Gespräch des Tages

Zertifikate - Einfachere Produkte und viel Aufklärungsarbeit

Nachdem er in der Krise einen vorübergehenden Herzstillstand erlitten hat, zeigt der deutsche Zertifikatemarkt sanfte Anzeichen einer Wiederbelebung. Zu erkennen sind diese etwa an den Zahlen des Deutschen Derivate Verbands. Kurz vor Weihnachten machte der Branchenzusammenschluss auf Basis der Zahlen seiner Mitglieder allein für Oktober ein Wachstum von einer knappen Milliarde Euro beziehungsweise rund 1,1 Prozent der verwalteten Anlegergelder über alle Segmente aus. Insgesamt ist damit allerdings erst rund ein Drittel des Einbruchs seit Ende 2007 wieder aufgeholt. Zuvor hatte die Ratingagentur Feri breiten Optimismus unter den Emittenten verzeichnet: 95 Prozent der befragten Häuser erwarten demnach ein "zunehmendes beziehungsweise stark zunehmendes Absatzpotenzial" für ihre Produkte - zumindest gegenüber dem zurückliegenden Zwölfmonatszeitraum. Und auch die Deutsche Bank als Branchenprimus (gemessen am Open Interest) rechnet mit einer Verbesserung des Kapitalmarktklimas. Insbesondere bei Kapitalschutz-, Express-, Discount- und Bonuszertifikaten erwartet man gute Absatzchancen.

Dass das Frankfurter Geldhaus, genauer: ihre auf Zertifikate und Hebelprodukte fokussierte Tochter X-Markets, unlängst in einer ersten, fortan jährlich geplanten Erhebung festgestellt hat, dass die Privatiers unter den Zertifikate-Anlegern derzeit vereinfacht gesprochen - 48-jährige Männer sind, birgt vielleicht nicht unbedingt ein "Klumpenrisiko". Es werde mit Zertifikaten auch jetzt schon ein breites Spektrum an Anlagestrategien umgesetzt. Aber es könnte umgekehrt zu Wachstumschancen im Retailsegment führen. Gelingt es nämlich der Branche, wieder verstärkt das Interesse von Investoren außerhalb der heute aktiven Kerngruppe aus tradingorientierten und erfahrenen Selbstentscheidern zu wecken, könnte sie ihr Endkundengeschäft - das heute rund 99 Prozent ihres entsprechend verwalteten Volumens ausmacht - auf eine deutlich breitere Basis stellen. Die Anlage in Zertifikate habe freilich genügend Anreize für andere Anlegergruppen, heißt es ambitioniert von X-Markets, weil diese auch als Retailprodukte im Unterschied zu anderen Assetklassen sowohl Risikopuffer wie auch vergleichsweise hohe Renditen böten. Darauf baut die blaue Bank. Das Derivategeschäft der übernommenen Sal. Oppenheim verschmäht man derweil und gibt es an die australische Macquarie ab (siehe auch Bankenchronik in diesem Heft). Sicherlich ist es auch ein Zeichen der Zeit, dass der Primus für das kommende Jahr nicht mit größeren Innovationen bei den Zertifikatekonstruktionen rechnet und stattdessen einen generellen Trend zu einfacheren Produkten erwartet.

Was am Ende nämlich bleibt, ist einmal mehr die Frage nach dem Vertrauen der Anleger. Kann hier in der Finanzkrise verlorenes Terrain zügig wieder gut gemacht werden? Der von den Marktbeobachtern festgestellte Frohmut der Anbieter mag sich zwar besonders im institutionellen Geschäft und bei privaten Bestandskunden beweisen. Im breiteren Retailsegment ist aber stärker als je zuvor eine umsichtige Produkt- und Kommunikationspolitik gefragt. Auf Markenwerbung allein werden solche Anleger bei allen Negativschlagzeilen der vergangenen Monate kaum im gewollten Umfang ansprechen - zu tief sitzt der Lehman-Schock. Die angestrebte Verbreiterung der Kundenbasis in diesem Segment wird damit in hohem Maße davon abhängen, dass positive, negative und neutrale Szenarien und Echtzeit-Kennzahlen zu Chancen und Risiken samt ausführlichem Produktportrait verständlich und einfach zur Verfügung gestellt werden. Das gilt sowohl für das Zertifikat selbst als auch für den zugrunde liegenden Basiswert. Gleiches wird die Politik den Anbietern allem Anschein nach deutlich machen. Einzelne Emittenten haben bereits erste Maßnahmen angekündigt, so etwa die Düsseldorfer Privatbank HSBC Trinkaus. Marketing und Aufklärungsarbeit gilt es aber branchenweit auf absehbare Zeit eng miteinander zu verbinden. Allein die Mindeststandards der Selbstverpflichtungen werden beim Retailkunden in Sachen Transparenz nicht ausreichen.

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