Aufsätze

Fundingprozesse optimieren: Liquiditätspotenziale mit EZB-Funding heben

Bislang galt unter Finanzmarktakteuren die Liquiditätssteigerung durch Einreichen notenbankfähiger Kredite bei der Bundesbank als umständlich und teuer. Solange sich die Banken untereinander Geld liehen, war es für sie einfacher, Liquidität über den Interbankenmarkt zu sichern. Doch das Vertrauen der Institute im Interbankenmarkt ist noch nicht zur Normalität zurückgekehrt - im Gegenteil. Die EZB zeigt sich nach wie vor besorgt darüber, dass der Interbankenhandel nicht in gewohnter Weise funktioniert. Damit steigt das Interesse der Verantwortlichen nach Alternativen - beispielsweise durch die Einlieferung notenbankfähiger Kreditforderungen als Sicherheit gegen kurzfristige Mittelaufnahmen bei der EZB.1)

Mit notenbankfähigen Sicherheiten die Wirtschaft stützen

Zu den notenbankfähigen Kreditforderungen zählen beispielsweise Wirtschaftskredite an Unternehmen. Der Begriff "Wirtschaftskredit" ist hierbei nicht klar definiert. Es ist aber erkennbar, dass es sich hierbei um Kredite an Unternehmen handelt, die ihren Schwerpunkt in der Produktion von Waren und Dienstleistungen haben. Diese Wirtschaftszweige sollen durch die Geldvergabe gefördert werden. Reine Finanzdienstleister sind davon ausgenommen (abgegrenzt nach ESVG 95).2)

Bei der Einreichung in das "Pfanddepot"3) wird zwischen marktfähigen und nichtmarktfähigen Sicherheiten unterschieden. Im Folgenden liegt der Fokus - da es um Kredite geht - auf den nicht-marktfähigen Sicherheiten: Dies sind im Wesentlichen Kredite und Schuldscheindarlehen. Die EZB will damit die finanzielle Stabilität und das allgemeine Wirtschaftswachstum im Euroraum sichern und den Kreditinstituten Anreize geben, Kredite an Unternehmen zu vergeben. Um das Eurosystem vor Verlusten aus möglichen Insolvenzen von Kreditinstituten zu schützen und eine Gleichberechtigung der Geschäftspartner zu gewährleisten, müssen die eingereichten Kredite bestimmte Kriterien erfüllen, um als "notenbankfähige Sicherheiten" beziehungsweise "notenbankfähige Kredite" von der EZB anerkannt zu werden.4)

Grundsätzlich muss es sich um Kredite handeln, bei denen der Kreditnehmer über eine erstklassige Bonität verfügt. Diese einwandfreie Bonität der Kreditnehmer ist durch ein von der Deutschen Bundesbank anerkanntem Ratingverfahren festzustellen.5) Aktuell können Kredite mit einer Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit von bis zu 0,40 Prozent genutzt werden. Dies resultiert aus der Ausweitung des Sicherheitenrahmens durch die EZB, welcher am 15. Oktober 2008 beschlossen und jüngst durch die EZB bis Ende 2010 bestätigt wurde.6) Grundsätzlich sind nur Kredite bis zu einer Ein-Jahres-Ausfallwahrscheinlichkeit von bis zu 0,10 Prozent notenbankfähig. Ferner muss der Kredit bereits ausgezahlt sein. In Betracht kommen ausschließlich (bilanzwirksame) Euro-Darlehen mit Vertragsrecht und Sitz des Kreditnehmers in einem Land im Euro-Währungsgebiet. Vertragsrecht und Sitz müssen dabei nicht unbedingt übereinstimmen. Der wesentliche Kriterienkatalog ist in der Tabelle aufgelistet.

Werden Kredite in das EZB-Pfanddepot eingeliefert, so können diese Kredite für andere kreditbasierte Fundingmaßnahmen nicht mehr genutzt werden. Konkret steht ein bei der EZB eingelieferter Kredit nicht mehr für Einlieferungen in den Deckungsstock als Pfandbrief oder für die Übertragung des Kredites an einen Dritten (True-Sale-Verbriefung oder Syndizierung) zur Verfügung. Die Entscheidung und Kontrolle über die Einlieferung einer Kreditforderung bei der EZB sollte den zentralen Krediteinheiten obliegen. Der Einlieferungsprozess des einreichenden Kreditinstituts wird im Auftrag der EZB jährlich extern geprüft.

Transparenz und Automatisierung als Voraussetzung

Die Prüfung, Einlieferung, Verwaltung und Rücknahme von notenbankfähigen Krediten ist ein Prozess, der das Zusammenspiel verschiedener Organisationseinheiten innerhalb des Kreditinstituts erfordert. Wesentlich ist, den Prozess so transparent wie möglich zu gestalten und einen hohen Automatisierungsgrad für die Datenaufbereitung und den elektronischen Datenaustausch mit der Bundesbank sicherzustellen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sollte bereits in der Planungsphase ein Verantwortlicher für das EZB-Management ernannt werden. Dieser ist damit betraut, den Prozess der Einreichung unter fachlichen und auch datentechnischen Bedingungen vorzubereiten und grundsätzliche Fragen im Vorfeld zu klären.

Darüber hinaus hält ein solcher "EZB-Manager" den Kontakt zur Deutschen Bundesbank. Im Auftrag der EZB nimmt die Deutsche Bundesbank für in Deutschland ansässige Kreditinstitute die Abwicklung vor. Weiterer Vorteil einer klaren Verantwortlichkeit für das EZB-Management: Die gesamte Prozesskoordination sowie die fachliche und technische Weiterentwicklung der Einreichung von Kreditforderungen liegen als fester Bestandteil der Fundingstrategie eines Kreditinstituts in einer Hand.

Vier Stufen für den Einreichungsprozess

Der Prozess im engeren Sinne umfasst vier Stufen, die zum Teil auch dezentral gesteuert werden können (siehe Abbildung).

Der Hauptprozess "Potenzialerhebung und Kreditbereitstellung" berücksichtigt dabei die kreditrelevanten Aspekte der Bearbeitung sowie die Kapitalallokation und die Zieldefinition. Hierunter fallen das "Scanning" des Kreditportfolios nach technisch abgreifbaren Kriterien und die Überprüfung der Kreditengagements unter qualitativen

- das heißt nicht-technischen - Kriterien. Die "Einlieferung in das Pfanddepot der Bundesbank" umfasst die Auftragserteilung aus Sicht des Handels sowie die technische Übertragung der Daten (Neueinreichung, Änderungen, Rücknahmen) in das Extranet der Bundesbank.7) Dabei stellt die Deutsche Bundesbank eine manuell zu befüllende Schnittstelle wie auch ein halbautomatisches XML-Interface zur Verfügung.

Die "Nutzung des eingelieferten Kreditpotenzials" obliegt dem Handelsbereich. Er bestimmt, in welcher Höhe die Sicherheiten in der Refinanzierung verwendet werden. Rücknahmen von EZB-fähigen Krediten können auf Veranlassung der Krediteinheiten sofort oder - unter Berücksichtigungen der Kreditdispositionen des Handels bei der EZB - innerhalb weniger Werktage erfolgen. Die Kontrolle hinsichtlich der Anforderungen der Bundesbank an die EZB-Fähigkeit unter kredittechnischen Aspekten und den Anforderungen an Vertrag und Darlehensnehmer erfolgt innerhalb des Prozesses "Überwachung der eingelieferten Kredite" (Warehousing der Kredite). Parallel zu dem beschriebenen Prozess gibt es weitere zu berücksichtigende Aspekte. So muss die Planung notenbankfähiger Kredite in die gesamte Fundingplanung integriert werden. Daneben ist es wichtig, regelmäßig das Liquiditätspotenzial der eingereichten Kreditforderungen zu reporten.

"Indirekte" Einreichung von Krediten

Alternativ zu der direkten Einreichung von Kreditforderungen aus dem eigenen Portfolio der Bank als nicht-marktfähige Sicherheiten, gibt es noch weitere Möglichkeiten, solche Kredite bei der EZB als
Sicherheit zur Erhöhung des Fundingpotenzials zu hinterlegen. Konkret können Kredite indirekt über Verbriefungstransaktionen oder über eigene Pfandbriefe als marktfähige Sicherheiten in das Wertpapierdepot, welches bei der Deutschen Bundesbank geführt wird, eingeliefert werden. Auf beide Varianten soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

Emittiert das Kreditinstitut Pfandbriefe etwa gegen Deckungsmassen aus Schiffskrediten, Immobilienkrediten, Krediten an die öffentliche Hand oder seit Ende März 2009 auch gegen Flugzeugkredite - so können Emissionen des Kreditinstituts zurückgekauft werden und ab einem Rating von "BBB+" des Kreditinstituts (Emittentenrating) oder der Pfandbriefemission (Emissionsrating) bei der EZB eingeliefert werden. Bei Nutzung von Verbriefungen wird ein Kreditportfolio auf eine Zweckgesellschaft übertragen (ein sogenannter True Sale). Die Zweckgesellschaft emittiert ihrerseits zur Finanzierung des Kaufs der Kredite Wertpapiere, die unmittelbar von dem Kreditinstitut wieder zurückgekauft werden. Somit wird erreicht, dass das in Rede stehende Kreditportfolio durch die emittierten Wertpapiere der Zweckgesellschaft als marktfähige Sicherheit fungibel und abtretbar ist. Unter Beachtung der hohen Sicherheitsstandards der EZB kann ein mit der höchsten Bonitätseinschätzung "AAA" bewertetes Wertpapier der Transaktionsgesellschaft bei der EZB als Sicherheit hinterlegt werden.

Wesentlicher Vorteil solcher indirekter Einreichungen von Krediten über Pfandbriefe oder Verbriefungen ist, dass auch Kredite, die nicht als Wirtschaftskredite eingestuft werden (vergleiche Tabelle), zur Erhöhung des Refinanzierungsrahmens bei der EZB genutzt werden können. Insbesondere Kredite an Verbraucher (zum Beispiel Kredite zur Finanzierung von Immobilien oder Kraftfahrzeugen), an Finanzinstitutionen (an Sparkassen oder an nicht mehr als Wirtschaftsunternehmen eingestufte Leasingunternehmen) oder Kredite an Wirtschaftsunternehmen mit nicht ausreichender Bonität (etwa Kredite mit Ausfallwahrscheinlichkeiten zwischen 0,40 Prozent und 1,00 Prozent) bieten sich für eine solche indirekte Einreichung an. Existieren ferner im Kreditinstitut etablierte und standardisierte Prozesse für solche Transaktionen, so kann die indirekte Einreichung von Krediten einen kurzfristigen Erfolg sichern.

Darüber hinaus können diese Transaktionen im Falle einer Erholung des Kapitalmarkts unmittelbar wieder zur Stützung der mittel- und langfristigen Refinanzierung genutzt werden. Während aktuell eine Refinanzierung über die EZB immerhin mit Laufzeiten von bis zu einem Jahr möglich ist,8) steigt gerade die Emissionstätigkeit bei Pfandbriefen und gedeckten Bankschuldverschreibungen (Covered Bonds) unter anderen europäischen Gesetzgebungen mit einer Laufzeit von drei bis sieben Jahren seit April 2009 wieder an. Zudem dürfte das Ankaufprogramm von Covered Bonds durch die EZB die Liquidität bei Primär- und Sekundarmarkttiteln wieder steigen lassen.

Andererseits stellt die Nutzung von Pfandbriefen und Verbriefungen hohe Anforderungen an die Homogenität der Kreditportfolios (etwa bezüglich Art und Branche der Finanzierung). Zudem bedarf es - im Falle des Pfandbriefs - einer entsprechenden Lizenz durch die BaFin. Im Falle einer "True Sale"-Verbriefungstransaktion ist mit hohen Dokumentations- und Strukturierungsanforderungen gegenüber Wirtschaftsprüfern, Rechtsanwaltskanzleien und Ratingagenturen zu rechnen.9)

Auch in normalen Zeiten

Ein automatisierter Prozess zur Einreichung von Kreditforderungen in das "Pfanddepot" der EZB kann die kurzfristige Refinanzierung einer Bank nachhaltig stärken. Die Implementierung von derart komplexen, parallel laufenden Prozessen mit zahlreichen Akteuren innerhalb des Kreditinstituts und die damit verbundene Zusammenarbeit mit der Deutschen Bundesbank ist eine echte Herausforderung. Sie kann gelingen und deutlich beschleunigt werden, wenn die technischen Notwendigkeiten mit den fachlichen Prozessanforderungen gebündelt werden. Durch eine zentrale Koordination und effizient gesteuerte, technisch gestützte Abwicklung können die kurzfristigen Liquiditätsbedarfe für ein Firmenkreditportfolio adäquater Risiko- und Fälligkeitsstruktur, auch bei wenig standardisiertem Kreditgeschäft, innerhalb weniger Wochen ohne externe Abhängigkeit von etwa Marktteilnehmern, Ratingagenturen und Anwaltssozietäten über besicherte EZB-Kredite gedeckt werden.

Ein solches Engagement für die Erhöhung des Fundingpotenzials durch das Einreichen notenbankfähiger Kredite bei der EZB ist aber nicht nur in der aktuell schwierigen Marktlage von Vorteil. Eine Erhöhung des Liquiditätspotenzials auf diesem Wege sollte auch in normalen Zeiten Teil einer flexiblen und effizienten Fundingstrategie sein.

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