Branchen

Finanzierungsengpässe im Bereich der erneuerbaren Energien?

Um den Bau von Großanlagen im Bereich der Solarenergie zu erleichtern, sagte die KfW mit Unterstützung von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel im Dezember 2008 zu, die Obergrenze für Kredite von zehn auf 50 Millionen Euro anzuheben und die Laufzeiten für die Förderung von acht auf 15 Jahre zu verlängern (vergleiche Gericke 2008).

Zunächst könnte hier die sehr schnelle Reaktion auf eine sich verschärfende Finanzkrise überraschen, wenn nicht die Frage im Raum stände, ob diese Maßnahmen nicht bereits seit längerem als sinnvoll, wenn nicht sogar notwendig erschienen wären.

Erkenntnisse zum Investitionsvolumen in erneuerbare Energien

Bevor effektive und zielgenaue Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Finanzierungsmöglichkeiten von Projekten und Unternehmen im Bereich der Energieeffizienz und nachhaltiger Energien vereinbart werden, ist stets eine aktuelle Bestandsaufnahme der jeweiligen Angebots- und Nachfragestrukturen sowie deren Determinanten vorzunehmen.

Vor diesem Hintergrund sollte eine Expertenbefragung unter Finanzinves-toren, projektfinanzierenden Geschäftsbanken, beratend agierenden Investmentbanken und erfolgreichen jungen Unternehmen aus der Industrie Aufschluss über Finanzierungsengpässe in verschiedenen Entwicklungsphasen bei Projekten im Bereich erneuerbarer Energien geben. Die Interviews wurden im August und September 2008 durchgeführt, also unmittelbar vor der neuerlichen Verschärfung der Kapitalmarktkrise.

Für eine vergleichsweise junge Industrie mit sehr dynamischer Wachstumshistorie hat die wissenschaftliche Forschung regelmäßig zunächst mit einer vergleichsweise dünnen Datenbasis zu kämpfen, die zudem nur sehr vorsichtige Trendextrapolationen zulässt und deshalb in kürzeren Intervallen jeweils aktualisiert werden muss. Als Konsequenz aus diesen Limitationen finden sich bislang nur wenige Studien zur Finanzierungssituation von Unternehmen im Bereich erneuerbarer Energien, deren zentrale Ergebnisse nachfolgend kurz vorgestellt werden.

Es muss allerdings hier einschränkend darauf hingewiesen werden, dass die bisherigen Erfahrungen und Finanzierungseinschätzungen in der näheren Zukunft komplett konterkariert werden können, wenn die schweren Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten anhalten und die Kreditaufnahmemöglichkeiten für riskante Investitionsprojekte weiterhin beeinträchtigt werden (vergleiche Gericke 2008).

In einer frühen Fallstudie zeigen Enzensberger et al. (2003) die Vorteilhaftigkeit der Finanzierung von Windparks durch geschlossene Investmentfondskonstruktionen auf. Die Erkenntnisse bestätigen die in zahlreichen Expertenmeinungen dokumentierte bislang stabile Finanzsituation im Bereich der Betreibermodelle bei etablierten Technologien. Diese Feststellung wird unterlegt von Greenwood et al. (2007), die im Auftrag der UNEP das weltweite Investitionsvolumen im Bereich nachhaltiger Energien ermitteln und für das Jahr 2006 auf 70,9 Milliarden US-Dollar kommen.*)

Von diesem Gesamtvolumen werden etwa zehn Prozent von Venture Capital- und Private-Equity-Gesellschaften aufgebracht. Der Investitionsschwerpunkt liegt insgesamt weiterhin bei reiferen Technologien, die ihren Proof of Concept bereits erbracht haben (Murphy 2008), aber auch frühere Finanzierungsphasen finden Geldgeber: "...money flows into developing projects and not just technology or early-stage expansion. Not surprising, most asset deals were in the relative mature wind sector" (Grennwood et al., 2007, Seite 12).

Marktbereinigung durch Fusionen und Übernahmen

Auch weitere Erkenntnisse der UNEP betonen, dass die Investments noch der politischen Unterstützung und stabiler regulatorischer Rahmenbedingungen bedürfen, um nachhaltigen Erfolg zu generieren. Eine bislang wenig berichtete Tendenz betrifft die Vielzahl der Unternehmen, die inzwischen mit ihren Produkten die Marktreife erreicht und oftmals auch bereits eine Börsennotierung aufgenommen haben.

Die heutigen Marktstrukturen sind hier weitgehend durch eine große Zahl kleiner Wettbewerber ohne größere Marktanteile gekennzeichnet, eine Struktur, die dauerhaft ineffizient ist. Dementsprechend ist von einer nachhaltigen Konsolidierung auszugehen und das Thema Mergers & Acquisitions wird an Bedeutung gewinnen (vergleiche Grennwood et al., 2007, Seite 33f.). Dementsprechend ziehen in der breit definierten Cleantech-Branche immerhin 48 Prozent der Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern Unternehmenszukäufe in Erwägung (vergleiche Pschera 2008).

Noch einmal aktualisiert wird die Übersicht zur Finanzierungssituation im Bereich erneuerbarer Energien von REN21 (2008), entstanden mit Unterstützung der GTZ - Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH. Die Studie dokumentiert aber auch die erhebliche Unsicherheit, mit der aggregierte Investitionsvolumina zu bewerten sind. Denn es wird ein Investitionsvolumen im Bereich erneuerbarer Energien für das Jahr 2007 von 71 Milliarden US-Dollar ausgewiesen gegenüber 55 Milliarden US-Dollar im Jahr 2006 (REN21, 2008, S. 16). Greenwood et al. (2007) hatten für 2006 bereits 70,9 Milliarden US-Dollar ausgewiesen.

Als größter nationaler Markt im Jahr 2007 wird Deutschland identifiziert, wo 14 Milliarden US-Dollar vor allem in Windkraft und Solarenergie investiert wurden. Zweitgrößter Markt ist China mit zwölf Milliarden US-Dollar (vor allem in Wasserkraft) vor den USA mit zehn Milliarden US-Dollar (vergleiche auch Pschera 2008).

Als besonders bemerkenswert wird herausgestellt, dass inzwischen zahlreiche Banken und Förderinstitutionen in der Fremdkapitalbereitstellung für kleinere Investments in etablierte Technologien auch von Privathaushalten aktiv sind. Insgesamt wird erneut unterstrichen, dass das Gesamtinvestitionsvolumen bei erneuerbaren Energien bereits beachtliche Größenordnungen erreicht hat, sich aber auf die Finanzierung etablierter Technologien konzentriert.

Inzwischen wurde die Finanzierung von Projekten im Bereich erneuerbarer Energien auch als Thema für die Weiterbildung entdeckt (vergleiche Gerhard, 2008, Seite 80ff.). Aber auch hier liegt der Fokus auf Projektfinanzierungsstrukturen für reifere Technologien, sodass Expertise vor allem dort verstärkt wird, wo bereits jetzt der Investitionsschwerpunkt liegt.

Über- oder Unterangebot von Finanzierungsmitteln?

Im August und September 2008, also unmittelbar vor der neuerlichen Verschärfung der Kapitalmarktkrise, wurde eine Umfrage unter Finanzinvestoren, projektfinanzierenden Geschäftsbanken, beratenden Investmentbanken und Unternehmen durchgeführt, um die Finanzierungssiutation in verschiedenen Entwicklungsphasen bei Projekten im Bereich erneuerbarer Energien aufzuzeigen. Die Risikoprofile bei der Finanzierung von Projekten und junger Unternehmen differieren stark in Abhängigkeit von der erreichten Marktreife der erstellten Produkte. Um für diese Determinante zu kontrollieren, wurde in der nachfolgenden Analyse nach verschiedenen Finanzierungsphasen unterteilt, nämlich Gründungsphase (Seed Capital), Pilotphase (Proof of Concept) und Wachstumsphase. Die Einschätzungen zu Kapitalangebot und -nachfrage fallen für diese drei Finanzierungsstufen recht unterschiedlich aus.

In der Gründungsphase werden die benötigten Gelder für Investitionen im Bereich erneuerbarer Energien ganz überwiegend aus dem privaten Umfeld (Friends and Family) der Unternehmer aufgebracht, teilweise ergänzt durch Engagements von Business Angels und Venture Capital. Die Gründer sind oft stark technologiegetrieben, betriebswirtschaftliches Wissen ist unterausgeprägt. Die benötigten Volumina belaufen sich auf etwa drei bis fünf Millionen Euro, Kapitalangebot und -nachfrage erscheinen aus Sicht der Befragten recht ausgewogen zu sein. Allerdings gibt es Anzeichen für erste Übertreibungen bei gezahlten Akquisitionsprämien, und es werden auch vermehrt unseriös erscheinende Kapitalanbieter beobachtet.

Ungleich schwieriger stellt sich die Finanzierungssituation in der Pilotphase dar. Investitionsvolumina erreichen hier Größenordnungen von bis zu 25 Millionen Euro und sind von den Financiers der Gründungsphase nicht mehr aufzubringen. Für Banken ist dieses Stadium zur Projektfinanzierung nur bedingt geeignet (nicht "bankable"), denn das Risiko ist oft sehr hoch (es fehlt der Beweis der marktfähigen Produktion), Cash-Flows sind schwer zu prognostizieren und verwertbare Sicherheiten regelmäßig kaum vorhanden.

Feld für Förderbanken

Aufseiten von Eigenkapitalinvestoren stellt sich das Risikoprofil nicht anders dar, sodass der Wettbewerb unter den Kapitalanbietern hier überschaubar ist. Insgesamt scheint die Risikostruktur dazu zu führen, dass eine ganze Reihe von Projekten beziehungsweise Unternehmenskonzepten keine Finanzierung finden. Dementsprechend kann eine KfW-Förderung in diesem Segment sehr hilfreich sein.

Nicht nur kreditseitig, sondern auch für die Aufnahme von Eigenkapital stellen sogenannte "Club Deals" eine gerne genutzte Variante zur Risikoteilung dar, wobei gerade bei grenzüberschreitend finanzierten Projekten die Partner sich vor der Transaktion oftmals nicht kennen. Erleichtert werden solche syndizierten Transaktionen durch beteiligte Adressen mit hoher Reputation. In diesen Fällen sind schnell mehr potenzielle Geldgeber vorhanden, als benötigt werden. Dabei gestehen aber verschiedene Investoren ein, bei hoch renommierten Beteiligten dazu zu neigen, Projekte in der Pilotphase vor dem Proof of Concept nur noch sehr oberflächlich zu prüfen.

Knappheit an attraktiven Beteiligungsmöglichkeiten

Ganz anders stellt sich die Situation für reifere, etablierte Technologien dar. Hier besteht bis in den Spätherbst 2008 hinein kein Engpass an Finanzierungsmöglichkeiten, sondern eher eine Knappheit bei attraktiven Beteiligungsmöglichkeiten. Nicht nur spezialisierte Finanzinvestoren haben in jüngerer Vergangenheit für ihre Fonds nach entsprechenden Projekten gesucht, sondern auch international agierende Staatsfonds sind hier als potenzielle Investoren aufgetreten.

Das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) ermöglicht eine vergleichsweise sichere Bewertung der Projekte, sodass Projektfinanzierungen von Betreibermodellen (vor allem bei Windparks und Fotovoltaikanlagen) so gerne vergeben werden, dass große Marktteilnehmer beklagen, nur noch selten zum Zuge zu kommen (Hit-Ratio von fünf bis zehn Prozent).

An dieser Stelle gibt es allerdings auch erste lautere Warnungen. Die als Betreibermodelle finanzierten Windparks und Solaranlagen bieten Investoren vor allem durch die außergewöhnlichen Risikoprofile attraktive Renditen. Die Gesamtkapitalrendite ist eher niedrig. Aber die niedrige Volatilität der Cash-Flows ermöglicht einen hohen Verschuldungsgrad, sodass Eigenkapitalquoten von zum Teil unter 15 Prozent beobachtet werden. In Zeiten billigen Fremdkapitals waren derartige Transaktionen gut zu finanzieren. Durch die gestiegenen Spreads infolge der internationalen Finanzmarktkrise können die Finanzierungskosten bald sehr nachhaltig steigen und den Finanzinvestoren ihre Bereitschaft für neue Investments nehmen.

Zudem sind in Deutschland gerade die öffentlich-rechtlichen Landesbanken als Fremdkapitalgeber in diesem Geschäftsfeld als Projektfinanzierer sehr aktiv gewesen. Aufgrund der allgemeinen Schwierigkeiten, in denen sich viele dieser Institute aktuell befinden, wird befürchtet, dass hier die Möglichkeiten für zukünftige Finanzierungen ebenfalls limitiert sind. Es stellt sich damit auch die Frage, ob die Projektfinanzierungen in diesem Bereich in Kapitalmarktprodukte umstrukturiert werden können, um den Landesbanken eine Entlastung ihrer Kreditportefeuilles zu ermöglichen. Zudem wird auch in diesem Segment die KfW wohl zukünftig stärker in Anspruch genommen werden.

Sinnvolle Förderung

Die Ausweitung der Kreditförderung durch die KfW für Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energien erscheint vor dem Hintergrund einer breiten Expertenbefragung aus dem Spätsommer 2008 - auch unabhängig von der verschärften Finanzkrise - unbedingt sinnvoll. Zum einen zeigen sich in der Pilotphase vor der eigentlichen Marktreife Finanzierungsengpässe, zum anderen wird auch sowohl die Anschlussfinanzierung bestehender Großprojekte als auch insbesondere die Mittelbereitstellung für neue Anlagen zunehmend schwieriger. Immerhin erwartet die Branche, dass spätestens 2015 Solarstrom nicht mehr teurer ist als der in herkömmlichen Kraftwerken erzeugte Strom. Die damit einhergehende Umweltentlastung rechtfertigt die weitere Förderung allemal.

Fußnote:

*) Vergleiche für eine Gegenüberstellung von Investitionen in erneuerbare und klassische Energietechnologien auch Runci (2005).

Literaturverzeichnis:

Enzensberger, N., Fichtner, W., Rentz, O. (2003): Financing Renewable Energy Projects via Closed-end funds - A German Case Study, in: Renewable Energy, 28. Jahrgang, Seiten 2023-2036.

Gerhard, M. (2008): Professionelle Finanzierung erneuerbarer Energien, in: Die Bank, Heft 08/2008, Seiten 80-84.

Gericke, U. (2008): Der boomenden Solarindustrie stehen einige Schocks bevor, in: Börsen-Zeitung, 20. Dezember 2008, Seite 8.

Greenwood, C., Hohler, A., Hunt, G., Liebreich, M., Sonntag-O'Brien, V., Usher, E. (2007): Global Trends in Sustainable Energy Investment, UNEP Report. Murphy, A. (2008): Deutschland ist gut gerüstet, in: Going Public Magazin - Sonderausgabe Solartechnologie 2008, Seiten 46-48.

Pschera, A. (2008): Wachstumsbremse Innenfinanzierung? in: Going Public Magazin - Sonderausgabe Solartechnologie 2008, Seiten 50-51.

REN21 (2008): Renewables 2007 Global Status Report, Washington, D. C.

Runci, P. (2005): Energy R&D Investment Patterns in IEA Countries - An Update, in: Pacific Northwest National Laboratory - Joint Global Change Research Institute, Technical Paper PNWD-3581.

Prof. Dr. Dirk Schiereck , Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinan­zierung , Technische Universität Darmstadt
Noch keine Bewertungen vorhanden


X