Gespräch des Tages

Commerzbank - Ein Hauch von Traumtänzerei

Mit dem vollständigen Kauf der Dresdner Bank im Jahr 2008 begann für die Commerzbank eine neue Zeitrechnung. Durch Integration der damaligen Allianz-Tochter wollte man einen Marktführer mit europäischem Format formen und Mehrwert für die Aktionäre schaffen. Die "neue" Commerzbank sollte zur führenden Privat- und Firmenkundenbank in Deutschland aufsteigen. Bekanntlich verliefen die vergangenen vier Jahre deutlich anders als erhofft. Angesichts der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise und der herausfordernden Integration der Dresdner Bank startete man bereits im Mai 2009 den Versuch einer Neupositionierung. Mit dem Drei-Punkte-Programm "Roadmap 2012" wollte man sich auf das Kundengeschäft fokussieren, das Assetbasierte Kreditgeschäft in den Bereichen Immobilien- und Staatsfinanzierung optimieren sowie die nicht zum Kerngeschäft passenden Portfolien durch ein aktives Abbau-Management reduzieren - seit Mitte 2012 plötzlich einschließlich der gewerblichen Immobilien- und der Schiffsfinanzierung. Manche der gesteckten Ziele konnte das Institut - trotz weiter verschärfter Eigenkapitalanforderungen - erreichen, nicht zuletzt die Verfehlung der angepeilten Erträge und der Aufwandsquote schürten allerdings Handlungsdruck. Und die Aussetzung der Zinszahlungen für die in Anspruch genommene Staatshilfe bei gleichzeitig aggressiver Konditionenpolitik im Privatkundengeschäft machte die Bank besonders bei den Instituten der Verbünde zum beliebten verbalen Angriffsziel.

Besser werden soll nun alles mit einer neuen Strategie und einer Neuausrichtung des Geschäftsmodells im Privatkundengeschäft. Die Vorstellung der geplanten Strategie anlässlich eines "Investor's Day" ließ allerdings Euphorie vermissen, der Vorstand wirkte erschöpft und ohne Esprit. Erstaunlich war jedenfalls, welche Maßnahmen und Strategien im Geschäftsfeld Privatkunden als Heilsbringer angepriesen wurden. So habe man begonnen, das Vertriebsmodell im Privatkundengeschäft konsequent an der Zufriedenheit der Kunden auszurichten. Die Beratung im Sinne des Kunden und nicht der Verkauf von Produkten sollen künftig im Vordergrund stehen. Das Geschäftsmodell will man dabei umfassend an den Kundenwünschen Fairness und Kompetenz orientieren. Vier Filialtypen mit abgestuftem Produkt- und Dienstleistungsangebot und flexibleren Öffnungszeiten sollen eine zielgerichtete Marktbearbeitung vor Ort ermöglichen. Das alles sind eigentlich Selbstverständlichkeiten.

Die Neuausrichtung des Geschäftsmodells im Privatkundenbereich mutet deshalb an wie der billige Strategie-Abklatsch von Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Diese beiden Institutsgruppen sehen sich ebenfalls als moderne Multikanalbank und schätzen das Instrument flexibler Öffnungszeiten, um gerade in der Fläche kleinere Zweigstellen mit genügend Servicekräften ausstatten zu können. Einen Kundenkompass zur strukturierten Abfrage der jeweiligen Lebenssituation, Wünsche und Pläne sowie der Liquiditäts- und Vermögenslagen kennen die Sparkassen in Form des Finanzkonzepts und die Genossenschaftsbanken als VR-Finanzplan ebenfalls bereits seit Langem. Einziges wirkliches Alleinstellungsmerkmal der neu vorgestellten Commerzbank-Strategie könnten die unabhängige Finanzberatung und eine Art "offener Produktarchitektur" sein.

Bemerkenswerterweise kündigte die Hypovereinsbank am gleichen Tag wie die Commerzbank an, ihr Geschäftsmodell über eine stärker regional und unternehmerisch ausgerichtete Organisationsstruktur forcieren zu wollen. Angesichts dieser Bekenntnisse der Commerzbank und der HVB zu einer differenzierten regionalen Marktbearbeitung müssen sich die Verbünde in ihrer Strategie einmal mehr bestätigt fühlen. Insbesondere der Genossenschaftssektor darf die strategische Neuausrichtung der Wettbewerber als späten Triumph im internationalen Jahr der Genossenschaften empfinden.

Sicherlich: Sollte das Konzept der Commerzbank aufgehen, wird sich der regionale Wettbewerb weiter verschärfen. Aber die gelbe Bank wird gewiss noch einige Erfahrungen sammeln müssen, was den Unterschied zwischen Preis- und Qualitätsführerschaft ausmacht.

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