Gespräch des Tages

WLSGV - Spiel mit dem Druck aus Brüssel

Es wird tatsächlich noch Geld verdient in Deutschlands Kreditwirtschaft, beispielsweise bei den Sparkassen in Ostdeutschland, in Baden-Württemberg und auch in Nordrhein-Westfalen wie die Berichterstattung der drei Regionalverbände über das Geschäftsjahr 2008 zeigt. Zusammen haben die im Berichtsjahr noch 76 (heute 75) Sparkassen des Westfälisch-Lippischen Verbandes mit ihrer aggregierten Bilanzsumme von 113 Milliarden Euro einen Jahresüberschuss von 157 Millionen Euro nach Steuern erwirtschaftet. Das mag an den Ambitionen von börsennotierten Banken gemessen lächerlich wenig erscheinen. Aber zum einen wären viele private Banken - speziell die richtig großen - im vergangenen Jahr froh gewesen, überhaupt in die Nähe der Gewinnschwelle zu gelangen. Und zum anderen wurden die für S-Verhältnisse durchaus vorzeigbaren Ergebnisse in einem Jahr mit bekannt turbulenter Kapitalmarktentwicklung erreicht, und zwar mit Durchblick in der Risikolage der einzelnen Häuser wie auch unter Aufrechterhaltung der politisch erwünschten Kreditversorgung der S-Unternehmerklientel.

Gerade in den beiden letztgenannten sensiblen Punkten konnte Verbandspräsident Rolf Gerlach gleich dreifach beruhigen. Mit 76,8 Milliarden Euro an Kundeneinlagen und 72,6 Milliarden Euro an Ausleihungen ist erstens das gesamte Kundengeschäft der WLSGV-Mitglieder allein mit Einlagen refinanziert und damit weitgehend unabhängig von den für viele Kreditinstitute so Schrecken erregenden Liquiditätsengpässen auf den Interbankenmärkten. Für das Bewertungsergebnis Wertpapiere sieht er zweitens die Belastungen aus strukturierten Anlagen als einen "kleineren Teil" und hält die Risikovorsorge mit 450 (250) Millionen Euro für sehr konservativ angesetzt. Unter Berufung auf einen Moody´s Report aus dem Dezember vergangenen Jahres erwartet er bei Normalisierung der Marktverhältnisse bei dieser Position ein beträchtliches Aufholpotenzial. Und drittens lag das Bewertungsergebnis für das Kreditgeschäft mit 177 (147) Millionen Euro immer noch weit unter den 319 Millionen Euro als Durchschnittswert der vergangenen zehn Jahre. Die Sparkassenlandschaft mit ihren überschaubaren, selbstständigen Einheiten, so die Botschaft, hat ein funktionierendes Geschäftsmodell mit beherrschbaren Risiken.

Vergessen können die NRW-Sparkassen die Finanzmarktkrise damit aber keineswegs und nicht einmal tieferhängen. Denn abgesehen von den aktuellen Widrigkeiten der Marktbearbeitung in wirtschaftlichen Schwächephasen harrt das Brüsseler Beihilfeverfahren rund um die Stützung der WestLB mittlerweile doch recht dringlich einer konstruktiven Lösung. Mir vagen Absichtserklärungen ohne belastbare Aussichten auf baldige Umsetzung, so mahnt Rolf Gerlach an, wird sich Neelie Kroes bei Ablauf der nächsten Frist Ende März nicht zufriedengeben. Zumindest einen Letter of intent will der Präsident des WLSGV deshalb in ungewöhnlich friedvoller Eintracht mit allen anderen Anteilseignern der Bank binnen Monatsfrist erreichen und hofft bis Juni erste Umsetzungsschritte präsentieren zu können.

Die demonstrative Geschlossenheit in Nordrhein-Westfalen dokumentiert freilich in erster Linie den dortigen Handlungsdruck, garantiert aber noch nicht ansatzweise eine bundesweit konsensfähige Lösung für die Landesbankenkonsolidierung. Rolf Gerlach argumentiert an dieser Stelle betont diplomatisch, ist allerdings auch Realist genug, das derzeitige Umfeld an bedeutsamen Stellen als schwierig einzustufen. Denn in der S-Gruppe Hessen-Thüringen als möglicher Partner für eine Dreierlösung mit der Deka-Bank sind die Spitzen in der Landesbank und beim S-Verband noch vergleichsweise frisch, und auch die Politik ist erst seit wenigen Wochen wieder neu sortiert. Es wäre somit unklug, von außen allzu forsch auf eine schnelle Hinwendung zur Landesbankenkonsolidierung zu drängeln. In Bayern und Baden-Württemberg sind Politik und Sparkassen - auch nach einer gewissen Entspannung durch die Stuttgarter Gutachtenlage - viel zu sehr mit Kapitalmaßnahmen und der Neustrukturierung der eigenen Landesbank beschäftigt, als dass sich die dortige Meinungsbildung mit Hinweis auf den Druck aus Brüssel beschleunigen ließe. Und von einer absehbaren Novelle des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes erwartet Rolf Gerlach keine völlig neuen Ansatzpunkte für die Zukunftsgestaltung der WestLB.

Die in NRW aufkeimenden Hoffnungen auf eine Einigung mit Brüssel mittels Herauslösung des WfA aus der NRW Bank und darauf gründend der Reanimation des früheren Mutter-Tochter-Modells bewertet der Präsident erst einmal vorsichtig. Natürlich weiß er nur zu genau, dass derzeit in Brüssel und vielen Mitgliedstaaten ordnungspolitische Grundsätze zuhauf aufgegeben werden und man mit Blick auf die WestLB durchaus offensiv reklamieren darf, keine "Fairnesslücke" aufkommen zu lassen. Aber er will wegen der Altlast Beihilfeverfahren keinesfalls Maßnahmen ergriffen wissen, die der Kommission neue Angriffsflächen eröffnen. Auch wenn sich der WLSGV-Präsident nach außen hin nicht auf seine Lösung für die WestLB festlegen lassen will, bleibt er in einem Punkt gewohnt selbstbewusst: Für ihn prüft Brüssel immer noch eine Umstrukturierungsbeihilfe für die WestLB und keinesfalls ein Abwicklungsszenario. In anderen Landesverbänden wird das anders gesehen.

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