Redaktionsgespräch mit Artur Grzesiek

"Abschlüsse im Internet sind auch ein Erfolg für die Mitarbeiter in den Filialen"

Artur Grzesiek, Vorsitzender des Vorstands, Sparkasse KölnBonn, Köln

Einfach wieder eine normale Großsparkasse zu werden, lautet seit einigen Jahren das Ziel von Mitarbeitern, Trägern und dem Vorstand der Sparkasse Köln Bonn. Dass es eines so einfach und klar klingenden Mottos für die strategische Neuorientierung bedurfte, lag an einer Schieflage des Institutes im Zuge der Finanzkrise. Als diese von den Eigentümern mit einer Kapitalhilfe ausgeglichen wurde, rückte die Sparkasse sogar in das Blickfeld der EU-Kommission und wurde mit einem Beihilfeverfahren belegt. Inzwischen darf der heutige Vorstandsvorsitzende Artur Grzesiek im Redaktionsgespräch nicht nur dem ordnungsgemäßen Abschluss der Brüsseler Vorgaben entgegensehen, sondern sich schon wieder über die Fähigkeit zur Bildung von stillen Reserven freuen. Die Ertragslage seines Hauses sieht er gleichwohl unter Druck und plädiert für eine differenzierte, möglichst gut auf die Region zugeschnittene Marktbearbeitung in den einzelnen Sparkassenregionen. Mit den Initiativen des DSGV sieht er viele relevante Themen schon prominent auf der Tagesordnung. (Red.)

Wie bewerten Sie die Ertragslage Ihres Hauses im Berichtsjahr 2014 und die absehbaren Tendenzen im ersten Halbjahr 2015?

Die Ertragslage unseres Hauses war 2014 zufriedenstellend. Ein leicht über den Planzahlen liegendes Jahresergebnis hat uns erneut in die Lage versetzt, stille Reserven zu bilden. Das niedrige Zinsniveau im operativen Geschäft mit den niedrigen Margen drückt aber gerade in einem wettbewerbsintensiven Markt wie Köln/Bonn auf die Rentabilität. Als aktivlastige Sparkasse haben wir aus dieser Marktlage allerdings weniger Belastungen zu tragen als viele andere Sparkassen. So sind zum Beispiel die Auswirkungen aus der notwendigen Wiederanlage von Wertpapieren leichter zu verkraften und die Ertragsrückgänge können vergleichsweise gut aufgefangen werden. Das gilt auch für die ersten Monate des laufenden Jahres. Auch unter Berücksichtigung der derzeit hohen Sondertilgungsleistungen gerade im Immobiliengeschäft mit Privatkunden ist das eine sehr erfreuliche Entwicklung.

Unverändert günstig und ruhig hat sich im vergangenen Jahr wie auch in den ersten sechs Monaten 2015 zudem die Risikolage im Kredit- und im Wertpapiergeschäft entwickelt. Auch das trägt zu der Zuversicht bei, am Ende des laufenden Jahres wieder ein gutes Jahresergebnis auf Planniveau zu erreichen.

Wie weit ist Ihr Haus mit der im Zuge der strategischen Neuausrichtung angepeilten Rückführung der großen Tickets im Kreditgeschäft vorangekommen?

Diese wesentliche strategische Weichenstellung, die sich auch im Einklang mit den Besonderheiten des Verfahrens mit der EU-Kommission befindet, ist ein wichtiger Baustein unseres Veränderungsprozesses. Inzwischen sind die größeren Engagements außerhalb der Region weitgehend reduziert. Der Rückgang im Großkundengeschäft um fast zwei Milliarden Euro in den vergangenen fünf Jahren wurde durch den Ausbau des mittelständischen Kundengeschäftes sowie des Privatkundengeschäftes entsprechend ausgeglichen. Diese Entwicklung wollen wir auch fortsetzen. Unsere Region ist ein Zuzugsgebiet mit interessanten Arbeitsplätzen und guten Unternehmen. All das macht uns im Aktivgeschäft weiterhin zuversichtlich.

Gibt es in Ihrer Sparkasse eine Zielgröße für das Verhältnis von Kredit- und Einlagengeschäft?

Der Tendenz nach wollen wir mittelfristig das Einlagengeschäft stärken, um die Finanzierung des Aktivgeschäftes möglichst aus der Region heraus sicherzustellen. In der jetzigen Zinsphase wäre es aber blauäugig, massiv auf diese Ausrichtung zu setzen. Deshalb gehen wir bei der Refinanzierung auch andere Wege, kürzlich etwa durch die sehr erfolgreiche Platzierung eines Hypotheken-Pfandbriefes über 500 Millionen Euro mit siebenjähriger Laufzeit.

Die 16 Basispunkte unter Mid-Swap werten wir als gutes Zeichen, dass der Kapitalmarkt unsere Neuausrichtung der vergangenen Jahre honoriert. Wir werden positiv wahrgenommen und wollen diesen schon vor vielen Jahren eingeschlagenen und im Haus etablierten Weg auch in den nächsten Jahren nutzen.

Auf welchem Stand sehen Sie die strategische Neuausrichtung der Sparkasse Köln Bonn insgesamt? Was ist geschafft? Was bleibt zu tun?

Mit Blick auf die strategische Ausrichtung haben wir das Ziel formuliert, eine typische Großsparkasse sein zu wollen. Darunter verstehen unsere Mitarbeiter, unsere Träger und wir eine Konzentration unseres Kundengeschäftes auf diese Region. Inzwischen sind wir einen sehr großen Schritt vorangekommen - 80 Prozent unserer gesteckten Ziele sind erreicht, um einen ersten Eindruck zu geben.

Ein zentrales Projekt der Neuausrichtung ist die stärkere Verbindung der Vertriebskanäle Filiale, Internet und Telefon. Ganz wichtig ist uns dabei die persönliche Präsenz in den Stadtteilen - wir nennen es "das Gesicht vor Ort". Einen Großteil des auf drei Jahre angelegten Programms haben wir nach gut einem Jahr mit Pilotanwendungen in zwei Filialdirektionen in Köln und Bonn schon bewältigt. Nach einer Befragung von Mitarbeitern und Kunden, die dieses neue Format positiv beurteilt haben, läuft jetzt die Feinanpassung. Bis zur flächendeckenden Umstellung brauchen wir noch gut ein Jahr. Im Firmenkundengeschäft ist das Projekt für mehr Effizienz bei den internen Abläufen und verstärkte Ausrichtung auf mittelständische Unternehmen auf gutem Weg, von der Existenzgründung bis hin zu Spezialangeboten. Sehr gute Erfahrungen haben wir bei Firmenkunden mit unserer speziellen Beratung und Lebensphasenplanung gemacht. Neben der Unternehmensfinanzierung ist unser Vermögensmanagement für Firmenkunden gefragt. Damit decken wir ein breites Spektrum an Kredit- und Anlageprodukten ab.

Welche Akzente setzen Sie im breiten Privatkundengeschäft?

Erfolgreich sind wir im Privatkundengeschäft auch dort, wo sich die Kundenbedürfnisse wandeln, zum Beispiel in der digitalen Welt - eine Leistung, die in den vergangenen Jahren übrigens mit zahlreichen Preisen anerkannt wurde. Dabei stellen wir fest: Die persönliche Beziehung - also von Mensch zu Mensch - unterstützt von moderner Technik ist und bleibt wichtig. Über einen digitalen Zugang beispielsweise feste Termine mit seinem Berater vereinbaren zu können, findet hervorragenden Zuspruch. Wir haben die Beratungszeiten dabei auch über die normalen Öffnungszeiten hinaus ausgeweitet. Der Kunde gibt hier in gewissem Rahmen den Takt vor. Auch Chats mit Beratern haben zugenommen. Die Personalisierung des digitalen Auftritts beginnt beim Bild des Beraters, über den Blick in den Terminkalender des Beraters und geht hin zu allen Beratungsthemen. Ich bin überzeugt, diese Investitionen werden sich auszahlen.

Trägt diese Zuversicht auch bei älteren Kunden?

Eindeutig ja. Transparenz und Dienstleistungsorientierung kommen bei allen Altersgruppen gleich gut an.

Ist die Größe der Sparkasse Köln Bonn noch mit dem Anspruch der Sparkassen vereinbar, nah am Kunden operieren zu wollen? Wie beurteilen Sie diese Frage nach Ihren Erfahrungen mit Sparkassen verschiedener Größenordnung?

Gemessen an den sonstigen Größenordnungen der Sparkassen ist unser Haus für unsere Institutsgruppe sicherlich groß. Wir handeln hier im Konsens mit unseren Trägern und unterhalten dazu beispielsweise ganz bewusst jeweils eine Hauptstelle in Köln und in Bonn. Auch für Letztere legen wir Wert auf eine ständige Präsenz des Vorstandes. Eine Ausweitung der Größe wird es auch in absehbarer Zeit nicht geben, weil wir immer noch das eine oder andere Großgeschäft abbauen können.

Bei solchen Überlegungen dürfte auch die 30-Milliarden-Euro-Grenze für die EZB-Aufsicht ein natürliches Hindernis darstellen ...

Aufsichtliche Grenzen sollten nicht unsere Wachstumsstrategie bestimmen, zumal die Aufsicht die Grenzen verändern wie auch kleinere Institute in ihren Fokus nehmen kann. Viel wichtiger ist für uns, mit den vorhandenen Ressourcen gut aufgestellt zu sein, um den Markt effektiv zu bearbeiten. Dass eine Sparkasse aufgrund ihres Geschäftsmodells meines Erachtens nicht unter europäischer Aufsicht stehen sollte - auch die Haspa nicht -, hat nichts mit der Größe, sondern mit der regionalen Ausrichtung zu tun.

Ist der Vorstand bei den kleinen Sparkassen noch näher beim Kunden?

Natürlich hat jeder einzelne Kunde in kleinen Sparkassen größere Chancen direkt mit dem Vorstand oder dem Vorstandsvorsitzenden in Kontakt zu kommen. Aber das allein bedeutet nicht zwangsläufig eine bessere Marktbearbeitung. Unsere Aufgabe in einer Großsparkasse muss es sein, die Führungskräfte vor Ort so mit Kompetenzen auszustatten, dass alle Kundenbedürfnisse erfüllt werden können. Langfristig ist es für uns entscheidend, mit den richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort zu sein. Gerade auf den Ebenen unterhalb des Vorstands haben wir damit am Markt Vorteile, zumal Bankgeschäft stets auch im gesellschaftlichen Leben stattfindet. Nicht zuletzt die Einbindung unserer Führungskräfte in das Geschehen in unserer Region ist ein wichtiger Erfolgsfaktor.

Fühlen Sie sich näher an den Kunden als beispielsweise die in Köln und Bonn vertretenen Groß- und Regionalbanken?

Als größten Wettbewerber nehmen wir die Volks- und Raiffeisenbanken wahr, die sich traditionell in vergleichbaren Segmenten bewegen, und nicht die Großbanken. Letztere haben in den vergangenen Jahren immer wieder Änderungen der strategischen Ausrichtung durchlaufen, das fördert der Tendenz nach die Treue zur Sparkasse. Im Übrigen sind wir Konditionenwettbewerb gewohnt und kommen gut damit zurecht.

Wie erleben Sie seit Ihrem Amtsantritt das Wettbewerbsumfeld der beiden Kölner Großsparkassen? Gibt es harte Konkurrenz oder sportlichen Wettbewerb, nachdem die EZB-Aufsicht auch in diesem Fall die in früheren Jahren immer wieder gern ins Spiel gebrachte Fusion in den Hintergrund geschoben hat?

Unter den Vorständen beider Häuser gibt es allein schon durch die gemeinsame Gremienarbeit viele Berührungspunkte. Manche Projekte - wie etwa im Zahlungsverkehr - werden gemeinsam angeschoben und durchgeführt. Das Verhältnis ist dabei durch große Wertschätzung geprägt. Aber selbstverständlich gibt es in der konkreten Marktbearbeitung auch immer wieder Konfliktsituationen, wenn es um einen gemeinsamen Kunden oder ein interessantes Projekt geht. Mit der Kreissparkasse Köln stehen wir in gesundem Wettbewerb, arbeiten aber ebenso erfolgreich zusammen - etwa bei gemeinsamen Konsortialgeschäften unter wechselnder Führerschaft.

Werten Sie auf lange Sicht die prinzipiell gegebene Möglichkeit einer Fusion als eine Art Puffer bei sich verschärfendem Wettbewerb?

Persönlich betrachte ich diese Frage primär aus dem Kundengeschäft heraus. In dem Gürtel rund um Köln und Bonn in vielen kleineren Gemeinden aktiv zu sein, erfordert einen anderen Auftritt als in den beiden großen Städten, die jeweils ihre Spezifika haben. Das bilden beide Sparkassen in der Region gut ab. Mit dem Wettbewerb, der im Übrigen sehr fair ist, müssen und können beide Häuser gut leben. Ob man aus einer Zusammenlegung Synergien ziehen würde, ist ohnehin ungewiss. Mein Selbstverständnis als langjähriger Sparkassenmann sagt mir, dass es zurzeit besser wäre, wenn es so bleibt. In der jetzigen Aufstellung sind beide Häuser als Sparkasse in der hiesigen Region akzeptiert und stärken insgesamt die Wahrnehmung der Sparkassenorganisation.

Gibt es noch irgendwelche gerichtlichen Auseinandersetzungen mit den Themen der jüngeren Vergangenheit?

Das EU-Verfahren mit seinem fünfjährigen Betrachtungszeitraum ist Ende des vergangenen Jahres zeitlich abgeschlossen worden und findet allen Signalen aus Brüssel nach mit dem Testat des Jahresabschlusses 2014 sein ordnungsgemäßes Ende. Die zivilrechtlichen Dinge sind ebenfalls überwiegend erledigt. Darüber hinaus gibt es aber noch strafrechtliche Auseinandersetzungen, auf deren Verfahrensdauer wir aber keinen Einfluss haben.

Zurück zu einzelnen Geschäftsfeldern: Welche Rolle spielt der Konsortialkredit in Ihrem Haus? Arbeiten Sie in diesem Bereich überwiegend mit der Helaba, mit anderen Landesbanken zusammen oder lieber mit anderen Sparkassen?

Das Konsortialkreditgeschäft betrachten wir stets von den einzelnen Projekten her. Große Immobilieninvestoren in unserem Geschäftsgebiet machen es zum Beispiel erforderlich, zusammen mit Partnern tätig zu werden. Um eine Finanzierung zu stemmen, sprechen wir in solchen Fällen als ersten Partner die Helaba, unsere Verbundbank, an, dann die Berlin Hyp oder andere Landesbanken.

In ausgesuchten Einzelfällen stehen wir auch als Partner für private Banken zur Verfügung, insbesondere wenn wir selbst Anknüpfungspunkte über das Kundengeschäft haben. Bei kundengetriebenem Geschäft haben wir an dieser Stelle keine Berührungsängste, wenngleich wir prinzipiell klare Prioritäten für Geschäfte innerhalb der Organisation haben.

Streben Sie bei Konsortialgeschäften mit anderen Sparkassen die Führerschaft an?

In der Regel ja, aber genau festgelegt ist das nicht. Wäre die Investition beispielsweise in Düsseldorf würden wir kollegial der dortigen Sparkasse die Konsortialführerschaft überlassen.

Womit verdient Ihr Haus Geld? Und allgemeiner betrachtet: Wie sollen andere Sparkassen mit viel größerem Anteil am Passivgeschäft das schaffen? Welche Ausrichtung muss das künftige Produkt- und Dienstleistungsangebot der Sparkassen haben?

Wir sollten unser traditionelles Geschäft nicht immer als unrentabel darstellen und uns auch gegen eine solche Darstellung von außen wehren. In der Breite ist es derzeit ohne Frage schwierig, bei dem niedrigen Zinsniveau wirklich gute Erträge zu erzielen.

Es ist aber unsere Aufgabe, die breite Basis für unser Geschäft zu erhalten und dabei über die EDV und effiziente Prozesse für eine gute Aufstellung zu sorgen. Für die Sparkassen allgemein bleibt das Zinsgeschäft eine wichtige Basis, um erfolgreich zu sein, wenngleich wir für die Zukunft mehr Erträge aus dem Provisionsgeschäft und aus der ganzheitlichen Kundenberatung generieren sollten. Im Cross-Selling, das heißt der Zahl der Geschäfte pro Kunde, gibt es in unserer Organisation noch reichlich Potenzial.

Werden die Private-Banking-Aktivitäten Ihres Hauses in eigenen Einheiten abgewickelt?

Grundsätzlich ja. Im gehobenen Privatkundengeschäft sehen wir gerade in unserer Region noch viel Potenzial. Unsere Einheit zur Betreuung vermögender Privatkunden ist sehr gut aufgestellt und bleibt ein wichtiger Bestandteil für ein auskömmliches Geschäftsmodell. Darüber hinaus arbeiten wir mit der Frankfurter Bankgesellschaft, also dem Spezialisten der Helaba für dieses Marktsegment, gut im Wealth Management zusammen.

Wie kommt die Sparkasse Köln Bonn mit innovativen Unternehmen in Kundenkontakt? Ist die Geschäftsanbahnung mit aussichtsreichen Newcomern eine hauseigene Angelegenheit oder sollte die S-Gruppe als Ganzes aktiver werden - auch im Bereich von Venture-Capital-Finanzierungen?

Schon bei der Aufstellung eines Businessplanes und/oder dem Antrag auf Fördergelder setzt unsere Existenzgründungsberatung an - bei Bedarf auch für Zweimannunternehmen. Dadurch haben wir mit dazu beigetragen, in den vergangenen Jahren sehr viele neue Arbeitsplätze zu schaffen. Oft vergessen wird in diesem Zusammenhang die Unternehmensnachfolge, die einen enorm wichtigen Teil zur Stabilisierung der Region darstellt. Zusammen mit der NRW-Bank betreiben wir unter anderem Seedfonds, die Unternehmen mit Venture Capital unterstützen. Um die Wachstumsthemen insgesamt aufzuspüren, müssen wir die Begleitung der Wirtschaft an den richtigen Stellen weit oben auf unsere Agenda heben. Das fängt an mit den Fintechs, die sich in unserer Region recht gut entwickeln. Unsere Spezialisten sind hier gut vernetzt und stehen frühzeitig als Ansprechpartner zur Verfügung.

Sehen Sie die deutsche Sparkassenorganisation strategisch gut genug aufgestellt, um im regionalen und europäischen Wettbewerb mithalten zu können?

Das breite Spektrum der Gruppe erlaubt kein pauschales Urteil zu dieser Frage. Und die Messlatte zur Bewertung der Arbeit des DSGV muss auch die politischen Grenzen berücksichtigen, die sich nicht überschreiten lassen. Ein Ansatzpunkt zur Antwort liefern aber vielleicht die Aufgaben und die Herausforderungen: Sind die Sparkassen in den aufsichtlichen Regelungen der EU richtig abgebildet oder könnten wir uns an dieser Stelle mit Blick auf die Sparkassen mehr Besonderheiten wünschen? Als Antwort auf diese klassische Frage hört man oft die Aussage, es müsste innerhalb der EU noch besser verstanden werden, dass Sparkassen anders auftreten als andere Institute. Beurteilt man allerdings das gesamte Umfeld wird deutlich, dass wir doch eine ganze Menge erreicht haben. Die Verbünde, Sparkassen wie Genossenschaftsorganisation, werden aufsichtlich berücksichtigt, das ist ganz wesentlich für den Erhalt des Dreisäulensystems.

Anderes Beispiel: Digitalisierung. Als großes Institut, das diese Dinge auch in Eigeninitiative nach vorn treibt, würde ich mir noch mehr Kraft in der Organisation wünschen. Gleichzeitig erkenne ich aber auch an, dass es eben doch einen Unterschied macht, ob eine Sparkasse in einer Region ohne große Technologieunternehmen angesiedelt ist oder hier im Köln/Bonner Großraum. Eine akzeptierte Lösung für alle wird daher immer ein Kompromiss sein müssen. Kurzum: Die vom DSGV adressierten Themen sind allgemein anerkannt. Es bleibt aber zu wünschen und zu akzeptieren, dass Gremienentscheidungen, die wir in der Organisation getroffen haben, auch akzeptiert und mutig in Angriff genommen werden, ohne die Eigenoptimierung voranzustellen.

Naheliegendes Stichwort Haftungsverbund: Wie bewerten Sie den Beschluss der westfälisch-lippischen Spar kassen?

Wir sind eine dezentrale, demokratisch aufgebaute Organisation. Über schwierige Themen wie den Haftungsverbund zu diskutieren, ist also erst einmal normal. Das führt selbstverständlich auch zu unterschiedlichen Meinungen. Betrachtet man die Entwicklung selbst in dieser umstrittenen Frage, ist vom Start bis zum heutigen Stand der Dinge ein sehr gutes, meines Erachtens ausgewogenes Ergebnis erarbeitet worden. Das kommt in der Darstellung oft zu kurz. In unserer Organisation wird vieles weniger mit der Sache als mit den handelnden Personen verbunden.

Über die Entscheidung der westfälisch-lippischen Sparkassen, im Haftungsverbund zu verbleiben, bin ich grundsätzlich froh. Dass sich bei speziellen Landesbankenfragen jene Verbände, die keine eigene Landesbank haben, darüber unterhalten, wie sie mit dem Thema umgehen wollen, ist doch nachvollziehbar. Vielleicht sollte man in diese Dinge nicht so viel hineininterpretieren. Im Übrigen gab es bei Stützungsfällen in der Organisation in der Praxis noch nie eine nicht einstimmige Beschlussfassung. Bei möglichen Stützungsfällen um ein Ergebnis zu ringen und daran gewisse Bedingungen zu knüpfen, ist ebenfalls normal. Schließlich muss im Bedarfsfall das von anderen erwirtschaftete Geld für die Gemeinschaft eingezahlt werden. Am Ende zusammenzustehen, ist aber auch enorm wichtig. Sparkasse ist in ganz Deutschland wirklich Sparkasse, ein gemeinsamer Verbund. Darauf muss sich der Kunde auch künftig verlassen können.

Welche strategischen Weichenstellungen des DSGV halten Sie neben der Digitalisierung für Ihr Haus und die S-Primärbanken als die wichtigsten?

Ob die wichtigen Anstöße vom DSGV, von den Regionalverbänden oder von einzelnen Häusern kommen, ist zweitrangig, es geht um die Sache. Die Diskussion über die Prioritäten der Projekte und/oder die Geschwindigkeit der Umsetzung ist in einer heterogenen Organisation unabdingbar. Gerade im Bereich der Digitalisierung müssen wir allerdings mit den Schnellsten mithalten und nicht mit dem Durchschnitt. Dieses Verständnis müssen wir in den kommenden Jahren immer mehr erzeugen. Erfolgreiche Projekte gibt es darüber hinaus im Zahlungsverkehr, bei der Bündelung der Fragen rund um die Regulatorik sowie der Neuordnung der Landesbank Berlin.

Das Thema Payment mit der Aufgabenteilung und der operativen Verantwortung beim Deutschen Sparkassenverlag anzusiedeln, der hier unternehmerisch unterwegs ist, halte ich für einen sehr wichtigen Schritt. Die gesamte Regulatorik in einer Zentraleinheit aufzuarbeiten, ist ebenfalls von elementarer Bedeutung. Im Rahmen der S-Rating werden künftig sämtliche regulatorischen Dinge gebündelt und so bearbeitet, dass die Sparkassen - ob klein oder groß - in der Gesamtfläche technisch und organisatorisch unterstützt werden, diese Dinge sauber abzubilden. Aus dieser Einheit heraus wird auch formuliert, welche technische Infrastruktur erforderlich ist, um dauerhaft regulatorische Aufgaben zu erfüllen. Bis alle mit dem Output zufrieden sind, wird es eine Zeitlang dauern, aber es ist wichtig, diesen Weg jetzt zu gehen. Denn die Regulatorik wird ein großer Faktor für die kostenmäßige und aufsichtlich gute Aufstellung sein. Die größeren Sparkassen mögen zwar die ersten sein, die von neuen regulatorischen Anforderungen getroffen werden. Aber irgendwann sind alle von diesen Anforderungen betroffen. Koordination ist daher mehr denn je angesagt.

Dass in der Organisation die Veränderungen bei der Landesbank Berlin und der Berlin Hyp vorangetrieben wurden, ist ebenfalls eine sehr erfreuliche Entwicklung. Damit sind einerseits die Grundlagen für eine erfolgreiche Sparkasse in Berlin geschaffen und andere Teile neu geordnet worden. Kurzum: Es sind viele Dinge richtig gemacht worden, aber es gibt auch noch viel zu tun.

Halten Sie die Vertriebskonzepte der Sparkassen für zeitgemäß und ausgereift? Wo sehen Sie gegebenenfalls Möglichkeiten zur weiteren Optimierung?

In dieser wichtigen Frage müssen wir alle Kunden mitnehmen, wobei unsere Kundenstruktur eindeutig vielfältiger ist, als zum Beispiel bei den Großbanken. Das Thema Digitalisierung spielt hierbei eine große Rolle. Das Gleiche gilt aber auch für die Kommunikation von Mensch zu Mensch - bemerkenswerterweise auch bei der jungen Generation, die ansonsten stark digital unterwegs ist. Folglich müssen wir beides erfolgreich machen und es gut miteinander verbinden. Wo wir auftreten, müssen wir hohe Kompetenz zeigen. Das positive Image der Sparkassen gilt es im Internetauftritt zu adaptieren. So ist hier bei uns der Berater immer mit Bild zu sehen und für den Kunden ansprechbar, auch wenn es nicht mehr überall die Filiale mit vier oder fünf Mitarbeitern geben wird, sondern manchmal vielleicht nur die halbtags geöffnete Filiale oder eine SB-Stelle. Und für unsere Mitarbeiter in den Filialen muss es auch ein Erfolg sein, wenn ihr Kunde ein Direktgeschäft im Internet abgeschlossen hat. Damit das funktioniert, haben wir auch die Vertriebssteuerung kundenzentriert ausgerichtet, sodass jede Vertriebseinheit Erfolgsanteile angerechnet bekommt.

Mit einer ähnlichen Konzeption sind wir im Firmenkundengeschäft unterwegs, allerdings mit einer anderen Ausrichtung. Das Thema Digitalisierung ist dort anders belegt, weil es dort bei größeren Unternehmen eher die Buchhaltung oder die Abwicklung des Zahlungsverkehrs betrifft. Das bedarf individueller Antworten.

Stichwort Auslandsgeschäft: Bedarf es dort eines Gemeinschaftsunternehmens?

Der Ausbau ist dringend erforderlich, weil immer mehr mittelständische Unternehmen eine gute und kompetente Auslandsbegleitung brauchen. Aber wir sind auf einem guten Weg. Die Helaba baut gerade eine strategische Partnerschaft mit BNY Mellon auf. Die Sparkassen, die sich im Country Desk engagieren, begleiten dieses Projekt intensiv. An dieser Stelle hat die frühere WestLB eine Lücke hinterlassen, die nun intelligent zu füllen ist.

Wie beurteilen Sie die Haltung der Politik in der privaten und betrieblichen Altersvorsorge? Sind Sie mit dem Antritt der Sparkassenorganisation in diesen Feldern zufrieden?

Über Jahre hinweg haben die Politik und die Banken zu Recht die private und betriebliche Altersvorsorge als zwingend notwendig für die eigene Lebensplanung postuliert. Also dürfen wir in diesen Zeiten der Niedrigzinsen die Menschen mit ihren Sorgen, dass ihre Lebensversicherungen, ihre Rücklagen nicht mehr den erhofften Wert haben werden, nicht alleinlassen. Allerdings können die Banken an dieser Stelle ebenso wenig zaubern wie die Versicherer. Vielmehr sollte der Gesetzgeber prüfen, ob er die vermögensbildende Altersvorsorge nicht stärker fördern will oder sogar muss, zumal die Niedrigzinsphase seinen Schuldendienst deutlich entlastet. Mit Blick auf die folgenden Generationen kann unsere Branche die Sicherung der privaten und betrieblichen Altersvorsorge nur begleiten. Es obliegt der Politik, ein klares Signal zu setzen.

Ist das für eine Sparkasse nicht ein idealer Ansatzpunkt, Beratungskompetenz zu zeigen?

Klar, das haben wir stark im Fokus. Im Rahmen unserer neuen Vertriebsstruktur stehen in den Filialdirektionen zum Beispiel eigene Experten nur für Vorsorgefragen bereit. Und im Rahmen des Firmenkundengeschäftes haben wir für die betriebliche Altersvorsorge ebenfalls eine eigene Beratungseinheit geschaffen, die über die gewählten Durchführungswege informiert und berät.

Braucht die S-Gruppe im Segment Altersvorsorge ein spezielles Verbundunternehmen?

Nein, wir haben schon Spezialangebote, zum Beispiel von der Deka. Bei der Umsetzung in der Beratung können wir aber sicher noch erfolgreicher werden.

Stichwort Versicherer: Sind in der Zusammenarbeit mit den öffentlichen Versicherern erkennbare Anzeichen für eine bessere Marktausschöpfung zu erkennen? Was ist an dieser Stelle gegebenenfalls zu tun? Ist das ein Feld für ein weit überdurchschnittlich wachsendes Provisionsgeschäft?

Momentan muss man den Versicherungsbereich zweiteilen. Speziell die Lebensversicherung leidet enorm unter dem Niedrigzinsniveau. Im Sachversicherungsbereich haben wir hingegen noch erhebliche Chancen eines Ausbaus. An dieser Stelle müssen die Sparkassen eindeutig besser werden und mit Blick auf die Wettbewerber brach liegendes Potenzial ausschöpfen.

Wie beurteilen Sie die Aufstellung des öffentlich-rechtlichen Versicherungsbereiches? Muss es so viele Anbieter geben?

Tendenziell brauchen wir nicht so viele Versicherer. Aber im Detail ist es nicht zuletzt der Eigentumsverhältnisse wegen sehr schwer, das entsprechend schnell zu verändern. In den nächsten Jahren gibt es insbesondere im Lebensversicherungsbereich Handlungsbedarf, aber der Weg ist weit.

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