Westeuropäische Banken in Osteuropa: Zurück in die Zeit des Kalten Krieges?

Prof. Dr. Frank Görgen, Foto: Andreas Schlote

Seit etwa zwei Jahrzehnten befinden sich Banken in einem sogenannten VUCA-Umfeld. Das Akronym steht in der deutschen Übersetzung für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit des Marktumfeldes. Unternehmen können in einer solchen Situation eine Entwicklung nicht prognostizieren und bestenfalls im Nachhinein verstehen. Geschäftspolitische Entscheidungen können vor diesem Hintergrund schwierig sein. So auch für westeuropäische Banken in Russland, da Engagements in einem Staat, in dem Menschenrechte einen fragwürdigen Status haben und der Kriegsverbrechen verursacht, mit zeitgemäßen ethischen Standards nicht vereinbar sind, so der Autor. Da dies den Banken bewusst sei, würden diese (vom Autor aufgeführten) Institute auch keine neuen Geschäftsverbindungen in Russland mehr aufbauen wollen. (Red. )

Es war ein steiniger Weg für westeuropäische, insbesondere für deutsche Banken, Marktkontakte in Osteuropa aufzubauen. Der von Deutschland ausgehende Völkermord im Zweiten Weltkrieg, die sozialistische Planwirtschaft der Warschauer-Pakt-Staaten sowie Embargos der USA verhinderten über zwei Jahrzehnte nennenswerte Geschäftsbeziehungen. Anfang der 1960er Jahre, mitten in der Zeit des Kalten Krieges, galt die vom SPD-Urgestein Egon Bahr formulierte These "Wandel durch Annäherung" noch als ziemlich visionär.1) Einige Jahre später siegte der ökonomische Pragmatismus und es kam zum riesigen Erdgas-Röhren-Geschäft, das ohne deutsche Banken kaum möglich gewesen wäre. Während das russische Gas den wachsenden Energiebedarf der Bundesrepublik decken sollte, waren die Sowjets an deutschen Gasrohren zur Ausbeutung ihrer gewaltigen Rohstoffmengen interessiert.

Ein deutsches Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank gewährte den wirtschaftlich angeschlagenen Sowjets einen Kredit in Höhe von 1,2 Milliarden D-Mark, mit dem diese die Qualitätsröhren aus dem Westen umgehend bezahlen konnten. Friedrich Wilhelm Christians, seinerzeit Vorstandsmitglied bei der Deutschen Bank und deren Unterhändler, einigte sich mit den Sowjets auf einen günstigen Zinssatz und Deutschland erhielt zur Verwunderung des damaligen französischen Finanzministers Giscard d'Estaing im Gegenzug die Gaslieferungen zu spektakulär günstigen Preisen. Die deutsche Industrie atmete auf, denn 1963 verhinderte die Regierung Adenauers im Interesse der Nato ein Zustandekommen eines solchen Röhrenkontraktes.2)

Aufbau von Marktkontakten in Osteuropa

Die Vision Bahrs entwickelte sich mehr und mehr zur Normalität. Mit Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Veränderung) ebnete der letzte Staatspräsident der Sowjetunion, Michael Gorbatschow, den Weg für ein modernes Osteuropa, das einen respektablen Platz im friedlichen Haus Europa finden sollte. Er ermöglichte nicht nur die Selbstbestimmung der Staatsform in den ehemaligen Sowjetrepubliken, sondern auch die Privatisierung und den Börsenhandel ehemaliger Staatsunternehmen. In der Amtszeit von Boris Jelzin gewann die Transformation der sowjetischen Wirtschaft an Fahrt. Einige Neureiche wurden zu Oligarchen, deren beträchtliches Vermögen in Westeuropa gerade auf unbestimmte Zeit so gut es geht gesperrt oder beschlagnahmt wird. In der frühen Amtszeit von Wladimir Putin, das heißt zwischen 2000 und 2008, erlebte der noch junge russische Aktienindex RTS zunächst einen fulminanten Anstieg. Dieser brach zwar in der Finanzmarktkrise stark ein, allerdings profitierte neben Oligarchen auf längere Sicht auch eine breite Mittelschicht von der Transformation der ehemaligen Sowjetunion. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Westeuropa entwickelten sich aber bereits in der ersten Dekade der Amtszeit Putins konträr zur geopolitischen Entwicklung. Brutale Kriege in Tschetschenien und Georgien gingen von russischer Seite aus, denen später die völkerrechtswidrige Invasion in die Ukraine folgten. Gleichwohl vertieften einige Banken aus heutiger Sicht zu lange ihre Geschäftsbeziehungen zu Russland.

Ethische Zwickmühlen

Geschäftspolitische Entscheidungen westeuropäischer Banken in Russland sind aus mehrfachen Gründen nicht einfach. Engagements in einem Staat, in dem Menschenrechte einen fragwürdigen Status haben und der Kriegsverbrechen verursacht, sind mit zeitgemäßen ethischen Standards nicht vereinbar. Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs führten aus gutem Grund zu der Entwicklung einer wirtschaftsethischen Diskussion, die Basis für die heutigen CSR- und ESG-Standards war.

Das ist den Banken bewusst. Die in Abbildung 1 aufgeführten westeuropäischen Institute wollen keine neuen Geschäftsverbindungen in Russland mehr aufbauen. Damit ist die ethische Brisanz aber noch nicht verschwunden. Dies wird an einem Beispiel der HSBC deutlich. Auf deren russischen Homepage befindet sich ein an die Kunden gerichteter Ethikcode der Bank. Dieser weist auf ethisch gebotene Verhaltensweisen wie die Vermeidung von Korruption hin, aber auch auf die Einhaltung der Verfassung, Gesetze und Regulierungen der Russischen Föderation.3) Die Ausgestaltung und Auslegung derselben durch die Russische Föderation entfernten sich aber im Laufe der russischen Invasion in die Ukraine immer mehr von den ethischen Vorstellungen der restlichen Welt. So dürfen Medien in Russland in ihrer Berichterstattung Begriffe wie "Angriff" und "Invasion" nicht mehr verwenden. Ihnen droht sonst eine drakonische Strafe von bis zu 15 Jahren Haft.4) Als die Bank sich dazu entschloss, in ihren hauseigenen Veröffentlichungen der russischen Sprachregelung folgend das Wort "Krieg" durch "Konflikt" zu ersetzen, erntete sie prompt bei britischen Politikern als auch bei ihren Beschäftigten Kritik.5)

Der schnellstmögliche Rückzug nach regulatorisch-rechtlichen Vorgaben und der Erfüllung aller noch ausstehenden Forderungen ist ethisch die konsequenteste Lösung. Die Entscheidung ist nicht nur gegenüber den Beschäftigten tragisch. Sie ist auch wirtschaftlich folgenschwer. Einige Banken würden bei einem vollständigen Rückzug mit Abschreibungen von bis zu 10 Milliarden Euro rechnen müssen6) und ihre Marktchancen in der Zukunft für lange Zeit limitieren.

Der Erwerb einer neuen Geschäftslizenz ist ein langwieriger Prozess. Vermutlich werden einige Banken versuchen, dem Beispiel der Société Générale zu folgen, und ihr Russland-Geschäft verkaufen. Das Geschäft ist eine Mischung zwischen Ethik und dem bekannten Pragmatismus. Der russische Oligarch Wladimir Potanin kaufte das Geschäft der französischen Großbank zu einem vermutlich günstigen Preis und zahlt die nachrangigen Schulden der betreffenden Tochtergesellschaft Rosbank zurück. Die französische Bank muss zwar 2 Milliarden Euro abschreiben, kann aber nun die Russland-Risiken aus ihren Büchern nehmen und ihre Kernkapitalquote leicht absenken.7)

Ausgeprägte Fokussierungsstrategie

An der grundsätzlichen Konzentration ihres Osteuropa-Engagements auf Firmenkunden und institutionelle Kunden haben die meisten westeuropäischen Banken auch nach der Zeit des Kalten Krieges wenig geändert. Zwar haben heute auch einige Institute ein Retail-Geschäft in ausgewählten Ländern, aber selten eine Präsenz in allen großen Märkten Osteuropas, wie die Abbildung 1 zeigt. Das hat zunächst produktbezogene Gründe. Bankprodukte sind Vertrauensgüter. Banken beginnen ihren Markteintritt in der Regel, indem sie ihren Firmenkunden im Heimatmarkt dorthin folgen. Um im zweiten Schritt im Auslandsmarkt ansässige Firmenkunden zu gewinnen, sind bereits besondere Marketing- und Vertriebsaufwendungen nötig. Diese nehmen mit dem Einstieg in das Retail-Banking weiter zu. Typische Privatkunden kommen vor allem durch Empfehlungen zu der Bankverbindung. Aber deren Anzahl geht Hand in Hand mit bekannten und starken Marken, die entweder aus dem Heimatmarkt stammen oder langfristig aufgebaut werden müssen. Die Übernahme einer osteuropäischen Bank ist die schnellste, aber auch die teuerste Möglichkeit, sofort das Vertrauenskapital zu erwerben. Würde die Gefahr eines (Kalten) Krieges nicht wie ein Damoklesschwert über diesen Investments schweben, würden sich viele westeuropäische Banken erheblich leichter mit solchen Investments tun.

Offenbar haben erfahrene Global Player - sicher auch leidgeprüft durch Engagements in anderen Regionen der Welt - einigen Respekt vor geopolitischen Risiken. So ist das Russland-Engagement der größten europäischen Bank HSBC, die in allen Kontinenten vertreten ist, sehr überschaubar.8) Die Bank widmet in ihrem Geschäftsberichts 2021 viele Seiten den geopolitischen Risiken, auch explizit ihrem Osteuropa-Risiko.9) Die Bankgruppen Santander und UBS gehen ebenfalls vorsichtig und selektiv bei ihrer Geschäftsentwicklung in Osteuropa vor.10)

Vorsichtiges Handeln

Nur sehr wenige westeuropäische Banken sowie die ungarische Bank OTP sind in Russland sowohl im Firmen- als auch Privatkundengeschäft präsent. Sie sind auch in den übrigen osteuropäischen Ländern trotz der zahlreichen inzwischen erfolgten EU-Erweiterungen, die fast alle großen Märkte Osteuropas einschließen, vorsichtig. Meist fokussieren sie ihre Präsenz entweder auf eine enge Zielgruppe und/oder auf bestimmte Betätigungsländer. Durchgängig in allen osteuropäischen Ländern für eine breite Zielgruppe tätig ist lediglich die österreichische RBI. Deren Osteuropaengagement ist nichts für schwache Nerven. Der Börsenkurs hat sich zwei Wochen nach dem Beginn der russischen Invasion fast halbiert.

Grundsätzlich hat sich die Fokussierung der Großbanken auf spezielle Zielgruppen insbesondere des Firmenkundengeschäfts einerseits und auf bestimmte osteuropäische Ländermärkte andererseits bewährt. Die Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts deuten darauf hin, dass Banken weitere Fokussierungen in Betracht ziehen sollten.

Ein stabiles Länderportfolio aufbauen

Ein hohes Länderrisiko führt oft zu einem überdurchschnittlichen Wachstum, kann aber plötzlich die Stabilität der gesamten Bankgruppe gefährden. Osteuropäische Finanzmärkte gelten wegen hoher Zinsmargen seit vielen Jahren für westeuropäische Banken als lukrativ. Trotz der absolut großen Bilanzsummen liegt der Anteil des nun problematisch gewordenen Russland-Geschäfts am gesamten Kreditbuch zum Beispiel bei Großbanken wie Unicredit und Société Générale im geringen einstelligen Prozentbereich (siehe Abbildung 2). Die Deutsche Bank zog ebenso wie die finnische Nordea bereits nach der Annexion der Krim durch die russische Armee die Reißleine.11)

Abbildung 1: Marktbearbeitungsansätze westeuropäischer Banken in ausgewählten osteuropäischen Ländern Quelle: Geschäftsberichte und Internetseiten der Gesellschaften, Stand April 2022
Abbildung 1: Marktbearbeitungsansätze westeuropäischer Banken in ausgewählten osteuropäischen Ländern Quelle: Geschäftsberichte und Internetseiten der Gesellschaften, Stand April 2022

Im Rückblick hat sich die Entscheidung der Banken bewährt. Westeuropäische Banken sollten ihre Geschäfte zunächst in der Europäischen Union ausschöpfen, um den Anteil ihrer risikobehafteten Auslandsgeschäfte überschaubar zu halten. Diesen Weg wählte auch die in Osteuropa seit langer Zeit stark engagierte österreichische RBI.

Noch am 11. Februar 2022, knapp zwei Wochen vor der Invasion der russischen Armee in die Ukraine, stellte Gunter Deuber, Bereichsleiter Volkswirtschaft und Finanzanalyse bei der RBI, zwar heraus, dass "im CEE-Banking alle Zeichen auf Expansion" stehen und 2021 und 2022 zweistellige Eigenkapitalrenditen erzielt worden wären. Deuber betonte aber auch, dass "westliche Banken in den Regionen Russland, Ukraine und Belarus schon länger umsichtig als risikodisziplinierte Nischenspieler" agieren würden. So hätten westliche Banken in der kleinen Slowakei die gleichen Vermögenswerte im Einsatz wie im riesigen Russland.12) Eine portfoliotechnisch weise Entscheidung.

Beherzte Umsetzung von CSR- und ESG-Prinzipien

Die bisher verfolgten Fokussierungsstrategien könnten bei einem anhaltenden Konflikt mit Russland immer noch zu riskant sein. Selbst wenn die politische Lage sich mittelfristig wieder etwas entspannen würde, liegt es nahe, darüber hinaus künftig einem stark regelbasierten Geschäftsansatz zu folgen. Eine strikt von ökologischer und sozialer Verantwortung getragene Unternehmensphilosophie (CSR) und die für Kapitalanlagen etablierten Nachhaltigkeitskriterien "Environmental", "Social" und "Governance", kurz ESG, wären gerade für Osteuropa-Engagements wegen ihrer prophylaktischen Wirkung geschäftsstrategisch sinnvoll. Wenn eine Bank keine Vertragsbeziehungen eingeht, die sich später als ethisch problematisch herausstellen können, werden nicht nur ethische Konflikte, sondern auch Imageprobleme, teure Rechtsstreitigkeiten und die Gefahr hoher Abschreibungen begrenzt. Ein Geschäft wie das eingangs erwähnte Erdgas-Röhren-Geschäft wäre dann tabu.

Zudem sprächen diese Geschäftsprinzipien künftige Generationen von Privat- und Firmenkunden an, die tendenziell aufgrund der größeren Betroffenheit sensibler auf Fragen der Nachhaltigkeit reagieren. Osteuropäische Länder sind auf eine besondere Art mit CSR- und ESG-Themen verbunden. Dies gilt nicht nur für die stark verbreitete Umweltverschmutzung durch fossile Energien in der Zeit der Sowjetunion.

Während der Revolutionen seit Ende der 1980er Jahre waren Korruption sowie fehlende Rechtstaatlichkeit und Transparenz des staatlichen Handelns in den osteuropäischen Ländern zentrale Themen. Banken, die eine Abkehr von diesen Relikten der alten Sowjetunion und der anschließenden von Oligarchen beherrschten Transformationswirtschaften glaubwürdig in ihren Geschäftsprinzipien verankern, würden eine starke Werteorientierung zeigen und in großes Identifikationspotenzial schaffen. Dies ist nach David Aaker eine der besten Grundlagen für den Aufbau einer starken Marke.13) Gerade für die immaterielle Güterwelt der Banken. Umgekehrt können fehlende Werteorientierungen Bankmarken sehr schaden, wie die Kreditvergabe an das Apartheid-Regime in Südafrika zeigte.14)

Der Ausschluss nicht CSR- und ESG-konformer Kundenbeziehungen ist für privatwirtschaftliche Kunden tendenziell schwieriger als für staatliche Kunden zu beurteilen. In letzter Konsequenz müssten sich Banken sehr dezidiert mit einzelnen Kunden beschäftigen, das heißt eine aussagekräftige Dokumentation einfordern und gewissenhaft prüfen. Dieser Geschäftsansatz dürfte auch regulatorisch zukunftssicher sein. Die Europäische Union wird in künftigen Richtlinien Nachhaltigkeitsthemen tendenziell vertiefen und Regulierungen verschärfen.

Abbildung 2: Anteil der auf Russland entfallenden Risikoaktiva an den gesamten Risikoaktiva (in Prozent) Quelle: Morningstar, DBRS, zitiert nach Neubauer, B.: Banken wälzen ihre Russland- und Ukraine-Risiken, in: Börsenzeitung vom 9. Februar 2022
Abbildung 2: Anteil der auf Russland entfallenden Risikoaktiva an den gesamten Risikoaktiva (in Prozent) Quelle: Morningstar, DBRS, zitiert nach Neubauer, B.: Banken wälzen ihre Russland- und Ukraine-Risiken, in: Börsenzeitung vom 9. Februar 2022

Agilität ist gefragt

Auch wenn sich der osteuropäische Markt über einen längeren Zeitraum sukzessive geöffnet hat und eine Präsenz westeuropäischer Banken sogar im totalitären Russland möglich war, ist die Bank gut beraten, jederzeit damit zu rechnen, dass sich die Marktbedingungen wieder in eine ungünstige Richtung ändern können. Neben generellen wirtschaftlichen Marktrisiken gehen gerade Banken ein hohes politisch-rechtliches Risiko ein. Während das politisch-rechtliche Risiko in Russland selbst noch im Bereich der Erwartungen lag, dürften Konflikte dieses Staates mit anderen Staaten zumindest in deren Ausmaß kaum im Vorfeld abschätzbar gewesen sein, wie der jüngste Angriff der Ukraine durch die russische Armee zeigt. Seit etwa zwei Jahrzehnten befinden sich Banken in einem sogenannten VUCA-Umfeld. Das Akronym steht in der deutschen Übersetzung für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit des Marktumfeldes. Unternehmen können in einer solchen Situation eine Entwicklung nicht prognostizieren und bestenfalls im Nachhinein verstehen.15)

Diese bittere Erkenntnis impliziert Managementansätze, die eine schnelle, flexible und an den Bedürfnissen der verschiedenen Anspruchsgruppen angepasste Reaktion ermöglichen. Hierin liegt die Schwäche althergebrachter hierarchischer Organisationsstrukturen. Agile Managementansätze und Arbeitsmethoden bieten einige systematische Vorteile, die im derzeitigen Marktumfeld hoch im Kurs stehen:

  • Agile Teams arbeiten interdisziplinär: Eine Arbeitsweise, die hilft, schwierige politische, regulatorische, kundenbezogene und technische Anforderungen zu erfüllen.
     
  • Agile Teams greifen neue Tasks schnell auf: Da sich agile Teams anders als Teams in traditionellen Organisationen mit jeder neuen zu lösenden großen Aufgabe wieder neu zusammensetzen, können sie mit Veränderungen gut umgehen.
     
  • Agile Methoden wie Scrum, Kanban und Design Thinking fördern effiziente Innovations- und Kommunikationsprozesse: Für agile Teams gehören Projektmanagement-Skills und die schnelle Entwicklung von außergewöhnlichen, realistischen Ideen zu einer marktreifen Lösung zum Alltag.

Allerdings dürfte die Umsetzung eines agilen Mindsets, wie es beispielsweise in der ING Bankengruppe praktiziert wird, in Ländern mit einem totalitären Staatsapparat eine noch größere Herausforderung als in westeuropäischen Ländern sein. Menschen können sich dem staatlichen Einfluss auf das Schulsystem und der staatlichen Propaganda nicht vollkommen entziehen.

Irritationen möglich

Ungewohnte Führungsansätze werden die Beschäftigten dort tendenziell irritieren. Die mit dem agilen Mindset gelebte Offenheit und Selbstständigkeit der Organisationsmitglieder könnte der staatlichen Erziehung beziehungsweise gesellschaftlichen Wirklichkeit diametral entgegenlaufen. Aber intrinsische Motivation und Fähigkeiten zur Teamarbeit, das heißt zentrale Voraussetzungen für agiles Arbeiten, können sich auch in totalitären Staaten entwickeln. Diese Prinzipien fliegen unterhalb des Radars politischer Apparatschiks. Die Menschen in den meisten osteuropäischen Ländern machten bereits Erfahrungen mit der Transformation ihrer Volkswirtschaften. Dieses politisch-kulturelle Erbe könnte sich sogar als Vorteil für das agile Mindset herausstellen, da der Alltag wegen der plötzlichen und tiefgreifenden Veränderungen flexible und kreative Lösungen einforderte.

Fußnoten

1) Cassier, P., https://www.welt.de/geschichte/article212383149/Egon-Bahrs-Grundsatzrede-1963-Wandel-durch-Annaeherung.html

2) o.V., Salto am Trapez, in: Der Spiegel vom 8.2.1970, https://www.spiegel.de/politik/salto-amtrapez-a-23649de1-0002-0001-0000-000045202633

3) https://www.about.hsbc.ru/hsbc-in-russia/important-information-for-customers

4) Schwarz, D.: "Konflikt" statt "Krieg, in Handelsblatt vom 28.3.22, https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/ukrainekrieg-konflikt-statt-krieg-hsbc-uebernimmt-offenbar-russische-sprachre...

5) Holzamer, T., Exodus - Banken sperren Russland-Geschäft zu, in: Finanz-magazin vom 29.3.22, https://www.finance-magazin.de/banking-berater/firmenkundengeschaeft/exodus-banken-sperrenrusslandgeschaeft-zu-115157/

6) ebenda

7) Schwarz, D./Brügmann, M.: Société Générale verkauft Russland-Tochter Rosbank, in: Handelsblatt vom 11.4.22, https://www.handelsblatt.com/finanzen/banken-versicherungen/banken/franzoesischegrossbank-societe-generale-verkauft-russlandtochter-rosbank/2824...

8) https://internationalservices.hsbc.com/global-directory/; Schwarz, D.: a.a.O.

9) HSBC Holdings plc, Annual Report 2021, S. 37, 39, 125

10) https://www.ubs.com/locations.html#germany/en/ns/all/

11) Comfort, W./Levitt, H./Sirletti, S., Russlanderprobte Banken stehen vor neuer Nervenprobe, in: Capital vom 24.2.22, https://www.capital.de/wirtschaft-politik/russlanderprobte-banken-stehen-vorneuer-nervenprobe-31653360.html

12) Deuber, G.: Bankgeschäft in Europa bietet Wachstumspotenzial, in: Börsenzeitung vom 11.2.22, https://www.boersen-zeitung.de/banken-finanzen/bankgeschaeft-in-osteuropa-bietet-wachstumspotenzial-e346cd7e-85ac-11ec-af7a-4163f9b093bb

13) Aaker, D. A./Stahl, F./Stöckle, F.: Marken erfolgreich gestalten, SpringerGabler 2015, S. 145

14) https://www.spiegel.de/politik/banker-der-apartheid-a-afb8e7f2-0002-0001-0000-000009447211, https://www.spiegel.de/politik/ganz-dreckig-a-d733 7e0a-0002-0001-0000-000013531482

15) Sauter, R./Sauter, W./Wolfig, R.: Agile Werte- und Kompetenzentwicklung, SpringerGabler 2018, S. 4-6

Prof. Dr. Frank Görgen , Dozent , Hochschule RheinMain, Wiesbaden

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