Die Geburt des Marshallplans - eine historische Sternstunde

Dr. Gerd Meyer, Foto: Sandra Sperlinger

Der Marshallplan, auch European Recovery Program (ERP) genannt, war ein historisch bedeutendes Wirtschaftsförderungsprogramm der USA für den Wiederaufbau der Staaten Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Initiative ging vom damaligen US-Außenminister George C. Marshall aus, nach dem das Programm benannt worden war und der dafür auch 1953 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Im Zeitraum von 1948 bis 1952 wurden Hilfen im Wert von insgesamt 13,12 Milliarden US-Dollar an vor allem mit den USA verbündete, westeuropäische Staaten wie Großbritannien und Frankreich, aber auch an die damaligen Kriegsgegner Deutschland und Österreich geleistet. Die positive Wirkung des Marshallplans ging deutlich über den Anstoß eines nachhaltigen Wachstums Ende der 1950er Jahre in Europa hinaus, so der Autor. Im Kern legte er das Fundament für das Zusammenwachsen auf zentralen Feldern westeuropäischer Politik. (Red.)

Der 5. Juni fiel im Jahr 1947 auf einen Donnerstag. In den katholischen Regionen des niedergegangenen Deutschen Reiches war dieser Tag ein kirchlicher Feiertag, Fronleichnam. Viele Gläubige nahmen an den Prozessionen teil, die durch die Ruinen der zerbombten Regionen führten.

Zwar war der von Deutschland entfesselte Krieg seit über zwei Jahren vorbei. Aber die Zerstörungen waren noch überall sichtbar - nicht nur in den deutschen Territorien, sondern in weiten Teilen Europas. Von Wiederaufbau, Hoffnung auf eine bessere Zukunft oder Optimismus fehlten jede Spur. Insbesondere das zerstörte Deutschland blieb in Trost- und Perspektivlosigkeit gefangen.

Auch gut zwei Jahre nach Ende des Krieges glich Deutschland einer Trümmerwüste. Nach damaligen Schätzungen rechnete man mit einer Dauer eines halben Jahrhunderts, ehe die Schuttmassen komplett beseitigt sein würden. Die Versorgung mit Energie und Wasser war in den meisten Städten mangelhaft. Die Menge der zugewiesenen Lebensmittel völlig unzureichend. Die tägliche Ration betrug unmittelbar nach dem Krieg 800 bis 900 Kalorien täglich, später bis zu 1 200 Kalorien, wobei 2 200 Kalorien als Mindestmenge galten. 

Ein Ernährungswissenschaftler schrieb 1946, es könne keinen materiellen und moralischen Wiederaufbau geben, solange nicht die Möglichkeiten zu einer natürlichen, freien Kostwahl zurückgegeben seien. Ähnlich lautete der Bericht des früheren amerikanischen Präsidenten Hoovers vom 26. Februar 1947 über die Ernährungslage in Deutschland. Hoovers Botschaft: ohne eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln, sei an einen Wiederaufbau Europas nicht zu denken. 

Deutschlands ungewisses Schicksal

Der Zustand der damaligen Verhältnisse war ganz wesentlich der Tatsache geschuldet, dass die siegreichen Mächte das Deutsche Reich zwar militärisch besiegt hatten, aber nach Ende der Kämpfe sich in wesentlichen Punkten nicht einigen konnten, was mit dem besiegten Land gemacht werden sollte. Die nach der Potsdamer Konferenz vom Sommer 1945 folgenden Außenminister-Konferenzen lieferten keine brauchbaren Ergebnisse für eine politische und gesellschaftliche Zukunft Deutschlands. Im Gegenteil: Sie zeigten immer deutlicher, dass mit dem Ende des sogenannten "Dritten Reichs", die Basis für eine gemeinsame Politik verschwunden war. Mit dem 8. Mai 1945 und der deutschen Kapitulation war faktisch auch die Voraussetzung der Kriegskoalition von Großbritannien, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten entfallen. Das Kriegsbündnis von 1941 bis 1945 zwischen diesen Staaten erwies sich als Notbündnis, das mit dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur erschöpft war.

Auch die nach Ende des Krieges etablierte Viermächteverwaltung über das ehemalige Deutsche Reich lieferte keine Ergebnisse, die eine Perspektive für die Zukunft bieten konnte. Damit war gut zwei Jahre nach Kriegsende Deutschland einem ungewissen Schicksal überantwortet.

In dieser Situation der Trostlosigkeit platzte am 5. Juni 1947 die Rede des US-amerikanischen Außenministers George Marshall. Als Ort für diese Rede hatte Marshall die Jahresabschlussfeier der populären Harvard-Universität gewählt. Die berühmte Marshallplan-Rede war kaum länger als zehn Minuten. Ihr Inhalt begründete aber einen fundamentalen Wandel in der amerikanischen Deutschland- und Europapolitik. Ihre Botschaft: Wiederaufbau eines politisch und wirtschaftlich stabilen Europas unter Einbeziehung des besiegten Deutschlands.

Mit dem Marshallplan folgte eine Deutschland-Politik, die den bisherigen amerikanischen Plänen diametral entgegengesetzt war. Noch während des Krieges dominierten Vorstellungen, die eine radikale Umgestaltung Deutschlands vorsahen. Das industrielle Potenzial sollte soweit eingeschränkt werden, dass es zu einer erneuten militärischen Aufrüstung nicht mehr fähig sein sollte. Am extremsten waren die Vorstellungen des US-amerikanischen Finanzministers Morgenthau, der Deutschland in einen Agrarstaat verwandeln wollte, um jede Möglichkeit einer erneuten Kriegsführung auszuschließen. Auch nach Ende des Krieges in Europa zielte die amerikanische Politik unter dem neuen Präsidenten Truman auf eine politische und wirtschaftliche Schwächung Deutschlands. Charakteristisch hierfür die Anweisung an den militärischen Stab in Europa vom April 1945. In der berühmten Direktive CS 1067 war das Militär angewiesen worden, keine Schritte zu unternehmen, die zur wirtschaftlichen Wiederaufrichtung Deutschlands führen könnten oder geeignet seien, die deutsche Wirtschaft zu erhalten oder zu stärken. Bis zur Ankündigung des Marshallplans am 5. Juni 1947 blieb diese Direktive die offizielle Anweisung der Truman-Administration an ihre Militärbehörden in Deutschland.

Eindämmung des sowjetischen Einflusses

Schon vor Marshalls Rede am 5. Juni 1947 hatte es Anzeichen aus den USA gegeben, dass eine Neuorientierung der amerikanischen Politik in Europa bevorstand. Am 12. März hatte Präsident Truman auf einer gemeinsamen Sitzung des Senats und des Repräsentantenhauses in Washington die Losung ausgegeben, die USA würden künftig allen freien Völkern beistehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen.

Der Anlass für Trumans Botschaft war der Hilferuf der griechischen Regierung um militärische und wirtschaftliche Unterstützung. Dort tobte seit 1946 ein Bürgerkrieg, der von kommunistischen Parteigängern geführt wurde, um in Athen die Regierungsgewalt zu übernehmen. Vergleichbare Auseinandersetzungen gab es im Iran und der Türkei, wo jeweils mit sowjetischer Unterstützung kommunistisch gestützte Regierungen eingesetzt werden sollten. Die politischen Entscheidungsträger in Washington waren im Frühjahr 1947 nicht länger bereit, dem Eingreifen des sowjetischen Einflusses tatenlos zuzusehen. "Containment" - Eindämmung - hieß das neue Schlagwort, das die neue Strategie gegenüber der Sowjetunion beschrieb.

Neuer außenpolitischer Kurs

Die Vereinigten Staaten zeigten, dass sie bereit waren, den neuen außenpolitischen Kurs zeitnah umzusetzen. Nach dem ergebnislosen Verlauf der Außenministerkonferenz in Moskau (10. März bis 24. April 1947) verkündete der damalige Unterstaatssekretär im US-Außenministerium, Dean Acheson, in einer Rede in Cleveland am 8. Mai 1947, dass die USA ohne Einigung der "Großen Vier" den Wiederaufbau in Europa in Angriff nehmen werden und dabei Deutschland miteinbeziehen. Damit war faktisch der Marshallplan inhaltlich vorweggenommen.

Die Rede Marshalls am 5. Juni 1947 wird aber bis heute zutreffend als die Initialzündung für den Wiederaufbau des zerstörten Europas bewertet. Nach einer Beschreibung der Lage in Europa skizzierte der Außenminister den Lösungsansatz, um den Neuaufbau in Europa anzustoßen. Es war ein Appell an alle europäischen Regierungen untereinander zu einer Einigung darüber zu kommen, was aktuell am dringendsten für den Wiederaufbau Europas geschehen müsse. Dieses Programm müsse von Europa selbst kommen: "Unsere Rolle sollte darin bestehen, den Entwurf eines europäischen Programms freundschaftlich zu fördern und später dieses Programm zu unterstützen, soweit das für uns praktisch ist."

Die Antwort Europas auf Marshalls Rede erfolgte zügig. Frankreich und Großbritannien hatten unmittelbar zugestimmt und für den 12. Juli zu einer Konferenz 22 europäische Staaten eingeladen. Die osteuropäischen Länder - einschließlich der Sowjetunion - waren ausdrücklich einbezogen, folgten aber der Einladung nicht. Schließlich waren 16 Staaten zusammengekommen, um einen Plan für die Wirtschaftshilfe Europas - unter Einbeziehung der deutschen Wirtschaft - auszuarbeiten. Bis zum 22. September 1947 berieten die Vertreter der 16 europäischen Staaten in Paris über die künftige wirtschaftliche Zusammenarbeit. Am Ende der Konsultationen standen Leitlinien, die die Umsetzung des Marshallplans konkretisierten. Sie schufen die Grundlage für die materielle Hilfe der Vereinigten Staaten. Nach Zustimmung der Vereinigten Staaten flossen seit dem Frühjahr 1948 Güter und finanzielle Mittel bis 1952 im Gesamtwert von über 13 Milliarden US-Dollar nach Westeuropa. Außerdem erhielten Indonesien und die Türkei materielle Hilfe auf der Basis des Marshallplans.

Die bereitgestellten Mittel waren sehr ungleich auf die einzelnen Länder verteilt und folgten keinem definierten Schlüssel. Fast ein Viertel erhielt Großbritannien, das damit der Hauptprofiteur war, gefolgt von Frankreich (20 Prozent), Italien (knapp 11 Prozent) und Westdeutschland mit gut 10 Prozent. Bezogen auf die Bevölkerungszahl ergab die Verteilung der Gelder und Güter eine völlig andere Reihenfolge: Hier lagen die kleineren Staaten, insbesondere die Niederlande, weit vorn, während Westdeutschland relativ weit hinten lag.

Unabhängig wie schlüssig und nachvollziehbar die Aufteilung der Mittel war, so herrscht doch weitgehend Einigkeit in der Forschung, dass das amerikanische Engagement ganz wesentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung Westeuropas und seiner politischen Stabilisierung beigetragen hat. Über die Motive des amerikanischen Handelns wird noch unten zu berichten sein. Unstrittig bleibt, dass der US-amerikanische Einsatz die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in (West-)Europa in kurzer Zeit entscheidend veränderte. Aus einer Trümmerwüste wuchs ein bis dahin nicht bekannter Wohlstand, von dem alle Gesellschaftsschichten profitierten. 

Die wirtschaftliche Dimension ist ein prägnanter Aspekt des Marshallplans. Leider wird in den Darstellungen nur wenig berücksichtigt und gewürdigt, wie stark der Marshallplan das Zusammenwachsen der Länder in Westeuropa förderte und damit indirekt den Weg zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ebnete. Dieses war unmittelbar nach Ende der Kriegshandlungen in Europa nicht zu erwarten gewesen.

Motive des amerikanischen Handelns

Natürlich war es nicht ein Akt der Selbstlosigkeit, der die amerikanischen Entscheidungen im Jahre 1947 bestimmt hat. Wirtschaftliche und politische Aspekte sind die Treiber des Marshallplans gewesen. Hieraus aber eine Kritik abzuleiten, verkennt das Wesen politischer Willensbildung und Entscheidungsprozesse. Dabei geht es eben nicht um altruistische Motive, sondern um die Umsetzung rationaler Erkenntnisse. Die wirtschaftliche Stärkung Westeuropas lag im vitalen Interesse der Vereinigten Staaten, denn nach Ende der Kriegshandlungen in Europa waren es Lieferungen aus amerikanischer Produktion, die Westeuropa überleben ließen - anders ausgedrückt: Der amerikanische Steuerzahler zahlte das Überleben Westeuropas. Dieses konnte kein Dauerzustand bleiben!

Mitentscheidend war ebenso das Ziel, neue Absatzmärkte für die in den USA produzierten Waren zu gewinnen. Das gelang mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in Europa in beispielsloser Weise. Dabei ging es nicht nur um den Warenaustausch, sondern um die Adaption ökonomischer Verfahrensweisen (Produktion, Marketing und so weiter), die das amerikanische Wirtschaftsmodell zu einem Erfolgsschlager machten. Aus der Retroperspektive betrachtet ist sicherlich das folgende Urteil des Wirtschaftshistorikers Plumpe zutreffend: "Die Sogwirkung des amerikanischen Erfolges lag nicht allein bei den westeuropäischen Eliten, sondern auch und insbesondere bei den 'einfachen Menschen', die sich von der amerikanischen Alltagswelt faszinieren ließen, war jedenfalls eine wesentliche Triebkraft des europäischen 'Wirtschaftswunders'". 

Mit der Stärkung der westeuropäischen Wirtschaft war die politische und gesellschaftliche Stabilisierung ein erklärtes Ziel. Die politischen Akteure in Washington hatten zeitnah erkannt, dass ein wirtschaftliches Chaos in Europa der Machtausbreitung der Sowjetunion und ihrer Parteigänger zugutekommen würde. Mit der Truman-Doktrin sollte deren Einfluss eingedämmt werden. Hier erwies sich der Marshallplan als erfolgreiches Konzept. Der wirtschaftliche Aufschwung führte zu einer Konsolidierung der westeuropäischen Demokratien.

Kritische Vorbehalte zum Marshallplan

In der Wirtschaftsgeschichtsschreibung ist der Marshallplan ganz überwiegend in seiner positiven Wirkung auf Westeuropa, einschließlich der Bundesrepublik Deutschland, gewürdigt worden,  bis heute gibt es aber auch andere Interpretationen. Insbesondere eine linke, marxistisch ausgerichtete Interpretation hat im Marshallplan eine ökonomische Einfluss- und Profitpolitik gesehen, die zu einer kapitalistischen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung mit antikommunistischer Ausrichtung in Westeuropa geführt habe. In dieser Sichtweise war der Marshallplan ein Meilenstein auf dem Weg zum "Kalten Krieg". 

Diese Form der Darstellung übersieht das geringe Fundament, das einem gemeinsamen Plan nach Ende des Krieges die Sowjetunion und der Vereinigten Staaten hätte zusammenführen können. Das Kriegsbündnis zwischen 1941 und 1945 war eine Anti-Hitler-Koalition, das mit dem Ende des Diktators 1945 keine weiteren Gemeinsamkeiten verband. Die gesellschaftlichen und politischen Ideale beider Mächte konnten zu keiner Deckungsgleichheit gebracht werden und schlossen einander aus. Insofern war der Konflikt "Kalter Krieg" faktisch von Anfang an unvermeidbar. Die Ergebnisse der politischen Abläufe bis zur Ankündigung des Marshallplans belegen den wachsenden Antagonismus, für den beide Staaten standen. Der Marshallplan hat diese Unvereinbarkeit der Systeme lediglich bestätigt; er war aber nicht ihr Ausgangspunkt.

Eine andere Interpretation hat versucht, die Bedeutung des Marshallplans zu relativieren. Danach war sein Wert für den wirtschaftlichen Aufschwung ab 1947 eher als gering zu veranschlagen. In dieser wissenschaftlichen Auseinandersetzung ist dabei sogar der Begriff "Mythos Marshallplan" benutzt worden. Damit soll betont werden, dass "der Marshallplan nicht als Erklärungsmuster für die Dynamik des westdeutschen Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg und schon gar nicht als Modell in Sachen Entwicklungspolitik taugt". Abelshauser vertritt die Meinung, der Marshallplan sei erfolgreich gewesen, weil er auf wirtschaftliche Substanz stieß.

Hervorzuheben sei dabei, dass das industrielle Brutto-Anlagevermögen in Deutschland in seiner Substanz keineswegs durch die Kriegsbombardements entscheidend getroffen gewesen und die Zahl qualifizierter Arbeitskräfte keineswegs knapp gewesen seien. Die Zahl der Vertriebenen und Flüchtlinge aus dem Osten bot das Reservoir, das die Gefallenenzahl deutlich überstieg.

Beide Punkte sind korrekt; sie können aber nicht erklären, warum es zwischen 1945 und 1947 keinen Wirtschaftsaufschwung gab und eine Verbesserung der Lebensumstände für die Menschen nicht eintrat. Wie bereits dargestellt, waren die amerikanischen Mittel aus dem Marshallplan begrenzt und Deutschland keineswegs der Hauptprofiteur.

Die positive Wirkung des Marshallplans lässt sich nicht mit Zahlen alleine belegen. "Bedeutsamer als die materielle Wirkung war darum wahrscheinlich die psychologische: Die Besiegten erfahren, dass die Sieger ihnen wieder auf die Füße helfen wollten." In diesem Sinne ist der Marshallplan kein Mythos gewesen, sondern handfeste Realität.

Anstoß für eine westeuropäische Zusammenarbeit

Die positive Wirkung des Marshallplans ging deutlich über den Anstoß eines nachhaltigen Wachstums Ende der 1940er und 1950er Jahre in Europa hinaus. Im Kern legte er das Fundament für das Zusammenwachsen auf zentralen Feldern westeuropäischer Politik. Dieses hatte es in der europäischen Geschichte bis dahin nicht gegeben. Es gab bis zur Gründung der Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC) im Jahre 1948 keine politische Organisationsform in Europa, die eine supranationale Ausrichtung besaß. Damit hat der Marshallplan ein völlig neues Kapitel in der europäischen Geschichte angestoßen.

Die im April 1948 gegründete OEEC bestand aus 18 europäischen Staaten, die den Marshallplan umsetzen sollten; Westdeutschland war dabei von Vertretern der alliierten Besatzungsbehörden repräsentiert. Der Sitz der Organisation lag in Paris. Ihre wechselvolle Geschichte muss hier nicht nachgezeichnet werden. Bei allen Problemen war sie indessen erfolgreich, die Mittel aus dem Marshallplan zu verteilen.

Die supranationale Zusammenarbeit der OEEC sollte Modellcharakter haben für die Gründung weiterer europäischer Organisationen; hierfür sind zu nennen: der gemeinsame Markt für Kohle und Stahl im Jahre 1951 und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahre 1957. Damit sollte der Marshallplan zum Ausgangspunkt einer europäischen Politik werden, die bis heute entscheidende Wirkung in der Zusammenarbeit souveräner europäischer Staaten geleistet hat. In diesem Sinne ist der 5. Juni 1947 in der Tat eine historische Sternstunde gewesen.

Fußnoten

1) Hermann Glaser: Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989. Bonn 1991, S. 20

2) Hermann Glaser: Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989. Bonn 1991, S. 31

3) Hermann Glaser: Kleine Kulturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland 1945-1989. Bonn 1991, S. 32

4) Europa-Archiv 1946/1947 I S. 588-592

5) Rede in zahlreichen Quellenbänden abgedruckt. Original in FRUS 1947, Diplomatic Papers, Vol. 3, S. 237-239

6) Zu den unterschiedlichen amerikanischen Deutschland-Plänen vgl. Hans-Peter Schwarz: Vom Reich zur Bundesrepublik. Stuttgart (2) 1980, S. 37ff.

7) Europa-Archiv 1947 S. 819-820

8) Europa Archiv

9) Europa Archiv 1947, S. 821

10) Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution. Berlin 2019, S. 400

11) Hierzu besonders die Ausführungen bei Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution S. 401ff

12) Vgl. hierzu die Ausführungen bei Werner Abelshauser: Deutsche Wirtschaftsgeschichte von 1945 bis zur Gegenwart. München (2) 2011, S. 129ff., Werner Abelshauser: Wunder gibt es immer wieder. Mythos Wirtschaftswunder; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 68 Jahrgang, Juli 2018, S. 7

13) Werner Plumpe: Das kalte Herz. Kapitalismus: die Geschichte einer andauernden Revolution. Berlin 2019, S. 402

14) Zu diesen Wertungen vgl. u. a. Erich Ott: Die Bedeutung des Marshall-Plans für die Nachkriegsentwicklung in Westdeutschland; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jahrgang, B4/1980, S. 19-37. Werner Link: Der Marshall-Plan und Deutschland; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jahrgang, Dezember 1980, S. 3-18

15) Vgl. hierzu: O. N. Haberl/Lutz Niethammer (Hrsg.): Der Marshall-Plan und die europäische Linke. Frankfurt 1986

16) Werner Abelshauser: Wunder gibt es immer wieder. Mythos Wirtschaftswunder; in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 68 Jahrgang, Juli 2018, S. 7

17) Christian Graf von Krockow: Die Deutschen in ihrem Jahrhundert 1890-1990. Hamburg 1990, S. 281

Dr. Gerd Meyer , Wirtschaftshistoriker
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