MIPIM-Special

Wege aus der Finanzierungskrise - europäische Vorbilder

Investitionen in Immobilien haben in Deutschland in den zurückliegenden Jahren einen nie zuvor gekannten Boom erlebt. Die Zinsen waren historisch niedrig und die Immobilienpreise im internationalen Vergleich günstig. Zu den bereits langjährig am deutschen Immobilienmarkt aktiven Investoren gesellten sich daher zahlreiche internationale Private-Equity-Häuser hinzu. Der Immobilienboom hat sich jedoch in einer atemberaubenden Geschwindigkeit zu einer Immobilienkrise gewandelt. Am deutschen Immobilienmarkt sind kaum noch Investoren aktiv. Globalisierte Krisen Die ursprünglich als rein amerikanisch geglaubte Immobilienkrise entwickelte sich zu einer globalen Finanzkrise und hat dem langen Aufschwung am Immobilienmarkt ein jähes Ende bereitet. Leerstandsquoten steigen, Mieterinsolvenzen häufen sich, und es drohen drastische Wertberichtigungen. An den internationalen Immobilienmärkten sieht es nicht viel anders aus, denn infolge der Globalisierung sind auch die Krisen global. Am Londoner Büromarkt ist die Leerstandsquote mit neun Prozent so hoch wie seit mehreren Jahren nicht mehr. Die Büromieten ebenso wie die Preise für Gewerbeimmobilien am gesamten britischen Markt befinden sich nahezu im freien Fall. Auch am ehemals lange boomenden Moskauer Büromarkt ist eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen. Weltweit wurden viele internationale Vorzeigeprojekte mangels Finanzierung bis auf Weiteres auf Eis gelegt. Ob Pergamon-Palais in Berlin, Russia-Bürokomplex in Moskau, Wolkenkratzer in Dubai oder das World Trade Center in New York - für Prestigeprojekte ist das Geld knapp. Ein Ende der Talfahrt ist noch nicht in Sicht, doch viele Marktbeobachter sprechen lediglich von einer notwendigen Korrekturphase nach der Überhitzung des Immobilienmarktes 2007 und Anfang 2008. Im laufenden Jahr werde es zu einer Normalisierung des Marktes kommen, und das Transaktionsvolumen werde in etwa das Niveau von 2004 erreichen. Diese Entwicklung sei daher in Ordnung. Kein Grund für Pessimismus also? Zu Recht wird derzeit die Hauptursache für die Krise in der Refinanzierungssituation der Finanzinstitute gesehen. Aufgrund des ebenfalls eingebrochenen Verbriefungsmarktes gehen den Banken derzeit die Refinanzierungsmöglichkeiten aus. Daher finden keine Immobilienfinanzierungen statt - und das, obwohl die Zinsen günstig sind. Wie also den Banken die Möglichkeit der Refinanzierung eröffnen, den Interbankenmarkt wiederbeleben und das verlorene Vertrauen in das Finanzsystem zurückgewinnen? Die Ideen reichen von Vorschlägen der Finanzindustrie zur Selbstregulierung bis hin zu nationalen Gesetzen und Richtlinien auf EU-Ebene. Lehren aus der Krise Aus der aktuellen Krise lassen sich folgende Lehren ziehen: 1. Originatoren sollen die sogenannte First-Loss-Position behalten. Das wirkt vertrauensfördernd, weil damit auch der Originator ein unmittelbares Interesse am erfolgreichen Abschluss des Projekts hat. 2. Die Deal-Strukturen müssen vereinfacht werden und detaillierte Informationen über die zugrunde liegenden Forderungen und Sicherheiten bieten. Der Investor muss sowohl ein gutes Verständnis für die Verbriefungsstruktur als auch für die Risiken haben. 3. Die Rating-Agenturen müssen die Risiken sorgsamer und konservativer bestimmen, und der Risikobewertungsprozess sollte - was auf Widerstand der Rating-Agenturen stößt - transparenter gestaltet werden. 4. Schließlich sind die Investoren gehalten, sich nicht ausschließlich auf die Ratings der Agenturen zu verlassen, sondern sich selbst ein umfassendes Bild zu verschaffen. Diese Erkenntnisse wurden von der EU-Kommission in ihrem aktuellen Vorschlag zur Änderung des Art. 122 a der Capital Requirement Directive aufgegriffen: So soll ein Investitionsverbot bestehen, soweit nicht der Originator mindestens fünf Prozent des Risikos einbehält. Außerdem muss die investierende Bank belegen, dass sie sich gründlich mit den risikorelevanten Themen befasst hat, insbesondere die Deal-Struktur und die Sicherheitenbewertung des Originators versteht und in der Lage ist, die Performance der Verbriefungspositionen anhand von Daten zu bewerten. Magere Erfolge der bisherigen Finanzmarktstabilisierung Ob und inwiefern diesem Vorschlag gefolgt wird, bleibt abzuwarten. Die Erfolgsaussichten solcher Regulierungen dürften jedoch fraglich sein, weil für globale Verbriefungsmärkte eben auch weit über die EU-Grenzen hinausreichende Bestimmungen notwendig sind. Die EU war aber bislang kaum imstande, hier die Vorreiterrolle zu übernehmen. Überdies ist auch der zeitliche Aspekt zu bedenken: Eine EU-Richtlinie müsste nach ihrem Erlass erst in nationales Recht umgesetzt werden und würde die erhoffte Wirkung - wenn überhaupt - erst in einigen Monaten erzielen. Die Politik antwortete auf die Turbulenzen auf den Finanzmärkten mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG), in dessen Mittelpunkt die Einrichtung des Finanzmarktstabilisierungsfonds (SoFFin) mit Befugnissen zu unterschiedlich ausgestalteten Stabilisierungsmaßnahmen steht. Das zentrale Ziel dieses Gesetzes ist die Wiederbelebung des von mangelndem Vertrauen erschütterten Interbankenmarktes. Hierzu stehen dem SoFFin folgende Instrumente zur Verfügung: - die Übernahme von Garantien, - ein Beteiligungserwerb zwecks Eigenkapitalausstattung, - die Übernahme von Risikopositionen. Diese Stabilisierungsmaßnahmen sollen grundsätzlich in der obigen Reihenfolge gewährt werden und stehen in einem Stufenverhältnis: Je weitreichender die Maßnahme, desto umfassender sind auch die Bedingungen für deren Inanspruchnahme. Auf Leistungen des SoFFin besteht kein Rechtsanspruch. Vielmehr hat der Fonds über Anträge nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wobei bei der Ermessensausübung die Bedeutung des Unternehmens für die Finanzmarktstabilität, die Dringlichkeit und der Grundsatz des möglichst effektiven und wirtschaftlichen Einsatzes der Mittel zu berücksichtigt sind. Garantiert werden können Schuldtitel, die in der Zeit zwischen Oktober 2008 und Dezember 2009 begründet wurden und eine Laufzeit von höchstens 36 Monaten haben. Unverzichtbare Voraussetzung ist auch eine angemessene Eigenkapitalausstattung des Finanzunternehmens. Für die Garantie hat das begünstigte Finanzunternehmen ein Entgelt in "angemessener" Höhe zu zahlen. Dieses Entgelt setzt sich nach der Verordnung zur Durchführung des FMStG aus einem individuellen Prozentsatz des garantierten Höchstbetrages und einer Marge zusammen. Die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung kann durch die Ausgabe neuer Aktien, stille Beteiligungen oder die Übernahme "sonstiger Bestandteile der Eigenmittel" erfolgen. Die Obergrenze der Rekapitalisierungsmaßnahmen für ein bestimmtes Unternehmen beträgt zehn Milliarden Euro. Was der SoFFin tun kann Das Bezugsrecht der Aktionäre wird bei Ausnutzung des gesetzlich vorgesehenen genehmigten Kapitals von vornherein ausgeschlossen. Bei einer regulären Kapitalerhöhung kann der Ausschluss von der Hauptversammlung beschlossen werden und ist in einem solchen Fall "zulässig und angemessen". Auch für Beteiligungen an der Rekapitalisierungsmaßnahme soll der SoFFin ein marktgerechtes Entgelt erhalten, etwa in Form einer Vorzugsdividende oder einer Verzinsung. Der Fonds kann zudem Risikopositionen übernehmen und bis zu ihrer Fälligkeit halten. Die Übernahme von Risikopositionen kann in "jeder geeigneten Form" erfolgen, also durch Kauf oder anderweitige Absicherung. Im Gegenzug überträgt der Fonds Schuldtitel des Bundes an die Finanzunternehmen. Für die Inanspruchnahme der SoFFin-Leistungen verpflichten sich die Unternehmen im Gegenzug über die Zahlung eines marktüblichen Entgelts hinaus zur Erfüllung weiterer Bedingungen. Dazu gehört die Überprüfung ihrer Geschäftspolitik und deren Nachhaltigkeit, um etwa bestimmte Risikogeschäfte zu reduzieren oder ganz aufzugeben. Zudem werden die Vergütungssysteme der Unternehmen dahingehend überprüft, ob sie hinsichtlich eingegangener Risiken, Nachhaltigkeit und Transparenz angemessen sind. Weiterhin soll das Gehalt für Organmitglieder und Geschäftsleiter auf ein angemessenes Maß reduziert sowie Bonus- und Dividendenzahlungen oder Gewinnausschüttungen grundsätzlich ausgeschlossen werden. Bad Bank und Verstaatlichung Die Übernahme der Risikopositionen der Banken durch den SoFFin hat in der Praxis bislang nicht die erhoffte Wirkung erzielt, sodass viele Experten von der Notwendigkeit einer sogenannten "Bad Bank" sprechen. Die Bad Bank soll die ausfallgefährdeten Geldanlagen ("toxische Assets") von einer oder mehreren Banken übernehmen, damit diese so ihre Bilanzen bereinigen und das Vertrauen des Kapitalmarkts zurückgewinnen können. Der Staat, also die Allgemeinheit, wird in dieser Diskussion als Auffangbecken für toxische Assets gesehen und soll nicht an Gewinnen partizipieren, die nach der erfolgreichen Sanierung der Banken erwirtschaftet werden. Die Verluste wären voll sozialisiert, während die Gewinne nach wie vor allein den Anteilseignern der jeweiligen Bank zufielen. Es liegt auf der Hand, dass der Staat an dieser möglichen Wertschöpfung teilhaben will und aus der Sicht des Steuerzahlers auch teilhaben muss. Zu diesem Zweck wird sich der Staat noch vor der Übernahme der toxischen Assets in die Position des Eigentümers der Bank bringen müssen. Der hierfür passende juristische terminus technicus lautet Enteignung (Art. 14 GG) beziehungsweise Vergesellschaftung (Art. 15 GG) und ist nur gegen Zahlung einer Entschädigung und zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Alternative Möglichkeiten zur Unternehmenskontrolle Weitere Voraussetzung ist, dass der mit der Enteignung verfolgte Zweck nicht ebenso effektiv mit einem milderen Mittel erreicht werden kann. Insbesondere könnte etwa eine deutliche Erhöhung der Beteiligungsobergrenze am einzelnen Unternehmen verbunden mit einem vollständigen Ausschluss der Bezugsrechte eine Alternative sein. Bei einer Kapitalerhöhung würde der Staat an der fraglichen Bank eine Mehrheitsbeteiligung erlangen. Zwar würden auf diese Weise die Anteile anderer Unternehmensinhaber verwässert, sie würden jedoch nicht enteignet. Abgesehen von den kürzlich vermeldeten europarechtlichen Bedenken gegen die Kapitalerhöhungsmaßnahmen nach dem FMStG erscheint dieser Weg aus der Sicht der Bankenaktionäre vorteilhafter. Gleichwohl bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber dieses mildere Mittel einsetzt oder die Banken verstaatlicht mit dem Argument, die Mehrheitsbeteiligung sei zwar weniger einschneidend, aber hinsichtlich ihrer Effektivität mit einer Enteignung nicht zu vergleichen. Schweden hat bereits zu Beginn der neunziger Jahre seine Erfahrungen mit der Bad Bank und Bankenverstaatlichung gesammelt. Nur die Banken, bei denen der schwedische Staat aufgrund eines zuvor erlassenen Gesetzes Anteilseigner geworden war, konnten ihre faulen Immobilienkredite auf Kosten des Steuerzahlers in die Bad Bank ausgliedern. Positive Erfahrungen aus dem Ausland Den privaten Banken hingegen kamen die staatlichen Leistungen nicht zugute. Aus der Nordbank und der Gotabank ging die Nordea hervor - ein in Nordeuropa und dem Baltikum führender Finanzkonzern, an dem der schwedische Staat noch immer gewinnbringend beteiligt ist. Auch Großbritannien konnte mit Bankenverstaatlichungen bereits Erfahrungen sammeln: Im Februar letzten Jahres wurde die Verstaatlichung von Northern Rock bekannt gegeben, im September folgte Bradford & Bingley. In Österreich sieht das dort verabschiedete Finanzmarktstabilitätsgesetz vor, dass dem Staat "zur Abwendung eines schweren volkswirtschaftlichen Schadens weiters das Instrument der Übernahme von Eigentumsrechten des betroffenen Rechtsträgers zur Verfügung" steht. Diese Beispiele dürften auch in anderen europäischen Ländern Schule machen, weshalb das Jahr 2009 von Bankenverstaatlichungen geprägt sein könnte. Die sich anschließende Sanierungsphase dürfte bis ins Frühjahr 2010 hineinreichen. Nach Abschluss der Sanierung sollte sich der Interbankenverkehr stabilisieren, und es stünde ein neuer und gut funktionierender Refinanzierungsmarkt zur Verfügung. Doch bis dahin ist es noch ein langer und steiniger Weg. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Immobilienmarkt nicht nur in Deutschland vor einer großen Herausforderung steht. Ausschlaggebend wird sein, dass Investoren und Banken in den nächsten Wochen und Monaten die richtigen Entscheidungen treffen, um den Fortbestand der Unternehmen zu sichern und möglicherweise vereinzelt sogar gestärkt aus der Krise hervorzugehen. In für Investitionen schwierigen Zeiten muss restrukturiert werden. Genau da-rin liegen die Chancen, die die Krise birgt.

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