Redaktionsgespräch mit Ralf Fleischer

"Es ist in einer Gruppe nicht zielführend, wenn mehrere Institute gleiche Leistungen erbringen"

Ralf Fleischer, Vorsitzender des Vorstands, Stadtsparkasse München, München

Für eine Großsparkasse im Ballungsraum kann das geeignete Vertriebskonzept durchaus anders aussehen als für ein Flächeninstitut. Zwar lässt dieser Tenor von Ralf Fleischer im Redaktionsgespräch breiten Raum für einen individuellen Mix aus Onlineangeboten und stationärem Vertrieb. Aber die Gruppe als Ganzes sieht der Vorstandsvorsitzende der Stadtsparkasse München gleichwohl in der Pflicht, im Verbund auf alle erforderlichen Varianten vorbereitet zu sein und die Kosten für notwendige Weiterentwicklungen zu stemmen. Im eigenen Haus wertet er die Umsetzung des neuen Vertriebskonzeptes mit einer Ausweitung des Beratungsangebotes in den Filialen als Erfolg und erwartet in der Gestaltung des Produkt- und Dienstleistungsangebotes mittelfristig eine stärkere Teilung in Standardisierung und Individualisierung. Mit Blick auf die Verbundunternehmen spricht er sich sehr klar für eine bessere Arbeitsteilung und die Vermeidung von Doppeltätigkeiten aus. Und in der Gremienarbeit erhofft er sich bei zeitkritischen Themen schnellere Prozesse zur Entscheidungsfindung. (Red.)

Wie bewerten Sie den Verlauf des Geschäftsjahres 2015 und den Start ins neue Jahr für die Stadtsparkasse München? Was ist besonders gut gelaufen, woran ist noch zu arbeiten?

Besonders bemerkenswert war der gute Vertriebserfolg. Er ist in einem anspruchsvollen, vom Umbau der Sparkasse geprägten Jahr besser ausgefallen, als das zu erwarten war. In fast allen bilanziellen als auch außerbilanziellen Bereichen haben wir gute Zuwachsraten erzielt. Das gilt für die Aktiv- wie für die Passivseite, für das Wertpapiergeschäft, die Zusammenarbeit mit der Deka Bank und der Deutschen Leasing. Auf unverändert hohem Niveau gegenüber dem Vorjahresergebnis lag das Bauspargeschäft und das Lebensversicherungsgeschäft. Letzteres lief zwar etwas schlechter als im Jahr 2014, brachte aber immer noch das zweitbeste Ergebnis aller Zeiten. Zudem muss man noch berücksichtigen, dass es Ende 2014 eine Sonderaktion zu Lebensversicherungen gab, die zu Vorzieheffekten geführt haben dürfte. Insofern sind wir mit den Vertriebszahlen 2015 sehr zufrieden.

Wir sind damit allerdings noch nicht auf dem Niveau, das wir in den nächsten Jahren anpeilen. Der im Berichtsjahr vollzogene Umbau soll die Vertriebsleistungen und Vertriebsergebnisse in den kommenden Jahren spürbar erhöhen. Im eingeschwungenen Zustand wollen wir deutlich höher gesetzte Ziele erreichen, denn im direkten Vergleich unseres Hauses mit den G25-Sparkassen wissen wir, dass dies möglich ist und die Münchner Rahmenbedingungen dafür beste Voraussetzungen liefern.

Bedarf es dazu auch neuer Ertragsquellen und/oder völlig neuer Produkt- und Dienstleistungskonzepte?

Wir bleiben ganz klassisch bei den Geschäften, die wir verstehen. Dieser Leitspruch gilt auch weiter. In München gibt uns ein jedes Jahr um 15 000 bis 20000 Einwohner wachsender Markt in einer der wohlhabendsten und vermögendsten Regionen Deutschlands alle Chancen, im klassischen bilanziellen und Provisionsbereich auskömmliche Erträge zu erzielen. Wir müssen keine exotischen Geschäfte betreiben, die am Ende nur Risiken bedeuten. In allen Geschäftsbereichen haben wir noch Potenzial erkannt, das wir heben wollen, auch wenn es im Einlagengeschäft derzeit schwierig bis unmöglich ist, Geld zu verdienen.

Aufgrund der flachen Zinsstrukturkurve sind die Möglichkeiten der Fristentransformation stark eingeschränkt. Wir werden uns noch stärker dem Firmenkreditbereich zuwenden, da wir hier steigende Marktanteile für möglich halten bei durchaus höheren Margen als bei grundschuldbesicherten Immobilienkrediten, die bislang den großen Schwerpunkt in unserem Kreditportfolio bilden. Darüber hinaus geht es um eine Stärkung des Provisionsgeschäftes.

Wie verbundtreu ist die Sparkasse im Provisionsgeschäft?

Absolut verbundtreu. Über die Versorgung mit den Kernprodukten sind wir sehr zufrieden, das gilt für alle Verbundpartner. Als Teil der S-Finanzgruppe haben wir das Selbstverständnis, die Geschäfte auch innerhalb der Organisation abzuschließen. Wir sind eine Sparkasse, verstehen uns als Sparkasse und handeln wie eine Sparkasse. Wenn Kunden Produkte von außerhalb der Gruppe nachfragen, bieten wir auch Ventillösungen an, aber dieser Anteil ist im Vergleich zum Kerngeschäft marginal. Bei der Deka Bank zum Beispiel gehören die Kooperationsfonds sogar zu deren Angebot.

In der Berichterstattung 2015 wird ausdrücklich auf das Engagement der Stadtsparkasse im Immobiliensektor verweisen. Welchen Stellenwert hat diese Eigenanlage für die Sparkasse? Gibt es in diesem Segment ein gewachsenes Know-how?

Die ausgeprägte Immobilien-Expertise unseres Hauses ist über viele Jahre gewachsen. Es resultiert aus einer klugen strategischen Entscheidung meiner Vorgänger. Sicher hat das mit dem attraktiven Immobilienstandort München zu tun. Für uns hat dieses Geschäftsfeld zwei Dimensionen. Zum einen schaffen wir für unsere Mitarbeiter in einer sehr teuren Wohnstadt günstigen Wohnraum und erhöhen unsere Arbeitgeberattraktivität. Und zum anderen nutzen wir das Engagement als Vermögensanlage. Wir haben hier in der Stadt einen umfangreichen Immobilienbesitz, der ursprünglich einmal für die Zweigstellen und Filialen erworben wurde und über den Filialen auch Wohnraum vorsah. Darüber hinaus haben wir schon vor vielen Jahren Wohnimmobilien gekauft und werden jetzt in einer dritten Ausbaustufe dieses Geschäftsfeldes im gemischt genutzten, privaten und gewerblichen Bereich tätig. Das Immobilienportfolio ist somit aufgrund der schon lange im Bestand geführten Gebäude attraktiv und somit lukrativ.

Arbeitet die Sparkasse an dieser Stelle mit Projektentwicklern zusammen?

Wir haben eine eigene Immobilienabteilung, die mit guten Architekten und Bauingenieuren bestückt ist und sich um die Bestände und ihre Verwaltung kümmert.

Wie breit muss das künftige Produkt- und Dienstleistungsangebot sein? Wird es in Zeiten des Multikanalvertriebs in Ihrem Haus eher eine Ausweitung oder eine Einschränkung der Produktvarianten geben?

Die Vielfalt wird nicht größer werden. Aber wir werden eine Teilung erleben, in eine Standardisierung und in eine Individualisierung. Wir brauchen ein attraktives Standardangebot für unsere Kunden mit geringen bis mittleren Einkommen. Und darüber hinaus werden wir individuelle Angebote für die einkommens- und vermögensstärkeren Kundenschichten haben, die ihrerseits auch besondere Bedürfnisse haben. Letzteres Angebot kann im Zweifel auch breiter sein als es heute ist. Den Löwenanteil wird aber das Standardgeschäft ausmachen und das wird fokussierter ausfallen als heute.

Welche Beweggründe gab es im vergangenen Jahr für die Neuausrichtung des Vertriebskonzeptes Ihres Hauses hin zu einer Aufwertung der Beratungskomponente? Das bewegt sich ja offensichtlich gegen den allgemeinen Branchentrend. Weshalb?

Der Großteil des Marktes außerhalb und auch innerhalb der Sparkassenorganisation setzt eher auf eine Reduktion von Filialen und Geschäftsstellen. Nach unseren nicht zuletzt auf eigene Untersuchungen gestützten Überlegungen sehen wir für unser Haus einen anderen zielführenden Weg. Zum einen profitieren wir als städtische Sparkasse von vielen Einwohnern auf kleinem Raum. Und zum anderen sehen wir eher einen steigenden denn einen sinkenden Beratungsbedarf der Kunden. Wenn ein Kunde den aktuellen Zahlen nach nur noch ein- bis zweimal im Jahr in die Filiale kommt sowie 20- bis 25-mal per Internet und 150-mal über die APP, dann hat er beim Filialbesuch meist einen konkreten Anlass und erwartet dort Beratung. Er will dann qualifizierte Produktempfehlungen und Lösungen für seine Bedürfnisse haben.

Am Standtort München sehen wir genügend Kundenpotenzial, um auch in Zukunft diesen Ansprüchen gerecht zu werden. Dass das neue Vertriebskonzept bereits fruchtet, merken wir zum Beispiel an netto 18 000 neuen Kontoeröffnungen in einem Jahr. Der Ansatz wieder verstärkt nach draußen zu gehen, präsent zu sein und die Nähe zum Kunden zu suchen wird offensichtlich honoriert. In den Stadteilen insgesamt acht Standorte zu haben, in denen das gesamte Produkt- und Dienstleistungsspektrum plus Firmenkundenbetreuung und Immobilien- sowie Versicherungsexperten abgefragt werden kann, trifft offensichtlich den Kundenbedarf.

Auf welchem Stand ist die Umsetzung? Was bleibt zu tun?

Wir haben das Projekt SSKM 2020 mit zwei großen Strängen aufgesetzt. Der erste galt der Stärkung des Vertriebs und der Vertriebsleistung. Konkret wurden - ausgenommen unsere Immobilien-Center - die vorhandenen Beratungscenter aufgelöst und die Kompetenz in die Fläche verlagert, um in jeder unserer Filialen wieder das gesamte Leistungsspektrum anbieten zu können. In kurzer Zeit haben wir die gesamte Aufbauorganisation des Hauses verändert. Bereiche unterhalb des Vorstands wurden neu zugeschnitten, aus früher 26 wurden 14 Direktionen gemacht, also sehr gestrafft. Es wurden Schnittstellen reduziert und Redundanzen beseitigt. Die Änderungen im Vertrieb waren im vergangenen Jahr schon bis zum 30. September komplett umgesetzt, einschließlich der durchzuführenden Kundenverteilungen. Es stehen lediglich in den heute acht Beratungscentern und in einigen Filialen noch bauliche Maßnahmen aus, um alles so zu gestalten, wie wir uns das langfristig und zukunftsorientiert vorstellen. Das wird sukzessive nach einem festen Plan bis 2018 erfolgen.

Der aktuell laufende zweite Strang betrifft unsere Kosten. Es gilt in den internen Bereichen die Effizienz zu verbessern, Schnittstellen zu reduzieren und schneller zu werden. Für die nächsten Jahre bis 2019 werden wir über die Effizienzsteigerungen Sach- und Personalkosten einsparen.

Sind die belastbar kommuniziert?

Ja, die Information der Mitarbeiter ist abgeschlossen. Bis 2019 sollen 36 Millionen Sach- und Personalkosten eingespart werden, die sich in etwa gleich verteilen. Wir haben umfangreiche Pläne erarbeitet, deren umzusetzende Maßnahmen gerade gehärtet werden. Das alles läuft ohne betriebsbedingte Kündigungen ab. Es wird ein Altersteilzeitmodell geben. Der Abbau um zirka 200 Mitarbeiterkapazitäten wird unseren Erwartungen nach aus diesem Programm sowie der natürlichen Fluktuation erreicht werden.

Auch beim Onlinevertrieb wollen Sie vorn mit dabei sein? Ist beides gleichzeitig nicht ein wenig schwierig, wie finden Sie die Balance?

Effizienter zu werden und Kosten einzusparen heißt keineswegs, keine Investitionen mehr vornehmen zu wollen. Natürlich müssen wir unsere Zukunft sichern und die dazu notwendigen Investitionen tätigen. Wichtig ist dabei allerdings der Blick auf die dramatische Veränderung der Kundenbedürfnisse und des Kundenverhaltens. Der Kunde nutzt heute nicht mehr klassisch einen Vertriebskanal, sondern er will je nach Situation im Umfeld entscheiden, wie er mit uns Kontakt aufnimmt. Am Standort München ist es wichtig, ein wettbewerbsfähiges Internetangebot zu haben, und das haben wir.

Wer heute frei hat, findet Zeit für ein Beratungsgespräch in der Sparkasse. Andere wollen lieber telefonieren oder nutzen das I-Pad als Zugang und wieder andere bevorzugen ein kurzes Zeitfenster für einen Videochat. Insofern ist es wichtig, in der Zukunft für die Kunden auf all diesen Kanälen und Zugangswegen eine gleichermaßen hochwertige Leistung anzubieten, die ihn zufriedenstellt. Deshalb können wir auch nicht an der einen oder anderen Ecke sparen, ohne uns aus dem Wettbewerb zu verabschieden. Als Verbund mit unseren zentralen Dienstleistern müssen wir einfach zusammen in der Lage sein, über die Bündelung der Kompetenz in der Anwendungsentwicklung die Kosten für solche Weiterentwicklungen zu stemmen. Dieses entlastende Moment wird übrigens weitere Freiräume in den Filialen bringen, sich intensiv um Beratung zu kümmern.

Zurück zu den Wettbewerbsverhältnissen der Stadtsparkasse München: Die andere Großsparkasse im Raum München verfolgt sichtbar ein anderes Vertriebskonzept mit einer Einschränkung der Filialdichte. Darf man das als einen sportlichen Wettbewerb um das geeignete Konzept interpretieren? Wie stark ist die Rivalität?

Beide Institute pflegen einen guten Umgang miteinander, das heißt, es wird nicht aktiv im Geschäftsgebiet des anderen gewildert. Natürlich gibt es im Großraum München Kunden, die in München arbeiten und möglicherweise bei uns ihre Geschäftsverbindung haben, aber diese Fälle gibt es auch umgekehrt. Das ist ein atmender Prozess.

Aber Sie selbst halten Ihr beratungsintensives Vertriebsmodell doch wohl für überlegen?

Die Kollegen haben und hatten eine andere Filialstruktur. Viele der jetzt geschlossenen Zweigstellen in den Orten rund um München waren nur mit einem oder zwei Mitarbeitern besetzt. Wir hingegen hatten auch vor unserer Neuausrichtung des Vertriebskonzeptes kaum Filialen mit weniger als vier Mitarbeitern, überwiegend sogar fünf und mehr. Das sind ganz andere Voraussetzungen, die einen Vergleich verbieten. Jedes Haus muss für sich entscheiden, was der richtige Weg ist.

Welchen Stellenwert hat für Ihr Haus die Fintech-Szene? Beobachten Sie selbst die Entwicklungen oder überlassen Sie das eher den Verbänden?

Die anfängliche Sorge, die Fintechs als harte Wettbewerber zu betrachten, hat sich mittlerweile relativiert. Auch die Fintechs merkten inzwischen an vielen Stellen, wie sinnvoll es ist, bei der Umsetzung ihrer Ideen die Erfahrungen etablierter Banken im Hintergrund zu haben und zusammenzuarbeiten. Wir gehen beide Wege oder sogar drei.

Zum einen entwickeln wir ähnlich wie Fintechs selbst neue Ideen und versuchen diese umzusetzen. Darüber hinaus beobachten wir die Fintech-Szene und sind bei einer Entwicklung konkret mit einem Anbieter im Gespräch. Und nicht zuletzt sind wir innerhalb des Verbundes mit mehreren Sparkassen und der Finanzinformatik unterwegs, und zwar schnell und außerhalb der Gremienstrukturen. Mit den beiden zuletzt genannten Projekten wollen wir aber noch nicht an die Öffentlichkeit gehen.

Stichwort Sparkassen und Landesbanken: In welchen Bereichen arbeitet Ihr Haus mit Landesbanken zusammen? Und ist die Bayern-LB immer erster Partner?

Auch eine große Sparkasse braucht an vielen Stellen eine starke Landesbank an ihrer Seite. Sämtliche Dienstleistungen und Produkte selbst erstellen zu wollen, kann nicht gelingen, zumindest nicht in der überall erforderlichen Qualität und Profitabilität. Das gilt für das Kreditgeschäft, weil es im Sinne der Risikostreuung und -teilung wichtig ist, einen starken Partner mit im Boot zu haben. Das betrifft ebenso den gesamten Bereich der Eigenanlage, der gute Möglichkeiten zur Zusammenarbeit bietet. Und das berührt nicht zuletzt das Fördergeschäft und das Wertpapiergeschäft mit seinen Produkten, die von der Landesbank bezogen werden. Es gibt vielfältige Felder der Zusammenarbeit. Die Landesbank in München hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt und bietet Potenzial für weitere Zusammenarbeit.

... ebenso wie die anderen Landesbanken ...

Das ist ja normal. Wenn Produkte und Preise stimmen, ist die hiesige Landesbank immer erster Ansprechpartner. Ist ein Kriterium nicht erfüllt, kann die Sparkasse ja nicht auf das Geschäft verzichten, sondern auf andere lieferfähige Anbieter in der Gruppe ausweichen.

Natürlich gibt es dabei in der Gruppe einige Doppelzuständigkeiten, wie das Wertpapiergeschäft, in dem neben den Landesbanken auch noch die Deka als Wertpapierhaus tätig ist und damit uns und andere Sparkassen in einen Gewissenskonflikt führen, wo diese Geschäfte gemacht werden sollen. Deshalb halte ich es für wichtig und erforderlich, sich an der einen oder anderen Stelle sehr zeitnah und schnell innerhalb unserer Finanzgruppe mit dem Abbau von Doppelstrukturen zu beschäftigen. Es ist in einer Gruppe nicht effizient und zielführend, wenn zwei oder mehrere Institute gleiche Leistungen erbringen. Wenn wir als Primärinstitut vor großen Herausforderungen stehen, die wir mit den geschilderten Maßnahmen sehr konsequent und klar angehen, dann erwarte ich das auch von dem Rest des Verbundes und von den Eigentümern und Eigentümervertretern der weiteren Partner des Verbundes.

Sie sind also ein Anhänger einer klaren Arbeitsteilung unter den Landesbanken?

Ja sicher, wie auch immer man das lösen wird. Letztlich wird es die Frage sein, wie viele Landesbanken wir brauchen. Um die Extreme zu nennen: Eine Landesbank wird bei der Größe des Marktanteils vor allen Dingen im Firmenkundengeschäft sicher nicht reichen, an dieser Stelle sind wir auch nicht mit der Genossenschaftsorganisation vergleichbar. Aber wir brauchen gewiss nicht die sechs Landesbanken, die heute exisitieren.

Wie sehen Sie die Lage im Geschäftsfeld institutionelles Asset Management? Dort gibt es ja gleich mehrere Landesbanken als Anbieter.

Das ist ohne Frage ebenfalls ein Geschäftsfeld, das nicht von gleich mehreren Landesbanken im Wettbewerb angeboten werden sollte. Ein weiteres ist das Auslandsgeschäft. An dieser Stelle ist die Genossenschaftsorganisation uns ein paar Schritte voraus. Entsprechend würde ich mir wünschen, einige Geschäftsüberschneidungen zu bereinigen. Dabei sind viele zur Mitwirkung aufgerufen, insbesondere die Inhaber der Eigentümerpositionen, also oft die Regionalverbände in Stellvertretung für die Sparkassen. So denken übrigens viele in den Sparkassen, unabhängig von der Größe der Institute, auch wenn nicht alle es verbal ausdrücken. Wir haben diesbezüglich Handlungsbedarf.

Was kann Georg Fahrenschon in solchen Fragestellungen ausrichten, mehr als Moderation?

Ohne Eigentümerrechte ist der DSGV-Präsident in einer schwierigen Situation, die Deka Bank ausgenommen. Deshalb gehört dieser Ball nicht in sein Spielfeld. Der DSGV hat für sich richtigerweise die Rolle des Strategieführers reklamiert. In diesem Zuge kommt dem Präsidenten eine wichtige Aufgabe zu. Er hat eine moderierende, aber hin und wieder auch treibende Funktion ohne wirkliche Entscheidungsbefugnis.

Bezüglich der öffentlichen Versicherer hat der DSGV-Präsident zu Beginn seiner Amtszeit eine Bereinigung auf seiner Agenda erst einmal nach hinten geschoben. Besteht auch hier jetzt konkreter Handlungsbedarf?

Ja, ich sehe diesen neben den Landesbanken auch für die Landesbausparkassen und die öffentlichen Versicherer. Natürlich sind in jeder Region jeweils Besonderheiten zu berücksichtigen. Aber Fusionen zeichnen sich durch Kompromissfähigkeit und Lösungsorientierung aus. An der einen oder anderen Stelle führt das weg von der eigenen Position zu den bestmöglichen Lösungen für alle. Wenn man nur mit seiner eigenen Position unterwegs ist, wird eine Einigung schwierig.

Insofern gilt es, die unbestritten regionalen Besonderheiten bestmöglich zu berücksichtigen und für Ausgleich zu sorgen. Das ist die große Herausforderung. Alle müssen deshalb mit einem Gestaltungswillen an einen Tisch kommen und nicht von vornherein Mauern aufbauen oder Brücken einreißen, über die man eines Tages gehen muss. Am Ende eines solchen Prozesses muss der Zustand für alle besser sein als zuvor.

Wie empfinden Sie in den vergangenen Jahren die Gremienarbeit in der Sparkassenorganisation? Ist der Umgang miteinander unverändert geblieben, besser oder schlechter geworden?

Auch an dieser Stelle muss man differenzieren. Bei großen Themen wie dem Haftungsverbund gab es durchaus langwierige Debatten. Das ist aber nur ein kleiner Teil der Gremienarbeit. In der Breite läuft diese sehr vernünftig ab, sehr sach- und zielorientiert. Unser Problem ist aber die Vielfalt und die Menge an Gremien sowie die Dauer, mit der gewisse Themen angepackt, vorangetrieben und umgesetzt werden können. Insofern müssen wir uns bei den klassischen Themen mit der Frage beschäftigen, wie wir die Gremienstruktur sinnvoll verschlanken können, um schneller und effizienter zu werden, ohne dabei den Charakter der dezentralen Strukturen der Organisation zu verändern.

Es gibt jedoch auch Themen, bei denen Schnelligkeit erste Anforderung ist. Hier werden wir in den alten Gremienstrukturen nicht vorankommen. Bei Herausforderungen wie zum Beispiel Digitalisierung oder Zahlungsverkehr der Zukunft ist deutlich mehr Tempo angesagt als in der Vergangenheit. Hier brauchen wir andere Strukturen und Gremienzusammensetzungen. Eine Kommunikation dieser Themen in den heutigen Strukturen wird eine erforderliche schnelle Entscheidungsfindung nicht ermöglichen.

Was ist konkret zu tun?

Man muss Schnittstellen reduzieren sowie Doppelzuständigkeiten und -arbeiten vermeiden. An dieser Stelle erhoffe ich mir für den Sparkassentag eine möglichst belastbare Aussage. Es wäre schön, wenn die Arbeitsgruppe, die sich mit Gremien und Strukturen beschäftigt, bis dahin schon etwas präsentieren könnte.

Welche besonders wichtigen Themen sollte der DSGV-Präsident aus Ihrer Sicht in Brüssel voranbringen?

Er muss mit Blick auf die Regulierung hartnäckig darauf dringen, dass nicht - völlig an den Strukturen vorbei - alle Institute einfach gleich behandelt werden. An dieser Stelle bleibt es eine große Herausforderung, die Positionierung der Sparkassen, der Genossenschaftsbanken und gerne auch der kleineren privaten Banken deutlich zu machen. All diese Institute fahren ein komplett anderes Geschäftsmodell als eine weltweit agierende Großbank. Einlagen vor Ort einzusammeln und als Kredite dort wieder zu verleihen ist etwas völlig anderes, als sich am Kapitalmarkt Gelder zu beschaffen, die an irgendwelchen Stellen in der Welt in Ölquellen, Windkraft anlagen oder Schiffe investiert werden. Das ist auch unter Risikogesichtspunkten völlig unterschiedlich.

2008 waren die Verbundinstitute die stabilisierenden Faktoren und acht Jahre später hat man den Eindruck, als habe die Regulierung das schon wieder vergessen. Gleiche Regeln für alle Banken sind falsch. Es braucht eine Differenzierung der Aufsichtsmodelle und Regulierungsmaßnahmen je nach den Geschäftsmodellen. Das gilt es in Brüssel klarzumachen.

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