Finanzstabilität

Zeit für den Puffer?

Voraussichtlich ab Juli 2019 müssen die deutschen Kreditinstitute auf Grundlage der Capital Requirements Directive (CRD IV) einen antizyklischen Kapitalpuffer (Countercyclical capital buffer - CcyB) von 0,25 Prozent einhalten. Diese konkrete Quote hat der Ausschuss für Finanzstabilität (AFS) empfohlen, denn er sieht derzeit Konjunkturrisiken (Risiken aus der wirtschaftlichen Entwicklung werden in der mikroprudenziellen Messung von Kreditrisiken nicht umfassend abgebildet), Immobilienrisiken und Zinsänderungsrisiken. Als besondere Gefährdungslage wertet er das mögliche gleichzeitige Auftreten dieser Risiken. Bis zum Erscheinen dieser Ausgabe dürfte die BaFin über die Umsetzung entschieden haben. Binnen eines Jahres muss die Branche dann das zusätzliche harte Kernkapital aufbauen - in Summe rund 5,3 Milliarden Euro. Banken, so die Intention des von der nationalen Aufsicht flexibel einsetzbaren Instrumentes, sollen in Krisenzeiten Verluste durch ausgefallene Kredite besser auffangen und eine Kreditklemme vermeiden können. Genau das will der AFS nun sicherstellen.

Noch am Tag der AFS-Entscheidung kam die Reaktion der Deutschen Kreditwirtschaft (DK). Der Tenor - nämlich Unverständnis - wurde mit dem unauffälligen Befund der deutschen Kreditinstitute bei diversen Stresstests, mit der völlig normalen Entwicklung der Kreditnachfrage, einem deutlich angestiegenen Kapitalpolster der Institute und nicht zuletzt einer fragilen konjunkturelle Lage begründet, die angesichts zusätzlicher Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Banken die Unsicherheit der Wirtschaft noch weiter verschärfen und letztlich sogar prozyklisch wirken könne. Dass von der Empfehlung des AFS, an der Stellschraube des antizyklischen Puffers zu drehen, bis zur Umsetzung durch die BaFin vergleichsweise kurze Zeit vergeht, ist verständlich. Denn das Gremium ist mit nur zehn Fachleuten aus dem BMF, der Deutschen Bundesbank und der BaFin besetzt, die ohnehin in engem Austausch stehen. Dass die DK die Aktivierung des Instrumentes so schnell und geschlossen als kontraproduktiv einstuft, ist in der Sache ebenfalls wenig erstaunlich, denn die Maßnahme belastet die gesamte Branche durch einen zusätzlichen Eigenkapitalbedarf.

Ob der Zeitpunkt für die Aktivierung des antizyklischen Kapitalpuffers zu früh, zu spät oder genau zur richtigen Zeit erfolgt, lässt sich ähnlich wie bei geldpolitischen Maßnahmen kaum verlässlich beurteilen. Zudem dürfte sich erst nach einigen Jahren zeigen, wie dieses Instrument in den anderen Ländern gehandhabt wird (zwölf haben es eingeführt oder angekündigt) und ob deutsche Institute möglicherweise benachteiligt werden. Aber wann, wenn nicht in dem derzeitigen Umfeld großer politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit sowie den deutlichen Einbrüchen im Zinsgeschäft des Berichtsjahres 2018, sollte der antizyklische Puffer in seiner mildesten Ausprägung zum Einsatz kommen? Seine mögliche Bandbreite kann zwischen 0 bis 2,5 Prozent liegen und - soweit erforderlich - darüber hinaus.

Mit Blick auf die hiesige Kreditwirtschaft darf man aber fragen, ob man angesichts der ohnehin recht komfortablen Eigenkapitalausstattung die aktuelle konjunkturelle Delle nicht allein über die individuell handhabbaren SREP-Zuschläge hätte auffangen können, statt sich des Gießkannenprinzips zu bedienen - auch wenn der Puffer schneller wirkt und für eine reibungslose Kreditvergabe aufgebraucht werden darf. Im Ergebnis bedeutet der Einsatz des Instrumentes eine weitere Belastung der Kreditwirtschaft, die deren notwendige Transformation in Zeiten der Digitalisierung weiter erschwert. Hat jemand seit der Regulierungswelle nach der Finanzkrise schon an irgendeiner Stelle eine regulatorische Entlastung registriert?

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