Umgang mit unseren Ressourcen und die klare Fokussierung kommen nicht zuletzt bei unseren Kunden gut an und bringen uns in einschlägigen Umfragen Wertschätzung ein.

Wie sehen Sie die Commerzbank in dem von Ihnen verantworteten Geschäftsfeld am Markt positioniert?

Mit den erzielten Marktanteilen bin ich zufrieden. Bei den syndizierten Krediten sind wir nach Anzahl der Transaktionen in Deutschland immer auf Platz 1 oder 2, in Europa stets unter den Top 5. Bei Euro-Anleihen liegen wir in Deutschland auf Platz 3 und in Europa befindet sich die Bank in einer mittleren Position. Bei den Covered Bonds, die sowohl auf der Research-Seite als auch auf der Platzierungsseite eine besondere Stärke unseres Hauses ausmachen, liegen wir weltweit auf Platz 4. In der Verbriefung von strukturierten Aktienprodukten teilen wir uns mit der Deutschen Bank Platz 1 in Deutschland und haben auch in Europa einen Anteil von 6 Prozent. Im Bereich Equity Capital Markets sind wir nach der Anzahl der Transaktionen in Deutschland ebenfalls vorn mit dabei. Schließlich sind wir auch einer der Treiber der Expansion der Mittelstandsbank nach Österreich und in die Schweiz.

Welche Strategie fahren Sie hinsichtlich der Verbindungslinien mit dem Mittelstandsgeschäft im Ausland?

Es gelingt uns zunehmend, das Leistungsangebot für den Mittelstand nach Österreich und in die Schweiz zu exportieren. Neben Deutschland und Polen werden beide Länder als Heimatmarkt für das Corporate Business eingestuft. Gerade der Schweizer Markt lässt uns zwischen den dortigen Großbanken und den Kantonalbanken vielversprechenden Raum für Geschäfte. In Österreich kommt einerseits unsere Kapitalmarktexpertise für die großen Corporates zum Tragen. Andererseits punkten wir ebenso wie in der Schweiz mit unserer Kompetenz im China-Geschäft.

Wie ist Ihr Ressort im Ausland aufgestellt?

Die fünf Hauptstandorte der Investmentbank sind Frankfurt, London, New York, Singapur und Hongkong. In den USA betreuen wir viele US-Tochtergesellschaften deutscher Firmen und US-Konzerne. Diese Kundenzahl wollen wir bis 2016 zweistellig verbessern. Zudem hat unser deutsches Aktiengeschäft zunehmend an Bedeutung gewonnen. Unsere alljährliche New-York-Konferenz, das German Investment Seminar, ist "die" Plattform für den Austausch deutscher Unternehmen mit amerikanischen Investoren.

Deutlich ausweiten konnten wir zudem aus Hongkong und Singapur heraus unser Geschäft in Asien. Früchte trägt dabei nicht zuletzt unsere Renminbi-Kompetenz. In Asien gehören wir heute zu den wichtigen Market Makern im ETF-Markt - insbesondere in Hongkong und in Thailand. Vor vier Jahren lagen die Erträge der Investmentbank aus Asien noch bei 2 Prozent, inzwischen hat sich der Anteil mehr als verdreifacht. Insgesamt kommen heute rund 40 Prozent der Erträge der Investmentbank aus Deutschland, der Großteil aber aus dem Ausland.

Welche Bedeutung hat der Standort London?

London ist und bleibt für uns ein wichtiger Standort, nicht nur für strukturierte Lösungen und den internationalen Vertrieb, sondern auch für die Originierung von Finanzierungslösungen für unsere Kunden. Dieser Standort profitiert nach wie vor sehr stark von der engen Verzahnung mit den großen Investoren und der Zusammenarbeit beispielsweise mit den Universitäten, den internationalen Anwaltskanzleien sowie den WP-Gesellschaften. Im Rahmen der Umsetzung unseres Centerof-Competence-Modells, der Bündelung von Kompetenzen nach Standorten, haben wir jedoch die Absicht, mehrere Teams im volumenstarken Zins- und Devisenhandel von London nach Deutschland zu verlagern. Auch den standardisierten IT-Support können wir hierzulande und von Tschechien oder Polen aus kostengünstiger betreiben. Für unsere Kunden wird es keine spürbaren Veränderungen geben, ganz sicher keine Nachteile. Im Kern geht es darum, unser bestehendes Angebot noch effizienter zu produzieren und dabei stärker die jeweiligen Vorteile unserer Standorte zu nutzen. Davon sollen letztlich auch unsere Kunden profitieren

Wie beurteilen Sie die Wettbewerbsverhältnisse in Deutschland und Europa in der Investmentbank?

Wir haben nicht den einen Wettbewerber, vielmehr hängen die Verhältnisse vom jeweiligen Produktbereich und unserer eigenen Aufstellung ab. Mit unserem Investmentbanking wollen wir ja nicht überall alles bieten, sondern konzentrieren uns auf Bereiche, in denen wir besondere Kompetenzen haben und stark sind - getreu unserer Ambition, immer "über unserer eigenen Gewichtsklasse" oder "Liga" zu spielen.

Als Gesamtbank müssen wir uns angesichts unserer guten Marktposition vor allem bei Unternehmen ohnehin nicht vor den Aktivitäten anderer europäischer Großbanken fürchten, die verstärkt in Deutschland Fuß fassen wollen. Angesichts der regional breit verteilten Wirtschaftszentren kommt die ausländische Konkurrenz mit ihren zentralen Hauptstandorten langfristig hierzulande nicht immer weiter.

Sind Sie mit der aktuellen strategischen Aufstellung Ihres Ressorts zufrieden oder sind weitere Anpassungen erforderlich?

Das derzeitige Set-up des Investmentbankings passt gut zur Bank und zu unseren Kunden. Zwar nehmen wir immer wieder Arrondierungen vor, brauchen aber nicht grundsätzlich umzusteuern. Bei einer generell schwierigeren Ertragslage für das Investmentbanking wird der Blick auf Front-to-Back-Effizienz immer wichtiger, also auf ein einheitliches Konzept mit voll industrialisierter Wertschöpfungskette. Wir nennen das "capabilities driven architecture" und darum geht es bei unseren Centers-of-Competence. Dabei orientieren wir die strategische Aufstellung weniger als früher an Assetklassen, sondern denken zunehmend in Lösungen unter Einbeziehung unserer IT-Welt und des Backoffice.

Aber im Wesentlichen bleibt die Ausrichtung der vergangenen fünf Jahre ...

Richtig, die Weichen für die aktuelle Aufstellung haben wir im Jahr 2009 bei der Übernahme der Dresdner Bank gestellt. Im Grunde genommen hat die Commerzbank aber schon im Jahr 2004 voll auf kundenfokussiertes Geschäft umgestellt und das spekulative Eigengeschäft eingestellt. Damit sind wir gut gefahren. Mit rund 1800 Mitarbeitern im Frontoffice - von ehemals 3200 am Anfang der Integrationsphase - verfügen wir heute über die richtige Anzahl und über die nötige Schlagkraft zur Umsetzung unserer Strategie und erzielen regelmäßig Erträge von über zwei Milliarden Euro.

Unsere USPs sehen wir zum einen bei den Lösungen, die wir unseren Kunden zur Anlage und zur Absicherung gegen Währungs-, Zins- oder Rohstoffrisiken zur Verfügung stellen. Zudem bieten wir Zugang zu den Kapitalmärkten, etwa zu Fremdkapital auf der Kredit- wie auf der Bondsseite oder durch Aufnahme von Eigenkapital. Dabei sind Gesamtlösungen für unsere Kunden besonders wichtig. Schließlich darf auch das sogenannte Brot- und Buttergeschäft nicht unterschätzt werden: Wir wollen beispielsweise auch im Zahlungsverkehr ein guter und solider Partner sein.

Sie sprachen die Integration der Dresdner Bank an - was haben Sie verändert?

Wir standen vor der Herausforderung, zwei verschiedene Investmentbanking-Geschäftsmodelle zu integrieren und zu optimieren. Bei der Dresdner Bank war die Produkttiefe im Zins-, Devisen- und Anleihenhandel größer und die Ausrichtung stark auf institutionelle Kunden angelegt, die Commerzbank war stärker auf Firmenkunden fokussiert. Nicht zuletzt war die Dresdner Bank noch traditionell stark auf das spekulative Eigengeschäft fixiert; hier waren deutliche Einschnitte nötig. Die entsprechenden Portfolios entlang vieler Assetklassen wurden im Jahr 2009 allesamt geschlossen.

Mit Blick auf die künftige Ausrichtung wurde mit der Integration das europäische Aktien-Brokerage-Geschäft eingestellt, das in dieser Form nicht profitabel zu betreiben war. Stattdessen fokussierten wir uns hier auf das Geschäft mit deutschen Aktien und sind in diesem Segment konsequenterweise auch die Nummer 1 - nicht zuletzt im Research. Auch unser Fixed-Income-Geschäft haben wir 2009 neu aufgestellt und den Marktgegebenheiten angepasst.

Gleichzeitig haben wir uns von hochgradig komplexen, strukturierten Geschäften verabschiedet und sofort mit dem Abbau entsprechender Portfolios begonnen. Länger überlegt haben wir, ob wir die globalen M&A-Teams der Dresdner Bank mit übernehmen. Letztlich haben wir uns aber dagegen entschieden, weil wir skeptisch waren, bei dem hohen Kostenblock die notwendigen Erträge generieren zu können. All das hat die Komplexität des Investmentbankings unseres Hauses entscheidend reduziert.

In welchen Bereichen fand der Portfolioabbau statt?

Abgebaut wurden große Repo-Positionen, Handelsbestände sowie auf Gesamtbankebene ein großes Portfolio von Staatsanleihen und zuletzt auch das Schiffs- und das Immobilienportfolio. Auf Gesamtbank ebene ist das Volumen gemessen an der Bilanzsumme von rund 1,1 Billionen Euro auf zirka 550 Milliarden Euro geschrumpft, und zwar ohne das Kundengeschäft zu schmälern.

Wie lange hat die Eingliederung der Dresdner-Bank-Aktivitäten im Investmentbanking gedauert? Und wie schwierig war die Vereinheitlichung der Unternehmenskultur?

Die Investmentbanking-Aktivitäten beider Banken waren innerhalb von 18 Monaten praktisch vollständig integriert, die gemeinsame IT-Plattform, auch für die Gesamtbank, stand in rund zwei Jahren. Die Schaffung einer einheitlichen DNA hat in meinem Ressort aber länger gedauert, denn die Unternehmenskultur war im Investmentbanking vermutlich unterschiedlicher als in anderen Unternehmensbereichen.

Geschafft haben wir das nicht zuletzt durch die Übernahme der jeweils besten Teile beider Häuser: Bei der "alten" Commerzbank waren das die Kundenorientierung, der Teamgeist und das besondere Vertrauensverhältnis der Mitarbeiter zu den Kunden. Zusammengenommen mit der Dealorientierung und dem sehr starken Abschlusswillen, wie sie für die frühere Investmentbank der Dresdner Bank kennzeichnend waren, hat das eine neue Kultur hervorgebracht. Seit einigen Jahren ist die kulturelle Integration der Teams abgeschlossen. Für das Investmentbanking war das ein voller Erfolg.

Welche Bedeutung hat der Eigenhandel heute noch für die Bank?

Wir betreiben seit Jahren keinen Handel auf eigene Rechnung, ohne Bezug zu unserem Kundengeschäft oder zur Risikoabsicherung der Bank. Das wird häufig mit Eigenhandel verwechselt. Der rechtlich richtige Begriff dafür ist jedoch das spekulative Eigengeschäft.

Für unsere Kunden unterhalten wir selbstverständlich Märkte und stellen Preise. Vor dem Hintergrund der regulatorischen Vorgaben, wie zum Beispiel der Leverage Ratio, ist es aber für Banken sogar schwieriger geworden, Kundenpositionen auf die eigene Bilanz zu nehmen, weil dies Kapitalerfordernisse schafft. Bei liquiden Märkten ist das weniger ein Thema, aber bei engen Märkten kann es schwieriger werden, Preisänderungen abzufangen und den gewohnten Service für die Kunden aufrechtzuerhalten.

Wie beurteilen Sie an dieser Stelle die Auswirkungen der Notenbankpolitik?

Die Geldpolitik der Zentralbanken könnte durchaus Herausforderungen nach sich ziehen. Denn der eigentliche Test kommt erst, wenn die Notenbanken die Zinsen erhöhen, die überschüssige Liquidität wieder abschöpfen und Papiere in den Markt geben. Wie das vor dem Hintergrund der veränderten Marktstrukturen überhaupt gehen soll, bleibt abzuwarten; vor allem wenn die Notenbanken erhebliche Bestände an Bundesanleihen oder anderen Staats titeln halten. Dies gilt auch für den Pfandbriefmarkt, auch hier stimmt - induziert durch die Käufe seitens der EZB - das Chancen-/Risikoprofil nicht mehr.

Stichwort Regulierung - wie stark belastet diese das Investmentbanking?

Stark belastend ist die Vielzahl von nicht abgestimmten Maßnahmen der zahlreichen Regulierungsstellen. Am schwierigsten ist es, mit der Unklarheit über das regulatorische Umfeld und weitere Initiativen zurechtzukommen, angefangen von der Frage des Trennbanksystems bis hin zur Besteuerung von Transaktionen.

Die Regulierungsstellen sollten klare Regeln für die kommenden drei bis fünf Jahre setzen. Damit bestünde für den Bankensektor auch wieder Planungssicherheit über zu erwartende Kosten und den administrativen Aufwand.

Was halten Sie von der Idee des Trennbankensystems? Wäre das ein schweres Problem für das Geschäftsmodell der Commerzbank?

Wir wissen aus Befragungen, dass unsere Kunden klar das Universalbank-Modell bevorzugen. Der deutsche Mittelstand will mit zwei bis drei Partnern über sämtliche Bankgeschäfte sprechen, seine Finanzierung und die Absicherungsgeschäfte oftmals nur mit einem einzigen Haus abwickeln. Daneben hilft die Kombination - jeweils in sinnvoller Relation - von Privat-, Unternehmens- und Kapitalmarktgeschäft, um als Bank stabil durch die jeweiligen Zyklen zu kommen. Wir glauben, dass wir damit optimal in der Lage sind, Mehrwert für unsere Kunden und Aktionäre zu schaffen. Politisch ist zudem noch offen, wie es mit dem Thema Trennbankensystem weitergeht. Eine nationale Regelung haben wir ja bereits. Anders sieht es auf europäischer Ebene aus. Hier läuft die Debatte über die konkrete Ausgestaltung noch. Zuständig für das Thema ist der neue EU-Kommissar Hill. Er hat offenbar andere Vorstellungen als sein Vorgänger.

Gefällt Ihnen die Idee einer europäischen Kapitalmarktunion?

Die Vorschläge der EU-Kommission haben einige positive Aspekte. Dies gilt beispielsweise für das Verbriefungsgeschäft; hier bestehen gute Aussichten, dieses wichtige Produkt nicht zuletzt für Kunden wie die Versicherer zu fördern und damit das Finanzierungsspektrum zu erweitern. Anders als in Europa war und ist das in den USA schon immer ein zusätzliches Tool der Kapitalmarktfinanzierung. Man sollte sich jenseits aller Emotionen aus den Erfahrungen der Finanzmarktkrise in Erinnerung rufen, dass 99 Prozent der Verbriefungen in Europa auf der Corporate- und Immobilienseite gut gelaufen sind. Die EU-Kommission kann hier auf eine risikoadäquatere Bewertung hinwirken und es den Banken ermöglichen, kundenbezogene Forderungen dem Kapitalmarkt zur Verfügung zu stellen und die eigene Bilanz zu entlasten sowie gleichzeitig das Finanzierungsspektrum der Wirtschaft zu erweitern.

Schwieriger zu vermitteln ist das Thema Mittelstandsfinanzierung über den Kapitalmarkt. Bei den in den vergangenen Jahren an den Markt gebrachten Mittelstandsanleihen gab es viele Ausfälle. Oftmals wurden schlicht Restrukturierungsfälle an den Markt gebracht. Die Titel waren und sind börsennotiert; das Liquiditätsversprechen seitens der Börsen für die kleinvolumigen Bonds war aber teilweise gewagt. Die Commerzbank hat sich hier bewusst zurückgehalten und solche Titel nicht an den Markt gebracht. Wir haben erstens aus eigenen Erfahrungen das Liquiditätsversprechen der Börsen als schwierig eingeschätzt. Zweitens wurde der Risikogehalt mancher Anleihen unterschätzt. Das hat dem Segment geschadet.

Wie wird sich der Mittelstand künftig finanzieren?

Der Trend geht in Deutschland und Europa zu mehr Finanzierung über den Kapitalmarkt, insbesondere bei größeren Unternehmen. Die traditionelle Finanzierungsquelle für den Mittelstand und größere Unternehmen ist nach wie vor der Bankkredit, der den Kreditnehmern Flexibilität bietet. Dieser steht Firmen in Deutschland in ausreichendem Maße zur Verfügung.

Bei der Unternehmensfinanzierung wird der Trend zur Disintermediation anhalten, jedoch deutlich abgestuft nach Größenordnung. Dies zeigt sich gerade bei größeren Unternehmen mit fälligen Krediten: Jeweils ein Drittel wird verlängert, am Kapitalmarkt finanziert oder getilgt.

Auch mittelgroßen Unternehmen steht der Fremdkapitalmarkt zur Verfügung, beispielsweise in Form des Schuldscheindarlehens.

Wie entwickelt sich in Ihrem Haus das Geschäft mit Schuldscheinen?

Bei der Platzierung von Schuldscheinen gehen wir zweigleisig vor. Auf der einen Seite führen wir Schuldscheindarlehen als Produkt ins Ausland ein. So haben wir beispielsweise große französische und italienische Unternehmen an diesen Markt herangeführt. Auf der anderen Seite arbeiten wir in Deutschland daran, die Emmissionsvolumina zu senken, um Investoren auch auf Stand-Alone-Basis Investments zur Verfügung zu stellen, die wir originieren können.

Wäre das Modell nicht auch für hiesige Versicherer interessant?

Vielen großen deutschen Versicherern reichen die Volumina von 20 bis 50 Millionen Euro nicht. Diese bauen das Geschäft oft selbst auf.

Wie viele Unternehmen in Deutschland erachten Sie als kapitalmarktfähig - immer noch 1 200 wie vor vier Jahren?

Durch geringere Losgrößen ist die Zahl sicher größer geworden, aber die Grenzen sind schwer zu definieren. In jedem Falle hängt das von den Transparenzanforderungen der Investoren ab und von der Bereitschaft der Unternehmen, sich einem Rating zu unterziehen. Viele Mittelständler scheuen vor den Anforderungen von Prospekten oder Disclosures zurück. Insbesondere Laufzeiten über drei Jahre lassen sich ohne Rating kaum darstellen.

Stichwort Mitarbeiter: Ist die Commerzbank im Wettbewerb um Investmentbanking-Talente attraktiv genug?

Allgemein können wir nach wie vor für alle Positionen sehr gut qualifizierte Mitarbeiter gewinnen, die unser Verständnis vom Investmentbanking teilen. Im Nachwuchsbereich ist die Nachfrage nach unserem Traineeprogramm ohnehin sehr stark. Für 40 bis 60 Plätze im internationalen Investmentbanking-Programm bewerben sich jährlich 2 000 Studenten aus allen Teilen der Welt.

Diese Programme sind für uns von großer Bedeutung, da sie Mitarbeiter beispielsweise aus den Bereichen Investmentbanking, Treasury und Marktrisiko schon in einem frühen Stadium ihrer Karrieren zusammenbringen. Von dieser Vernetzung profitieren wir.

Die Bereitschaft, sich auch einmal auf Sonderschichten einzulassen, ist im Übrigen bei den Nachwuchskräften nicht mehr so stark ausgeprägt wie in der Vergangenheit. Gleichwohl ist in unserem Metier nach wie vor eine hohe Einsatzbereitschaft erforderlich.

Die Gehaltsstrukturen im Investmentbanking sind demnach für Ihr Haus kein wirkliches Hindernis für die Gewinnung der richtigen Mitarbeiter ... ?

Wir haben stets Wert darauf gelegt, die Mitarbeiter zu rekrutieren, die für unser teamorientiertes, kundenbezogenes Geschäft stehen. Was für junge Leute - und nicht nur diese - attraktiv ist, ist die DNA der Bank mit ihrer Fokussierung auf Kunden und eher auf Teamgeist als auf "Starkult". Dies zeigt sich auch im sehr partnerschaftlich geprägten Executive Committee, das international ausgerichtet ist und sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, Nationalitäten und Hintergründe umfasst.

Wie ernst nehmen Sie es mit der Förderung von Frauen?

Mehr Führungspositionen mit kompetenten Frauen zu besetzen, ist seit Jahren unser erklärtes Ziel und liegt mir auch persönlich sehr am Herzen. Dem Frauennetzwerk "Courage" der Commerzbank stehe ich als Pate zur Seite.

Im Rahmen der Nachwuchsgewinnung versuchen wir, möglichst viele Frauen für uns zu begeistern. So besetzen wir rund ein Drittel eines Trainee-Jahrgangs mit Frauen, obwohl sie nur 15 Prozent der Bewerber im Investmentbanking stellen - leider immer noch zu wenige. Unsere Branche leidet offensichtlich noch immer unter dem vermeintlichen Machoimage der Handelssäle - zu Unrecht.

Viele Ihrer Mitarbeiter sind in Gremien engagiert. Fördern Sie das oder haben diese zu viel Zeit?

Unsere Mitarbeiter sind durchweg sehr engagiert. Wenn wir dabei auch in vielen Gremien mitarbeiten, dann erfolgt das in der festen Überzeugung, dort mit den guten Erfahrungen unseres Geschäftsmodells einen wichtigen Beitrag zu leisten und die Zukunft der Industrie mitzuprägen.

Haben Sie selbst noch Zeit für Kundengespräche?

Selbstverständlich, der Vorstand der Commerzbank ist generell nah am Kunden. Ich bin regelmäßig in den USA, in China und Südost-Asien und zirka einen Tag pro Woche in London - hier stehen jeweils Kundengespräche auf der Agenda. Das direkte Gespräch mit Kunden ist für mich angenehmer Alltag.

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