Leitartikel

Bankenjahr 2011 - ein exemplarischer Ausblick

Was wird aus der WestLB? Gleich mehrfach hat man in den vergangenen Jahrzehnten mit dieser Frage mühelos einen Ausblick auf die deutsche Bankenszene starten können. Doch wahrscheinlich war die Aussicht auf wirklich nennenswerte Veränderungen in Düsseldorf nie so groß wie 2011. Denn bis Mitte Februar sieht die vom Bundesfinanzminister und dem Länderkollegen aus NRW mit der EU-Kommission erzielte Verständigung vor, "im konstruktiven Dialog das Zukunftskonzept für die Bank auf Basis eines überarbeiteten Umstrukturierungsplans fortzuentwickeln". Was in dieser offiziellen Sprachregelung der WestLB nach einer eher entspannten Gesprächsatmosphäre klingt, dürfte in der Sache von harten Verhandlungen geprägt sein. Denn angefangen von den direkt Beteiligten der Politik in Berlin und Brüssel bis hin zu den indirekt involvierten Aufsichtsinstanzen Bundesbank und BaFin ist ein erheblicher Druck aufgebaut worden, sich endlich auf ein wirklich tragfähiges Konzept zu einigen.

Wer den öffentlich-rechtlichen Bankensektor länger im Blick hat, mag selbst in dieser Situation nicht an die abrupte Änderung der Strukturen glauben. Dazu war seine Widerstandsfähigkeit und sein Beharrungsvermögen gegen alle Anfeindungen zu ausgeprägt. Aber diesmal sei die Prognose gewagt, dass am Jahresende 2011 wesentlich klarer ersichtlich ist, wohin zumindest der Landesbankensektor steuern wird. Allem Anschein nach ist die erforderliche Neuordnung durch die üblichen evolutionären Anpassungen innerhalb der Gruppe derzeit nicht erreichbar. Aber vielleicht lassen sich in einem ähnlichen Zeitrahmen wie für die ohnehin anstehende Umsetzung des Basel-III- Regelwerks Perspektiven für die Schaffung tragfähiger Geschäftsmodelle eröffnen. Wahrscheinlich bleibt es zunächst bei Stand-Alone-Lösungen und dem Exit von ein oder zwei Landesbanken, wobei Letzterer einen zusammenhängenden Verkauf möglichst großer Unternehmensteile innerhalb und außerhalb des öffentlich-rechtlichen Sektors bedeuten kann und auch die Abwicklung nicht überlebensfähiger Portfolios einschließt. Ob es im Zuge einer zumindest eingeleiteten Neuordnung des Landesbankensektors, wie selbst von den privaten Banken erhofft, eine weitere international wettbewerbsfähige Großbank geben wird, ist eine Frage der betrachteten Geschäftsfelder. Innerhalb des eigenen Sektors wird die S-Gruppe sicher versuchen, Strukturen zu schaffen, um ihre Unternehmenskunden kompetent ins Ausland begleiten zu können. Zumindest bis in beherrschbare

Risikodimensionen hinein ist es für die Sparkassenorganisation zudem sicher reizvoll, Unternehmen und/oder Konsortien bei größeren kommunalen, regionalen oder auch (inter-) nationalen Infrastrukturprojekten zu begleiten. In den internationalen Gefilden des Investmentbankings ernsthaft mitzuspielen, wird die Gruppe aber sicher meiden. Das bleibt hierzulande auf absehbare Zeit allein der Deutschen Bank vorbehalten. Für die Sparkassenorganisation kann es, ähnlich wie für die Commerzbank, lediglich um eine kluge Verzahnung von Corporate- und Investmentbanking gehen.

Egal wie sich bei der Deutschen Bank das enorm wichtige Investmentbanking 2011 entwickelt, wird das größte deutsche Institut mit der Konsolidierung der Postbank zunächst den Einfluss des Retailbanking im Konzern spürbar verstärken und damit die angestrebte Verstetigung der Ertragslage befördern. Sicher wird diese Verschiebung der Gewichte auch in der immerwährend aktuellen - aber an den offiziellen Zeitläufen gemessen viel zu frühen - Debatte um die Nachfolge für Josef Ackermann ihren Niederschlag finden. Die Entwicklung und strategische Ausrichtung der Bank in den vergangenen Jahren spricht hier eindeutig für Anshu Jain - auch wenn man sicher darüber sinnieren kann, ob es für diesen überhaupt klug ist, das Amt anzustreben. Das Bauchgefühl schließt freilich eine andere Lösung nicht aus. Interessant wird es sein, wie weit sich die Deutsche schon 2011 eine Führungsdiskussion aufdrängen lässt oder selbst den kontrollierten Fortgang dieser Dinge bestimmen kann.

Die Fäden des Handelns in der Hand halten will auch die Commerzbank. Doch dazu wäre es im Sinne einer Vertrauensbildung an den Märkten und Imagestärkung in der Öffentlichkeit überaus hilfreich, wenn endlich die Bedienung der stillen Einlage des Bundes beginnen würde und ein wirtschaftlich belastbares Szenario für den Ausstieg des Staates vorgelegt werden könnte (siehe Interview Müller). Damit wäre die Bank für die Ortsbanken aus dem Sparkassen- und Genossenschaftslager in ihrer Konditionenpolitik weniger angreifbar.

Die Primärbanken der beiden Verbundgruppen selbst müssen sich um die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells keine grundsätzlichen Sorgen machen. Wie gut sie sich im Wettbewerb behaupten können, hängt angesichts der an das Regionalprinzip gebundenen Geschäftsgebiete allerdings stark von dem regulatorischen und dem geldpolitischen Umfeld ab. Konnten viele Ortsbanken in den beiden vergangenen Jahren dank der lockeren wie berechenbaren Geldpolitik der EZB mit gut vertretbarem Risikokalkül erfreuliche Ergebnisbeiträge aus der Fristentransformation generieren, müssen sie nun ausloten, mit welchen Produkten und Dienstleistungen sie künftig auskömmliche Ergebnisbeiträge erwirtschaften wollen.

Regulatorisch dürfte Basel III auch über den notwendigen Kapitalbedarf der DZ Bank für ihre Beteiligungen indirekten Einfluss auf die Kreditgenossenschaften haben. Daneben sind es vor allem national wie international längst nicht ausdiskutierte Fragen der Abgaben- und Steuerbelastung, die die ohnehin oft dürftigen Margen der Sparkassen und Volksbanken erheblich einschränken könnten. Angefangen von der Bankenabgabe über eine Finanztransaktions- oder -aktivitätensteuer hält die Bundesregierung in vielen dieser Fragen zwar den öffentlichen Druck auf die Banken hoch. Aber sie lässt auch anklingen, dass sie in der Steuer- und Abgabenpolitik - wie sie in nahezu allen Beiträgen dieses Heftes aufgegriffen wird - eine zentrale Stellschraube der Standortpolitik sieht. Zumindest verbal gilt ihr dabei ein Level Playing Field als hohes Gut - wenn möglich global, aber als zweitbeste Lösung doch zumindest auf europäischer Ebene.

Eine große Belastung ihrer Ertragslage droht den Primären schließlich aus der spätestens im Frühjahr in Brüssel forcierten Reform der europäischen Einlagensicherung. Sollte sich die von der deutschen Politik breit und eindeutig unterstützte Institutssicherung der Verbünde nur beibehalten lassen, wenn sie quasi als zusätzliches System geführt wird, kommt auf die Ortsbanken eine teure Doppelbelastung zu, die erst einmal aus der ohnehin dürftigen Marge bestritten werden will. Gespannt darf man hier auf die Position der großen deutschen Bankenverbände sein. Werden sie in Brüssel mit einer Stimme sprechen? Wahrscheinlich nein! Aber in diesem Fall wäre das angesichts unterschiedlicher Ausgangslagen sogar verständlich.

Die hier skizzierten Szenarien der (Fein-)Arbeit an Geschäftsmodellen sowie der Auswirkung und Umsetzung von Regularien gehen allesamt von einem Normaljahr 2011 aus. Sollten akute Marktentwicklungen die Prioritäten verschieben, sind es hoffentlich nur gute.

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