Gespräch des Tages

Bundesbank - Erklärungsnot nach Alleingang

Was macht Axel Weber da? In kleinem Kollegenkreis kündigte der Notenbankpräsident an, für eine zweite Amtszeit nicht zur Verfügung zu stehen und alsbald aus dem Amt scheiden zu wollen. Den sofortigen Rücktritt nach dem Muster Horst Köhler konnte die Kanzlerin zwar mit einem Telefonat am nächsten Tag noch verhindern, doch längst hatte sich die Nachricht rund um den Globus verbreitet und brachte alle Beteiligten in Erklärungsnöte. Denn statt mit klaren Statements die Spekulationen einzudämmen, ließen Weber selbst wie die Bundesbank und die Kanzlerin wilden Gerüchten freien Lauf. Sind damit Deutschlands Ambitionen auf den EZB-Chefposten dahin? Weber ist jedenfalls kein durchsetzbarer Kandidat mehr. Wechselt Weber zur Deutschen Bank - wenn ja, als Nachfolger von Josef Ackermann oder doch als Aufsichtsratsvorsitzender? Wer folgt an der Bundesbankspitze? Derartige Unsicherheiten passen nicht zur sonst so stabilitätsorientierten Denk- und Handlungsweise des geldpolitischen Hardliners Axel A. Weber - im Gegenteil, sie sind der krasse Gegensatz.

Bleibt die Frage nach den Beweggründen: War es mangelnde Unterstützung durch die Kanzlerin in der EZB-Chef-Frage? Denkbar, Weber ist nicht der Mensch für lange Hängepartien und politisches Geschachere. War es die Sorge vor der Isolierung innerhalb der EZB? Webers Ansichten etwa zum Anleihenankauf sind derzeit nicht mehrheitsfähig im EZB-Direktorium. War es die Sorge der zunehmenden politischen Einflussnahme auf die EZB? Möglich, Weber will seine Vorstellungen erreichen und durchsetzen. Bis diese Ausgabe erscheint, sind sicher einige der vielen Fragen geklärt, aber Webers überraschender Vorstoß samt Kommunikationsdesaster hat vielen Beteiligten Schaden zugefügt.

Zunächst natürlich ihm selbst. Als EZB-Präsident ist er verbrannt. Der Wechsel in die private Wirtschaft, erst recht zu einer Bank, die der Bundesbankchef kraft Amtes beaufsichtigt, wird kritisch gesehen, drohen doch immer wieder erhebliche Interessenkonflikte. Daran ändert auch eine lange Übergangs- oder Karenzzeit nichts. Weber wird nun mit Worten und Taten zeigen müssen, ob er sich persönlich und in seiner Überzeugung zur Stabilitätskultur treu geblieben ist. Lässt er sich noch in die geldpolitische Schadensbegrenzung einspannen? Lockt der Verbleib auf der ganz großen Bühne und/oder das Geld in der Privatwirtschaft? Oder kommt wirklich der Rückzug in den wissenschaftlichen Alltag in Frage? Draußen wird jeder genau überlegen, ob man einen derart überraschungsfreudigen Manager/Chef aushalten kann und will.

Das wird auch die Deutsche Bank abwägen. Natürlich würde ein Axel Weber mit seinen (geld-)politischen Kontakten dem Haus gut tun. Doch ihm fehlt jeder operative Hintergrund im Bankgeschäft. Und Josef Ackermann in kommunikativer Hochform zu ersetzen, wird schwer, das hat die jüngste Bilanzpressekonferenz wieder gezeigt. Bleiben nicht zuletzt die Ambitionen von Anshu Jain. Dieser strebt selbst den Vorstandsvorsitz an. Ob sich seine Vorstellungen der Amtsführung mit einem möglichen internen oder dem externen Kandidaten Weber vereinbaren lassen ist fraglich. Wahrscheinlich ist letztere Lösung (jetzt erst recht) nicht (mehr).

Wie steht es drittens mit der Bundesbank? Dass ihr einmal mehr ein Präsident wegen Reibereien mit der Bundespolitik abhanden kommt, dürfte ihr Ansehen in der deutschen Bevölkerung zwar stärken, doch wird es sehr auf die Nachfolgeregelung ankommen, ob das Haus nicht doch noch Schaden nimmt. Eine politische Besetzung mit Nähe zur deutschen Politik ist ungünstig. Der Kandidat muss wie Weber über ein geld- und finanzpolitisches Fachwissen verfügen und für Stabilität stehen. Der EZB als viertem Beteiligten fehlt erst einmal eine wichtige Stimme für die Stabilitätskultur. Auch um die Nachfolge von Trichet ist nun ein neues Wettrennen eröffnet. Die Märkte werden gnadenlos austesten, wie ernst es der EZB mit ihrem Bekenntnis zum Erhalt der Geldwertstabilität wirklich ist.

Die größten Verlierer sind aber die Bundesregierung und die deutsche Politik. Es muss der Eindruck entstehen, dass hier jeder macht was er will und die Kanzlerin die Zügel nicht in der Hand hält. Auch wenn manche Stimmen auch ohne Weber weiterhin den deutschen Anspruch auf den EZB-Chefposten untermauern, ist es eher unwahrscheinlich, dass ein anderer deutscher Kandidat die notwendige Unterstützung aus dem benachbarten Ausland, vor allem Frankreich, bekommen wird. Die Kanzlerin muss sich natürlich fragen lassen, ob sich dies mit einem deutlicheren Bekenntnis zu Weber hätte vermeiden lassen. Auf lange Sicht könnten all diese Querelen das Vertrauen in den Euro beschädigen.

Nein, Axel Weber hat mit diesem ganz offensichtlich persönlich geprägten Alleingang niemandem geholfen - und die Erklärungsnöte bleiben.

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