In Deutschland ist in den kommenden Jahren mit einem erheblichen Anstieg der Altersarmut zu rechnen. Ein besonderes Armutsrisiko stellt dabei die Wohnkostenbelastung im Alter dar, darauf deutet jedenfalls ein neues Gutachten des Pestel-Instituts hin, das vom Verbändebündnis „Wohneigentum“ bestehend aus der Bundesarchitektenkammer (BAK), dem Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB), der Deutschen Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM), dem Immobilienverband Deutschland IVD sowie dem Verband Privater Bauherren (VPB) in Auftrag gegeben wurde.
Bei zwei Dritteln der Mieterhaushalte beträgt die Wohnkostenbelastung demnach mehr als 30 Prozent des Haushaltseinkommens, wohingegen nur jeder zehnte Eigentümerhaushalt eine über 30-prozentige Wohnkostenbelastung aufweist. Die langfristigen Wohnkosten seien bei Eigentümern trotz im Durchschnitt weit größerer Wohnungen deutlich niedriger als bei Mietern. Zugleich verfügten Mieterhaushalte im Durchschnitt über 42 Prozent weniger Geldvermögen als Eigentümerhaushalte, was bei identischem Einkommen auf das unterschiedliche Sparverhalten zurückzuführen sei.
„Unsere Untersuchung zeigt auf, dass Altersarmut primär Mieterarmut ist. Umso dramatischer ist, dass die Wohneigentumsquote seit Jahren sinkt. Dabei besteht erhebliches Potenzial zur Bildung von Wohneigentum und damit zur Prävention. Doch ohne politischen Willen und staatliche Unterstützung wird es nicht möglich sein, 7,2 Millionen Mieterhaushalte, die das Potenzial zur Eigentumsbildung haben, in Wohneigentum zu bringen“, sagt Matthias Günther, Leiter des Pestel-Instituts. Günther verweist auf die Daten aus dem Mikrozensus. Demnach besaßen 2018 lediglich 44 Prozent der Deutschen Wohneigentum, 1,3 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2010. Insbesondere bei den 25- bis 40-jährigen sei die Wohneigentumsquote mit minus fünf Prozentpunkten seit dem Jahr 2002 stark rückläufig. Dabei gebe es gerade in dieser Alterskohorte rund 4,1 Millionen Mieterhaushalte, die potenziell in der Lage wären, Wohneigentum zu erwerben. Auch bei den geburtenstarken Jahrgängen der jetzt 40- bis 60-Jährigen bestünden bei 3,1 Millionen Haushalten realistische Chancen zur Eigentumsbildung.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse fordert das Verbändebündnis Wohneigentum die Bundesregierung auf, den Eigentumserwerb mit direkten Maßnahmen zu fördern sowie das Angebot an Wohneigentum durch Neubau und Bestandsaktivierung zu forcieren.
Im Einzelnen fordert das Verbändebündnis:
1. Zielgruppenspezifische Wohneigentumsförderung
Die Fördermaßnahmen für den Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum sollte auf so genannte Nestbauer-Haushalte sowie auf Empty-Nest-Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen zugeschnitten werden durch:
- Eigenkapitalbürgschaften zur Wohneigentumsbildung: Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, sollte ein Bürgschaftsprogramm zur Eigenkapitalergänzung aufgelegt werden.
- Kreditprogramme für Schwellenhaushalte: Zum Erwerb von kleinem „Wohneigentum“, zum Beispiel 60 bis 70 Quadratmeter für einen Zweipersonenhaushalt, mit längerfristiger Zinsbindung von 20 bis 30 Jahren und zu stabilen Zinskonditionen von 1,5 Prozent.
- Sicherheitsfonds zur Wohneigentumsbildung nach niederländischem Vorbild: Bei Zahlungsverzug übernimmt der Fonds den Kredit von der Bank und kann die Gefahr einer Zwangsversteigerung deutlich abmildern, bis der Kreditnehmer neue Konditionen verhandelt hat.
- Keine zweite Grunderwerbsteuer für kleines Wohneigentum: Die Grunderwerbsteuer sollte beim Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum unter Berücksichtigung einer Wohnflächenbegrenzung entfallen.
2. Aktive Bodenpolitik
Durch eine gleichermaßen nachhaltige wie aktive Bodenpolitik könnten Städte und Kommunen großzügig Bauerwartungsland im Flächennutzungsplan ausweisen, es erwerben, zu Bauland entwickeln und es dann Bauträgern und -Entwicklern unter Auflagen zur Verfügung stellen (Wiener Modell). Zur Beschleunigung der Baulandbereitstellung sollten bereits vorhandene Möglichkeiten gemäß Baugesetzbuch verbessert und genutzt werden. Die Wohnungsbaupotenziale auf den Dächern von Wohn- und Nichtwohngebäuden sowie die Umnutzung von Nichtwohngebäuden müssen in Angriff genommen werden.
3. Stärkung der Verkehrs- und digitalen Infrastruktur
Insbesondere in Ballungszentren und deren Umfeld, aber auch in ländlichen Bereichen, ist die Entscheidung Wohneigentum zu bilden mit der Frage nach vorhandenen Verkehrs- und Infrastrukturanbindungen verknüpft. Die Verbesserung der Erreichbarkeit der Zentren durch eine Modernisierung aller Verkehrssysteme sind Voraussetzung für die Nutzung der in kleineren Orten vorhandenen Wohn- und Nachverdichtungsmöglichkeiten. Dieses Ziel wird auch durch eine verbesserte digitale Anbindung ländlicher Räume zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort und zur Gewährleistung von Heimarbeit erreicht.
Die komplette Studie finden Sie in unserem Research-Bereich, klicken Sie hier.