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Krisenmanagement und Krisenprävention - Eine Analyse des Umgangs mit der Finanz- und Wirtschaftskrise

"Man kann sagen, dass wir alle die Wucht und die Dauer der Finanzkrise unterschätzt haben." (Dominique Strauss-Kahn) So oder in der Aussage ähnlich beginnen manche der mittlerweile zahlreich erschienenen Stellungnahmen und Beiträge zu der wohl gravierendsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Überrascht haben vor allem, das klingt in dem einleitenden Zitat bereits an, zwei Tatbestände: Erstens die Dynamik, mit der sich die Turbulenzen von ihren Subprime-Ursprüngen in den USA ab Mitte 2007 über die Geld- und Kapitalmärkte sowie schließlich auf die Realwirtschaft auswirkten und zweitens das Anhalten der Krise über das Jahr 2008 hinaus, obwohl die großen Zentralbanken unverzüglich ein konsequentes Liquiditätsmanagement betrieben haben.

Irrationaler Überschwang und Vertrauensverlust

Bereits Günter Schmölders (1950) hat darauf hingewiesen, dass der dynamische Wirtschaftsprozess mit seinen zyklischen Schwankungen entscheidend durch psychologische Faktoren beeinflusst wird. Mehr als ein halbes Jahrhundert später hat der langjährige Chairman der US Federal Reserve Bank (Fed), Alan Greenspan (2007), in seiner Biographie betont, dass es die Psychologie sei, die zu Paniken und Rezessionen führe. In diesem Zusammenhang ist der von ihm geprägte, berühmt gewordene Ausdruck "irrational exuberance", irrationaler Überschwang, von Bedeutung. Mit ihm wird das Entstehen von Blasen auf den Finanzmärkten mit optimistischem Überschwang und ihr Platzen mit Vertrauensverlust beziehungsweise pessimistischem Überschwang in Verbindung gebracht.

Die amerikanische Hauspreisblase in der ersten Hälfte dieses Jahrzehnts war gewiss durch irrationalen Überschwang auf dem Immobilienmarkt gekennzeichnet. Dies führte bei niedrigem Zinsniveau zur Erzielung von Rendite bei Kreditvermittlern und Banken zu einem "almost oblivious to risk approach" (Axel A. Weber, 2008, 1) der Hypothekenkreditvergabe an zweitklassige Kunden (Abbildung 1).

Das steigende Zinsniveau verursachte spürbare Ausfälle von Subprime-Krediten. Dadurch setzte ein massiver Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten ein. Eine der ersten Auswirkungen, mit der die Krise auf die Geldmärkte übertragen wurde, bestand darin, dass die kurzfristige, revolvierende Refinanzierung verbriefter Hypothekenkredite für Wohnimmobilien (RMBS) und entsprechender strukturierter Produkte (CDO) über Asset Backed Commercial Papers (ABCP) ins Stocken geriet und zur Erzielung besserer Ratings eingeräumte Kreditlinien in Anspruch genommen werden mussten.

Die Dynamik, mit der sich dieser Prozess auf den Finanzmärkten vollzog, kann einem verhaltensorientierten Ansatz folgend erklärt werden. Bei schwindendem Vertrauen in die Werthaltigkeit von Anlagen und in die Solvenz von Geschäftspartnern neigen die Finanzmarktteilnehmer dazu, Entscheidungen auf der Grundlage von "Worst Case"-Szenarios zu treffen. "Banks will therefore tend to hoard maximum liquidity, whatever it costs, to be able to meet any contingency, however improbable, regarding their own future liquidity needs and risk exposure." (Financial Stability Directorate, Banque de France, 2008). Verstärkt wurde die Dynamik infolge Vertrauensverlust im Übrigen dadurch, dass die Ratingagenturen, deren entscheidende Funktion eigentlich darin besteht, zwischen Finanzmarktpartnern Vertrauen zu schaffen, ihre Ratings von subprime-nahen Produkten rasch herabstuften.

Die Finanzmarktkrise belegt somit, dass Vertrauen eine Grundvoraussetzung funktionierender Geld- und Kapitalmärkte ist. Für den Finanzsektor gilt dies umso mehr, als Transaktionen in Millionenhöhe oft auf mündlichen Vereinbarungen beruhen, die in schriftlicher Form erst zu einem späteren Zeitpunkt bestätigt werden. Als Fazit bleibt: "Die Turbulenzen werden sich erst legen, wenn an den Finanzmärkten das Vertrauen zwischen den Akteuren nachhaltig zurückgekehrt ist. Das wiederum wird nur dann geschehen, wenn eindeutig erkennbar ist, dass die Schwachstellen, die zu der Finanzmarktkrise geführt haben, beseitigt werden." (Klaus-Peter Müller, 2008)

Bis Ende 2008 hat das Krisenmanagement im Vordergrund gestanden, zunächst als Liquiditätsmanagement der Zentralbanken und dann im weiteren Verlauf der Krise mit dem Schnüren von staatlichen Rettungspaketen. Die Krisenprävention wurde verstärkt mit der Weltfinanzkonferenz im November 2008 eingeleitet.

Finanzkrise durch fünf gute Ideen mit Schwachstellen

Bei einer weitergehenden Ursachenanalyse fällt auf, dass als Mitverursacher der Krise nicht ausschließlich negative Aspekte wie Fahrlässigkeit, Kurzfristdenken oder überzogenes Renditestreben - eine Rolle gespielt haben, sondern darüber hinaus eine Reihe von eigentlich guten Ideen. Das mag überraschen, erinnert jedoch an einen bei Nikolaus Piper (2008) zitierten Rat, den der amerikanische Ökonom Benjamin Graham seinem Schüler Warren Buffet gab: "Sie können viel mehr Ärger mit einer guten Idee bekommen als mit einer schlechten." Die einfache Logik dieser "Krisentheorie" ist, dass sich gute Ideen im marktwirtschaftlichen Auslese- und Wettbewerbsprozess in der Regel durchsetzen. Oft zu spät wird dann bemerkt, dass diese Ideen - gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen Faktoren - Schwachstellen haben. Zumindest fünf gute Ideen mit Schwachstellen sind im Zusammenhang mit der Finanzkrise zu nennen:

1. Entschiedene Förderung breit gestreuten Immobilienbesitzes: Die Schwachstelle der Förderung breit gestreuten Immobilienbesitzes bestand darin, dass aufkommende Risiken bei der Immobilienfinanzierung bewusst in Kauf genommen wurden. Dies wird in einer Stellungnahme von Alan Greenspan (2007) deutlich, der auch nach seiner Zeit bei der Fed als einflussreicher Berater der amerikanischen Regierung wirkte: "I was aware that the loosening of mortgage credit terms for subprime borrowers increased financial risk ... But I believed then, as now, that the benefits of broadened home ownership are worth the risk."

2. Verbriefung und Strukturierung von Forderungen: Es ist allgemein akzeptiert und wird anerkannt bleiben, dass die Möglichkeit zur Verbriefung von Forderungen ein Element zur Verbesserung des Risikomanagements der Banken und damit zur Finanzmarktstabilität sein kann. Die Schwachstelle besteht darin, dass die Möglichkeit, Risiken vollständig zu veräußern, risikobetontes Verhalten in der Kreditvergabe stimulieren kann (Jan Krahnen, 2007). Zwischen 2003 und 2006 stieg in Amerika der Anteil der Verbriefungen an Subprime-Risiken um mehr als 15 Prozentpunkte auf über 70 Prozent an (Abbildung 2). Hinzu kam, von Amerika ausgehend, die Hinwendung zu "Originate to Distribute"-Geschäftsstrategien (OTD) und die Konstruktion komplexer, strukturierter Finanzprodukte, die die Risikoeinschätzung erheblich beeinträchtigten. CDO konnten aus bis zu Hunderten von MBS bestehen und jede MBS wiederum aus Tausenden einzelner Kredite. Informationsasymmetrien beziehungsweise mangelnde Transparenz haben daher ebenso einen Großteil zur Verbreitung der Krise beigetragen.

3. Risikobewertung durch Ratingagenturen als Vertrauensgrundlage: Es war gewiss eine sinnvolle Idee, durch das Rating von Finanzprodukten und -akteuren das nötige Vertrauen zwischen Kreditgebern und -nehmern zu schaffen. Der Ratingmarkt hat jedoch zwei deutliche Schwachstellen.

- Drei international tätige Agenturen dominieren mit einem Umsatzanteil von über 90 Prozent den Markt und stellen somit ein enges Angebotsoligopol mit Marktmacht dar. Das verführt zum einen zu Ratinggläubigkeit und zum anderen dazu, dass mangels Wettbewerb vieler Agenturen Schwachstellen in den Ratingmodellen und Bewertungsergebnissen nicht eliminiert werden.

- Darüber hinaus treten massive Interessenkonflikte auf, weil die Agenturen die Anbieter der Produkte, die sie bewerten, beraten und von ihnen bezahlt werden.

4. Kapitalmarktorientierung der Banken: Diese Ausrichtung hat den Banken profitable Geschäftsfelder erschlossen. Im Verlauf der Finanzmarktkrise wurden allerdings drei problematische Aspekte der Kapitalmarktorientierung deutlich.

- Die Betonung des Investmentbanking erwies sich nicht als stressfest.

- Banken mit nicht nachhaltig tragfähigen Geschäftsmodellen konnten dies auf der Suche nach Rendite durch riskante Wertpapiergeschäfte auf den Kapitalmärkten zunächst kaschieren. Dies hat zur Konservierung von nicht zukunftsfähigen Bankenstrukturen beigetragen.

- Wertpapiergeschäfte wurden in außerbilanzielle Zweckgesellschaften verlagert und kurzfristig revolvierend refinanziert, um von der normalerweise mit Dauer der Fristigkeit steigenden Zinskurve zu profitieren.

5. Geldpolitik soll Finanzmarktblasen nicht bekämpfen: Dieser - in der neueren geldpolitischen Diskussion nicht mehr unumstrittene - Leitgedanke besagt, dass man fundamental nicht gerechtfertigte Preissteigerungen bei Vermögensgegenständen nicht früh genug erkennen und gegen irrationalen Überschwang ohnehin nichts ausrichten könne. Deshalb besteht die Aufgabe der Geldpolitik nach diesem Axiom darin, nach dem Platzen der Blase - in Amerika war es die New-Economy-Blase Anfang dieses Jahrzehnts - die Wirtschaft durch eine Politik des (sehr) leichten Geldes mit Liquidität zu versorgen, um rezessive Entwicklungen zu vermeiden. Heute weiß man, dass die Schwachstelle darin besteht, dass eine überreichliche Liquiditätsversorgung den Keim zur Blasenbildung auf dem US-Immobilienmarkt legte.

Überforderung des Liquiditätsmanagements

Die durch Subprime-Ausfälle ausgelöste Vertrauenskrise führte dazu, dass zunächst der Interbankengeldmarkt der Eurozone massiv gestört wurde, indem es zu starken Abweichungen des Referenzzinssatzes für den Geldmarkt Eonia (Euro Overnight Index Average) vom Leitzins der EZB kam (Abbildung 3). Für die Effizienz der Geldpolitik ist jedoch eine enge Verbindung zwischen Leitzins sowie dessen Veränderungen und Geldmarktsatz im Sinne einer Signalfunktion des Leitzinses wesentlich. Darin besteht die erste Stufe der Transmission geldpolitischer Impulse auf nachgelagerte Finanzmärkte, die für Nachfrage- und Investitionsentscheidungen von Bedeutung sind. Dieser Gesichtspunkt und die Sorge um Finanzmarktstabilität führten dazu, dass die EZB unverzüglich, begleitet durch eine in den bisherigen Kommentaren nicht genügend gewürdigte Ad-hoc-Kommunikation (EZB, 2007), ein konsequentes Liquiditätsmanagement durch zusätzliche kurz- und längerfristige Offenmarktoperationen einleitete. Dies geschah in Abstimmung mit der Fed und anderen großen Zentralbanken zum Teil auch in US-Dollar.

In einer Zwischenbilanz stellte die EZB (2008) in erkennbar vorsichtigen Formulierungen fest, dass es im Allgemeinen gelungen sei, die durchschnittliche Höhe der Geldmarktsätze in einer Phase hoher Volatilitäten näher am Leitzins zu halten. Inzwischen war die Geldmarktkrise jedoch mehr und mehr in eine Kapitalbedarfskrise übergegangen. Mit massiven Wertminderungen in den Wertpapierportfolios - mittlerweile auch bei Emissionen, die nicht im Zusammenhang mit Subprime-Problemen standen - wurde ein hoher und dringlicher Bedarf an frischem Kapital ausgelöst, der spätestens seit dem Untergang der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 in eine Solvenzkrise mündete. Die EZB versuchte, der nunmehr eskalierend aufkommenden Verunsicherung durch eine nochmalige erhebliche Änderung der liquiditätspolitischen Konditionen entgegenzuwirken. Man ging zu Mengentendern mit voller Zuteilung der von den Banken gewünschten Zentralbankgeldliquidität über und erweiterte mit Ausnahme von ABS den Rahmen notenbankfähiger Sicherheiten von "A minus" auf einen Bonitätsschwellenwert von "BBB minus".

Mit Blick auf die Krisendynamik, die, wie in Abbildung 4 dargestellt, ihren Ausdruck auch im Spread fünfjähriger erstklassiger Bankanleihen in Europa findet, hatte der IWF bereits im Frühjahr 2008 gewarnt: "Systemically important financial institutions need to move quickly to raise equity and medium term funding, even if it is more costly to do so now, in order to boost confidence and avoid further undermining of credit channels." (Laura Kodres, 2008) Aus dem Verlauf des Liquiditätsmanagements auf dem Euro Geldmarkt lassen sich mehrere Lehren ziehen:

- Die Krise hat gezeigt, dass Kapitalmarktprobleme nicht zuletzt über riskante, fristeninkongruente Refinanzierungsmodelle auf den Geldmarkt durchschlagen können.

- Ein funktionierender Geldmarkt ist damit nicht zwangsläufig. Das deshalb erforderlich gewordene Liquiditätsmanagement der Zentralbanken unterstreicht die Sicherung der Finanzmarktstabilität als Notenbankaufgabe.

- Der Rahmen der notenbankfähigen Sicherheiten sollte nicht so weit gezogen werden, dass Anreize für Banken innerhalb und außerhalb der Euro-Zone entstehen, Wertpapiere zu kreieren, um günstig an Zentralbankgeld zu gelangen (James Saft, 2008).

- Anhaltendes Liquiditätsmanagement kann zu Gewöhnungseffekten und nachhaltig verminderter Bedeutung des privaten Interbankengeldmarktes führen. Ein konsequentes Gegensteuern wird deshalb erforderlich sein.

- Die tieferen Ursachen der anhaltenden Spannungen am Geldmarkt lassen sich allein durch das übliche Instrumentarium der Notenbanken nicht beseitigen (Jürgen Stark, 2008). Auch eine Geldpolitik des "quantitative easing" durch Direktkäufe zweifelhafter Wertpapiere wäre letztlich keine Ursachentherapie, sondern der problematische Rückgriff auf die "Notenpresse".

Mit Letzterem ist die Frage nach der Rolle des Staates in der Krise gestellt. Der Rettungsschirm der deutschen Regierung hat die bisherigen Grenzen der Geldpolitik gewahrt. Darin ist letztlich auch die Bedeutung zu sehen, die die unabhängige Bundesbank dem Umstand beigemessen hat, dass der Sonderfonds Finanzmarktstabilität (SoFFin) wohl von ihr unterstützt, aber nicht von ihr gemanagt wird.

Überwiegend sachgerechtes staatliches Krisenmanagement

Im Zuge der eskalierenden Finanzmarktkrise hat die Bundesregierung genau das Richtige getan: Die Garantie der Spareinlagen beziehungsweise Bankeinlagen hat die Front der Anleger stabilisiert. Nicht wenige hatten einen Sturm der Privateinleger auf die Bankschalter befürchtet. Die "systemische Antwort" auf die Finanzkrise - 500 Milliarden Euro Sicherheitsschirm für Banken durch Garantien für Verbindlichkeiten, Eigenkapitalzuführungen und Übernahme von Risikopositionen im Austausch gegen Wertpapiere des Bundes - war danach ein deutliches Signal für die Kreditwirtschaft. Unterstützt und intensiv begleitet wurde dieser konsequente Schritt durch die Deutsche Bundesbank, insbesondere durch Bundesbankpräsident Axel A. Weber, der einen "globalen Finanz-Tsunami" konstatierte (2008, 3) und damit die Notwendigkeit eines staatlichen Rettungsschirms nachdrücklich als letztlich alternativlos begründete.

Das deutsche Rettungspaket ist ein Musterbeispiel einer ordnungspolitisch vertretbaren Ausnahmeregelung, zumal es zeitlich auf drei Jahre befristet ist und die Inanspruchnahme von Hilfen mit EU-konformen Kosten verbunden ist. Es findet seine Rechtfertigung in der Systemgefährdung der deutschen Banken. Nicht die Rettung einer einzelnen Bank steht im Fokus der Unterstützung, sondern die Rettung und Stabilisierung des Bankensystems und damit der gesamtgesellschaftliche Nutzen.

Trotz guter Begründung der ergriffenen Maßnahmen stellen sich zentrale Fragen nach dem Erfolg. Im Vergleich zum Beispiel zu den USA ist die Teilnahme an dem Rettungsschirm freiwillig. Ordnungspolitisch ist dies positiv zu werten (Franz-Christoph Zeitler, 2008). Im Gegensatz zu den Landesbanken, die staatlichen Einfluss systembedingt gewöhnt sind und aus deren Kreis zuerst Interesse signalisiert wurde, haben Privatbanken - ob börsennotiert oder nicht - jedoch gute Gründe, das Angebot sorgfältig zu prüfen. Über die Inanspruchnahme hat der Bund neue Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich Geschäftsmodell und Ertragsverwendung. Verständlich ist, dass Dividendenausschüttungen und Bonuszahlungen aus staatlich gewährten Mitteln vermieden werden sollen und dass durch Gehaltszugeständnisse des Managements die Akzeptanz in der Öffentlichkeit gefördert werden soll. Ordnungspolitisch bedenklich wäre es jedoch, dem SoFFin eine gestaltende Rolle für die im Bankensystem erforderlichen Konsolidierungsprozesse zuzuweisen. Wenn dies auf Geschäftsmodelle privater Banken bezogen sein sollte, ist staatlicher Einfluss auf "staatsnahe" Banken in Deutschland kein positives Lehrbeispiel. Bei den Landesbanken ist eher Emanzipation von staatlichem Besitzstandsdenken gefordert.

Nach anfänglichem Zögern - mitverursacht durch einen zeitaufwendigen Prüfungsprozess der EU-Kommission - wurde der Rettungsschirm zunehmend in Anspruch genommen. Bis Ende 2008 haben 15 Kreditinstitute staatliche Unterstützung beantragt - nach Angaben des SoFFin sowohl staatliche Garantien als auch Eigenkapitalhilfen. Aufgrund der heutigen Ausgestaltung des Rettungsschirms sind darüber hinaus Wettbewerbsverzerrungen nicht auszuschließen. Banken, die sich unter den Schirm staatlicher Garantien begeben haben, können Anleihen emittieren und damit faktisch eine neue Assetklasse "staatlich garantierte Anleihen mit dreijähriger Laufzeit" schaffen. Dies hat zum einen Auswirkungen auf die Nachfrage nach Pfandbriefen, denn Investoren werden in der Krisenzeit Anlagen bevorzugen, die Null-Risiken beinhalten. Zum anderen sorgen staatlich garantierte Bankanleihen für eine Neuordnung der Preisgestaltung bei der Refinanzierung. Aufgrund der hohen Sicherheit der Anleihen werden die Spreadniveaus als untere Benchmark deutlichen Einfluss auf Pfandbriefemissionen haben.

Ordnungspolitisch bedenkliche Wettbewerbswirkungen können sich auch in anderen Marktsegmenten ergeben, zum Beispiel in der Konkurrenz um Kundeneinlagen. Der Rückgriff auf Hilfen aus dem staatlichen Rettungsschirm könnte bewusst genutzt werden, um durch besonders günstige Konditionengestaltung Wettbewerbsvorteile gegenüber Mitbewerbern zu erlangen.

Weitere Schwachstellen des heutigen Rettungspaketes stellen erstens die nicht gelöste Finanzierungsfrage und zweitens die Frage des "geordneten Rückzugs" des Staates dar. Es ist offen, wie die Lastenverteilung zwischen Aktionär, Gläubiger und Steuerzahler aussehen wird. Man lebt hier von der Hoffnung, dass erhaltene Kapitalanteile, nachdem sich die Lage auf den Finanz- und Gütermärkten wieder normalisiert hat, ohne Verlust abgegeben werden können und dass eine haushaltsrechtliche Vorsorge von 20 Milliarden Euro für eine Garantiesumme von 400 Milliarden Euro ausreichend bemessen sind. Eng damit verbunden ist das ordnungspolitisch relevante Thema der ordnungskonformen Rückführung eingegangener Staatsbeteiligungen. Diesbezüglich könnte man auf Erfahrungen bei der Überführung von Staatsbetrieben der ehemaligen DDR in marktwirtschaftliche Strukturen zurückgreifen. Analog zur damaligen Abwicklung über eine Treuhandgesellschaft könnte der SoFFin zur Reprivatisierung staatlicher Beteiligungen an privaten Banken in eine "Bankentreuhandgesellschaft" überführt und ausgebaut werden.

Keine Zukunft ohne Krisen: Prinzipien und Schwerpunkte der Prävention

Die Intensität des erforderlichen Krisenmanagements durch Notenbanken und Regierungen hat deutlich gemacht, dass es nicht ausreicht, wie noch in einem frühen Stadium der Krise aus entschieden liberaler Sicht empfohlen, zur Krisenprävention gänzlich auf die Selbstheilungskräfte des Marktes zu setzen (Edmund Phelps, 2007). Insofern ist die Zielsetzung des Weltfinanzgipfels richtig gewählt, die Grundlagen dafür zu legen, dass sichergestellt wird "... that a global crisis, such as this one, does not happen again." (Declaration, 2008) Dabei sollten folgende Prinzipien eingehalten werden:

{L8226} Das marktwirtschaftliche System beruht auch in der Ausprägung der sozialen Marktwirtschaft auf der Verwirklichung von Eigeninteresse. Insofern hat der ursprünglich ironisch gemeinte Aphorismus, dass es immer intelligente Marktteilnehmer geben wird, die versuchen, den Regulierer auszuspielen, einen ernsten Kern. Auch künftig wird mit Krisen zu rechnen sein, wenn Freiräume erhalten bleiben sollen. Krisenprävention muss ordnungskonform sein.

- Bei der Prävention geht es nicht darum, die guten Ideen, die sich im Ausleseprozess durchgesetzt haben, auszuschalten. Krisenprävention mit Augenmaß konzentriert sich auf die Beseitigung von Schwachstellen guter Ideen.

- Krisen sollten von der Grundhaltung her, das hat schon Joseph A. Schumpeter (1942) betont, auch in positivem Licht gewürdigt werden. Jeder Krise wohnt die Chance zur Verbesserung, zu wirtschaftlichem Fortschritt inne. Krisenprävention vermeidet wirtschaftlichen Stillstand.

- Krisenprävention sollte sich auf Schwerpunkte der Fehlentwicklung konzentrieren und sich nicht in einer Vielzahl von Einzelempfehlungen verlieren. Der Grundsatz der Transparenz und Überschaubarkeit hat auch für die Strategie der Krisenprävention zu gelten.

Ursprung und Entwicklung der Finanzkrise haben gezeigt, dass es schwerpunktmäßig darum gehen sollte, erstens Prozyklität zu vermeiden, zweitens Risiken einzugrenzen sowie drittens Komplexität zu reduzieren und damit mehr Transparenz zu schaffen.

Vermeidung von Prozyklität

Prozyklität vermeiden heißt zum einen, der Entwicklung von Blasen vorzubeugen und zum anderen, Mechanismen, die Abwärtsbewegungen auf den Märkten verstärken, entgegenzuwirken. Geht man davon aus, dass die prozyklische Wirkung von Basel II in der aktuellen Finanzkrise umstritten ist, haben vor allem zwei Triebkräfte prozyklisch gewirkt:

Eine zu lockere Geldpolitik in den USA im Nachgang zum Platzen der New-Economy-Blase hat das Fundament für eine Hauspreisblase und die Subprime-Krise gelegt. Die auf das Fair-Value-Prinzip zurückgehende Mark-to-Market-Bewertung von Vermögensgegenständen hat dazu beigetragen, bei nicht mehr funktionsfähigen, inaktiven Finanzmärkten eine Abwärtsspirale mit gravierenden Buchverlusten der Banken in Gang zu setzen.

In jedem Fall hat die Mitverursachung der Finanzkrise durch einen Liquiditätsüberhang belegt, dass die Überwachung und Kontrolle der monetären Expansion als wichtiger Beitrag zu betrachten ist, dem Entstehen von Blasen vorzubeugen. Dies ist auch als Bestätigung der - in den letzten Jahren in die Kritik geratenen - Zwei-Säulen-Strategie der EZB zu werten, die zusätzlich zur kürzerfristig ausgerichteten ökonomischen Analyse der ersten Säule die mittel- bis längerfristigen Auswirkungen auf die Preisstabilität im Rahmen der monetären Analyse der zweiten Säule erfasst und interpretiert. In diesem Zusammenhang wird auch eine Geldpolitik des "Leaning against the wind" einer aufkommenden Blase diskutiert, wobei das Problem der rechtzeitigen - das heißt irrationalem Überschwang vorbeugenden - Identifikation von fundamental nicht gerechtfertigten Preissteigerungen weiterer Untersuchungen bedarf.

Die Diskussion um die Anwendung des Mark-to-Market-Bewertungsprinzips sollte dem vorgenannten Grundsatz Rechnung tragen, dass Krisenprävention wirtschaftlichen Stillstand - oder gar Rückschritt vermeidet. In dem Maße, wie die Kapitalmarktorientierung der Kreditinstitute in den letzten beiden Jahrzehnten zugenommen hat und demzufolge die Wertpapier- und Derivatebestände in den Handelsbüchern bedeutsamer wurden, war es ein Fortschritt, ein Bewertungsprinzip zu installieren, das laufende Preissignale nicht wie das Anschaffungskostenprinzip des HGB - ignoriert.

Das Problem des Mark-to-Market-Ansatzes besteht darin, dass seine Anwendung in der Krise zur Berücksichtigung fundamental nicht gerechtfertigter Preisveränderungen führt. Damit reduziert sich eine Alternative zwischen Anschaffungskostenprinzip und Marktpreisbewertung auf das Dilemma "... between ignoring price signals, or relying on their degraded versions." (Guillaume Plantin/Haresh Sapra/Hyun Song Shin, 2008) Berücksichtigt man außerdem, dass Krisenprävention den Grundsatz der Transparenz und Überschaubarkeit erfüllen sollte, so ergibt sich zusätzlich, dass man in diesem Dilemma möglichst wenig auf letztlich subjektive Elemente wie die Ermittlung von Barwerten durch Diskontierung vermuteter Cash-Flows bauen sollte.

Ein Ausweg besteht darin, in der Krise Wertansätze zu erlauben, die zeitnah vor Einsetzen der fundamentalen Preisänderungen galten. Dies ist in der jüngsten Krise durch Festlegungen des International Accounting Standards Board (IASB) im Prinzip geschehen, jedoch erst in einem relativ späten Stadium der Krise nach bereits entstandenen, gravierenden Bewertungskorrekturen.

Eben weil in der Krise auch deutlich geworden ist, dass Bilanzierung zu bedeutsam ist, um sie allein Bilanzexperten zu überlassen (Axel A. Weber, 2008, 2), sollte daher künftig für derartige Entscheidungen in Abstimmung mit dem IASB ein Gremium von Finanzmarktexperten eingeschaltet werden, zum Beispiel das Financial Stability Forum (FSF).

Ein befristetes Aussetzen bedeutet mitnichten, wie in der Saarbrücker Professoreninitiative gegen den Fair Value (2008) behauptet, eine Bankrotterklärung dieser Bewertungskonzeption, sondern führt zu einer Anwendung des Konzepts unter "fairen" Bedingungen. Wobei über der Krise nicht in Vergessenheit geraten sollte, dass die Funktionsfähigkeit der Märkte und faire Bedingungen die Regel, Krisen und Phasen, in denen das Mark-to-Market-Konzept nicht zur Anwendung kommt, somit die Ausnahme sind.

Eingrenzung von Risiken und Korrektur der Geschäftsmodelle

Wenn es darum geht, Risiken einzugrenzen, sollte die Diskussion stärker als bisher das Thema Geschäftsmodelle aufgreifen. Die in der aktuellen Debatte erhobenen Forderungen, (1) Entlohnungssysteme einzuführen, die eine kurzfristige und risikobetonte Gewinnerzielung nicht in den Vordergrund stellen, (2) den Originator von strukturierten Emissionen zu verpflichten, einen nennenswerten Teil, zum Beispiel zehn Prozent, im eigenen Portfolio zu halten, (3) mangelndem Wettbewerb und Interessenkonflikten auf dem Markt der Ratingagenturen durch Offenlegung und Kontrolle der Ratingmodelle entgegenzuwirken, (4) die Verlagerung von risikobehafteten Geschäften in außerbilanzielle "Schattenbanken" zu unterbinden und (5) Risikomodelle auf ihre mathematischstatistischen Prämissen, aber auch ihre Implikationen zu überprüfen, stellen gewiss wichtige Lösungsansätze dar. Die Finanzmarktkrise hat jedoch gezeigt, dass unausgewogene, wirtschaftlich nicht tragfähige Geschäftsmodelle ursächlich zur Risikoanfälligkeit beitragen beziehungsweise zu hochriskanten Anlagegeschäften führen.

Das Thema Geschäftsmodelle betrifft die Kapitalmarktorientierung mit dem Investmentbanking als wichtiger Ertragsquelle. Dieses Modell hat sich, wie massive Ertragseinbrüche und auch der Untergang der großen amerikanischen Investmentbanken belegen, nicht als bestandsfest erwiesen. Zweitens sind auch Spezialinstitute berührt, die beispielsweise auf Staats- und Immobilienfinanzierungen ausgerichtet sind, und mangels fehlender Alternativen stark von funktionsfähigen Geld- und Kapitalmärkten abhängig sind. Und drittens sind sehr stark die Landesbanken betroffen, die sich aufgrund fehlender zukunftsfähiger Geschäftsmodelle zur Verbesserung der Rendite erheblich in risikobehafteten Wertpapieremissionen engagierten.

Bemerkenswert sind bei Großbanken, Spezialinstituten und Landesbanken nahezu identische Schwachpunkte:

- eine unterdurchschnittliche Kundenorientierung oder - wie bei den Landesbanken

- die Blockade der direkten Zugänge zu Privat- und Firmenkunden;

- eine Abhängigkeit von funktionierenden Geld- und Kapitalmärkten (als Anleger oder Nachfrager);

- eine Internationalisierung in der geschäftspolitischen Ausrichtung. Globale Finanzmärkte haben ihre eigenen Anforderungen und Spielregeln, denen es gerecht zu werden gilt. Dies war nicht bei allen Banken gewährleistet - speziell wenn die globale Orientierung über den eigentlichen geschäftspolitischen Auftrag hinausging und - wie insbesondere bei den Landesbanken - auf regionale politische Ansprüche und Beschränkungen stieß.

Wenn es um die Entwicklung von Lösungsansätzen geht, gilt, dass es keine umfassende Handlungsempfehlung gibt, die allen Anforderungen gerecht werden kann. Für die Großbanken dürfte die Vorgabe realistischer Zielrenditen einen ersten Schritt in Richtung Normalisierung darstellen. Darüber hinaus wird bei ihnen das in der Vergangenheit als nicht attraktiv eingestufte und manchmal als "Dorfbanking" etikettierte Privat- und Firmenkundengeschäft stärker im Blickfeld der Aktivitäten stehen - sei es durch Zukauf von Kunden, wie die Übernahme der Postbank durch die Deutsche Bank dokumentiert, sei es durch die Profilierung als Mittelstandsbank analog des Marktauftritts der Commerzbank. Entscheidend für den Erfolg wird sein, wie das dann neu definierte Investmentbanking in das Geschäftsmodell der Gesamtbank eingebettet werden kann und wie die Verknüpfung zum Firmen- und Privatkundengeschäft gelingt - auch in der Wertigkeit dieser Geschäftssparten in der Führungskultur dieser Häuser.

Spezialinstitute wie Schiffs- und Immobilienfinanzierer werden nur dann Perspektiven haben, wenn die Abhängigkeit von "einer" Refinanzierungsquelle verringert werden kann. Dies könnte durch eine Einbindung in Finanzkonzernstrukturen und damit den Zugang zu Kundeneinlagen erfolgen. Als zweite Konsequenz werden sich die Margenanforderungen im traditionell margenarmen Staatsfinanzierungsgeschäft und Kommunalkreditgeschäft deutlich nach oben bewegen müssen. Wegen der Eigentümerstruktur mit politisch verankerten und divergierenden Interessenlagen wird die Neuausrichtung der Landesbanken

schwieriger umzusetzen sein. So bestehen die Eigner "Sparkassen" traditionell auf einer strikten Arbeitsteilung: Kundengeschäfte bei den Sparkassen, Zentralfunktionen bei den Landesbanken. Hinzu kommt, dass viele Sparkassen aufgrund ihrer Betriebsgröße Zentralfunktionen nur noch in eingeschränktem Umfang benötigen und daher mit dem Zusammenschluss von Landesbanken wenige leistungsfähige sowie unter Kostengesichtspunkten vertretbare Einheiten anstreben. Demgegenüber wird bei den Ländern der Aspekt der regionalpolitischen Eigenständigkeit betont, wobei die betriebswirtschaftliche Sichtweise tendenziell in den Hintergrund treten kann.

Perspektivisch weist die Stellungnahme von Horst Köhler (2008), die sich auf seine Zeit als Sparkassenpräsident bezieht, in eine zukunftsfähige Richtung: "Mir schwebte vor, aus den Landesbanken ein einziges schlagkräftiges Spitzeninstitut zu formen, das den Sparkassen Dienstleistungen zur Verfügung stellt, die sie selber nicht vorhalten können ..." Sicher dürfte sein, dass eine stärkere Konzentration auf Privat- und Firmenkunden die künftigen Geschäftsmodelle kennzeichnen wird. Dabei wird harter Verdrängungswettbewerb die Zukunft prägen und die Tendenz zu Konsolidierungsprozessen verstärken, die die bisherigen drei Säulen des deutschen Finanzsystems in Frage stellen.

Eine gewisse Ironie dieser Entwicklung liegt darin, dass die Institutsgruppen, die sich mit ihrer Privat- und Firmenkundenorientierung in der Krise relativ stabil behauptet haben - Genossenschaftsbanken und Sparkassen - als Folge der Krisenbewältigung erheblich verstärktem Wettbewerb ausgesetzt sein werden. Es wird daher zu einer grundlegenden Neuausrichtung der strategischen Positionierung aller Bankengruppen kommen müssen. Diese wird zum einen durch konsequenten Leistungsaufbau und drastischen Kostenabbau geprägt sein, zum anderen durch den Kampf um das in der Krise verloren gegangene Vertrauen der Kunden in die Kompetenz und Reputation ihrer Bank.

Weniger Komplexität, mehr Transparenz

In ersten Reaktionen auf die sich abzeichnende Krise wurde oft und spontan - zumal von politischer Seite - die Forderung nach mehr Transparenz erhoben. Das klingt plausibel, bedarf aber der Konkretisierung. Zwei Aspekte sind dabei von besonderer Bedeutung: erstens die Komplexität der Finanzmarktprodukte, zweitens die Transparenz im Sinne der Erfassung von bankenaufsichtlich relevanten Entwicklungen, gerade im Hinblick auf die internationale Verflechtung der Finanzmärkte. Begünstigt durch Innovationen in der Mathematik und der EDV haben die Finanzprodukte in den vergangenen Jahren erheblich an Komplexität gewonnen. Folge war, dass selbst institutionelle Anleger mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten konnten und zum Teil eine Tendenz einsetzte, bankbetrieblichen Sachverstand durch eine hohe Gläubigkeit an mathematische Modelle und Ratingurteile zu ersetzen. Gravierende Verluste in der Krise haben den Anlegern jedoch verdeutlicht, dass dies eine riskante Strategie ist und dass es ihnen der Komplexitätsgrad vieler Finanzinnovationen nicht möglich machte, die entscheidende Voraussetzung rationalen finanzwirtschaftlichen Handelns zu erfüllen, nur Produkte zu kaufen, die man versteht.

Lerneffekte bei Anlegern und Anbietern werden daher dazu führen, dass die Komplexität künftiger Finanzprodukte deutlich abnimmt. "Back to the roots"-Produkte mit klar definierten Chancen-/Risikoprofilen werden die Zukunft der Märkte bestimmen. Das bedeutet, dass sehr komplexe, strukturierte Transaktionen zunächst sehr wahrscheinlich keine bedeutsame Rolle mehr spielen werden. Insbesondere Leveraged Loans werden deutlich an Bedeutung verlieren. Insofern werden Selbstheilungskräfte auf den Finanzmärkten zu mehr Transparenz führen. Deshalb erscheint es angebracht, bürokratische Regulierungen, wie zum Beispiel den vorgeschlagenen "TÜV für Finanzprodukte", nicht vorschnell einzuführen. Es ist bisher recht wenig über die Rolle der Bankenaufsicht in der Krise gesprochen worden. Man muss jedoch fragen, ob es nicht möglich gewesen wäre, zum Beispiel die Sprengkraft des Schattenbankensystems mit bilanziell ausgelagertem und kurzfristig refinanziertem Kapitalmarktengagement frühzeitig zu erkennen. Wenn dies jedoch ein Transparenzproblem gewesen ist, lassen sich schwerpunktmäßig drei Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der heutigen Struktur der Bankenaufsicht ableiten:

- Die Wirkungszusammenhänge sind globaler Natur und lassen sich nicht auf nationale Märkte eingrenzen. Insofern müssen zukünftige Lösungen sowohl europäischen als auch internationalen Ansprüchen genügen. Dies kann nur durch einheitliche und international verbindliche Regeln gewährleistet werden. Erfreulich ist, dass in einem ersten Schritt Ansatzpunkte in der Zusammenarbeit der europäischen Bankenaufsicht diskutiert werden, indem für grenzüberschreitende Banken- und Versicherungskonzerne eine Gruppenaufsicht eingeführt werden soll. Wegweisend sind auch die in den letzten Monaten veröffentlichten Berichte des Institute of International Finance (2008) und des Financial Stability Forum (2008).

- Mehr internationale Transparenz in bankenaufsichtlichen Regelungen bedeutet, dass auch die Schwellenländer mehr Verantwortung übernehmen müssen. Sie sind nicht nur Betroffene, sondern haben über die Anlage ihrer US-Dollar-Devisenreserven in amerikanischen Staatsanleihen zu Liquiditätsüberschüssen beigetragen und sind damit Mitverursacher der Krise.

- Liquiditätsrisiken, insbesondere unter dem Aspekt ihrer Abhängigkeit von Reputation, sind verstärkt zu berücksichtigen. Die Finanzkrise hat eindrucksvoll belegt, dass gerade Informationsasymmetrien und das hiermit verbundene Risiko des Vertrauensschwunds starke Auswirkungen auf die Liquiditätssituation der Institute hat. Selbst bei reduzierter Komplexität werden die Finanzmärkte stets durch einen gewissen Grad an Unvollkommenheit als Folge von nicht allen Marktteilnehmern gleichermaßen zugänglichen Informationen gekennzeichnet sein.

Mutige marktwirtschaftliche Antworten

In Bezug auf staatliche Hilfsmaßnahmen für die Realwirtschaft war die politische Debatte gegen Jahresende 2008 durch einigen Aktionismus geprägt. Es ist daher sinnvoll, an den Anfang derartiger Überlegungen die Rückbesinnung auf ordnungspolitische Grundsätze zu stellen. Danach sollten staatliche Eingriffe in die Wirtschaftstätigkeit Ausnahmecharakter haben und das durch einen "Finanz-Tsunami" legitimierte staatliche Handeln zur Wiederherstellung von Finanzmarktstabilität sollte nicht kritiklos als Vorwand für analoges Handeln in der Realwirtschaft übernommen werden. Dies lässt sich nicht nur aus der deutschsprachigen Literatur zur Ordnungspolitik ableiten (Walter Eucken, 2004; Alfred Müller-Armack, 1990), sondern wird auch in neueren Publikationen im angelsächsischen Sprachraum vertreten: "... markets are sometimes inefficient, but government intervention often makes matters worse and therefore should be viewed with considerable scepticism." (Shleifer, 2000)

Zur Besonnenheit der Diskussion könnte außerdem beitragen, analytisch zwischen Maßnahmen, die auf die Gesamtwirtschaft zielen und sektoral eingeforderten Hilfspaketen zu unterscheiden. Gesamtwirtschaftlich ist unstrittig, dass das Jahr 2009 durch rezessive Entwicklungen geprägt sein wird - in welchem Umfang ist unklar, zumal Prognosen in dieser Zeit noch weniger verlässlich sind als sonst. Staatliche konjunkturstützende Eingriffe sind somit legitimiert. In dem Entwurf von Maßnahmen sollte allerdings kein Platz für Dogmatiker sein, also für die, die allein auf John Maynard Keynes und gesamtwirtschaftliche Nachfragebelebung setzen, und diejenigen, die einseitig das aus der klassischen Nationalökonomie bekannte Say'sche Theorem hochhalten, nach dem Angebot und damit Investitionsanreize zur Erhöhung des Produktionspotenzials über die dabei entstehenden Einkommen Nachfrage schaffen. Eine Mischung aus beidem ist angesagt, wobei schon seit Langem vieles für steuerliche Entlastungen und Förderung von Leistungsbereitschaft durch eine das Steuersystem vereinfachende Reform spricht. Daher ist eine Kombination von rasch vollzogenen steuersenkenden Maßnahmen mit der Ankündigung, eine strukturelle Steuerreform unverzüglich anzugehen und nicht auf einen ungewissen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl im Herbst 2009 zu verschieben, eine zweckmäßige Strategie. Vorarbeiten hierzu wurden bereits geleistet, sodass in der Gesetzesvorbereitung nicht wie beim SoFFin Neuland betreten werden müsste. Eine Steuerreform mit der Zielsetzung der Vereinfachung und Entlastung kann - eben weil psychologische Faktoren von Bedeutung sind - bereits vor konkreten Entlastungswirkungen realwirtschaftliche Dynamik entfalten und damit fiskalisch ausgleichend wirken. Die Schubwirkung würde durch eine politisch bindende Aussage verstärkt, dass als weitere ebenfalls nicht nur ordnungskonforme, sondern ordnungsverbessernde Antwort auf die Krise der von politischer Seite schon lange versprochene Abbau der Kosten bürokratischer Regulierungen und Hemmnisse konsequenter und schneller als um die von der Bundesregierung bis Ende 2011 vorgesehenen 25 Prozent vorangetrieben wird. Dabei sind nicht nur die erzielbaren Einsparungen - das Institut für Mittelstandsforschung (2004) hat gesamtwirtschaftliche Bürokratiekosten von über 40 Milliarden Euro pro Jahr ermittelt - von Bedeutung, sondern darüber hinaus durch mehr Flexibilität die gesteigerte Effizienz des Wirtschaftssystems. Im Hinblick auf sektorale Unterstützung stehen nicht zuletzt die Banken in der Verantwortung - und zwar nicht nur die staatlichen Förderbanken über begünstigende Kreditprogramme. Es wäre bedenklich, wenn in der Kreditwirtschaft Vertrauen und Reputation noch mehr dadurch verspielt würde, dass die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte ebenso zurückhaltend gehandhabt würde wie in der Finanzkrise untereinander. Die Begründung für das staatliche Rettungspaket lag nicht zuletzt in der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung der Kreditwirtschaft. Dieser gilt es nun gerecht zu werden, indem es nicht zu einer nachhaltigen Kreditklemme kommt. Dazu bedarf es möglicherweise einer konzertierten Aktion unter den Banken und nicht so sehr einer konzertierten Aktion, an der sich die unterschiedlichen wirtschaftlichen Gruppen beteiligen, in der sich dann divergierende Interessenlagen gegenseitig blockieren können.

Bei staatlichen Interventionen zugunsten bestimmter Wirtschaftszweige sind zwei Gesichtspunkte von Bedeutung. Erstens droht die Gefahr, dass der Schutz von vermeintlichen "Zukunfts-" oder "Schlüsselindustrien" möglicherweise eine Erhaltungssubvention für diejenigen darstellt, die sich nicht flexibel genug an ein sich änderndes Marktumfeld angepasst haben. Zweitens werden zügig eingeleitete gesamtwirtschaftliche Hilfsmaßnahmen auch positive Rückwirkungen für zukunftsfähige Wirtschaftszweige entfalten. Die aktuelle Krise ist somit gewiss kein Anlass zur Sozialisierung des Wirtschaftssystems durch zunehmenden Staatseinfluss. Sie ist vielmehr eine Chance, die soziale Marktwirtschaft durch mutige ordnungspolitische Reformen zu verbessern und damit sowohl im monetären Bereich als auch realwirtschaftlich bestandsfester zu machen.

Literaturhinweise

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Ralf Kölbach , Mitglied des Vorstands, Westerwald Bank eG, Montabaur
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