Wirtschaftsgeschichte

Von Geldumtausch und Kopfgeld - Erinnerungen an Währungsreformen

Am 28. Dezember vergangenen Jahres hat Prof. Dr. Rolf Eggert sein 65. Lebensjahr vollendet (siehe auch Personalien - Red.) und damit den Zeitpunkt seines Erdendaseins erreicht, zu dem man bisher normalerweise das Arbeitsleben beendete. Bei Rolf Eggert war diese Zeit durch seine Tätigkeit als Präsident der Hauptverwaltung Hamburg der Deutschen Bundesbank gekennzeichnet. Dabei war es ihm keineswegs an der Wiege gesungen worden, dass er einmal in dieser Funktion sein Berufsleben beenden würde. Was Rolf Eggert für die Deutsche Bundesbank geleistet hat, sind andere besser als ich darzustellen berufen. Er wird hier nur nach den Erfahrungen gewürdigt, die ich auf der Wegstrecke gewonnen habe, die wir gemeinsam zurücklegen konnten. Ich hatte das Glück, Rolf Eggert erleben zu können, wie er sich mit anderen daranmachte, aus den staatlichen Ruinen, die das kommunistische Regime der DDR 1989 hinterlassen hatte, das Land Mecklenburg-Vorpommern zu erbauen.

Gemeinsame Erfahrung zweier Währungsreformen

Rolf Eggert hat an diesem Prozess als Vizepräsident des Landtages in Schwerin sowie als Wirtschafts- und Justizminister teilgenommen und ihn in wesentlichen Punkten geprägt. Ich freue mich und bin stolz darauf, dass ich ihm dabei meine Erfahrungen aus meiner politischen und vor allem parlamentarischen Lebenserfahrung zur Verfügung stellen konnte. Ich widme ihm daher aus Anlass seines 65. Geburtstages den Bericht über ein Erlebnis, das wir beide wenn auch in sehr unterschiedlicher Weise - haben machen müssen: zweimal in den "Genuss" einer Währungsreform gekommen zu sein. Er konnte die DM der deutschen Notenbank der DDR in die der Bundesrepublik tauschen - und dann diese DM in den Euro.

Eine Folge des großen Völkermordens, das Zweiter Weltkrieg genannt wird, war auch eine Vernichtung des Geldwertes in allen beteiligten Ländern. Zigarettenwährung und andere Tauschwirtschaften traten an die Stelle des Geldes. Ich selbst habe zweimal nach 1945 einen Währungsschnitt erlebt, der unternommen wurde, um dem Geld wieder einen wirklichen Wert zu verschaffen: einmal im Dezember 1948 in der Sowjetunion als Kriegsgefangener und zum zweiten Mal bei meiner Heimkehr nach Deutschland 1949.

1948 erlebte ich das vierte Jahr meiner Kriegsgefangenschaft in Brest-Litowsk. Es war dies ein Lager, dessen Außenkommandos im Verhältnis zu anderen Lagern, die ich in den Jahren vorher erlebt hatte, relativ gut verdienten. Die Betriebe mussten nämlich für die Arbeit der ihnen zugeteilten Gefangenen an die Lagerverwaltung bestimmte Löhne zahlen, von denen uns der Rest in bar ausgezahlt wurde, der nicht für Verpflegung, Unterkunft, Bewachung und so weiter "verbraucht" wurde. Das konnten damals bis zu 200 Rubel im Monat sein, wobei ein Kilogramm Brot drei Rubel kostete. Die qualitativ besten Waren - vor allem Lebensmittel - konnte man auf dem "Basar" kaufen, dem freien Markt, auf dem den Bauern der Kolchosen erlaubt war, ihre in der Regel aus ihren Gärten stammenden freien Spitzen zu verkaufen. Im Laufe des Jahres 1948 erschienen jedoch immer weniger Bauern auf dem Basar, um ihre Waren anzubieten: Eine stetig wachsende Zahl von Ständen blieb leer. Auch in den staatlichen Läden, den sogenannten "Magazinen", gab es seit dem Herbst ein ständig geringer werdendes Angebot.

Zu Beginn des Winters begannen zudem immer mehr Gerüchte über neue Wirtschaftsformen, neues Geld und Ähnliches zu wuchern. Als meine Arbeitskolonne Anfang 1948 einmal am Basar entlangzog, sahen wir dort plötzlich einen Bauern stehen, der Kartoffeln feilbot. Sowohl unsere Wachposten als auch wir gingen sofort dorthin und fragten nach dem Preis. Denn immerhin stand Weihnachten bevor - und da wäre ein Kochgeschirr voller Kartoffeln zum Sattessen eine willkommene Zusatzernährung gewesen. Seelenruhig und wie selbstverständlich antwortete uns der Bauer, er verkaufe nur gegen Dollar. Nein, wir hatten uns nicht verhört: Mitten in der Sowjetunion sollte es Kartoffeln nur gegen amerikanische Dollar geben. Nun - die hatten wir natürlich nicht und mussten daher enttäuscht weiterziehen.

Von ersten Gerüchten bis zu einem überquellenden Basar

Ob der Bauer an jenem Tag überhaupt etwas verkauft hat, weiß ich nicht. Wir sollten allerdings für unser Weihnachtsessen doch noch zu unseren Kartoffeln kommen. Plötzlich, etwa in der Mitte des Monats Dezember, verkündeten nämlich Zeitungen und Rundfunk eine Währungsreform in der Sowjetunion. Der Umtausch des alten Geldes in neue Rubel war degressiv gestaltet: Bis zu einem bestimmten Betrag gab es einen neuen Rubel für einen alten, je höher der Tauschbetrag je Kopf war, umso weniger neues Geld erhielt man für das alte.

Natürlich verfügten wir Kriegsgefangenen nur über Beträge, bei denen der Kurs 1 : 1 vorgesehen war. Und kaum hatte die Lagerverwaltung bei uns den Tausch vollzogen, als wir beim nächsten Marsch in die Stadt einen vor Waren überquellenden Basar vorfanden. Alle bis dahin aufgrund von Ahnungen und Gerüchten zurückgehaltenen Waren schmückten nun Tische und Stände. Und niemand fragte mehr nach Dollar. Und so kamen wir dazu, unsere bescheidene Weihnachtsverpflegung durch ein paar Kilo Kartoffeln oder auch einen Salzhering, eine Kohlrübe oder ähnliche Dinge - um nicht zu sagen: Delikatessen (nach unserem damaligen Verständnis) aufzubessern. Es gab sogar Kameraden, die sich ein halbes Weißbrot oder gar 100 Gramm Schokolade leisten konnten.

Diesmal in den drei Westzonen

Als ich 1949 nach Deutschland heimkehrte, hatte ich zum zweiten Mal Anteil an einer Währungsreform; diesmal an der in den drei Westzonen durchgeführten. Zwar war dieser Geldschnitt eigentlich schon mehr als ein Dreivierteljahr vor meiner Rückkehr umgesetzt worden. Doch da konnte ich mich ja nicht beteiligen. Nun hatte ich aber als Soldat meinen überschüssigen Wehrsold immer brav auf ein Postsparbuch der Deutschen Reichspost gespart. Es war mir gelungen, die Ausweiskarte mit der Kontonummer über alle Filzungen und Kontrollen in der Gefangenschaft zu retten, während man mir das eigentliche Sparbuch abgenommen hatte. Ich konnte zwar nicht erkennen, welche Gefahren für die Sicherheit der Sowjetunion von diesem kleinen Sparbuch ausgingen. Aber ich musste es abliefern.

Gleichwohl beschaffte mir nach meiner Heimkehr das Postamt meines neuen Wohnsitzes in der Bundesrepublik mit Hilfe der alten Kontonummer die Unterlagen und Nachweise über mein Sparguthaben von dem einzigen Postsparkassenamt des weiland "Großdeutschen Reiches" in Wien, das ja nun wieder im Ausland lag. Auf dieses Guthaben erhielt ich dann im Frühsommer 1949 jenes Kopfgeld von 40 neuen Deutschen Mark, das andere schon im Juni 1948 hatten einstreichen können. Der Restbetrag dieses Sparguthabens wurde mir im Verhältnis 1 : 10 in einem neuen Postsparbuch des für die amerikanische Besatzungszone zuständigen neuen Postsparkassenamtes München gutgeschrieben und bildete zusammen mit dem Kopfgeld von 40 DM das Startkapital für mein Nachkriegsleben, das mich über die Wiederholung meines aus dem Krieg stammenden Abiturs, das Studium und meine Berufstätigkeit bis zum Abgeordneten des Deutschen Bundestages führte.

Ich habe natürlich das Erlebnis verpasst, das alle diejenigen hatten, die im Juni 1948 über Nacht den Wert des neuen Geldes an dem Angebot der sich wieder füllenden Läden und Schaufenster hatten messen können. Meine Erlebnisse ähnlicher Art im Dezember 1948 in der Sowjetunion waren da sicher nur ein matter Abglanz dessen gewesen, was sich - wie man mir erzählte - im Juni 1948 in Deutschland abspielte.

Kopfgeld als Startkapital

Gleichwohl war es für mich ein heute nur noch schwer nachvollziehbares Erlebnis, als ich mit meinem in DM umgewandelten Wehrsold mir die erste Nachkriegsarmbanduhr kaufen ging. Der amerikanische Soldat, der mir 1945 am Brückenkopf Sandau an der Elbe meine alte Armbanduhr als Kriegsbeute abgenommen hatte, symbolisierte für mich das Ende des eigentlichen Krieges. Die neue Armbanduhr vier Jahre später war das äußere Zeichen dafür, dass nun für mich normalere Zeiten anbrechen sollten. Das Kopfgeld machte es - wenn auch später als bei anderen - möglich.

Ich habe meinen vier Kindern oft von jener Zeit und auch von Geldumtausch und Kopfgeld erzählt. Doch es blieb für sie immer eine recht blasse und abstrakte Geschichte, blieb theoretisch. Und trotzdem wünsche ich ihnen, dass sie in ihrem Leben von ähnlichen konkreten Erfahrungen bewahrt bleiben mögen: Sie sollen keinen Währungsabschnitt und schon gar keinen Krieg erleben müssen.

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