FACILITY UND PROPERTY MANAGEMENT

BETREIBERVERANTWORTUNG: ZEITNAHE UND FRISTGERECHTE ABARBEITUNG DER MASSNAHMEN SICHERSTELLEN

Sven Reichardt, Foto: P3N

Oft ist es schlichtweg Unwissenheit, die dazu führt, dass das Thema "Betreiberverantwortung" in den Köpfen so mancher Eigentümer zu kurz kommt. Spätestens mit Ausbruch der Corona-Pandemie sollte damit nun Schluss sein, schließlich hat die Krise die Notwendigkeit eines ordnungsgemäßen Gebäudebetriebs offengelegt. Softwarelösungen bieten hier grundsätzlich eine wertvolle Unterstützung, allerdings, so warnt der Autor des vorliegenden Beitrags, sollten Schnellschüsse bei der Implementierung tunlichst vermieden werden. Red.

Betreiberverantwortung bedeutet nicht weniger als die Sicherstellung des ordnungsgemäßen Gebäudebetriebs. Zugrunde liegen ihr zahlreiche Regularien. Wer jenen nicht nachkommt, muss mit teilweise erheblichen Strafen rechnen. Viele Eigentümer verlieren bei der großen Zahl rechtlicher Vorschriften den Überblick und kommen dabei ihren Betreiberpflichten nicht in ausreichendem Maße nach - bewusst oder unbewusst. Viele Organisationen surfen so dauerhaft auf der Rasierklinge und setzen sich und ihre Mitarbeiter mitunter großen Risiken aus.

Hochrelevant in Zeiten von Corona

Um als Betreiberverantwortlicher den Überblick zu behalten, bevorzugen viele die Integration digitaler Systeme. Immerhin können marktbewährte Lösungen die Aufgabenstellungen mit einem durchgängigen Workflow unterstützen: Von der Instandsetzung, Wartung und Inspektion über die Auftragserteilung, Auftragsbearbeitung und Nachverfolgung, die Termin- und Kostenkontrolle bis hin zur Störungsverfolgung und -beseitigung. Doch die Integration einer unterstützenden IT-Anwendung ist nur eine Seite der Medaille. Sie kann und wird den gewünschten Nutzen nur bringen, wenn im Vorfeld die Prozesse rund um die Betreiberpflichten geordnet und entsprechende Verantwortlichkeiten klar benannt sind.

Gerade die Corona-Krise hat die Bedeutung der Betreiberverantwortung neben anderen Bereichen im Facility Management deutlich hervorgehoben. Die Einhaltung von Gesundheitsschutz und Hygienevorschriften für Mitarbeiter, Kunden und Nutzer der Gebäude sind viel stärker in den Fokus und die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Es mussten in kürzester Zeit Maßnahmenpläne und Hygienekonzepte erstellt werden, um die Nutzung der Gebäude und damit den Geschäftsbetrieb weiter zu ermöglichen. Dazu gehörte auch eine aktualisierte Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen.

Besonders gefragte Prozesse im Bereich Facility Management waren unter anderem das Flächenmanagement, das Reinigungsmanagement sowie das Betreiben technischer Anlagen inklusive Wartung und Instandhaltung. Vor allem ging es darum, sehr schnell einen Überblick zu erhalten, welche Arbeitsflächen zur Verfügung stehen und wie diese umorganisiert werden können, um Abstandsflächen und Maximalbelegungen einhalten zu können. Gleichzeitig wurden viele Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt - was in vielen Unternehmen noch andauert. Im Rahmen des Leerstandsmanagements galt es nun, mit den freigewordenen Flächen umzugehen. An die Reinigungsdienstleistungen wurden sofort viel höhere Anforderungen hinsichtlich Umfang, Art und Intensität gestellt. Zugleich gab es durch die geänderte Belegung andere Möglichkeiten und Bedarfe zum Reinigungszeitregime.

Auf den Betrieb technischer Anlagen hat die Corona-Krise ebenfalls deutliche Auswirkungen. Die Einhaltung bestimmter wiederkehrender Fristen und Prüftermine war teilweise gar nicht mehr einhaltbar, weil das nötige Personal nicht zur Verfügung stand - zum Beispiel auch, weil Dienstleister Gebäude nicht mehr betreten durften. Andererseits konnten oder mussten einzelne Bereiche auch "heruntergefahren" und somit außer Betrieb genommen werden.

Damit war es möglich, bestimmte Fristen bis zur Wiederinbetriebnahme aufzuschieben und andere Leistungen unter Umständen vorzuziehen und besser zu erfüllen, weil für Anlagen mehr Zeitfenster zur Wartung zur Verfügung standen. Es kam zu größeren Verschiebungen von Kapazitäten und der Vorwegnahme oder Aufschiebung von Leistungen. Bestimmte technische Anlagen wie etwa klima- oder andere raumlufttechnische Anlagen sind ebenfalls in einen besonderen Fokus gerückt. Hier ging es vor allem darum, die korrekten Einstellungen bezüglich der Frischluftanteile sicherzustellen und die Anlagen hinsichtlich Filterqualität und -wartung auf bestem Stand zu halten.

Im Zuge der Corona-Krise kristallisierte sich - neben allen anderen Aufgabenfeldern - eine wesentliche Herausforderung im Kontext der Betreiberverantwortung heraus: nämlich die Kenntnis und den Überblick rund um den Bestand an Flächen, technischen Anlagen und den daraus abzuleitenden notwendigen Aufgaben fortwährend zu wahren und eine effektive Abstimmung mit den entsprechenden Dienstleistern sicherzustellen. Die Wahrnehmung der Betreiberverantwortung kann längst nicht mehr allein durch Verträge mit externen Dienstleistern gelingen. Als Organisation muss man vielmehr auch selbst in der Lage sein aktuelle Kenntnisse zu den Verpflichtungen, Risiken und den betriebenen Objekten sowie Anlagen zu haben, um eine wirksame Aufsicht und Kontrolle wahrnehmen und schlussendlich die organisatorischen Maßnahmen zur Umsetzung der Betreiberverantwortung ergreifen zu können.

Vielfältige Verpflichtungen

Die Verpflichtungen von Betreibern von Gebäuden, Anlagen oder Liegenschaften sind dabei vielfältig. Sie entstehen aus zahlreichen gesetzlichen Vorgaben und Verordnungen auf EU-, Bundes- oder Landesebene sowie aus Richtlinien und Normen der gesetzlichen Unfallversicherung, staatlichen Ausschüssen oder sonstigen Regeln der Technik wie DIN- oder Verbandsnormen. Bestimmte Pflichten, wie die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen gemäß Arbeitsstättenverordnung, gelten für fast alle Organisationen, während andere nur beim Vorhandensein bestimmter Objekte oder technischer Anlagen relevant bleiben. Beispiele dafür sind die wiederkehrende Prüfung und die sichere Bereitstellung einer Notrufzentrale für Personenaufzüge oder die regelmäßige Überprüfung rahmenloser Glastüren.

Gut aufgestellte Organisationen behalten zur Wahrnehmung ihrer Betreiberverantwortung die folgenden Aspekte im Blick:

1. Sicherstellung einer adäquaten Organisation zur Betreiberverantwortung - sowohl aufbauorganisatorisch bezüglich Verantwortlichkeiten als auch für Abläufe und funktionierende Prozesse.

2. Aktuelle Kenntnis aller Objekte, technischer Anlagen und Liegenschaften sowie der dafür geltenden Regelungen oder erkannten Risiken.

3. Planung und Durchführung der Maßnahmen zur Betreiberverantwortung wie Prüfungen, Wartungsaufgaben oder Unterweisungen.

4. Angemessene und wirksame Wahrnehmung der Aufsichts- und Kontrollfunktion mit ordnungsgemäßem Berichtswesen und Eskalationsmechanismen.

5. Nachweis, vorgeschriebene Pflichten erfüllt und alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben.

Immer wieder lässt sich beobachten, dass zur Umsetzung dieser Aspekte in Organisationen ab einer gewissen Größenordnung und Komplexität eine intelligente Software als Lösungsbaustein unerlässlich ist. Dabei geht es in erster Linie darum, Transparenz zu allen Objekten und Aufgaben zu schaffen. So entsteht die Basis, Maßnahmen zu planen, zu kontrollieren, abzurechnen und vor allem dokumentieren zu können. Eine Software hilft sicher auch dabei, Geschäftsprozesse effektiver durchzuführen oder die Abstimmung mit Dienstleistern und Beteiligten zu erleichtern. Aus den gewonnenen Daten lassen sich dann Erkenntnisse und Optimierungen ableiten.

Die Schaffung von Transparenz ist hier allerdings den Erfahrungen der P3N-Berater folgend der erste, wichtigste und meist auch schwierigste Schritt. Voraussetzung für den erfolgreichen Softwareeinsatz sind darüber hinaus auch funktionierende Prozesse und eine darauf abgestimmte Organisation. Eine der wichtigsten Fragen ist dabei, wie die Aufnahme und Pflege von Objekten und technischen Anlagen ausgerichtet sind. Oft wird davon ausgegangen, dass die Aufnahme von technischen Anlagen Dienstleister durchführen oder auf Daten aus der Bauphase beruht. Meist ist aber unzureichend geklärt, wer im weiteren Betrieb für die Pflege der Daten zuständig bleibt und wie sich das genau in die bestehenden Prozesse und Abläufe einfügt. Wie die wiederkehrende Pflege und Überprüfung von gesetzlichen Vorgaben und Risiken als eigener Prozess oder Teilprozess geregelt sind, gilt es ebenfalls festzulegen. Dabei geht es vor allem auch um die sichere Einhaltung aktueller Pflichten und den Abgleich mit wirtschaftlich sinnvollem, angemessenem Handeln. Zum Beispiel gibt es Spielräume bei den Zeitintervallen von Wartungsterminen in Abhängigkeit von dem Alter, der Relevanz und sich ändernden Herstellervorgaben von technischen Anlagen. Ebenso sind klare Vorgaben und Verantwortlichkeiten für das Berichtswesen, Eskalationswege und gegebenenfalls folgende Verbesserungsmaßnahmen zu klären. Das alles muss sich in die bereits oben erwähnten Prozesse wie etwa das Flächenmanagement, den Betrieb technischer Anlagen, die Wartung und Instandhaltung einordnen.

Best Practice

Wie sich eine Organisation zum Thema Betreiberverantwortung aufstellt und in welchem Grade die Voraussetzungen für die erfolgreiche Einführung oder Nutzung einer Softwarelösung geschaffen sind, lässt sich in einem ersten Schritt schnell durch ein Audit "Betreiberverantwortung" prüfen. Dabei wird im Rahmen von strukturierten Interviews mit allen Beteiligten eine Vielzahl von Kriterien, die sich an der GEFMA-Richtlinie 190 orientieren, hinterfragt und bewertet. Bei Bedarf können auch Dokumentation und Softwarenutzung in das Audit einfließen. Das Ergebnis liefert eine Einschätzung zu Umsetzungsreifegrad und Risiken je Themengebiet verbunden mit priorisierten Handlungsempfehlungen. Sollten organisatorische Klärungen oder Änderungen nötig sein, empfiehlt sich auch hier ein schrittweises Vorgehen, das zunächst an den Bereichen ansetzt, die den größten Nutzen bieten und dabei alle Mitarbeiter einbeziehen. Ein nächster Schritt wäre dann etwa ein Check sämtlicher Prozesse und Teilprozesse, die für den Bereich Facility Management wichtig sind, auf Relevanz, Reifegrad, Sourcing-Modell und Digitalisierungsgrad. Ausgehend davon werden die priorisierten Prozesse abgeleitet und untersucht.

Im Ergebnis solcher Prozessanalysen erhalten die Betreiber unter anderem Auswahlkriterien oder Nutzungsleitfäden von Softwarelösungen und eine fundierte, mit allen Mitarbeitern abgestimmte Vereinbarung, wie gemeinsam gearbeitet werden soll. Auf jeden Fall ist damit der Organisationspflicht und deren Dokumentation in Form von Prozessen ein Stück weit mehr Rechnung getragen. Zusätzlich reduzieren sich dadurch die Betreiberrisiken. Als Fazit lässt sich festhalten: Im Zuge der Corona-Krise haben viele Immobilienbetreiber festgestellt, dass ihnen im Grunde der Überblick über ihre Flächen und technischen Anlagen in ihren Liegenschaften fehlt. Folglich sind sie auch nicht ad hoc in der Lage, ihre Betreiberpflichten gemäß geltenden Vorschriften umzusetzen. Wer nun hektisch Softwarelösungen implementiert, die genau diese Aufgabe erfüllen sollen, wird schnell feststellen, dass diese Rechnung nicht aufgeht.

Nur, wenn die vor- und nachgelagerten Prozesse stimmen und alle beteiligten Mitarbeiter an einem Strang ziehen, kann eine Softwarelösung wirklich unterstützen und Mehrwerte schaffen. Im ersten Schritt muss dafür erst einmal Transparenz über die konkreten Handlungsfelder entstehen. Hier kann ein "Betreiberpflichten-Audit" wichtige Anhaltspunkte liefern und den Startschuss für die richtigen Maßnahmen geben.

DER AUTOR SVEN REICHARDT Senior Consultant, P3N AG, Werdau
Sven Reichardt , Senior Consultant, P3N AG, Werdau
Noch keine Bewertungen vorhanden


X