Leitartikel

Wohnungen - Lust und Last der Investoren

Die Ernte beginnt. Aber wird sie auch eine gute? Hochgerechnet auf das Jahr 2007 erwarten die Analysten der Degi, dass die Immobilientransaktionen insgesamt um 38 Prozent über dem Vorjahr liegen. Doch schon im kommenden Jahr dürfte sich der Markt beruhigen. Dann würden vor allem "Wiederverkäufer" das Geschehen prägen. Sind hierzulande bisher nur Kommunen, Unternehmen und staatsnahe Institutionen als Verkäufer von Wohnungsgesellschaften aufgetreten, so beginnen jetzt auch die ausländischen Investoren, die seit etwa sieben Jahren in großem Stil Portfolios und deren Verwalter einkaufen, mit der Räumung: Cerberus will nach nur 20 Monaten bei der Baubecon ausziehen, während Oaktree seine im März 2005 übernommene 85-prozentige Gehag-Beteiligung in die Deutsche Wohnen umquartiert. Die Opportunisten beginnen wie erwartet mit dem Rückzug aus der Assetklasse. Eigentlich war aber schon der Börsengang der Gagfah im Oktober 2006 ein Fanal, dass es für die Investoren Zeit wird, Kasse zu machen. Schließlich sind den Anlegern, vorwiegend angelsächsischen Pensionsfonds, Versicherungen und Private-Equity-Gesellschaften, Renditen von 20 bis 25 Prozent auf ihr Investment in Aussicht gestellt worden. Diese Versprechen müssen jetzt eingelöst werden.

Zwar haben die opportunistischen Fonds von Anfang an kommuniziert, sie wollen lediglich sechs bis acht, höchstens zehn Jahre investiert bleiben. Dass manche aber schon nach knapp zwei Jahren den Ausstieg suchen, kann nur zwei Gründe haben: Entweder es werden extrem hohe Preise geboten oder die Spekulation droht nicht aufzugehen. Letzteres dürfte zutreffen, denn wesentliche Erwartungen haben sich nicht erfüllt. So ist aus den Tatsachen, dass Deutschland mit 43 Prozent eine der niedrigsten Wohneigentumsquoten in Europa hat, gleichzeitig aber 80 Prozent der Bevölkerung gerne in den eigenen vier Wänden wohnen möchte, nicht zwangsläufig zu schließen, dass Heerscharen von Mietern ihre Wohnungen auch kaufen. Jungen Mietern fehlt zumeist noch das notwendige Eigenkapital für den Erwerb oder sie wollen für die berufliche und familiäre Zukunft räumlich flexibel bleiben. Nach den Erfahrungen der Privatisierer beschränkt sich der potenzielle Erwerberkreis folglich auf die Generation "50 plus", die das Wohneigentum auch als Teil der Altersabsicherung begreift. Im Ergebnis bleiben Mieterprivatisierungen Einzelfälle - beschränkt auf intakte Quartiere mit guter Bausubstanz und bonitätsstarken Nutzern. Das Konzept "en gros" einkaufen und "en detail" verkaufen funktioniert demnach nur eingeschränkt.

Auch Mieterhöhungen ließen sich offensichtlich nicht in dem Umfang durchsetzen, wie von Mietern befürchtet und von Investoren erhofft. Mietrecht, Mietspiegel und Sozialcharta mögen dazu beigetragen haben, oft aber hat schon die Marktlage kaum Luft nach oben gelassen. Denn in den Städten des Ruhrgebiets und Berlin, wo viele der verkauften Wohnungsgesellschaften Bestände halten, herrscht hoher Leerstand bei gleichzeitig tendenziell sinkenden Bevölkerungszahlen. Mieter können in solchen Märkten äußerst preissensibel reagieren. Dies zwingt jedoch die renditeorientierten Eigentümer, stärker als dies öffentliche Wohnungsunternehmen mussten, in den Service zu investieren und Mieter als Kunden wahrzunehmen. Dabei demonstriert die Branche eine Innovationsfreude, die ihr vor wenigen Jahren kaum einer zugetraut hätte. Statt inhaltsarmer Wohnungsanzeigen macht ein Berliner Wohnungsunternehmen jetzt mit blauem Licht auf zu vermietende Wohnungen aufmerksam. Die Leipziger Wohnungsbaugesellschaft wirbt bundesweit um Senioren als Mieter. Andere Vermieter kooperieren mit Telefonanbietern und Hausgeräteherstellern, um ihre Mieter mit Sonderangeboten und Rabatten zu beglücken. Das kostenlose Abonnement einer Tages- oder Fernsehzeitung gehört mancherorts schon zum Standard-Mietvertrag. Zudem sollen bei den Nebenkosten beträchtliche Einsparungen möglich sein, wenn auf externe Handwerker-, Hausmeister- und Wartungsdienste zurückgegriffen wird, statt eigenes Personal vorzuhalten. Auch bei der Abfallentsorgung könne der Wettbewerb für günstigere Preise sorgen.

Noch effektiver sind freilich die Einsparungspotenziale im Finanzmanagement, wenn, wie Thomas Zinnöcker am Beispiel der GSW (Seite 478) zeigt, für Zins und Tilgung bestehender Darlehen die Hälfte der Mieteinnahmen abgeführt werden muss. Durch Umschuldung und Zinsderivate könnten die finanziellen Belastungen spürbar und vor allem nachhaltig gesenkt werden. Dazu müssen allerdings die komplexen Überkreuzbesicherungen, bei denen üblicherweise Hypotheken auf einer Immobilie zum Kauf oder zur Modernisierung einer anderen Immobilie dienten, bereinigt und vereinfacht werden. Hierbei haben es Gesellschaften mit einem finanzstarken Investor in der Regel einfacher, denn die Umschuldung kostet zunächst Geld, was kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen oft nicht zur Verfügung steht. Einige Immobilienfinanzierer haben hier schon ein neues Geschäftsfeld erkannt und mit dessen Erschließung begonnen, indem sie die Neuordnung der Verbindlichkeiten organisieren und gegebenenfalls auch vorfinanzieren.

All diese Maßnahmen der Performanceverbesserung sollen letztlich den Wert des Unternehmens soweit heben, dass sich durch den Exit - nicht durch die nachhaltige, langfristige Bestandsbewirtschaftung - die ambitionierten Renditeziele auch tatsächlich verwirklichen lassen. Dabei geraten die opportunistischen Fonds derzeit jedoch von zwei Seiten unter Druck. Weil die Wohnungsgesellschaften in der Niedrigzinsphase mit

Fremdkapitalquoten von 80 bis 95 Prozent erworben wurden, drücken die tendenziell wieder steigenden Zinsen auf die Rendite. Gleichzeitig gestaltet sich der Ausstieg aus den Engagements offensichtlich schwieriger als erwartet. Vor allem der Weg über die Börse ist kaum noch eine lukrative Option. Indem der Gesetzgeber Bestandswohnungen von der Einbringung in einen deutschen Real Estate Investment Trust (REIT) ausschloss, fehlt ein entscheidendes Kaufargument für die Aktien der Wohnungsgesellschaften. Ohne den Steuervorteil sind auch längst nicht die Preise zu erzielen, die der Rendite den entscheidenden Schub geben könnten.

Dass auch das Ausland nur eingeschränkt als "Notausgang" dienen kann, hat die Gagfah gezeigt. Zwar war ihr Börsengang in Luxemburg von viel Euphorie begleitet, doch da die angekündigten Wachstumsziele und Zukäufe nicht realisiert wurden, rutschte der Kurs unter den Ausgabepreis und zügelte die Lust der Investoren auf weitere Wohnungsaktien. Bei dieser eingetrübten Stimmung schrecken andere IPO-Aspiranten wie Corpus und Deutsche Annington verständlicherweise vor Börseneinführungen zurück - eine Platzierung unter Wert würde den Unternehmen und der Assetklasse erheblich schaden. Dagegen könnte die Gehag-Transaktion ein cleverer Ausweg sein. Indem Oaktree seine Anteile an der Berliner Wohnungsgesellschaft in ein bereits börsennotiertes Unternehmen einbringt und sich dafür unter anderem mit 25 Prozent an diesem beteiligt, hat der Fonds nicht nur seine Wohnungen an die Börse gebracht, sondern ist gleichzeitig Hauptaktionär der Deutsche Wohnen, die damit zur Nummer drei unter den hiesigen Vermietern aufsteigt. Allerdings bleibt fraglich, wie bei einem Kaufpreis, der dem 18-Fachen der Jahresnettomiete entsprechen soll, die von den Investoren geforderte Rendite erwirtschaftet werden kann. Ein echter Exit ist der Gehag-Verkauf demnach nicht, ein beachtenswerter Coup aber allemal.

Dass sich auch angelsächsische Investoren trotz ihrer großen Einkaufsmacht nicht dem Marktumfeld entziehen können und nach ihrem lauten Markteintritt die Töne doch deutlich leiser geworden sind, dürfte kommunale Wohnungsunternehmen mit einiger Genugtuung erfüllen. Schließlich mussten sie sich angesichts hoher Renditeankündigungen der Marktneulinge mangelnde Effizienz vorwerfen lassen. Doch Schadenfreude ist unangebracht. Öffentliche Wohnungsunternehmen haben bei einer durchschnittlichen Eigenmittelrendite (dem Verhältnis von Jahresergebnis zu Eigenmitteln) von mageren 0,8 Prozent (GdW-Statistik) noch erhebliches Potenzial. Wie immer ist jede Verallgemeinerung unzutreffend, denn es gibt öffentliche Wohnungsunternehmen mit ansehnlicher Performance, aber eben auch jene, die letztlich gesellschaftliches Vermögen vernichten. Da hilft auch kein Schönrechnen mit "Stadtrenditen", zumal deren Faktoren so weich sind, dass die Ergebnisse nicht belastbar sind. Ein Vorwurf kann diesen Gesellschaften allerdings kaum gemacht werden, halten sie sich doch an ihre jeweiligen Satzungen, die zumeist kein Renditeziel vorgeben.

Häufig lautet der Auftrag, die Bevölkerung und vor allem sozial schwache Gruppen ausreichend mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen sowie ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig zu wirtschaften. Erst nachgeordnet wird mitunter eine angemessene Verzinsung des Eigenkapitals vorgegeben. Wie hoch diese sein soll oder sein darf, ist eine politische Entscheidung. Denn selbstverständlich könnten auch staatliche Wohnungsunternehmen ebenso hohe Renditen wie die privaten erwirtschaften, wenn sie im Gegenzug auch höhere Risiken, zum Beispiel durch verstärkten Wohnungshandel, eingehen dürfen, wie Christian Pape und Frank Keuper anmerken (siehe Seite 474). Höhe und Qualität der Rendite sind demnach keine Frage der Eigentümerstruktur, wohl aber des Eigentümerwillens. L. H.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X