Aufsätze

Megatrends im Firmengeschäft: echte Herausforderungen für die Verbünde

Eine Reihe von grundlegenden Veränderungen stellen Freiberufler, Gewerbetreibende und Firmenkunden und damit das Firmenkundengeschäft der Genossenschaftsbanken und Sparkassen vor neue Herausforderungen. Zunächst sollen die grundlegenden Entwicklungen dargestellt, dann deren Auswirkungen auf die Firmenkunden aufgezeigt und schließlich die Konsequenzen für das Firmenkundengeschäft erläutert werden.

Klarer Trend zum Spezialistentum

In den vergangenen Jahren lässt sich ein klarer Trend hin zum Spezialistentum feststellen und das über alle Branchen hinweg. Die Frage nach den Kernkompetenzen beschäftigt nicht mehr nur Industriebetriebe, sondern wird auch für Freiberufler zu einer entscheidenden Frage. Für Orthopäden beispielsweise sind Belegbetten derzeit finanziell besonders interessant. Eine entsprechende Frequenz lässt sich aber nur erreichen, wenn der Arzt einen Namen hat und den wiederum bekommt er nur als Spezialist. Eine Alternative zum Spezialistentum würde nur die Preisführerschaft bieten, die aber gerade für kleinere Unternehmen wegen der fehlenden Kostendegressionseffekt wenig Erfolg versprechend ist.

Von der handwerklichen Fertigung zur industriellen Produktion: Der durch die Globalisierung einerseits und die Sättigung der heimischen Märkte andererseits steigende Kostendruck führt zunehmend zu einer Industrialisierung. Diese geht einher mit Standardisierung bei Produkten und Prozessen. Selbst Branchen, in denen es traditionell eine Einzelfertigung gibt, wie dem Baugewerbe, wird dieser Prozess seit Jahren vorangetrieben. Der Prozess der Industrialisierung findet aber nicht nur in den Betrieben direkt statt, sondern vollzieht sich auch durch eine Reduzierung der Fertigungstiefe.

So entwickelt die Industrie immer komplexere und zugleich montagefreundlichere Systeme, die zu einer Verlagerung der Wertschöpfung vom Handwerksbetrieb zum Hersteller führen. Diejenigen, die weder Außerordentliches noch Preisattraktives bieten können, werden aus dem Markt ausscheiden. Vor allem die mittleren Betriebe, die heute das Herzstück des Firmenkundengeschäfts der Genossenschaftsbanken und Sparkassen darstellen, werden große Schwierigkeiten haben, den Selektionsprozess zu überstehen.

Von der realen zur virtuellen Welt: 73 Prozent der Deutschen nutzen das Internet, bei den 39-Jährigen steigt der Wert auf 90 Prozent an (Forschungsgruppe Wahlen, Internetstrukturdaten I. Quartal 2010). Das Internet hat nicht nur ganz neue Geschäftsmodelle hervorgebracht und zur Optimierung von Prozessabläufen beigetragen, sondern nachhaltig die Kommunikation, Meinungsbildung und damit die Gesellschaft verändert. Es ermöglicht eine kostengünstige weltweite Kommunikation, macht Informationen zu einem allgemein verfügbaren Gut und fördert auf diese Weise die Demokratisierung.

Verschärfter Preisdruck durch zunehmende Transparenz

Der sich in den vergangenen Jahren verschärfende Preisdruck ist auch ein Ergebnis der durch das Internet hergestellten Transparenz. Auch der Druck auf Hersteller, Dienstleister und Politik wird durch diese Transparenz erhöht. So kann ein Hotel, das auf den einschlägigen Websites negativ beurteilt wurde, kaum auf Buchungen über das Internet hoffen.

Der stationäre Einzelhandel sieht sich einer kontinuierlichen Abwanderungsbewegung der Kunden in Onlineshops ausgesetzt. So ist die Zahl der Onlinekäufer von 45 Prozent im Jahr 2004 auf 66 Prozent im Jahr 2009 der deutschen Bevölkerung zwischen 14 und 64 Jahren gestiegen, wobei die Gruppe der Intensivkäufer (mehr als vier Onlinekäufe in den letzten vier Monaten) überproportional zugenommen hat (Allensbacher Computer- und Technik-Analyse - ACTA 2009). Vor allem die Netzkinder - die Generation der bis 35-Jährigen, die mit dem Internet aufgewachsen ist - leben in und mit der virtuellen Welt. Die Meinung, deren Verhalten würde sich mit zunehmendem Alter den Gewohnheiten der heute über 50-Jährigen anpassen, ist eine Illusion.

Vom Wachstumsmarkt zur Stagnation: Deutschland weist seit Jahren eine Geburtenquote von unter 1,4 auf. Nachdem es auch keinen positiven Wanderungssaldo gibt, führt dies zu einem kontinuierlichen Rückgang der Bevölkerung. Zugleich stagnieren die Einkommen, vor allem in den niedrigeren Einkommensschichten mit der Folge, dass von dort kaum zusätzliche Nachfrageimpulse ausgehen. Überproportional steigende Energie-, Nahrungsmittel und Rohstoffpreise werden künftig das frei verfügbare Einkommen sinken lassen. Unter diesen Bedingungen kann Deutschland auf Dauer nicht mit signifikantem Wachstum seiner Binnenwirtschaft rechnen. Hinzu kommt ein sich verknappendes Potenzial an Arbeitskräften, das in den kommenden Jahren gerade in ländlichen Regionen zu einer Wachstumsbremse werden kann.

Export als Wachstumsmotor

Von der Verschwendung zur Nachhaltigkeit: Das Wachstum der letzten Jahre war in Deutschland stark von den Branchen Automobilindustrie und Maschinenbau sowie deren Zulieferern getrieben. Insbesondere in der Automobilindustrie wird es in den kommenden Jahren zu einem Kapazitätsabbau in Deutschland kommen. Zu einem wichtigen Wachstumsmarkt für deutsche Unternehmen dürfte sich der Bereich Green Tech entwickeln. Darunter fallen alle Technologien zur Steigerung der Ressourceneffizienz, womit ein Großteil der Branchen betroffen ist. Im Gegensatz zur Umweltdiskussion der achtziger und neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts, die vor allem auf einer ethisch moralischen Argumentation fußte, treiben jetzt steigende Energie- und Rohstoffpreise die Bemühungen zur Ressourceneinsparung. Unternehmen, die intelligente Lösungen entwickeln, haben gute Chancen sich am Weltmarkt zu behaupten. Die Kreativwirtschaft wird erheblich an Bedeutung gewinnen.

Vom regionalen Akteur zum internationalen Spieler: Wachstumsmotor für die deutsche Wirtschaft wird auch in den kommenden Jahren der Export sein. Es ist zu erwarten, dass es zu einer zweiten Globalisierungswelle kommt, die jedoch nicht mehr, wie die erste, von Möglichkeiten auf Kosteneinsparungen getrieben wird, sondern von Marktchancen. Die Kapazitätserweiterungen deutscher Unternehmen in den kommenden Jahren werden vor allem im Ausland erfolgen. Großkonzerne insbesondere aus der Automobilindustrie bauen derzeit ihre Fertigungen im Ausland aus oder errichten neue Produktionsstätten. Rein national aufgestellte Unternehmen, vor allem aus der Zulieferindustrie, spüren verstärkt den Druck zur Internationalisierung. Insbesondere Großunternehmen verlangen von ihren Lieferanten eine lokale Belieferung. Ein Teil der Unternehmen, die den Schritt in die Internationalisierung nicht gehen können oder wollen, wird Kunden verlieren und dauerhaft in seiner Existenz gefährdet. Heute zeigt sich bereits, dass international aufgestellte Mittelständler und zwar auch die kleinen signifikant erfolgreicher sind als diejenigen, die ausschließlich national oder regional agieren.

Folgen für die Strukturen

Konzentration und Atomisierung: Die dargestellten Entwicklungen haben einen Konzentrationsprozess auf breiter Front zur Folge - Einzelpraxen bei Ärzten werden zunehmend durch Gemeinschaftspraxen oder Medizinische Versorgungszentren ersetzt (Kassenärztliche Bundesvereinigung). Facheinzelhandel wird durch herstellergebundene Franchiseunternehmen oder den zweistellig wachsenden Internetverkauf zunehmend verdrängt. Die Industrialisierung in vielen Branchen kann nur erfolgreich sein, wenn bestimmte Mindeststückzahlen realisiert werden. Dies setzt aber eine Mindestgröße voraus. Zwangsläufig ergibt sich daraus ein Konzentrationsprozess. Das Bäckerhandwerk zeigt stellvertretend wie weit dieser bereits fortgeschritten ist. So realisieren heute 2,5 Prozent der Unternehmen 55,5 Prozent des Umsatzes in dieser Branche, die immer noch dem Handwerk zugerechnet wird (Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks e. V.: Zahlen, Fakten, Hintergründe 2009).

Ausdünnung der klassischen Mitte

Seit Einführung der Ich-AG und der Lockerung des Meisterzwangs lässt sich jedoch auch eine Gegenentwicklung zur Konzentration feststellen, die Atomisierung. Insbesondere im Handwerk hat sich in den vergangenen Jahren die Zahl der Betriebe erhöht. Der Zuwachs fand aber ausschließlich bei den Kleinstunternehmen mit einem bis fünf Mitarbeitern statt (Institut für Mittelstandsforschung Bonn: Das Handwerk in Zahlen). Auch von diesen geht eine zunehmende Bedrohung für die mittleren Betriebe aus, weil die Gemeinkostenbelastung nicht so hoch ist beziehungsweise Gemeinkosten zum Teil nicht verrechnet werden und sich damit der Preiswettbewerb verschärft.

Die klassische Mitte, das Hauptklientel der Genossenschaftsbanken und Sparkassen verliert immer mehr an Bedeutung.

Größere Spreizung der Einkommen: Vor allem bei den freien Berufen lässt sich in den letzten Jahren eine zunehmende Spreizung der Einkommen feststellen, die sich in den kommenden Jahren noch massiv verschärfen wird. Während Spezialisten zum Beispiel als Rechtsanwälte in internationalen Wirtschaftskanzleien, als Ärzte in Toppraxen oder als Architekten in namhaften größeren Büros hervorragende Einkommen erzielen, sinken die Einkommen ihrer Kollegen im Mittelfeld kontinuierlich (vergleiche zum Beispiel Kerstin Eggert: Umsatz- und Einkommensentwicklung der Rechtsanwälte 1996 bis 2006, in: BRAK-Mitteilungen 2009 Heft 6, Seiten 254 bis 257; Stern Gehaltsvergleich - Wer verdient wieviel?, Stern 2/2010).

Die Erosion der Einkommen vollzieht sich damit auch bei Berufsgruppen, die gemeinhin als Besserverdienende gelten. Der Konzentrationsprozess fördert die Spreizung der Einkommen weiter. Während in Großorganisationen vergleichsweise hohe Gehälter bezahlt werden, liegen Kleinstunternehmer nach Abzug von Beiträgen für die Alters- und Gesundheitsversorgung im unteren Einkommensbereich. Das mit der Selbstständigkeit verbundene Risiko ist hier noch gar nicht berücksichtigt. Das Potenzial dieser Klientel für Banken ist somit beschränkt.

Veränderung der Wirtschaftsstruktur: Die Nachhaltigkeitsdiskussion wird zu einer Veränderung der Wirtschaftsstruktur führen. Industrien mit hohem Energie- und Rohstoffeinsatz werden genauso verlieren, wie die Betriebe, die im Bereich der Ressourceneffizienz hinterherhinken. Die Fähigkeit intelligente, ressourceneffiziente Lösungen zu entwickeln und schnell in den Markt zu bringen, wird über Sein und Nichtsein entscheiden. Die demografische Entwicklung und die Marktsättigung auf den westeuropäischen Märkten führen zu Verlagerungen von Produktionskapazitäten in Wachstumsregionen.

Konsequenzen für das Firmenkundengeschäft

Intensivierung des Auslandsgeschäfts: Wenn der Internationalisierungsdruck steigt und die international agierenden Unternehmen signifikant erfolgreicher sind als ihre rein national agierenden Kontrahenten, müssen die Genossenschaftsbanken und Sparkassen ihr Angebot verstärkt auf dieses Klientel ausrichten, ansonsten verlieren sie es. Das bedeutet den Ausbau des Auslandsgeschäfts und des Bereichs Risikoabsicherung. Neben der Bindung der erfolgreichen Kunden ermöglichen diese Geschäfte zusätzliche Provisionseinnahmen.

Erhöhung des Qualifikationsniveaus: Bedingt durch die beschriebenen Konzentrationsprozesse steigen die Risiken. Wird anstelle von fünf Einzelarztpraxen beispielsweise ein Medizinisches Versorgungszentrum finanziert, erhöht sich die potenzielle Schadenshöhe eines Ausfalls. Es entstehen vermehrt Klumpenrisiken. Um das gestiegene Risiko besser beurteilen zu können, bedarf es eines umfassenderen Know-hows der Branche. Das aufzubauen lohnt sich jedoch nur dann, wenn sich ein entsprechendes Volumen in diesem Segment generieren lässt. Auch die Begleitung von international agierenden mittelständischen Unternehmen stellt erhöhte Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter und zwar nicht nur, wenn es um Fragen des Auslandsgeschäftes geht, sondern auch zur Beurteilung der Risiken im Kreditgeschäft. Auslandsaktivitäten erhöhen das Geschäftsrisiko.

Der Trend zur Nachhaltigkeit macht es erforderlich, dass sich Firmenkundenberater mit dieser Thematik verstärkt auseinandersetzen, damit sie in der Lage sind, die zukünftige Ertragskraft eines Unternehmens beurteilen zu können. Um den Kunden optimal beraten und die Risiken adäquat beurteilen zu können, benötigen die Berater ein immer umfassenderes Wissen auch von der Branche. Dies wirft die Frage auf, ob es künftig nicht eine stärkere Konzentration einzelner Berater auf bestimmte Branchen geben muss. Der gesamte Bereich Gesundheit beispielsweise unterliegt einem extrem schnellen Wandel und weist sehr hohe Komplexität auf. Dies führt zu steigenden Anforderungen an die Berater. Auch hier kommt der Trend zur Spezialisierung zum Tragen.

Ausbau des Konsortialgeschäfts: Wenn die Genossenschaftsbanken und Sparkassen größere Mittelständler als Hauptbankverbindung halten wollen, müssen sie prüfen, ob das auch mit der Abwicklung des Geschäfts über eine genossenschaftliche Zentralbank möglich ist. Die Bindung zum Kunden wird durch ein solches Geschäft in der Regel gelockert. Außerdem setzt eine solche Zusammenarbeit ein Mindestvolumen voraus, das unter Umständen nicht erreicht wird. Es ist für die Zukunft also zu prüfen, ob die Genossenschaftsbanken und Sparkassen auf der Primärebene nicht zu einer partiellen Zusammenarbeit auf bestimmten Feldern wie zum Beispiel der Auslandsfinanzierung oder im Konsortialgeschäft kommen.

Gemeinsame Außenhandelszentren?

Es wäre durchaus denkbar, dass die größeren Genossenschaftsbanken und Sparkassen einer Region ein gemeinsames Außenhandelszentrum gründen. Mit einem solchen eigenen Zentrum gelänge es besser als über die Zusammenarbeit mit einer Zentralbank eine positive Kompetenzvermutung zu generieren. In einem weiteren Schritt könnten die beteiligten Banken auch Konsortialkredite vergeben und hätten so die Möglichkeit auch größere Kunden als Hausbank zu binden. Das wäre zugleich eine Antwort auf den Konzentrationsprozess bei den Kunden.

Schaffung größerer Einheiten: Eine intensivere partielle Zusammenarbeit könnte die Vorstufe für eine spätere Fusion und damit die Schaffung einer größeren Einheit sein. Die Konzentrationsprozesse bei den Kunden fordern solche zumindest bei kleinen Instituten, wollen die Genossenschaftsbanken und Sparkassen ihren Hausbankstatus bei stark wachsenden Mittelständlern und Freiberuflern nicht an Großbanken verlieren.

Standardisierung des kleinteiligen Geschäfts: Neben der Konzentration stellt die Atomisierung der Kunden eine weitere Herausforderung dar. Nachdem die Mitte zunehmend ausdünnt, können die Genossenschaftsbanken und Sparkassen das Geschäftsfeld der Kleinstkunden nicht unbearbeitet lassen. Wirtschaftlich kann dieses Segment allerdings nur bedient werden, wenn die Abwicklung standardisiert abläuft und die Prozesse extrem schlank gehalten werden.

Druck durch das Regionalprinzip

Letzteres gilt insbesondere für das Scoring. Dieses muss automatisiert und losgelöst von der Risikoanalyse erstellt werden und dynamisch sein. Die zentrale Größe in einem solchen Scoring muss der Kontoumsatz sein. Das Ergebnis des Scorings führt dann zu einer kundenbezogenen Kreditlinie. Diese ist unabhängig von der konkreten Anfrage des Kunden festzulegen und dynamisch an das jeweils aktuelle Scoring anzupassen. Innerhalb der Linie kann der Kunde Kontokorrent-, Betriebs-mittel-, Avalkredite in Anspruch nehmen ohne bei Anfragen jeweils erneut ein Scoring durchzuführen. Eine solche Aktivlinie reduziert zum einen erheblich den Aufwand und ermöglicht zum anderen den aktiven Vertrieb von Krediten. Ein solcher Ansatz ermöglicht es auch im kleinteiligen Geschäft interessante Deckungsbeiträge zu erzielen.

In den kommenden Jahren stehen die Unternehmen und damit das Firmenkundengeschäft der Genossenschaftsbanken und Sparkassen vor großen Veränderungen. Der Druck gerade auf die Genossenschaftsbanken und Sparkassen rührt auch vom Regionalprinzip her, das es ihnen verbietet, sich der demografischen Entwicklung und den stagnierenden Märkten zu entziehen. Es geht also zum einen darum, vor allem im ländlichen Raum Strategien für ein rückläufiges Geschäftsvolumen zu entwickeln, aber auch über eine Anpassung der Strukturen, das vorhandene Potenzial konsequent zu nutzen.

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