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Zentralbanken - Struktur des Bankensektors in der EU

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Ende Oktober 2006 ihren vom Ausschuss für Bankenaufsicht des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) erstellten Jahresbericht über die Struktur des Bankensektors in der EU veröffentlicht. Der Ausschuss setzt sich aus Vertretern der nationalen Zentralbanken sowie der Bankenaufsichtsbehörden der EU und der EZB zusammen.

Der Bericht, der seit 2002 jährlich erscheint, untersucht die wichtigsten Strukturentwicklungen des EU-Bankensektors im Jahr 2005 und im ersten Halbjahr 2006. Er enthält darüber hinaus zwei aktuelle Studien über die Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die Banken der Europäischen Union und über die Veränderungen in der Refinanzierungsstruktur der EU-Banken sowie über deren Auswirkungen auf ihre Tätigkeit.

Im Bankensektor der Europäischen Union haben sich demnach hauptsächlich folgende Strukturentwicklungen vollzogen:

1. Der in den Neunzigerjahren eingeleitete Konsolidierungsprozess führt weiterhin insgesamt zu einem Rückgang der Anzahl der Kreditinstitute; diese verringerte sich im Jahr 2005 im Euro-Währungsgebiet um 2,8 Prozent und in der EU um 1,7 Prozent. Gleichzeitig nahmen die Aktiva der Banken kräftig zu (vor allem in den neuen Mitgliedstaaten, in denen sie sich 2005 um 21,7 Prozent erhöhten), während die Zahl der Bankfilialen insgesamt leicht stieg. Dieser Konsolidierungsprozess wird begleitet von einer Zunahme der grenzüberschreitenden Fusionen und Übernahmen im Jahr 2005, nachdem sich diese seit 2000 verringert hatten. Hierbei waren verstärkt im Privatkundengeschäft tätige Finanzintermediäre involviert.

Die Nichtbank-Aktiva der Finanzintermediäre nahmen 2005 deutlich zu. So erhöhte sich das Gesamtvermögen der Investmentfonds in der EU um genau 14 Prozent, und die Pensionsfonds expandierten um fast 20 Prozent. Dieser Trend hin zur Disintermediation bedeutet aus Sicht der EZB nicht unbedingt, dass die Banken eine geringere Rolle spielen, da diese ihr Provisionsgeschäft ausweiten und sich stärker den Kapitalmarkt- und Vermögensverwaltungsgeschäften widmen.

2. Mit der Studie über die Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf die EU-Banken soll untersucht werden, wie sich der demografische Wandel, wie zum Beispiel Änderungen bei der Lebenserwartung, der Geburtenraten und der Migration, möglicherweise auf das Privatkundengeschäft der Banken in der Europäischen Union auswirkt.

Der Gesamteinfluss demografischer Änderungen ist schwer zu ermitteln, da sich verschiedene Faktoren gegenläufig auf die Einkommens- und Ertragsentwicklung der Banken auswirken können. Einerseits üben demografische Veränderungen möglicherweise einen Abwärtsdruck auf den Anteil der Banken im Intermediationsprozess sowie auf die Nachfrage nach Konsumentenkrediten und Hypotheken aus und schmälern so den Nettozinsertrag.

Andererseits können die Banken auf diese Entwicklung reagieren, indem sie älteren Kunden neue maßgeschneiderte Produkte sowie Vermögensverwaltungs- und Beratungsdienste anbieten, wodurch sich ihre zinsunabhängigen Erträge erhöhen. Gleichzeitig könnte die mögliche Ausweitung neuer Produkte auch neue Risiken (zum Beispiel die hohe Lebenserwartung) in sich bergen, wodurch die Banken gezwungen sein könnten, ihr Risikomanagement anzupassen. Die Banken hätten auch die Möglichkeit, auf den demografischen Wandel mit einer Diversifizierung ihrer Aktivitäten auf internationaler Ebene zu reagieren. Die Konkurrenz innerhalb des Bankensektors und durch bankfremde Finanzintermediäre könnte ebenfalls zunehmen.

3. Die Studie über die Veränderungen in der Refinanzierungsstruktur der EU-Banken und deren Auswirkungen auf die Bankgeschäfte befasst sich schwerpunktmäßig mit der Frage, wie sich die verschiedenen Komponenten der Bankverbindlichkeiten seit dem Jahr 2000 entwickelt haben. Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen den Schluss zu, dass die Kundeneinlagen noch immer den größten Teil der Refinanzierungsmittel der Banken ausmachen (2005 betrug ihr Anteil 33 Prozent), wobei sich diese Einlagen stärker diversifizieren. Neue und komplexere Einlagenprodukte können dabei andere Strukturmerkmale aufweisen als die klassischen Anlageinstrumente und auch ein Risiko für die Reputation der Banken darstellen.

Bei der Refinanzierung am Markt ist eine leichte Verschiebung zugunsten kurzfristiger Anlagen erkennbar. Hinsichtlich der gesamten Marktrefinanzierung zeigt der Bericht, dass sich die Banken zunehmend spezieller Instrumente (wie Pfandbriefe oder Verbriefung von Forderungen) bedienen. Ein zunehmender Rückgriff auf großvolumige Finanzierung über die Finanzmärkte erhöht zwar die Skalenerträge, ist aber kostspieliger als die Einlagenfinanzierung. Die Verkürzung der durchschnittlichen Laufzeit der Finanzierungsgeschäfte der Banken könnte Auswirkungen auf deren Ertragskraft und deren Risiko haben.

Und schließlich hat die Zentralisierung des Liquiditätsmanagements zu einer größeren Bedeutung der konzerninternen Refinanzierung geführt. Ungeachtet der Vorteile einer effizienteren Verwaltung der konzerninternen Kapitalströme kann ein verstärkter Rückgriff auf konzerneigene Finanzierungsmittel das Risiko eines Dominoeffekts sowohl innerhalb des Konzerns als auch über Ländergrenzen hinweg erhöhen.

Der Bericht kann auf der Website der EZB (www.ecb.int/pub) unter "Publications" abgerufen werden. Druckfassungen können auch kostenfrei bei der Presse- und Informationsabteilung der EZB angefordert werden.

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