Bausparen und Bausparkassen 2015

Geschäftsmodell Bausparkasse 2020

Tilmann Hesselbarth

Die deutschen Bausparkassen sehen sich großen Herausforderungen gegenüber. Diese Erkenntnis reift nicht nur im Finanzministerium, das die zuständige Aufsichtsbehörde gerade mit einer Überprüfung des Bausparkassengesetzes beauftragt hat, sondern mehr und mehr auch in den einzelnen Häusern. Denn auch wenn die Preissteigerungen bei den Objekten die niedrigen Zinsen ein Stück weit kompensieren, so fressen sich die Ertragseinbußen doch langsam aber stetig in die Systeme hinein. Aufgrund des sinkenden Sparwillens wird sich der Schwerpunkt künftig auf die Finanzierungstätigkeit richten, meint der Autor. Das außerkollektive Geschäft kann Antworten für die aktuellen Rahmenbedingungen liefern. Auch eine engere Verzahnung auf IT-Ebene mit den Vertriebspartnern Sparkassen hält der Autor für notwendig. Kommt man sich da aber nicht ins Gehege, wenn auch die LBS zunehmend direkt finanziert? Und natürlich darf auch die Optimierung innerhalb des LBS-Verbundes nicht vergessen werden. Hier unternimmt der Autor gerade einen neuen Versuch, die LBS Rheinland-Pfalz zu übernehmen. Viel Erfolg. Red.

Die langjährigen Spargewohnheiten der Deutschen verlieren angesichts der Nullzinspolitik Europas zunehmend ihren Sinn. Negative Guthabenzinsen für Geldanlagen mit geringem Risiko zwingen zur Suche nach Alternativen. Zu den wenigen Möglichkeiten, die in der jetzigen Situation für einen sicherheitsorientierten Vermögensaufbau infrage kommen, gehört die Wohnimmobilie. Dass dies auch die Anleger so sehen, bestätigt die Entwicklung der vergangenen Jahre eindrucksvoll. An attraktiven Standorten und in gefragten Regionen übersteigt die Nachfrage mittlerweile oft deutlich das Angebot.

Zum Teil erheblich gestiegene Preise sind die Folge. Angesichts der positiven Wirtschaftsentwicklung in Deutschland und einer daraus resultierenden steigenden Anziehungskraft für Einwanderer sowie einer nur zeitversetzt wirkenden Neubautätigkeit wird sich an dieser Situation auch in den kommenden Jahren nur wenig ändern.

Neben Kapitalanlegern erkennen mittlerweile auch immer mehr Mieter, dass der Erwerb von Wohneigentum aktuell eines der geeignetsten Mittel zum Aufbau eigenen Vermögens ist. Sie profitieren doppelt: Die ersparte Miete fließt angesichts der niedrigen Zinsen ganz überwiegend in die Tilgung und beschleunigt die Rückzahlung der Baudarlehen. Im Rentenalter entlastet das im Eigenheim steckende eigene Vermögen das Monatsbudget, indem einer der größten Ausgabenposten, die Miete, entfällt.

Herausforderung Baufinanzierung

Als Folge der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank haben auch die Zinsen für Baudarlehen ein historisch niedriges Niveau erreicht. Davon profitiert jeder einzelne Finanzierer von Wohneigentum. Dennoch wird auch zukünftig die Immobilienfinanzierung die größte Investition eines Privathaushalts bleiben - mit den sich aus Höhe und Laufzeit der Finanzierung ergebenden Risiken. Niedrige Zinsen erleichtern die Rückzahlung der aufgenommenen Darlehen - bei einer Darlehenssumme von 200 000 Euro entspricht ein Zinsrückgang von drei auf zwei Prozent einer Zinsersparnis von etwa 23 000 Euro.

Dieser Vorteil wird aber zumindest teilweise wieder zunichte gemacht durch die Preisanstiege am Immobilienmarkt, die der steigenden Attraktivität der Immobilien als Anlageprodukt geschuldet sind. Insgesamt werden sich also Umfang und Dauer einer Finanzierung nur unwesentlich verändern. Damit bleibt der Bedarf zur Einbeziehung des Bausparvertrages in eine Finanzierung unverändert hoch. Bildung von Eigenkapital und die Absicherung des Zinsänderungsrisikos über die lange Laufzeit einer Finanzierung werden auch zukünftig eine wichtige Rolle für die Frage der Machbarkeit von Immobilienerwerb spielen.

- Produktkompetenz: Für die Bausparkassen wird es entscheidend darauf ankommen, inwieweit sie dieses Potenzial nutzen und ihre Expertise als kompetente Baufinanzierungsexperten weiterentwickeln können. Der Bausparvertrag ist das einzige Produkt, mit dem sich ein privater Kreditnehmer nahezu ohne Kosten gegen steigende Zinsen absichern kann. Mit seinen nach wie vor positiven Guthabenzinsen - in den aktuellen Bauspartarifen der LBS Baden-Württemberg zum Beispiel 0,1 Prozent - kann der Bausparvertrag mit vergleichbaren Produkten wie dem Sparbuch unverändert konkurrieren.

Gleichwohl wird sich der Schwerpunkt des Produktes weiter in Richtung eines gesicherten, attraktiven und marktgängigen Bauspardarlehenszinses verschieben. Die Zinssicherungsfunktion des Bausparvertrages rückt noch stärker in den Fokus. Ergänzt werden muss die Produktqualität des Bausparvertrages durch ein konkurrenzfähiges Angebot im außerkollektiven Bereich, mit dem die Bausparkassen Kunden, die sofort finanzieren wollen, an sich binden können.

- Beratungskompetenz: Um im Rahmen einer Baufinanzierung richtig und umfassend zu beraten, benötigen die Bausparkassen gut ausgebildete Beraterinnen und Berater. Zum einen wird eine Baufinanzierung in Zukunft eher komplexer als einfacher werden. Ein gutes Beispiel hierfür bietet die Umsetzung der EU-Richtlinie über Wohnimmobilienkredite in deutsches Recht, die zahlreiche zusätzliche Reglementierungen vorsieht. Zum anderen ist die Qualität der Baufinanzierungsberatung der Schlüssel zum Kunden: Billig und standardisiert beraten kann jeder, aber gut, günstig und zinssicher beraten ist eine Kernkompetenz der Bausparkassen.

Mit einer individuell am Bedarf und den Möglichkeiten des einzelnen Kunden ausgerichteten Finanzierung lässt sich bares Geld sparen. Das erfordert Berater, die in der Lage sind, die Qualität des eigenen Angebotes im Sinne des Kunden nutzbar zu machen und mit den Vorteilen der staatlichen Förderung zu verbinden, wie sie etwa die Wohn-Riester-Förderung bietet oder die zahlreichen Kreditprogramme der staatlichen Förderbanken.

Die Entwicklung geht dahin, den Kunden in allen Fragen rund um seine Immobilie lebenslang umfassend zu begleiten. Schließlich bilden der Erwerb einer Immobilie und deren Finanzierung keinen Abschluss in der Kundenbeziehung. Im Gegenteil: Immobilieneigentum löst notwendig weitere Investitionen aus, etwa zu ihrem Erhalt und ihrer regelmäßigen Modernisierung bis hin zur altersgerechten Anpassung. Der Fokus der Kundenbeziehung muss sich von einer finanzierungsbezogenen Beratung hin zu einer kontinuierlichen anlassbezogenen Beratung verschieben. Der Bausparvertrag bietet dafür eine ideale Grundlage, indem er die langfristige finanzielle Planung derartiger Maßnahmen erlaubt. Das ermöglicht nicht zuletzt die Aufrechterhaltung der Kundenbeziehung auch über Zeitspannen hinweg, in denen kein konkreter Beratungsbedarf besteht.

- Abwicklungskompetenz: Die Bausparkassen gehören zu den größten Wohnimmobilienfinanzierern in Deutschland. Die so erworbene jahrzehntelange Erfahrung in der Bearbeitung und Begleitung von Baufinanzierungen gilt es zu nutzen. Bausparkassen verfügen über äußerst effiziente Prozesse zur Bearbeitung einer großen Anzahl auch individuell unterschiedlicher Kreditfälle. Dabei hilft eine erprobte Software zur Unterstützung der Kreditprozesse genauso wie abgesicherte Verfahren zur schlanken Handhabung der regulatorischen Anforderungen. Die meisten Bausparkassen verfügen dank ihrer flächendeckenden Präsenz über eine sehr detaillierte Kenntnis des Marktes, auf dem sie agieren. Dies erlaubt ihnen die realistische Einschätzung des Risikopotenzials einer Finanzierung und des zugrunde liegenden Objektes. Ein wichtiger Grund für die Tatsache, dass die Bausparkassen die niedrigsten Ausfallquoten bei Finanzierungen aufweisen.

Zudem kommt den Bausparkassen auch ihre Erfahrung in der Produktgestaltung zugute. Die Verknüpfung von Bausparvertrag und Baudarlehen erlaubt die Abbildung der sehr langen Laufzeiten, wie sie eine Baufinanzierung notwendig macht. Diese Kombinationsfinanzierungen erhöhen die Kundenbindung und stabilisieren den Geldeingang. Die Landesbausparkassen profitieren darüber hinaus von ihrer Position als "Systemlieferant Baufinanzierung" für ihren Sparkassenverbund und den sich daraus ergebenden Skaleneffekten.

- Vorteil Verbund: Weiteres Potenzial besteht für die Landesbausparkassen durch ihre Einbindung in die Sparkassen-Finanzgruppe. Die bereits heute sehr enge Zusammenarbeit bietet noch vielfältige Verbesserungsmöglichkeiten zum Vorteil beider Partner. Die Bedeutung des Bausparvertrages als Kundenbindungsinstrument ist belegt. Auswertungen haben gezeigt, dass Sparkassenkunden deutlich häufiger beim eigenen Kreditinstitut finanzieren, wenn sie einen LBS-Bausparvertrag haben als wenn sie keinen oder einen Vertrag einer anderen Bausparkasse besitzen. Auch bewährte gemeinsame Produkte und Abläufe wie der Modernisierungskredit der LBS Baden-Württemberg und die Finanzierung aus einer Hand weisen hier für die Zukunft in die richtige Richtung. Der gemeinsame Vertrieb ermöglicht nachweisbar höhere Volumina im Kreditgeschäft.

Die Anbindung der EDV der Landesbausparkassen an die Systeme der Sparkassen verspricht weitere Vorteile. Sie schafft eine lückenlose Prozesskette mit Einmalerfassung, Datenkonsistenz und dem weitgehenden Verzicht auf Papiertransfer, selbst bei umfangreichen Geschäften wie einer Baufinanzierung. Dabei ist es egal, ob die Mittel aus der Sparkasse oder der LBS kommen oder ob öffentliche Mittel eingebunden werden - der Berater arbeitet immer mit demselben EDV-System.

Die Bausparkasse 2020

Insgesamt werden sich also die Bausparkassen weiterentwickeln müssen, wenn sie ihren Platz im deutschen Finanzierungsmarkt behalten wollen. Die Niedrigzinsphase mit ihren direkten Auswirkungen auf die Unternehmensergebnisse beschleunigt hier nur eine grundsätzlich notwendige Anpassung. Die reine Fokussierung auf den Vertrieb von Bausparverträgen wird nicht mehr ausreichen, um die Erträge zu erzielen, die trotz erhöhter Anforderungen eine gesunde Unternehmensentwicklung erlauben. Die Zukunftsfähigkeit der Bausparkassen wird in ihrer Entwicklung und Wahrnehmung hin zum qualitativ hochwertigen Baufinanzierungsspezialisten liegen. Dabei wird sich der Schwerpunkt von der Anschaffungsfinanzierung hin zu einer lebenslangen Kundenbetreuung verschieben, die man als lebensphasengestütztes Dienstleistungsangebot rund um die Immobilie bezeichnen kann. Dafür müssen die Bausparkassen die richtigen Inhalte entwickeln. Modernisierung, energetische Sanierung, Altersvorsorge bis hin zum altersgerechten Umbau machen spezielle Kompetenzen und Produkte notwendig. Eine Aufgabe, die nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist, die aber zum Beispiel von der LBS Baden-Württemberg bereits mit großem Engagement angegangen wird. Wir blicken mit großer Zuversicht und Vertrauen in das Jahr 2020.

Der Autor Tilmann Hesselbarth Vorsitzender des Vorstands, LBS Landesbausparkasse Baden-Württemberg, Stuttgart
Noch keine Bewertungen vorhanden


X