Immobiliengesellschaften

Unbegrenzt wachsen? Wenn die Größe zum Problem wird

Till Schmiedeknecht

Großunternehmen haben die Angewohnheit, immer weiter wachsen zu wollen. Der Autor stellt sich die Frage, warum das so ist. Beispiele und Untersuchungen zeigten, dass diese Strategie prinzipiell keinen Erfolg bringt. Grenzenloses Wachstum münde nicht immer in Kostenvorteilen, denn diese Vorteile ließen sich nur bis zu einem gewissen Punkt realisieren. Die Detailgenauigkeit und die Individualität verschwänden. Kleine und mittlere Unternehmen hätten hier einen entscheidenden Vorteil: sie seien flexibler, könnten schneller arbeiten und individueller auf Probleme eingehen und reagieren. Der Autor muss es wissen, denn er leitet ein solches mittelgroßes Dienstleistungsunternehmen. Red.

In den letzten Jahren wurde die Immobilienbranche Zeuge mehrerer Übernahmeschlachten zwischen großen Unternehmen. Gerade erst musste die Vonovia SE, Deutschlands größter Wohnungskonzern, ihren Übernahmeversuch der Deutsche Wohnen AG verloren geben. Nach der gescheiterten Übernahmeaktion kündigte Vonovia an, mithilfe von M & A-Verfahren weitere Wachstumspotenziale ausschöpfen zu wollen. Die Deutsche Wohnen, immerhin der zweitgrößte Konzern in Deutschland, geht einen anderen Weg: Der Vermieter will nur noch aus eigener Kraft wachsen und seinen bisherigen Standortschwerpunkt Berlin nicht weiter verwässern. Insbesondere im Hinblick auf Marktriesen wie Vonovia SE stellt sich die Frage, weshalb die Großunternehmen immer weiter wachsen wollen, denn um Kostenvorteile kann es in diesen Größenordnungen nicht mehr gehen, wie eine neue Studie belegt.

Stattdessen schadet jede neue Fusion von Großunternehmen kleineren Konkurrenten und damit dem gesamten Immobilienmarkt. Diese Entwicklung birgt Gefahren, denn gerade die unauffälligen kleinen und mittleren Gesellschaften sind es, die marktorientiert arbeiten und im Schatten der großen Immobilienkonzerne essenzielle Arbeit für die Branche leisten.

Nicht unbegrenzt Kostenvorteile

Immobilienunternehmen, die längst die Grenze ihres organischen Wachstums erreicht haben, begründen ihre Wachstumsintentionen gerne mit dem Prinzip der sogenannten Economies of Scale. Jeder Student der Betriebswirtschaftslehre lernt dieses Grundprinzip in den ersten Vorlesungen des Studiums kennen: Skaleneffekte sind nichts anderes als Kostenvorteile, die sich daraus ergeben, dass mit höherer Produktionsmenge (und Größe des Unternehmens) die Stückkosten für die Produktion gesenkt werden. Das bedeutet höhere Gewinne und mehr Marktanteile.

Diese Größenvorteile machen sich etwa beim Einkauf von Produktionsmitteln bemerkbar, beispielsweise als Mengenrabatt, aber auch am Kapitalmarkt: Großunternehmen haben in Bezug auf Finanzierungsmaßnahmen und Anleihen eine höhere Flexibilität. Das Freisetzen von Synergieeffekte ist das erklärte Ziel, doch leider wählen die Großen der Branche dafür meist die falschen Mittel. Grenzenloses Wachstum mündet nicht immer in Kostenvorteilen, denn Kostenvorteile lassen sich nur bis zu einem gewissen Punkt realisieren. Dann flacht die Kurve ab und die Größe des Unternehmens wird zum Nachteil.

Studenten der Betriebswirtschaftslehre lernen neben den positiven Skaleneffekten auch die zweite Seite der Medaille kennen - negative Skaleneffekte. Damit werden Synergieeffekte zunichte gemacht und ein Sättigungseffekt wird erreicht. Wird dieser ignoriert und das Wachstum weiter forciert, wird es gefährlich für den Markt. Kleine und mittlere Unternehmen gleichen diese Marktanomalitäten aus und sorgen für Stabilität.

Der Kapitalmarktberater Green Street Advisors veröffentlichte eine Analyse, aus der hervorgeht, dass kleine und mittlere Unternehmen größere Vorteile und Einsparpotenziale haben als die großen Player der Branche. Objektiv betrachtet können ab einer gewissen Größe einfach keine Kostenvorteile mehr erreicht werden und die Skalenerträge rutschen in den Negativbereich - dann tritt der paradoxe Fall ein, dass das gewünschte Wachstum dem Unternehmen schadet.

Peter Papadakos, Analyst der Green Street Advisors, erklärt, dass kleine Unternehmen von einer Zusammenlegung stark profitieren. Kommen zu einem Portfolio aus 20 000 Wohneinheiten weitere 50 000 Einheiten durch eine Fusion hinzu, können positive Skaleneffekte durch die bessere Auslastung der lokalen Büros realisiert werden. Großunternehmen mit mehr als 1 000 Wohneinheiten pro Standort sind allerdings bereits ausgelastet und können nur durch Umstrukturierung oder Aufstockung von Verwaltungsressourcen weiter wachsen.

KMU haben höhere Einsparpotenziale

Das Argument der Ersparnis bei Verwaltungskosten durch M & A ist also ein Trugschluss. Ressourcen, die durch marginale Einsparungen freigesetzt werden, müssen sofort wieder für kompliziertere Hierarchiestrukturen, komplexere IT- und Kommunikationswege und Prozessoptimierungen eingebunden werden, um Qualitätseinbußen zu verhindern. Damit verpuffen die positiven Skaleneffekte, ohne dass ein verwertbarer Wettbewerbsvorteil entstanden wäre.

Die Einkaufsmacht und die Kostenvorteile können durch die Marktgegebenheiten der Immobilienbranche nicht immer effektiv genutzt werden. Immobilienunternehmen verlieren sich in einem hochfragmentierten Markt aus Bauunternehmen, Handwerkern und Lieferanten. Die Kapazitäten der Lieferanten reichen nicht aus, um größere Aufträge auszuführen. Einige Unternehmen gehen deshalb dazu über, Dienstleistungen zu internalisieren. Dadurch gehen jedoch Wettbewerbs- und Kostenvorteile verloren. Gleichzeitig sind Unternehmen dann versucht, die internalisierten Dienstleistungen sowie die dafür geschaffenen Strukturen auch dann zu nutzen, wenn sie eigentlich nicht gebraucht werden. Letztlich führt das wieder zu höheren Kosten und gebundenen Ressourcen. Dieses Zusammenspiel lässt sich am Beispiel von Vonovia derzeit besonders gut veranschaulichen: Die Instandhaltungskosten des größten deutschen Immobilienunternehmens stiegen in letzter Zeit deutlich, während die Mieteinnahmen nicht in gleichem Maße wachsen. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht - trotz der aktuell vorteilhaften Marktsituation in Deutschland.

Ein Naturgesetz in der Welt der Unternehmen scheint zu lauten: Je größer das Unternehmen, desto größer die Kostenvorteile, desto stärker das Unternehmen. Der Preis, den man für mehr Wachstum und Größe zahlen muss, ist die Anwendung von standardisierten Prozessen im Arbeitsalltag - und mit Standardisierungen kommen Schwerfälligkeit und Unbeweglichkeit. Das Auge für das Detail vor Ort und die Individualität verschwindet. Hier haben kleine Unternehmen einen entscheidenden Vorteil: sie haben zwar nicht die Marktmacht und auch nicht die Gewinne eines Großunternehmens, aber sie sind wendiger, flexibler, können schneller arbeiten und individueller auf Probleme eingehen und reagieren.

Immobilien leben von Individualität

Dies gilt insbesondere für Immobilienunternehmen. Standardisierte Prozesse sind ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr geeignet, um alle lokalen Probleme und Herausforderungen zu bewältigen. Immobilien leben von Individualität - und dieser sollte man nicht mit standardisierten Arbeitsabläufen entgegentreten. Eine "One size fits all"-Lösung im Immobiliensektor gibt es nicht. Zu einem wertschöpfenden Asset Management gehört nicht nur das Objektmanagement, sondern auch das Management von Mietern und der Mikrolage. Lokales Knowhow, also das Wissen über die Vernetzung von Anwohnern und Gewerbeeinheiten, demografischen und infrastrukturellen Voraussetzungen, die das Leben in und um das Immobilienobjekt bestimmen, ist unerlässlich, um Synergieeffekte zielgerichtet freizusetzen.

Leider fehlt vielen großen Wohnimmobiliengesellschaften das spezifische Wissen um die Besonderheiten ihrer Branche. Das Management kommt häufig aus anderen Bereichen, aus der Logistik oder dem Handel und geht davon aus, dass sich dort erprobte Konzepte eins zu eins auf den Wohnungsmarkt übertragen lassen. Dadurch werden die Bedeutung der Mikrolage und die große Individualität der Gebäude schnell übersehen. Während sich manche Prozesse, insbesondere der interne Informationsfluss, das Beschwerdemanagement und die Entscheidungsfindungen über Sanierungsvorhaben, gut standardisieren lassen, muss man sich gerade bei Bau- und Sanierungsprozessen auf den Einzelfall einlassen.

Individuelles Assetmanagement bringt mehr Erfolg

Mit bis zu 50 000 Wohneinheiten ist ein aktives Bau- und Mietermanagement vor Ort möglich. Damit haben kleinere und mittlere Unternehmen einen entscheidenden Vorteil in der Geschäftspraxis: Sie können mehr Zeit dafür aufwenden, Strategien zu entwickeln, die an die Immobilie angepasst sind. Die Lage, der Schnitt, die Baualtersklasse, die Mikrolage - das alles sind Faktoren, die sowohl beim Vertrieb als auch bei der Bewirtschaftung eines Objektes von zentraler Bedeutung sind.

Wie effizientes Asset Management aussehen kann, zeigt ein Beispiel aus Köln-Chorweiler. Der Stadtteil im Norden von Köln war über viele Jahre hinweg in Verruf geraten: Arbeitslosigkeit und Kinderarmut machten Chorweiler zu einem sozialen Brennpunkt, der kaum lohnenswerte Investments oder attraktive Immobilien bot. Wie für viele soziale Brennpunkte typisch, war Köln-Chorweiler durch Wohnhochhäuser charakterisiert, die größtenteils unsaniert und in einem schlechten Zustand waren - Produkte für die Massenbehausung von sozial schwächeren Mietern.

Es ist nicht überraschend, dass das Verhältnis zwischen Mieter und Eigentümer von Distanz und Kälte geprägt war. Hier kommt man mit standardisierten Prozessen, wie Großunternehmen sie gerne verwenden, nicht weit. Anstatt weiter Öl ins Feuer zu gießen, muss man sich als Feuerlöscher betätigen und einen Dialog mit den Mietern der betroffenen Wohnhäuser beginnen. Mit einem maßgeschneiderten Sanierungskonzept unter Beachtung der Umstände vor Ort lassen sich Wertschöpfungspotenziale heben: Eine wertsteigernde Sanierung ist aufgrund der Mieterklientel ausgeschlossen - Mieterhöhungen wären nicht tragbar und könnten alteingesessene Anwohner dazu zwingen, in billigere Wohnungen zu ziehen. Gleichzeitig wäre die Suche nach zahlungskräftigeren Mietern schnell an ihre Grenzen gestoßen, denn der Stadtteil Köln-Chorweiler hat ein schlechtes Image.

Die klügere Wahl ist hier eine warmmietenneutrale Sanierung von Fenstern, Fassaden und Heizungsanlagen. Dadurch wird über die Nebenkostenrechnung die Kaltmietenerhöhung ausgeglichen - und die Objekte werden in ihrem Wert gesteigert, ohne den Warmmietpreis in die Höhe zu schrauben.

Das Ergebnis der Studie von Green Street Advisors ist eindeutig: Ab einer Größe von 100 000 Wohneinheiten werden die Kostenvorteile marginal. Wachstum und Kostensenkungspotenziale wirken sich auch nicht auf den Aktienkurs aus, wie die Experten feststellen. Wozu dann die künstliche Expansion? Hier läuft es auf Wachstum um des Wachstums willen hinaus, also auf Wachstum, das am Markt vorbei geht.

Wachstum um des Wachstums willen

Einige Manager, insbesondere im Immobilienbereich, sollten ihre Strategie wieder an den marktspezifischen Gegebenheiten ausrichten. Jede Immobilie und jeder Standort ist anders - das muss in der Strategie berücksichtigt werden.

Aus genau diesem Grund ist es wichtig, dass die kleinen und mittleren Gesellschaften weiter die Verbindung zum Kerngeschäft - einem effizienten Asset- und Mietermanagement - bewahren und an ihren Prinzipien eines gesunden Wachstums festhalten. Sie sollten Skaleneffekte nutzen, bis der Markt eine natürliche Grenze für weiteres Wachstum aufzeigt. An diese Grenzen sollten sich auch die Großen wieder anpassen, denn auf lange Sicht schadet das unnatürliche Wachstum dem wirtschaftlichen Erfolg.

Der Autor

Till Schmiedeknecht Geschäftsführer, BGP Asset Management GmbH, Berlin

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