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Zentralbanken - Struktur des Bankensektors in der EU

Die Europäische Zentralbank hat Anfang Oktober 2007 ihren vom Ausschuss für Bankenaufsicht des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) erstellten Jahresbericht über die Struktur des Bankensektors in der Europäischen Union (EU) veröffentlicht. Der Ausschuss setzt sich aus Vertretern der nationalen Zentralbanken sowie der Bankenaufsichtsbehörden der EU und der EZB zusammen. Der Bericht, der seit 2002 jährlich erscheint, untersucht die wichtigsten Strukturentwicklungen des EU-Bankensektors im Jahr 2006 und im ersten Halbjahr 2007. Er enthält darüber hinaus zwei aktuelle Studien über das Liquiditätsrisikomanagement grenzüberschreitender Bankengruppen in der EU und die Vertriebskanäle im Privatkundengeschäft.

Im Bankensektor der Europäischen Union haben sich aus Sicht der EZB im Wesentlichen folgende Strukturentwicklungen vollzogen: Der Konsolidierungsprozess, ersichtlich aus der abnehmenden Zahl der Kreditinstitute, setzte sich insgesamt fort, wenn auch in geringerem Tempo (2006 betrug der Rückgang im Euro-Währungsgebiet wie auch in der EU etwa zwei Prozent). Gleichzeitig nahm die Finanzintermediation (gemessen an den gesamten Aktiva des Bankensektors) sogar rascher als das BIP zu, nämlich um zwölf Prozent in der EU beziehungsweise zehn Prozent im Euroraum, und erreichte 321 Prozent beziehungsweise 297 Prozent des jeweiligen BIP.

Die gesunkene Zahl der Kreditinstitute und der Anstieg der gesamten Aktiva des Bankensektors in der EU deuten auf die Herausbildung größerer Institute hin. Die Gesamtzahl der Fusionen und Übernahmen geht seit 2000 zurück; ausgenommen hiervon sind die grenzüberschreitenden Transaktionen von EU-Banken in Drittländern, die besonders in den letzten beiden Jahren zugenommen haben. Der seit 2003 beobachtete wertmäßige Anstieg der Fusionen und Übernahmen verweist hingegen auf die herausragende Bedeutung einer relativ geringen Zahl groß angelegter Transaktionen. Die Konzentration im EU-Bankensektor schließlich blieb gegenüber dem Vorjahrsniveau unverändert, divergierte allerdings stark zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Insgesamt sind die Bankenmärkte der EU nach wie vor von wesentlichen strukturellen Unterschieden geprägt; die Streuung vieler relevanter Indikatoren hat allerdings im Laufe der Zeit abgenommen, was aus Sicht der EZB darauf schließen lässt, dass sich die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten verringern.

Die Untersuchung über das Liquiditätsrisikomanagement grenzüberschreitender Bankengruppen in der EU befasst sich vor allem mit Fragen der aufsichtlichen Regulierung des Liquiditätsrisikos und den Entwicklungen bei der Organisation des Liquiditätsrisikomanagements der Banken in dem vom Bericht abgedeckten Zeitraum (das heißt im Wesentlichen bis Ende 2006) sowie mit deren Implikationen für die Stabilität des Finanzsystems. Grenzüberschreitend tätige Banken betrachten die Fragmentierung der Regulierung des Liquiditätsrisikos in der EU nicht als unangemessene Einschränkung des grenzüberschreitenden Liquiditätsmanagements innerhalb ihrer Gruppe. Andere von den Banken als mögliche Behinderung eines effizienten Liquiditätsrisikomanagements genannte Regelungen beziehen sich auf die Heimat-/Gastlandregelung bei der Zuständigkeit der Aufsicht und die Obergrenzen für Großkredite.

Darüber hinaus sehen die grenzüberschreitend tätigen Banken, die die Initiativen der Zentralbanken zur Lösung von Problemen mit internationalen Liquiditätsströmen und der grenzüberschreitenden Nutzung von Sicherheiten durchaus anerkennen, weiterhin Hindernisse in Bezug auf das Liquiditätspooling und die grenzüberschreitende Nutzung von Sicherheiten. Trotz der unterschiedlichen Organisation des Liquiditätsrisikomanagements bei grenzüberschreitend tätigen Banken bestätigte sich der Trend zur Zentralisierung der Vorgaben und Verfahren für das Liquiditätsmanagement sowie zur Dezentralisierung der täglichen Liquiditätssteuerung.

Ausgefeilte Ansätze eines internen Liquiditätsrisikomanagements sind zwar noch nicht sehr verbreitet, doch die größeren Banken, die sie für ihre internen Zwecke entwickelt haben, sprechen sich auch dafür aus, diese für bankenaufsichtliche Zwecke zu verwenden. Andererseits nutzen die kleineren Banken derzeit die regulatorischen Liquiditätskennzahlen auch für ihr internes Management. Schließlich wurden die Verkürzung des Zeitrahmens für Zahlungsverpflichtungen, die Nutzung stärker marktbasierter und potenziell volatilerer Finanzierungsquellen und der wachsende Bedarf an hochwertigen Sicherheiten als wichtige Marktentwicklungen genannt, die das Liquiditätsrisikomanagement der Banken beeinflussen.

Die Untersuchung über die Vertriebskanäle im Privatkundengeschäft der Banken ermittelte bei den Vertriebsstrategien der Kreditinstitute folgende Entwicklungen: Erstens werden Zweigstellen im Hinblick auf Standort und Dienstleistungen so umgestaltet, dass sie kostengünstiger werden und sich besser in die von den Banken genutzten neuen Vertriebswege integrieren lassen. Zweitens nehmen die elektronischen Kanäle rasch an Bedeutung zu; sie liefern nicht nur Informationen und Transaktionsdienstleistungen, sondern werden auch für die Bewerbung und den Verkauf von Bankprodukten genutzt. Drittens verstärken die Banken, um im scharfen Wettbewerb auf dem Gebiet der Konsumentenkredite bestehen zu können, ihre Zusammenarbeit mit Dritten, zum Beispiel Einzelhändlern, Finanzunternehmen und Finanzmaklern/Finanzdienstleistungsgesellschaften.

Diese Entwicklungen und insbesondere die wachsende Nutzung elektronischer Kanäle könnten verschiedene Arten von Risiken mit sich bringen (das heißt Reputations- und Liquiditätsrisiken sowie operationelle, rechtliche und strategische Risiken). Da die Bedeutung der elektronischen Vertriebswege für die meisten Banken jedoch nach wie vor begrenzt ist, sind bisher keine wesentlichen Probleme hinsichtlich der Finanzstabilität festgestellt worden. Dennoch müssen die Vertriebsstrategien der Banken aus Sicht der EZB nicht zuletzt im Hinblick auf ihre möglichen Auswirkungen auf Wettbewerb und Integration im Bankensektor beobachtet werden. Der Bericht ist auf der Website der EZB (www.ecb.europa.eu/pub) unter "Publications" abrufbar. Druckfassungen können kostenfrei bei der Abteilung Presse und Information der EZB angefordert werden.

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