Gespräch des Tages

Unicredit - Eine andere Liga?

Dass Alexandro Profumo bei der Aufzählung der Peergroup seiner
Unicredit Adressen wie Banco Santander, Barclays, RBS, SocGen, und BNP
Paribas nennt, darf nicht überraschen. Der Marktkapitalisierung nach
bewegen sich all diese Häuser in vergleichbaren Dimensionen, weit
unterhalb einer Citibank und HSBC zwar, aber doch deutlich über den
hiesigen Großbanken. Am Platz Frankfurt die große Deutsche Bank aber
geflissentlich auszusparen und erst auf ausdrückliche Nachfrage in
eine solche Betrachtung einzubeziehen, mag für hiesige Zuhörer fast
schon wie eine Provokation klingen. Und das ist es ganz gewiss nicht,
was Profumo mit seinen Auftritten in Deutschland erreichen will.
Hierzulande muss es ihm doch eigentlich darum gehen, die eher
distanzierte, wenn nicht gar negative Wahrnehmung als Bankmanager mit
diktatorischem Gehabe auszuräumen.
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Bei Lichte betrachtet muss man es freilich weder mangelndem
Einfühlungsvermögen noch einem besonders ausgeprägten
Selbstbewusstsein des Unicredit-Chefs zuschreiben, wenn er die
Frankfurter Großbank an dieser Stelle einfach übersehen hat. Sicher
kann die Deutsche Bank ihrer Marktkapitalisierung nach derzeit nicht
ganz mit den genannten Adressen mithalten. Daraus freilich den Schluss
zu ziehen, die Mailänder Großbank mit ihrem gewichtigen Münchner
Ableger HVB spielten automatisch in einer höheren Spielklasse, ist
zumindest erläuterungsbedürftig. Allein schon von der strategischen
Ausrichtung her unterscheidet sich die Deutsche Bank mehr oder weniger
deutlich von der Unicredit und den anderen genannten Häuser. Und bei
vielen ihrer Aktivitäten im Investmentbanking oder auch im Asset
Management muss sie den Vergleich gewiss nicht fürchten.
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Sich in allzu detaillierten Gegenüberstellungen mit den deutschen
Großbanken zu ergehen, war aber ohnehin nicht die Absicht von Profumo.
Er wollte vielmehr erläutern, wie unter seiner Verantwortlichkeit von
Italien, über Österreich und Deutschland bis hin zu vielen Ländern
Ost- und Mitteleuropas an einer Universalbank neuen Typs gebaut wird.
Eine konsequente Divisionalisierung der Bank mit grenzüberschreitenden
Betriebseinheiten und einer effizienten Aufstellung spezialisierter
Sparten soll demnach im gesamten Verbreitungsgebiet ein Angebot
hochwertiger, konkurrenzfähiger Produkte und Dienstleistungen
sicherstellen. Nicht mehr das übliche Lagerdenken zwischen deutschen,
polnischen, österreichischen oder italienischen Einheiten soll die
Geschäftsabläufe bestimmen, sondern der ganzheitliche Antritt für das
Erreichen der Ziele des Gesamtunternehmens.
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An dieser Stelle kommt es maßgeblich darauf an, die richtige Balance
zwischen allgemeinen Steuerungsgrößen und den notwendigen Freiräumen
für die Einheiten vor Ort zu finden. Eine Bank mit so vielen
unterschiedlichen Standorten wie die Unicredit kann nur schwerlich mit
einheitlichen Vorgaben gesteuert werden. Vielmehr wollen die
unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Märkten erst einmal
richtig erfasst, in Zielvorgaben eingebracht und dann im täglichen
Umgang mit dem Kunden umgesetzt sein. Profumo selbst hat
beispielsweise darauf hingewiesen, dass sich das Transaktion Banking
derzeit in Deutschland wesentlich günstiger erbringen lässt als in
Italien. Dort hingegen bestehen Vorteile bei diversen
Servicedienstleistungen.
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Dass man bei Unicredit auch die regionalen Bedingungen zu erfassen und
in die Steuerungsgrößen einzubringen sucht, ist in den letzten Monaten
wiederholt unterstrichen worden. Aber auch bei einer gruppenweiten
Divisionalisierung wirken die Mechanismen im Geschäft mit der
traditionellen Kundschaft der HVB vielleicht anders als in den Ländern
Ost- und Zentaleuropas oder auch in Italien. Ein wenig überspitzt
formuliert muss man beispielsweise in Deutschland den
Mittelstandskunden erst die traditionelle Kreditfinanzierung
"austreiben", bevor man sie behutsam mit kapitalmarktorientierten
Finanzierungsformen beglücken kann. In den so genannten CEE-Staaten
hingegen gehen viele Unternehmen unbefangener mit neuen
Finanzierungsformen um und überspringen gleichsam weniger erfolgreiche
Entwicklungsstufen. Zudem sind bei den ehemaligen Firmenkunden der HVB
möglicherweise die diesbezüglichen Preisspielräume anders als bei
Newcomern in Polen oder Tschechien. Kurzum, solche Differenzierungen
in der Praxis des länderübergreifenden Steuerungskonzeptes der
Unicredit im Detail zu leben, ist eine Kunst, deren Erfolg oder
Misserfolg im heutigen Stadium überhaupt noch nicht abschließend
bewertet werden kann.
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Den weltläufigen Banker, der den Lauf der Dinge überall in seinem
Sinne mitgestalten will, hat Profumo bei seinem jüngsten Frankfurter
Auftritt übrigens nicht gegeben. Sowohl in Detailfragen zu den
Ambitionen seines Hauses am deutschen Markt als auch in allgemeinen
Angelegenheiten wie der europäischen Börsenkonsolidierung hat er sich
betont zurückgehalten und auf die Zuständigkeit anderer verwiesen. So
ist er über ein grundsätzliches Bekenntnis seiner Präferenz für eine
europäische Börsenlösung nicht hinausgegangen. Und es gab auch keine
Argumentationslinie, die erkennen ließe, mit wie viel persönlichem
Engagement er für diese Lösung eintreten wird. Klar waren immerhin
seine Aussagen zum möglichen Erwerb der Norisbank-Filialen und der
Berliner Bank. Trotz Wachstumsambitionen in Deutschland sind beide
Projekte für Unicredit an einem zu hohen Preis gescheitert. Im Falle
der Norisbank war die Bank in der Preisfrage dabei keineswegs
unbefangen, sondern durch die Vorgeschichte stärker nach oben
eingeengt als sie das offen zugeben kann. Und in Berlin wollte sie
nicht den Zuschlag bezahlen, den Josef Ackermann als persönliches
Commitment zum Standort Berlin bezeichnet hat.

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