Interview

Redaktionsgespräch mit Peter Schneider - "Vertikalisierung löst die Probleme einer Landesbank nicht."

Welchen Stellenwert hat Ihrem Eindruck nach das Thema Landesbankenkonsolidierung in der Sparkassenorganisation? Ist es nur bis nach der endgültigen Bilanzberichterstattung auf Eis gelegt oder wird die Ruhephase noch länger dauern?

Die objektive Notwendigkeit einer Konsolidierung im Landesbankensektor ist gerade durch die Marktentwicklung der letzten Wochen noch einmal deutlicher geworden. Jede Landesbank ohne tragendes Geschäftsmodell oder zu starker Kapitalmarktfixierung steht vor immer größeren Schwierigkeiten. In dieser Einschätzung der Lage herrscht in der deutschen Sparkassenorganisation ein hohes Maß an Übereinstimmung. Hier in Stuttgart muss man dieses Thema auf den ersten Blick von der eigenen Lage her vielleicht nicht so dringlich einstufen. Aber wir können und wollen nicht sagen, wir als LBBW sitzen gut gepolstert ganz hinten im Zug. Denn die Schicksale einer jeden Landesbank tangieren die ganze öffentlichrechtliche Finanzgruppe. Dem müssen und werden wir uns stellen. Unser eigentliches Problem dabei sind die landespolitischen Gestalter. Aber es wäre vermessen, die Politik in anderen Bundesländern in eine bestimmte Richtung bewegen zu wollen. Da sind die Entscheider selbst am Zuge.

Wie bewerten Sie die Rolle der baden-württembergischen Sparkassenorganisation im Konsolidierungsprozess der Landesbanken?

Wir haben im Sommer 2007 auf Anfrage sofort eine echte Gesprächsbereitschaft in Richtung WestLB gezeigt und keine Formalposition eingenommen. In den Verhandlungen mit Sachsen haben wir dann wenig später ein sehr hohes Maß an Verantwortung auf uns genommen. Und genauso waren wir in Richtung Bayern zum Dialog bereit, auch hier keine Formalposition. Aber wir müssen auf der anderen Seite in diesen komplexen Fragen einfach Befindlichkeiten, Ansichten, Standpunkte vor allem aus der Politik in anderen Bundesländern respektieren.

Wer muss in der Landesbankenkonsolidierung aktiv werden? Bewegt sich genug in den Regionen? Oder muss Berlin tätig werden, wie der Hilferuf aus NRW es einfordert?

Der Anstoß kann nicht ernsthaft vom Bund kommen. Eine "Einmischung" von dort lässt sich letztlich doch niemand gefallen. Vielmehr muss die Einsicht dort wachsen, wo die Handlungsnotwendigkeiten gegeben sind. Wir selbst sehen ausdrücklich die Notwendigkeit von Gesprächen, müssen sie aber gewiss nicht händeringend einfordern. Auch im Sommer letzten Jahres sind wir im Übrigen gefragt worden, ob wir zu Gesprächen bereit sind. Als die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen auf uns zukamen, waren wir binnen einer Woche in einem konstruktiven Dialog. Wir hatten eine wirklich gute Gesprächssituation. Dass sich der andere Eigner in NRW nicht einmal daran beteiligt hat, muss ich einfach zur Kenntnis nehmen.

Ebenso war die Situation in Sachsen. Schon einen Tag nachdem man von dort auf uns zugekommen war und die Handlungsnotwendigkeit erläutert hatte, haben wir dort die Gespräche begonnen und im Dezember vergangenen Jahres zu Ende geführt. Kürzlich haben wir die Verhandlungen wieder aufgenommen und in einem sehr schwierigen Prozess bis in den März hinein unsere Verantwortung bei der Klärung letzter offener Fragen gezeigt. Kurzum, wir warten nicht bis endlich jemand anklopft, sondern sind da, wenn Notwendigkeiten bestehen und wir eine konstruktiv ehrliche Gesprächshaltung vorfinden.

Die teilweise verbreitete Botschaft, wir wollten uns andere einverleiben, trifft gewiss nicht zu. Wir sind noch sehr stark mit der Umsetzung unserer eigenen strategischen Ausrichtung beschäftigt. Aber wenn ein Problem auftaucht, muss man immer die Gesamtverantwortung sehen. Die Schwierigkeiten einer Landesbank oder eines Instituts unserer Gruppe überhaupt, sind nie isoliert und spielen sich nie irgendwo regional ab, sondern die Dinge gehen uns mittlerweile in hohem Maße alle an.

Wie steht der SVBW zu einer ver tikalen Integration? Kann er sich angesichts der historisch bedingten Aufstellung der LBBW mit der heutigen BW Bank überhaupt dagegen aussprechen?

Die Situation hier in Baden-Württemberg unterscheidet sich ganz wesentlich von der Diskussion, die gerade in einigen Bundesländern geführt wird. Wir haben hier nämlich keine vertikale Integration wie sie den politischen Befürwortern zur Lösung der Probleme der Landesbanken vorschwebt, und wir brauchen hier keine Retailbereiche in der Landesbank, um deren Schwäche aufzufangen.

Vielmehr gibt es hier einen historischen Werdegang, der mit Königin Katharina im neunzehnten Jahrhundert seinen Ausgang nahm. Von ihr wurde damals unsere Landessparkasse gegründet, und in der Folge kamen die Sparkassen und Kreissparkassen als regionale Institute hinzu. Genau betrachtet lebt Württemberg und jetzt Ba-den-Württemberg mit dieser Kostellation seit rund 200 Jahren. Wer uns als gutes Beispiel für vertikale Integration hinstellt, um einer notleidenden Landesbank zu helfen, argumentiert total falsch. Ohne Frage schöpft die Landesbank Baden-Württemberg zwar einen Teil ihres heutigen Geschäftserfolges auch aus der BW Bank, aber nicht den entscheidenden und nicht den größten Anteil.

Generell halte ich es für ausgeschlossen, mit einer Vertikalisierung die Probleme einer Landesbank überhaupt lindern geschweige denn lösen zu wollen.

Man bringt damit ein System zum Einsturz. Bei diesen Diskussionen sollte man im Auge behalten, wo das Problem liegt, nämlich eindeutig in den Landesbanken. Es wäre fatal, ein funktionierendes und austariertes System der Sparkassen in Landesbanken zu schaufeln, um diesen vermeintlich zu helfen. Damit würde man das Sparkassensystem an der Basis kaputt machen. Dann landet man nämlich im Konzern und verliert jede regionale Nähe, also all das, was das Sparkassenwesen ausmacht. Das ist übrigens in Baden-Württemberg die einhellige Auffassung auch in der Politik. Niemand spricht hier von einer Vertikalisierung.

Das mag sein, aber die anderen sagen eben, in Baden-Württemberg hat man gut reden. Dort hat man das große Glück, das Retail Geschäft schon als Teil der Landesbank zu haben ...

... aber doch wirklich nur zu einem kleinen Teil. Das trägt zum Betriebsergebnis der Landesbank etwa 13 bis 14 Prozent bei.

Wie sehen Sie die strategische Ausrichtung der Landesbank Berlin Holding? Steht die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Landesbankenkonsolidierung oder muss man sie losgelöst davon sehen? Wo liegen gegebenenfalls die zeitlichen Prioritäten?

Die strategische Ausrichtung der LBBH fällt sehr wohl in den Gesamtkontext der Leistungsangebote von Landesbanken, der in nächster Zeit zu diskutieren ist. Es ist festzulegen, wo das Leistungsangebot in die Gesamtgruppe passt. Die Gesellschaft wurde bekanntlich nicht wegen ihres Landesbankengeschäftes gekauft, sondern wegen des Sparkassenbereichs. Wir wollten keine sparkassenfreie Zone in der Bundeshauptstadt haben. POS-Konsumentenkredit, Karten, Immobilienfinanzierung sind allesamt Themen, für die die Landesbank Berlin ein gutes Vehikel ist. Denn sie gehört fast allen Sparkassen und kann damit Landesbankendienstleistungen mit einem Ertrag für alle bewerkstelligen. Aber es gibt darüber hinaus bis hin zu der kurz vor der Übernahme durch die Sparkassen erworbenen Netbank bereits ein Leistungsspektrum der LBBH, das die Klärung einiger strategischer Grundsatzfragen erfordert.

Den Diskussionsprozess um die Positionierung der LBBH in der S-Finanzgruppe im Bereich von Finanzdienstleistungen als Landesbank hat der DSGV bereits angestoßen. Er führt noch im laufenden Jahr zu erheblichem Diskussionsbedarf. Aus badenwürttembergischer Sicht ist es dabei keinesfalls erstrebenswert, Konkurrenzangebote zu Landesbanken aufzubauen.

Wie positioniert sich die badenwürttembergische Sparkassenorganisation in der Frage einer S-Direktbank? Wie werden die Netbank, die 1822 direkt und die DKB gesehen?

Das ist ein ganz schwieriges Thema, das miteinander noch einmal klar analysiert werden muss, um einige Glaubensfragen noch zu mehr Wissensfragen werden zu lassen. Wir selbst sind in der Meinungsbildung in diesem Punkt noch nicht abgeschlossen, und sehen durchaus das Pro und Contra. In manchen Geschäftsgebieten ist das Thema viel akuter als in anderen, und einige Sparkassen haben das Leistungsspektrum gut abdeckt. Aber in städtisch geprägten Regionen ist das fraglos einer der dringlichen Schwerpunkte für 2008, schließlich haben wir schon drei Leistungsanbieter im Feld. Den Wesenskern der Sparkasse dürfen wir durch eine falsche Direktbankstrategie jedenfalls nicht gefährden oder gar aufs Spiel setzen.

Müssen auch die Sparkassen Lehren aus der Finanzmarktkrise ziehen?

Zunächst einmal ist die Finanzkrise beileibe kein Landesbankenthema und erst recht kein deutsches Problem wie es derzeit manchmal vermittelt wird. Die Sparkassen in Baden-Württemberg sind nicht direkt betroffen, können sich freilich auch nicht abkoppeln. Spätestens über die Landesbanken sind alle aber fundamental tangiert. Durch die schwere

Finanzkrise, deren Tiefpunkt ich im Übrigen noch nicht für erreicht halte, haben einige Sparkassen ein vitales Interesse, das mangelnde Geschäftsmodell mancher Landesbanken zu lösen, möglichst im Zuge von Konsolidierungen.

Zum Zweiten haben wir jetzt die große Chance, die Sparkassen gegenüber den Kunden als Hort der Stabilität zu präsentieren. Anders als andere Marktteilnehmer haben wir eine umfassende Einlagensicherung für Kunden. Unsere Refinanzierung, so müssen wir verdeutlichen, hängt vergleichsweise wenig vom internationalen Kapitalmarkt ab, sondern ist im Wesentlichen durch die Kundengelder gespeist. Das verleiht in der heutigen Situation Stabilität. Und wir haben mit der hohen Eigenkapitalausstattung aus den letzten Jahren und Jahrzehnten die Möglichkeit, einer Kreditklemme weit vorzubeugen. Während international operierende Kreditinstitute teilweise schon tief in der Klemme sitzen, spürt der Normalkunde, gerade auch der Mittelständler bei uns keine Kreditklemme.

Unser von einigen so belächeltes Modell der Dreigliedrigkeit hat sich im internationalen Vergleich also sehr gut bewährt. Ursache für Schwierigkeiten ist nicht das Dreisäulenmodell in Deutschland, sondern die Amerikanisierung der Verhältnisse. Und wenn man es sarkastisch ausdrücken will, darf man sagen, willkommen im Club. Denn die großen privaten Kreditinstitute überleben nur noch mit Staatsgeldern aus dem arabischen und asiatischen Raum. Ist das etwa kein Problem für die internationale Finanzwelt?

Wie beurteilen Sie die Einbindung der öffentlichen Versicherer in den Verbund? Woran scheitert bislang eine nähere Zusammenarbeit? Die kürzliche Verlautbarung aus Berlin lässt ziemlich wenig Bewegung vermuten, oder?

Wir hatten kürzlich in der Aufsichtsratssitzung der SV Sparkassen-Versicherung Holding den wichtigen Tagesordnungspunkt Fusion und Abschluss. Hier in Baden-Württemberg ist mit Hessen und Thürigen sowie Teilen von Rheinland-Pfalz ein Zusammenschluss überaus gut gelungen. Die Fusionsziele von 100 Millionen Euro Synergien per annum wurden voll umfänglich erreicht. Der Versicherungskonzern ist heute bei gleicher oder sogar höherer Leistung um 100 Millionen Euro kostengünstiger und dazu noch effizienter aufgestellt.

Dieses Beispiel müsste im öffentlich-rechtlichen Versicherungsbereich Signalwirkung haben. Aber man tut sich dort schwer, weiter zusammenzukommen, weil jeder etwas aufgeben muss. Der

Markt lässt uns vermutlich nicht mehr lange Zeit. Das sind die gleichen Diskussionen wie im Landesbankensektor, obwohl wir es von der Ausgangslage her aufgrund unserer meist alleinigen Eignerschaft eigentlich einfacher haben sollten.

Sie sehen also einen Zusammenhang zwischen der Landesbankenkonsolidierung und der Neuordnung der öffentlichen Versicherer? Könnte eine Gesamtschau auf beide Projekte etwa die Standortfragen ein wenig entschärfen? Oder denkt man im Sparkassenlager derzeit nicht in so großen Dimensionen?

Von der Sache her muss man das nicht vermischen, wir sind bei den Versicherern von der Eigner- oder Trägerschaft her allein handlungsfähig. Aber praktisch spielt das natürlich eine Rolle. Bei realistischer Betrachtung braucht man für größere Schritte bei der Landesbankenkonsolidierung auch gewisse "Kompensationsmöglichkeiten". Das ist halt so, gewisse Abhängigkeiten kann man nicht wegdiskutieren.

Was ist von der Bilanzierung der Landesbanken zu halten? Wird Ihrem Eindruck nach trotz unterschiedlicher Wirtschaftsprüfer bei allen vernünftig und vergleichbar bilanziert?

Es kann sich keine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft leisten, in der jetzigen Situation in Bewertungsfragen unvertretbare Zugeständnisse zu machen. Die großen Prüfungsgesellschaften betrachten unseren Beobachtungen nach die Dinge mittlerweile sehr von der sicheren Seite. Die BaFin

und die sogenannte Bilanzpolizei sorgen für ein hohes Maß an Vergleichbarkeit. Wie sehen die Sparkassen in Ba- den-Württemberg die Arbeit beziehungsweise die Konkurrenz durch die BW Bank? Gibt es statt Reibereien gar ein konstruktives Nebeneineinader?

Natürlich sind die Reaktionen je nach der örtlichen Wettbewerbslage unterschiedlich. Aber diese gesunde Konkurrenzbeziehung ist völlig normal und systemimmanent. Es gibt traditionell den direkten Wettbewerbsdruck in und um Stuttgart. Draußen in der Fläche des Landes ist er für die Sparkassen weniger spürbar, weil dort die BW Bank nicht so stark vertreten ist.

Ist jetzt plötzlich alles in bester

Ordnung? Zumindest in der Entstehungsphase der LBBW Bank in der jetzigen Konstellation gab es doch zumindest vernehmliche Bedenken aus einigen der Sparkassen.

Es gibt immer noch die üblichen wettbewerblichen Auseinandersetzungen, die man gegebenenfalls klären muss. Daran haben sich die Sparkassen aber gewöhnt. Wenn die BW Bank heute ganz normale Geschäftsbereiche forciert, kommt sie schärfer in eine Wettbewerbssituation mit den Sparkassen. Daneben existiert aber auch ein weites Feld des Miteinanders, nämlich Finanzierungen, die eine Sparkasse allein nicht schultern kann.

Bei alledem muss man bedenken, dass Geschäftsbanken in Baden-Württemberg vielerorts gar keine Rolle mehr spielen, sprich gar nicht mehr in größerem Umfang präsent sind. Der öffentlich-rechtliche Sektor deckt beispielsweise mittlerweile mehr als 60 Prozent der Unternehmensfinanzierung in unserem Geschäftsgebiet ab.

In dem am stärksten vom Mittelstand geprägten Bundesland, das ist übrigens der zweite Grund meiner großen Bedenken gegen eine Vertikalisierung, muss die Bankdienstleistung auch die Struktur der Kundschaft widerspiegeln, also mittelständisch organisiert sein. Dann ist das Angebot wesentlich effizienter und verständlicher als das von Konzernen. Die Mittelständler als Rückgrat dieses erfolgreichen Wirtschaftslandes schätzen gerade die mittelständischen Strukturen der Sparkassen und auch der Genossenschaftsorganisation im Bankgeschäft, einschließlich der Gesichter, Namen und Personen, die dahinterstehen. Deshalb sind wir auch so erfolgreich.

Ist die BW Bank in die Betriebs vergleiche der baden-württembergischen Sparkassen eingebunden?

Nein, die BW Bank ist voll in die LBBW integriert. Auch ein Kennzahlenvergleich ist praktisch unmöglich und wird nicht gemacht.

Welches Potenzial bietet das Mittelstandsgeschäft für die verbliebenen Landesbanken? Geraten nicht alle zunehmend in die traditionellen Geschäftsfelder der Sparkassen?

Im Verdrängungswettbewerb bietet das Mittelstandsgeschäft zwar Potenzial. Es ist aber von Bundesland zu Bundesland und vielleicht sogar von Markt zu Markt völlig unterschiedlich. In jüngster Zeit ist es ein wenig zum Zauberwort für alle geworden, die von der Krise besonders stark betroffen sind. Mittelstandsfinanzierungsgeschäft hat aber einen ganz starken Vertrauensaspekt, braucht Know-how, Personen und vor allen Dingen auch

Zeit im Aufbau. Es muss sich über Jahre und Jahrzehnte entwickeln. Den badenwürttembergischen Sparkassen bringt es diesen Erfolg, weil es offensichtlich gut gemacht wird und die Kundschaft zufrieden ist. Sonst erreicht man nicht solch einen enormen Marktanteil, der auch Verantwortung für das Land widerspiegelt.

Wer jetzt im Markt beginnt, darf nicht glauben, dass Mittelständler in Scharen etwa nach einem Kredit fragen. Und die, die das Geschäftsfeld jetzt erst entdecken, haben nicht unbedingt die stärkste Reputation, sonst hätten sie es schon viel früher entwickelt. Wenn sie jetzt also neue Kunden gewinnen, dann sind das in aller Regel nicht die besten Adressen. Das heißt, wer heute neu ins Mittelstandsgeschäft einsteigt, läuft große Gefahr, sich Risiken und damit höhere Risikovorsorge und höheres Bewertungsergebnis einzufangen. Kurzfristig bis mittelfristig Ertragsprobleme über Mittelstandsgeschäft lösen zu wollen, ist also enorm schwer. Diese Zeit lässt der Markt einfach nicht. Das kann wirklich nicht das Allheilmittel derjenigen sein, die von der Finanzkrise betroffen sind. Solche Vorstellungen sind mehr Wunsch als Wirklichkeit.

Wie sollte man das Mittelstandsgeschäft im Sparkassensektor aufteilen? Sollten die Sparkassen in den jeweiligen Regionen Vorrang beziehungsweise das erste Zugriffsrecht haben oder gilt der freie Wettbewerb zwischen Sparkassen und allen Landesbanken?

Mittelstandsgeschäft ist innerhalb der Landesbanken traditionell volles Wettbewerbsgeschäft. Eine Aufteilung wird nicht funktionieren und ist übrigens auch rechtlich gar nicht haltbar.

Mit Blick auf die Sparkassen gibt es freilich unterschiedliche Ansätze. Die Institute vor Ort haben die Möglichkeiten bis zu einem bestimmten Kreditvolumen mitzugehen, und den Rest machen sie dann gemeinsam mit Landesbanken. Die großen Volumina laufen über die Landesbanken. Die Sparkassen sind schlicht aufgrund der räumlichen Nähe zu den Mittelständlern vor Ort bevorzugter Partner, soweit sie das stemmen können. Im Großraum Stuttgart können sie dabei oft bis zu größeren Volumina mitgehen. Draußen auf dem flachen Land gibt es kleinere Institute, die nur kleinere Volumina darstellen können.

Wie ist das Selbstverständnis der Landesbank? Lässt sie der Sparkasse das erste Zugriffsrecht oder versucht sie selbst Geschäft zu machen?

Wir haben hier in Baden-Württemberg gemeinsame Gremien der Sparkassen und der Landesbank, in denen wir offen und kritisch miteinander reden. Und wir haben eine klares Selbstverständnis: DieLandesbank geht die großen Geschäfte an, und die Sparkassen konzentrieren sich auf die Finanzierungen, die sie von der Risikotragfähigkeit gut bewältigen können. Wenn die Landesbank morgen die Sparkassen angreifen würde, dann müsste sie damit rechnen, dass die Sparkassen dann Geschäfte auf anderer Ebene mit anderen Kreditinstituten abwickeln. Die Zielrichtung der Landesbank sind aber eindeutig die Kunden außerhalb der Gruppe und nicht die der Sparkassen.

Gilt dieses Prinzip auch in Rhein- land-Pfalz und Sachsen?

Sicherlich: Stellen Sie sich einmal vor, die LBBW würde den Sparkassen dort ihr Geschäft bis tief in den kleinen Mittelstand streitig machen. Dann hätten wir doch morgen schon eine wilde Diskussion, und die Stimmungslage für das Geschäft mit den Sparkassen wäre radikal beschädigt. Deshalb ist das keine Lösung. Wenn man gemeinsam antritt, muss man klar jenseits der S-Gruppe agieren und Kunden von den Privatbanken abwerben. Da gibt es viel Potenzial.

In Sachsen, um diesen Fall aufzugreifen, werden wir sehr darauf achten, das Mittelstandsgeschäft gemeinsam mit den Sparkassen und nicht gegen diese zu entwicklen. Die dort vernehmbaren Irritationen kamen nicht aus der Sparkassenorganisation und sind interessengeleitet. Wir wären wahrlich nicht gut beraten, gleich in den ersten Wochen die Auseinandersetzung mit den dortigen Sparkassen zu suchen. Diese wollen wir doch als unsere Partner vor Ort gewinnen, um eine arbeitsteilige Bearbeitung des Marktes sicherzustellen.

Nur rund ein Viertel des erforderlichen Ertrags der WestLB lässt sich aus dem Verbundgeschäft generieren, heißt es in NRW. Woraus zieht die LBBW ihre Zusatzerträge?

Zunächst einmal hat die LBBW ein wesentlich stärker entwickeltes Mittelstandsgeschäft. Hinzu kommt zum kleineren und oft überbewerteten Teil die BW Bank. Dann hat sie Beteiligungserlöse sowie Spezialbereiche, die schon ausgebaut wurden und weiter entwickelt werden, und schließlich gibt es einen internationalen Anteil, der aber klar an der Projektfinanzierung ihrer Kunden orientiert ist. Es wird also im Ausland keine Niederlassung eröffnet, um Märkte zu suchen, sondern die Kunden werden mit den notwendigen Produkten und Dienstleistungen in die internationalen Märkte hinein begleitet.

Sie haben angekündigt, das Auslandsgeschäft mehr in die Öffentlichkeit bringen zu wollen. Ist diese Initiative schon gestartet?

Ja, wir stellen derzeit als gemeinsames Projekt von Sparkassen und Landesbanken unsere internationalen Kompetenzen der Kundschaft vor, weil wir einfach in der Auslandskompetenz für unsere Mittelständler in deren Wahrnehmung deutlich abfallen. Bei Unternehmen mit Engagements beispielsweise in China, Vietnam oder Südamerika müssen wir nachsetzen und ihnen darlegen, was die S-Gruppe zu bieten hat.

Wie ist der baden-württembergische Verband mittlerweile organisiert? Sind sieben Jahre nach der Fusion noch wesentliche Teile in Mannheim angesiedelt?

Ab April oder Mai dieses Jahres werden wir komplett in Stuttgart sein. Die notwendige Standortverlagerung wäre dann reibungslos geschafft. Sie wird von den Trägern über die Führungskräfte bis hin zu den Mitarbeitern als sinnvoll erachtet. Zugute kommt uns dabei natürlich, dass die Fahrzeit von Mannheim nach Stuttgart mit dem Zug nur eine gute halbe Stunde beträgt, und hier sind wir direkt am Hauptbahnhof angesiedelt.

Wie wirkt sich die angeschobene

Fusion der beiden genossenschaftlichen Verbände in Baden-Württemberg auf die Sparkassenseite aus?

Die genossenschaftlichen Interna kann und werde ich nicht bewerten. Soweit ich das ein wenig aus der Distanz beobachte, können die beiden genossenschaftlichen Verbände aber gemeinsam sicherlich eine höhere Schlagzahl und eine höhere Wahrnehmung erreichen.

Mit Blick auf die Wettbewerbslage begegnen wir als Marktführer der Genossenschaftsorganisation in der Tiefe des Landes natürlich als unserem größten Wettbewerber. Es gibt sehr aktive genossenschaftliche Regionen, die uns am Markt sehr beachtlich entgegentreten und manchmal sind sie auch stärker, in anderen geht es ein wenig geruhsamer zu. Die Genossenschaften haben einen ähnlichen Ansatz, sind dezentral aufgestellt und personell eng vor Ort verwoben, zeigen Gemeinwohlempfinden und haben von ihrem Selbstverständnis und ihrer Historie her eine sympathische Konstruktion. Wenn dieser Sektor künftig landesweit effizienter und organisatorisch gleich aufgestellt ist, belebt das den Wettbewerb und erleichtert vielleicht auch die Kommunikation miteinander.

In der Genossenschaftsorganisation wird diskutiert, als Zielvorstellung zu einem einzigen bundesweiten Regionalverband zu kommen? Ist das auch ein Gedankenspiel in der Sparkassenorganisation als eine der nächsten Runden zur Kosteneinsparung?

Dass man prinzipiell auch bei den Verbänden der Sparkassenorganisation zu größeren Einheiten kommen kann, hat der Osten Deutschlands gezeigt, wenn auch mit einem anderen historischen Hintergrund. Aber ein Verband lebt bei aller Effizienz und allem Kostenbewusstsein auch von einem gemeinsamen Verbandsleben, von der Emotionalität. Das ist ein berechtigtes Anliegen. Und deshalb halte ich es einfach für schwierig, über große Distanzen so gut zu kommunizieren, wie es in unserer Organisation notwendig ist. Man braucht in der Sparkassenorganisation eine gewisse Nähe und muss oft draußen vor Ort sein. Und es bedarf vor allem auch eines Blickes für die Empfindsamkeiten, denen man im täglichen Geschäft gerecht werden muss. Zwischen Baden und Württemberg ist uns das in den vergangenen sieben Jahren gut gelungen. Aber wenn künftig verschiedene Bundesländer in einem Verband zusammengefasst werden sollten, wäre das wesentlich schwieriger.

Wir sind öffentlich-rechtlich organisiert, und damit ist die Identität eines Regionalverbandes zu einem Bundesland und zu dessen Politik ein hohes Gut. Alles ist politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich stark auf Landesgegebenheiten angelegt. In einem großen Bundesland wie Baden-Württemberg müssen wir beispielsweise für die politischen Entscheidungsträger, die Ministerien und die Aufsicht ein gleichermaßen verlässlicher wie erreichbarer

Ansprechpartner sein. Und dann gibt es die Vielzahl von karitativen, gesellschaftlichen Einrichtungen, die mit bestimmten Anliegen auf uns zukommen und für die wir auch da sein wollen. All das über zwei oder gar drei Bundesländer hinweg organisieren zu wollen, ist kaum möglich.

Wie sieht es mit stärkerer fachlicher Arbeitsteilung aus?

Es ist in der Tat etwas anderes, gemeinsame Dienstleistungen anzubieten, beispielsweise im Prüfungsbereich. Da kann man sich ebenso wie bei der Beratung sicher eine stärkere Verknüpfung über Verbandsgrenzen hinweg vorstellen. Das haben wir ja in bestimmten Ansätzen schon organisiert: Immerhin ist die IT aus regionalen oder noch kleineren Formen gewachsen und steht heute kurz vor einer bundeseinheitlichen Lösung, die sogar europaweit Maßstäbe setzt. Beim Verlagswesen haben wir das ebenfalls geschafft.

Welche Bedeutung haben die regionalen Prüfungsstellen? Gibt es an dieser Stelle ein Potenzial für Kosteneinsparungen? Sollte man das eventuell sogar den normalen Wirtschaftsprüfern überlassen?

Wir beschäftigen in unserem Haus über 100 Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in der Eigenprüfung unserer 55 Sparkassen. Sie machen das sehr gut und werden fachlich überall akzeptiert. Hört man die Sparkassen, prüfen sie ihnen gegenüber auch keineswegs besonders wohlwollend. Aus Quervergleichen der eigenen Institute erkennen wir immer wieder die Bedeutung eines guten sparkasseninternen Prüfungswesens. Schon in meiner früheren Funktion als Verwaltungsratsvorsitzender einer Kreissparkasse waren mir die Prüfer sehr wichtig, weil sie die Dinge ganz genau anschauen, Vergleiche anstellen und auch die lange Zeitachse berücksichtigen. Auch bei der Ausübung der Aufsichtsfunktion scheint mir die Urteilstiefe bei den eigenen Leuten einfach besser als bei privaten Wirtschaftsprüfern. Sie üben eine enorm verantwortungsvolle Aufgabe aus.

Wie finanziert sich Ihr Verband? Wie viel sind Honorareinnahmen, wie viel Beteiligungserträge und wie viel Mitgliedsbeiträge?

Wir haben Beratungsprojekte, die sich voll und ganz selbst finanzieren. Der Bereich Ausbildung wird zu einem großen Teil über Gebühren und Umlagen abgedeckt. Darüber hinaus haben wir die Beteiligungen an den Verbundunternehmen. Und zu rund 50 Prozent sind wir umlagefinanziert.

In der Genossenschaftsorganisation wird seit Jahren tapfer um die Erlösverteilung gerungen, sprich die Primärinstitute geben sich immer unzufrieden mit den Provisionen der Verbundunternehmen und reklamieren einen Zusatzbonus für den Erhalt der Gruppenstruktur. Sind die Sparkassen mit den Provisionszahlungen von Deka, Deutsche Leasing, LBS oder den öffentlichen Versicherern uneingeschränkt einverstanden?

Unter dem Ertragsdruck, den wir zurzeit haben, wird das zunehmend angesprochen, ist aber kein ganz großes Streitthema. Den ausfallenden Zinsertrag vollständig mit Provisionsertrag wettmachen zu wollen, wird auch kaum gelingen. Sparkassen haben zwei Quellen der Erträge aus dem Verbund, zum einen die Provisionen und zum anderen die Dividendenerträge. Bei Letzteren ist zunächst die Landesbank als größte Beteiligung zu nennen. Diese liefert eine sehr moderate Ausschüttung, denn man kann nicht auf der einen Seite stark sein und wachsen wollen und auf der anderen Seite große Dividenden ausschütten. Die zweitgrößte Beteiligung ist jetzt die Landesbank Berlin Holding. Dort hegen wir die Erwartung, dass die Refinanzierungskosten abgedeckt werden. So weit ist die LBBH noch nicht ganz, aber auf einem guten Weg. Die drittgrößte Beteiligung stellt die als AG aufgestellte Sparkassenversicherung und dann folgen die Deka, LBS und einige andere Dinge.

Von der Ertragsstruktur legen wir freilich mehr Wert auf die meist direkt ins Provisionsergebnis fließenden Provisionserträge, denn diese behandeln die aktiven Sparkassen differenzierter als jene, die mehr vermitteln könnten.

Welche Bedeutung hat der mobile Vertrieb für die Sparkassenorganisation (in Baden-Württemberg und allgemein)?

Der Vertrieb ist zunächst einmal auf der Sparkassenebene angesiedelt, aber wir haben auch im Verband im Zuge der intensiven Strategiediskussion dieses Jahres unter dem Aspekt Kostensynergien und Erlössteigerung gemeinsame Projekte aufgesetzt, unter anderem zur Intensivierung des Vertriebs und zum mobilen Vertrieb. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich aufpassen, vor lauter strategischen Themen in den Verbandsgremien den Markt nicht zu vergessen.

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