Aufsätze

Kreditforderungen als notenbankfähige Sicherheiten - Verfahren der Bundesbank zur Erleichterung der Sicherheitenstellung

Kreditinstitute weisen aufgrund der Bargeldnachfrage, der Mindestreserveanforderungen, aber auch der Liquiditätssalden, die aus dem Verrechnungs- und Abwicklungsgeschäft erwachsen, einen strukturellen Bedarf an Zentralbankgeld auf. Diesen können sie bei der Notenbank, dem Monopolanbieter der Geldbasis, nur gegen Sicherheitenstellung refinanzieren. Die Hinterlegung von Ansprüchen auf künftige Zahlungen soll gewährleisten, dass der Notenbank keine Verluste aus ihren monetären Transaktionen erwachsen. Es ist kaum erstaunlich, dass die Art der akzeptierten Sicherheiten dabei die jeweiligen Besonderheiten der nationalen Finanzmärkte widerspiegelt.

Einheitliche Liste für notenbankfähige Sicherheiten

Dieser historische Bezug war auch der wesentliche Grund, weshalb die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken (NZBen) der 13 Mitgliedstaaten der Währungsunion, die zusammen das Eurosystem bilden, bis zum Ende des vergangenen Jahres zwei Kategorien von Sicherheiten hereinnahmen. Einmal solche, die Kriterien genügten, die in der gesamten Währungsunion Geltung hatten; und zum anderen jene, die zwar systemweit einheitlichen Sicherheitsniveaus entsprechen sollten, die aber nationale Besonderheiten aufwiesen, deren Einschätzung und Definition den nationalen Zentralbanken oblag. Als Ergebnis eines intensiven Erörterungsprozesses - sowohl innerhalb des Eurosystems als auch mit den betroffenen Kreditinstituten - hat das Eurosystem inzwischen einen einheitlichen Rahmen für notenbankfähige Sicherheiten geschaffen. Diese einheitliche Liste ist zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten.1) Mit der Vereinheitlichung wurden die Gleichbehandlung der Geschäftspartner sowie eine Steigerung der Effizienz und der Transparenz der Liquiditätsbereitstellung angestrebt.

Die bereits 2004 seitens der EZB angekündigten Veränderungen des monetären Rahmens waren der Grund, weshalb die Deutsche Bundesbank in einen intensiven Dialog mit den Kreditinstituten, ihren Kunden, getreten ist. Die Bedeutung der Anforderungen der heimischen Kreditwirtschaft wird dadurch illustriert, dass im langfristigen Mittel gut die Hälfte der Refinanzierungsgeschäfte auf deutsche Kreditinstitute entfiel (siehe Abbildung 1a). Die Konsultationen sollten deshalb die Kundenanforderungen in allen Dimensionen möglichst präzise erfassen. Damit sollte auch der am Ende verfolgte Zweck die Entwicklung eines effizienten und gleichzeitig robusten Verfahrens des Liquiditätsmanagements - erreicht werden.

Der geldpolitische Rahmen

Der monetäre Rahmen liefert die Instrumente, mit der die geldpolitische Strategie praktisch wird. Genau betrachtet geht es um die Bereitstellung einer Werkzeugkiste, die zweckgerecht bestückt sein sollte, um das eigentliche Ziel - Preisniveaustabilität zu erreichen. Deshalb sollten die Werkzeuge auch in einem engen Bezug zur geldpolitischen Strategie stehen.

Zudem sollten sie die Vermittlung der geldpolitischen Signale möglichst präzise unterstützen. Schließlich sollen Werkzeuge eingesetzt werden, die möglichst marktgerecht sind.2) Aus Veränderungen in diesen drei Dimensionen - Zielwirksamkeit, Übermittlungstreue, Marktkonformität - resultiert ein eventueller Änderungsbedarf bei den Werkzeugen.

Auf eine gewisse Weise handelt der operationale Rahmen der Geldpolitik damit von deren ingenieurwissenschaftlichem Teil. Dieser Rahmen war im Laufe der Zeit erheblichen - wenn man will: paradigmatischen - Änderungen ausgesetzt.3) In den letzten beiden Jahrzehnten ist die unter den Praktikern der Geldpolitik schon immer übliche Ausrichtung auf den kurzfristigen Notenbankzins auch in akademischen Kreisen (wieder) akzeptiert worden. Das operative Ziel von Notenbanken ist die explizite Steuerung des Tagesgeldzinses. Darauf hat vor allem Charles Goodhart, ehemals Bank von England, dann LSE immer wieder insistiert.

Die für die monetäre Umsetzung Ausschlag gebende Frage ist dann: Mit welchen Instrumenten vermag die Notenbank den Tageszins am Interbanken-Geldmarkt möglichst effektiv zu steuern (siehe dazu Abbildung 2a). Robuste Verfahren gewährleisten, dass das monetäre Signal deutlich ist, in dem sie technisch oder verfahrensmäßig bedingte Störgeräusche minimieren, also das Verhältnis von Signal zu Geräusch erhöhen. Der Tagesgeldzins kommuniziert dann besonders präzise die geldpolitischen Absichten.4) Der Abstand des Eonia-Satzes zum Hauptrefinanzierungssatz betrug seit 1999 im Mittel 7 Basispunkte (Bp). In jüngster Zeit ist er - bei sich verengender Streubreite - auf etwa 5 Bp zurückgegangen (siehe Abbildung 2 b). Der Tageszins hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Fristenstruktur. Er ist letztlich der Hebel, über den die Geldpolitik ihren Einfluss nimmt. Innerhalb des Eurosystems wurde dabei ein ganzes Bündel an Verfahren benutzt.

Offenmarktgeschäfte: vorherrschendes Instrument der Liquiditätsbereitstellung

Dabei ist interessant zu sehen, dass seit den neunziger Jahren die Offenmarktgeschäfte nachhaltig an Bedeutung gewannen - und das klassische Diskontgeschäft entsprechend zurückgefahren wurde. Noch zur Mitte der achtziger Jahre galten die Offenmarktgeschäfte mit Rückkaufsvereinbarung, einem einschlägigen Lehrbuch zufolge, am deutschen Geldmarkt als neue Instrumente.5) Seither sind sie zum vorherrschenden Instrument der Liquiditätsbereitstellung geworden (siehe Abbildung 1b), und zwar explizit um "regulierend auf das Zinsniveau für Tagesgeld einzuwirken".6)

Frankreich dagegen, der andere große Geldmarkt innerhalb des Eurosystems, kam aus einer anderen Tradition. Die traditionelle Sicht war hier, so ein oft benutztes Lehrbuch, dass zu einer "Verschuldungsökonomie" (einem bankorientierten System) geradewegs zwangsläufig quantitative Kreditvorgaben passten. Diese sollten eine übermäßige Geldschöpfung verhindern, denn die "Geldnachfrage entsprach praktisch der an die Kreditinstitute gerichteten Kreditnachfrage".7)

Bei einer konstanten Umlaufgeschwindigkeit des Geldes, so fährt Jean-Pierre Patat fort, "ist die quantitative Kontrolle der Geldmenge eine logische und im Prinzip einfache Aufgabe": eben die mengenmäßige Kreditsteuerung. Seit der Mitte der achtziger Jahre wurde, aufgrund der wachsenden Bedeutung der Kapitalmärkte (auf der Finanzierungs- ebenso wie auf der Anlageseite) und dem gestiegenen Offenheitsgrad der französischen Wirtschaft, die quantitative Kontrolle der Kredite jedoch immer schwieriger - und die indirekte Steuerung über den Zins gewann an Gewicht.

Es ist wichtig, sich diese Hintergründe in Erinnerung zu rufen, weil der operative Handlungsrahmen des Eurosystems an den nationalen Systemen rekurrent anschloss. Das wird besonders deutlich bei den Sicherheiten, die vor allem für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte des Eurosystems akzeptiert werden - hier gab es, wie bereits erwähnt, bis Ende vergangenen Jahres europaweit akzeptierte und solche, die praktisch nur in ihrem jeweiligen nationalen Kontext Geltung fanden. Die Fragen, die im Zusammenhang mit der europaweiten Einführung des Wirtschaftskredits als Sicherheit entstanden, sind das zentrale Thema dieses Papiers.

Die Europäisierung der monetären Sicherheiten

Seit Beginn der Währungsunion entfällt auf die deutsche Kreditwirtschaft - in der Zusammenschau von Hauptrefinanzierung und dem längerfristigen Refinanzierungsgeschäft - gut die Hälfte der Refinanzierung des Eurosystems. Von daher ist es nahe liegend, dass die Bundesbank großen Wert darauf legt, den Zugang zu den liquiditätssteuernden Operationen und die dazu gehörende Sicherheitenstellung möglichst effizient und robust zu gestalten. Dazu gehört auch, dass vor dem Hintergrund von technischen Neuerungen oder veränderten Märkten - entsprechend der eingangs erwähnten Kriterien - Möglichkeiten von Verfahrensverbesserungen stets genutzt werden.

So wurde zum Beispiel im November 2005 ein neues Bietungssystem zur Teilnahme an den Offenmarktgeschäften des Eurosystems, das Offenmarkt Tender Operations-System (Omtos) eingeführt. Als die Entscheidung des EZB-Rates gefallen war, ab 2007 Kreditforderungen in das einheitliche Sicherheitenverzeichnis aufzunehmen, startete die Bundesbank unmittelbar ein Projekt, das ihren Geschäftspartnern die Einreichung und Verwaltung von Kreditforderungen möglichst effizient und kostengünstig erlauben sollte.

Die Nutzung von Wirtschaftskrediten, insbesondere von Handelswechseln als Sicherheiten für Refinanzierungsoperationen, hat in Deutschland eine lange Tradition. Die Bundesbank hatte insofern schon immer ein Interesse daran, die Bereitstellung von Zentralbankgeld auf einem breiten, diversifizierten Bündel von hinterlegten Zahlungsansprüchen, und zwar sowohl öffentlichen als auch privaten, zu basieren. Der Handelswechsel spielte dabei lange Zeit eine dominierende Rolle.

Mit dem Übergang auf die Europäische Währungsunion und dem damit verbundenen Wegfall des Vorzugszinses für Rediskontkredite ging dessen Anteil an den insgesamt für Refinanzierungszwecke zur Verfügung gestellten Sicherheiten jedoch kontinuierlich zurück. Die seitdem bestehende Möglichkeit zur Nutzung von Kreditforderungen erreichte keine nennenswerten Größenordnungen, wohl auch, weil diese zunächst nur von einigen nationalen Zentralbanken - neben der Bundesbank noch die Zentralbanken von Frankreich, Österreich und Spanien - angeboten wurde.

Bedarf an zusätzlichen Sicherheiten - Reaktion auf Marktanforderungen

Dennoch sprachen sich die Geschäftspartner im Rahmen eines im Juni 2003 vom Eurosystem eingeleiteten öffentlichen Konsultationsverfahrens über Maßnahmen zur Verbesserung des Sicherheitenrahmens ausdrücklich für eine Beibehaltung des Instruments, die Vereinheitlichung der Standards sowie eine Verbreiterung des Kreises von Kreditforderungen als notenbankfähigen Sicherheiten aus. Dies wurde insbesondere mit dem wachsenden Bedarf an Sicherheiten zur Unterlegung und Abwicklung von Geschäften an den Geld- und Kapitalmärkten begründet.

Die Akzeptanz von Kreditforderungen im Rahmen der Refinanzierung und des Zahlungsverkehrs (Innertageskredit) vergrößert den Sicherheitenpool der Geschäftspartner. Diese können die Nutzung marktfähiger Sicherheiten auf die Absicherung im Zahlungsverkehr, bei der Wertpapierabwicklung sowie im Interbankgeschäft konzentrieren. Das robustere Liquiditätspolster erhöht damit die Dispositionsmöglichkeiten nicht zuletzt auch in Anspannungssituationen.

Aus der Sicht der von der Notenbank verfolgten Zwecke ist allein belangvoll, inwieweit von ihr zur Deckung hereingenommene Zahlungsansprüche deren Sicherheitsanforderungen genügen. Soweit Kreditforderungen funktional äquivalente Zahlungsversprechen verbürgen, insofern sie also Substitute für die klassischen Sicherheiten darstellten, lag es nahe, sie in die einheitliche Sicherheitenliste aufzunehmen.8)

Die Entscheidung des EZB-Rates, Kreditforderungen in das einheitliche Sicherheitenverzeichnis aufzunehmen, wurde von der Bundesbank mit umfangreichen Maßnahmen zur Steigerung der verfahrensmäßigen Effizienz begleitet. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung eines neuen Systems der Einreichung und Verwaltung von Kreditforderungen (KEV). Ziel dieser Neuentwicklung war zunächst, den Geschäftspartnern der Bundesbank einen komfortablen, elektronischen Zugang zur Sicherheitenstellung für Kreditforderungen anzubieten. Darüber hinaus wird auch angestrebt, den Anteil der Kreditforderungen an den insgesamt für Refinanzierungszwecke zur Verfügung gestellten Sicherheiten merklich zu erhöhen.

Aufgrund der notenbankspezifischen Anforderungen an ein derartiges System sowie wegen der zahlreichen Schnittstellen zu anderen Systemen der Bundesbank erschien es als zweckgerecht, eine Eigenentwicklung zu realisieren. Das Projekt wurde aus fachlicher Sicht von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Zentralbereichs Märkte und aus technologischer von jenen des Zentralbereichs IT in enger Kooperation betrieben. Deren orientierende Perspektive war - aus einsichtigen Gründen - die der Anwender. Denn bei solchen Vorhaben ist der Prozess zwar das Produkt.9)

Aber Kunden sind, wie die zur Mitte der siebziger Jahre noch als neu bezeichnete Mikroökonomie lehrt, zu Recht nicht am Verfahren, sondern an dessen funktionalen Eigenschaften interessiert.10) Die zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung des Vorhabens war deshalb der intensive Dialog mit den künftigen Nutzern des Systems, den geldpolitischen Geschäftspartnern der Bundesbank.

Frühzeitige Einbeziehung der Kunden

Deshalb war bei der Aufgabenbeschreibung ebenso wie der Prozessmodellierung die Anwenderperspektive ausschlaggebend. Um diese abzubilden, wurde eine Reihe von Beteiligungsverfahren benutzt, von Fragebogenaktionen und Informationsschreiben bis zu Fokus-Gruppen. Es wurden insbesondere, projektbegleitend, eine ganze Reihe von Workshops veranstaltet. Die frühzeitige Einbeziehung der Kunden erlaubte, dass deren Anforderungen - die letztlich für die zweckgerechte Umsetzung entscheidend sind in KEV weitestgehend berücksichtigt werden konnten.

Nach zunächst nur internen Tests der Beta-Version wurde im Herbst 2006 ein ausgiebiger Funktions- und Schnittstellentest mit interessierten Geschäftspartnern durchgeführt. Zur Betreuung der Geschäftspartner und zur Abwicklung des operativen Geschäfts wurde in dem zum Zentralbereich Märkte gehörenden Servicezentrum "Tagesgeschäft Kredit" ein spezielles KEV-Team gebildet. Damit interessierte Kunden sich jederzeit über sämtliche wichtigen Details rund um KEV informieren können, wird auf der Homepage der Bundesbank seit der Projektphase ein gesonderter Bereich unter www.bundesbank.kev/kev.php bereitgestellt.

Die Einführung des einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses und die damit verbundene Umsetzung der neuen Anwendung KEV führten zu sowohl inhaltlichen als auch organisatorischen Veränderungen. Während die Geschäftspartner ihre Kreditforderungen bisher papiergebunden und dezentral bei ihren kontoführenden Filialen der Bundesbank einreichten, ist mit Einführung von KEV nur noch die elektronische Einreichung bei einer zentralen Stelle der Bundesbank, dem Servicezentrum Tagesgeschäft Kredit in Frankfurt vorgesehen. Das Servicezentrum ist zugleich für die Durchführung sämtlicher geldpolitischer Operationen und die Führung der Sicherheitenkonten verantwortlich.

Für die Geschäftspartner hat dies den Vorteil, dass sie bei allen Fragen zur Refinanzierung, einschließlich der Sicherheitenstellung, aus einer Hand betreut werden. Bei der Bundesbank muss das dafür notwendige Fachwissen nur noch an einer Stelle vorgehalten werden. Der Einreichungsprozess ist dadurch sowohl effizienter als auch robuster geworden. Durch den Übergang von der Verpfändung zur stillen Sicherungsabtretung gegenüber der Bundesbank konnte zudem die Geschäftsabwicklung mittels der papierlosen Hereinnahme von Kreditforderungen zusätzlich vereinfacht werden. Gleichzeitig entfiel die aufwendige und aus Sicht der Kreditinstitute störende Schuldnerbenachrichtigung.

Für die Kunden haben sich durch die Einführung des einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses weitere belangvolle Vorteile ergeben. So wurde die Laufzeitenbeschränkung abgeschafft. Während bis Ende 2006 lediglich Kreditforderungen mit einer Restlaufzeit bis zu zwei Jahren eingereicht werden konnten, gibt es heute keinerlei Laufzeitbeschränkungen mehr. Die anzuwendenden Bewertungsabschläge bewegen sich je nach Art der Verzinsung (variabel oder fest) in Abhängigkeit von der Restlaufzeit zwischen sieben Prozent und 41 Prozent, wobei die Abschläge in den Laufzeitbändern bis zwei Jahre reduziert wurden.

Des Weiteren können neben Kreditforderungen an nichtfinanzielle Unternehmen nun auch Kreditforderungen gegenüber dem öffentlichen Sektor genutzt werden. Der Sitz des Schuldners ist nicht mehr auf Deutschland beschränkt, er muss lediglich in einem Mitgliedsland des Eurosystems liegen. In einer Übergangsphase von 2007 bis Ende 2011 ist die Einreichung von Kreditforderungen bei der Bundesbank weiterhin ab einem Mindestbetrag von 10 000 Euro möglich, und es wird keine Gebühr für die Einreichung von Kreditforderungen erhoben. Der EZB-Rat hat bereits den ab 2012 geltenden einheitlichen Mindestbetrag auf 500 000 Euro festgelegt, offen ist hingegen die Gebührenfrage.

Bevor die Bundesbank Kreditforderungen als Sicherheit akzeptiert, muss der Kreditschuldner als notenbankfähig beurteilt worden sein. Bisher erfolgte die Beurteilung der Schuldner ausschließlich durch die Bundesbank. Hierzu führt die Bundesbank auf Basis von Jahresabschlüssen und qualitativen Angaben eine Bonitätsanalyse des Schuldners durch. Mit der Einführung des einheitlichen Sicherheitenverzeichnisses können auch andere Verfahren zur Bonitätsbeurteilung herangezogen werden: bankinterne Ratingansätze nach dem Ba-sel-II-Muster, Einstufungen von externen Ratingagenturen oder (bislang generell bedeutungslose) Ratingtools. Allerdings muss sich das Kreditinstitut auf ein primäres Beurteilungssystem festlegen.

Vor diesem Hintergrund erfolgten zusätzlich zur Entwicklung von KEV qualitätssichernde Anpassungen am Bonitätsanalyseverfahren der Bundesbank. Dazu zählt insbesondere die Erstellung abgestufter Bonitätsurteile statt der bislang üblichen Zweiteilung in "notenbankfähig" und "nicht notenbankfähig". Zudem wird in Form eines standardisierten "Faktenblattes" eine übersichtliche Darstellung der Bonitätseinschätzung im Branchenvergleich geliefert, die den ausgewerteten Unternehmen von der Bundesbank zur Verfügung gestellt wird.11)

Technisches Design

KEV baut auf einer webbasierten Plattform mit interaktiven Schnittstellen zwischen Bundesbank und Kreditinstituten auf. Der Zugang erfolgt über das Extra-Net, die E-Business-Plattform der Bundesbank für Kreditinstitute, die eine sichere Basisinfrastruktur für den Zugang zu den Anwendungen der Bundesbank und für den Austausch vertraulicher Daten bereitstellt. Hierfür wird eine verschlüsselte Datenübertragung eingesetzt. Diese nutzt die Secure Socket Layer Technologie in der jeweils aktuellsten Verschlüsselungsversion sowie das https Internet Protokoll. Der sichere Zugang wird durch eine zentrale Autorisierung über User-ID und Passwort für alle Anwendungen in Extra-Net ermöglicht. Um eine größtmögliche Verfügbarkeit sicherzustellen, sind sämtliche Systemkomponenten redundant ausgelegt und physikalisch getrennt.

Die Einreichung von Kreditforderungen in KEV kann interaktiv im Online-Verfahren und/oder dateiorientiert im File-Transfer-Verfahren erfolgen. Der File-Transfer empfiehlt sich insbesondere bei einer hohen Anzahl von Transaktionen. Die Masken im Online-Verfahren werden über den Inter-net-Browser bedient, wobei die gängigen Anbieter unterstützt werden, sodass hierfür keine gesonderte Hard- und Software beim Kunden erforderlich ist. Beim File-Transfer-Verfahren benötigen die Kunden eine Umsetzungsroutine, um die XML-Templates erstellen beziehungsweise verarbeiten zu können. Diese Umsetzungsroutinen müssen an die internen Systeme der Kunden angepasst werden.

Derzeit verwenden sechs Teilnehmer das File-Transfer-Verfahren, weitere sind dabei, die Umsetzungsroutinen in Eigenentwicklung oder mit Hilfe eines Softwareanbieters zu erstellen. Gegenwärtig wird an der Programmierung einer "Standardlösung" gearbeitet, die prinzipiell auch von anderen File-Transfer-Teilnehmern eingesetzt werden könnte.

Notenbankfähige Sicherheiten und Inanspruchnahmen im Sicherheitenkonto

Die Bundesbank führt für ihre geldpolitischen Geschäftspartner rund 1 250 Sicherheitenkonten. Ein solches Konto ist zur Teilnahme an den geldpolitischen Operationen zwingend erforderlich. Auf dem Sicherheitenkonto werden sämtliche der Bundesbank zur Verfügung gestellten Sicherheiten zusammengeführt (Dispositionsdepotbestände, Xemac-Allokationen und Kreditforderungen). Zwischen der Anwendung KEV und dem Integrierten Pooling System für Sicherheiten, dem IPS, in dem die Sicherheitenkonten geführt werden, besteht eine elektronische real-time Schnittstelle. Diese gewährleistet, dass alle eingereichten notenbankfähigen Kreditforderungen unverzüglich dem Sicherheitenbestand eines jeden Geschäftspartners zugebucht werden.

Im Sicherheitenkonto erscheinen immer nur die Beleihungswerte der einzelnen Sicherheitenarten. Bei Wertpapieren erfolgen zuvor Abschläge von den Marktwerten in Abhängigkeit von Liquiditätsklassen und Restlaufzeiten, bei Kreditforderungen geschieht dies relativ zu den Nominalwerten. Diese Abschläge sind europaweit einheitlich. Auf dem Sicherheitenkonto wird der Gesamtbestand der vorhandenen Sicherheiten abzüglich der Inanspruchnahmen zusammengeführt und dann der freie Beleihungswert ermittelt, der jedem Geschäftspartner geschäftstäglich als Innertageskredit - insbesondere zur Abwicklung des unbaren Zahlungsverkehrs - oder zur Verwendung von automatisiertem Übernachtkredit zur Verfügung steht.

Seit kurzem haben die Geschäftspartner auch die Möglichkeit über eine Online-Auskunft (elektronische Öffnung) jederzeit Einblick in ihre Sicherheitenbestände zu nehmen. Die Fragen, die im Zusammenhang mit der europaweiten Einführung des Wirtschaftskredits als Sicherheit entstanden, sind das zentrale Thema dieses Papiers (Abbildung 3).

Die neue Anwendung KEV wurde von den Geschäftspartnern von Beginn an sehr gut angenommen und durchweg positiv beurteilt. Nach den ersten drei Monaten Betrieb beläuft sich der Bestand der eingereichten Kreditforderungen schon auf fast 12 000 Stück. Den mehr als 30 Teilnehmern steht damit ein Nominalwert von insgesamt 15 Milliarden Euro zur Verfügung. Weitere rund 20 Banken haben in den nächsten Wochen ihren Anschluss an KEV ins Auge gefasst. Darüber hinaus haben noch zirka 50 weitere Banken grundsätzliches Interesse an der Nutzung von Kreditforderungen bekundet. Das Interesse am Verfahren wächst mit seinem Bekanntheitsgrad.

Einfachere Handhabung

Sowohl den Geschäftspartnern als auch den bundesbankinternen Arbeitseinheiten wurde mit KEV ein leistungsfähiges und kundenfreundliches System zur Einreichung und Verwaltung von Kreditforderungen zur Verfügung gestellt. Offenkundig ist die Nutzungshäufigkeit der gewählten Sicherheiten eine Größe, die von den relativen Kosten geprägt wird. Insoweit die Attraktivität der Wirtschaftskredite aufgrund einer einfacheren Handhabung, das heißt insgesamt niedrigerer Transaktionskosten zunimmt, dürfte ihre Bedeutung in der Refinanzierung steigen. Nach der Einführung des neuen Bietungssystems Omtos im November 2005 leistet nun auch KEV bereits kurz nach Produktionsaufnahme einen weiteren wichtigen Beitrag zur effizienten und sicheren Durchführung der Geldpolitik.

Die Bundesbank wird auch bei künftigen Projekten auf die positiven Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit ihren Geschäftspartnern aufbauen. Das ist offenkundig verfahrensökonomisch sinnvoll. Es steht überdies im Einklang mit dem Prinzip der Marktkonformität. In diesem Zusammenhang wäre zum Beispiel überlegenswert, auf Anregungen aus der Kreditwirtschaft aufbauend, ob auch Kreditportfolios als Sicherheiten möglich sind. Genau so könnte man sich vorstellen, dass marktübliche ABS-Konstruktionen, die den erforderlichen Absicherungsansprüchen genügen, Bestandteil der Sicherheitenliste werden. Aus einer rein funktionalen Perspektive spricht einiges dafür. Denn soweit die Ausstattungsmerkmale in den wesentlichen Dimensionen identisch sind, handelt es sich ja um direkte Substitute.12) Die operative Umsetzung der Geldpolitik, genauer deren Werkzeuge, werden sich auch künftig mit den Märkten entwickeln.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X