Gespräch des Tages

Finanzmarktregulierung - Anspruch und Wirklichkeit

Der Berg kreiste ... nach langen Beratungen mit Spezialisten der Unternehmensberatung Deloitte und der Kreditwirtschaft hat die Bundesregierung endlich ihr Bad-Bank-Modell auf den Weg gebracht. Die Notwendigkeit, Banken von ihren faulen oder derzeit nicht handelbaren Papieren entlasten zu müssen, damit das Vertrauen in den Gegenüber und damit der Interbanken-Markt wieder in Schwung kommt, hat man in Berlin schnell erkannt. Allein an der Ausgestaltung wurde monatelang herumgefeilt. Was nun herauskam, erweckt den Eindruck, in allererster Linie die im Herbst anstehende Bundestagswahl und nicht etwa das Wohl und Wehe der deutschen Kreditwirtschaft im Blick gehabt zu haben. So sollte eine Belastung der Steuerzahler (oder Bankkunden, denn das ist in der Regel jeder Steuerzahler) auch in Zukunft unter allen Umständen vermieden werden.

Zum Modell: Banken können identifizierte Papiere mit einem Bewertungsabschlag von zehn Prozent auf den Buchwert in eine eigens dafür zu gründende Zweckgesellschaft auslagern, die keine Banklizenz braucht. Im Gegenzug erhält die Bank von der Zweckgesellschaft eine Schuldverschreibung in gleicher Höhe, die vom Staat über den Bankenrettungsfonds SoFFin garantiert wird. Diese Garantie gibt es natürlich nicht zum Nulltarif: So ist zum einen von der auslagernden Bank dafür eine marktübliche Garantiegebühr zu bezahlen. Darüber hinaus muss das Institut dem Bankenrettungsfonds die Differenz zwischen dem Übertragungswert und dem von Sachverständigen ermittelten wahrscheinlichen Wert bei Fälligkeit der Wertpapiere ausgleichen. Dies geschieht in gleichbleibenden Raten über die Garantielaufzeit von maximal 20 Jahren. Und drittens muss die Bank die Ausschüttung von Dividenden an die Aktionäre sperren und dieses Geld an den SoFFin überweisen, sobald der tatsächliche Marktwert bei Endfälligkeit unter dem bei Gründung der Bad Bank errechneten wahrscheinlichen Wert liegt. Das Risiko für den Bund beträgt also Null, was die Argumentation gegenüber einer ohnehin skeptischen Öffentlichkeit ob der zahlreichen Staatsaktivitäten sicherlich nicht erschwert.

Doch wirft dieses Vorgehen viele Fragen auf. Zum einen verwundert sehr, dass nun eben genau jenes Konstrukt zum Heilsbringer wird, welches als Grundübel und Auslöser der Wirtschaftskrise ausgemacht wurde. Nicht, dass Special Purpose Vehicles oder Zweckgesellschaften per se zu verteufeln seien. Genau so wie Asset Backed Securities und andere Absicherungsderivate sind es mit Vernunft angewandt durchaus probate Instrumente, den Kapitalmärkten Herr zu werden. Doch steht man nicht wieder vor genau den gleichen Problemen wie damals? Wer soll diese Zweckgesellschaften, die um Belastungen des Eigenkapitals zu vermeiden, bewusst außerhalb der Bilanz angesiedelt werden, überwachen? Dafür gibt es bislang keinerlei gesetzliche Grundlage. Die BaFin will und darf es daher nicht. Auch die Wirtschaftsprüfer hatten bislang keinen Einblick in bilanzferne Zweckgesellschaften. Bleiben die Ratingagenturen. Reicht das aus?

Dann: Wie sollen Papiere bewertet werden, für die laut eigener Mitteilung des federführenden Finanzministeriums gilt: "Diese Papiere haben keine Preisbindung. Das bedeutet, dass sie nur sehr schwer bewertet und kaum veräußert werden können."? Das fängt bei verlässlichen Buchwerten an, auf die dann der abzuführende Zehn-Prozent-Abschlag zu berücksichtigen ist, geht über die Ermittlung der Endwerte bei Fälligkeit bis hin zu immer wieder zu ermittelnden Marktwerten (sofern es welche gibt). Mit welcher Wahrscheinlichkeit zahlt Island seine Anleihen in zwanzig Jahren zurück?

Für die Banken bleibt damit die Unsicherheit, denn erst am Ende der zwanzigjährigen Laufzeit ist genau absehbar, welche Belastungen sich aus dem ausgelagerten Portfolio ergeben. Im besten Fall erholen sich die Werte, und die Schätzer haben bei Einlagerung zu tief gegriffen. Dann darf sich das Institut über einen Ertrag freuen. Wird das aber nicht die Ausnahme bleiben? Wahrscheinlicher ist doch, dass nun recht hohe Maßstäbe für die Endfälligkeit angelegt werden, was dann wieder zu weiteren Ausgleichszahlungen durch die Bankbranche führt - und zwar in Form eines Dividendenverzichtes auf unbestimmte Zeit, bis die Schuld getilgt ist.

Das wiederum ist eine feine Giftpille für die Eigenkapitalbeschaffung über die Märkte. Von daher kann davon ausgegangen werden, dass Institute wie Investoren nach Möglichkeiten suchen werden, den Dividendenausfall zu vermeiden. Dies sind beispielsweise Nachranganleihen oder Genussscheine. Zwar wehrt sich die Bundesregierung dagegen, dass diese trotz eines Dividendenausfalls bedient werden, was sie aber laut Gesetz müssen, solange die Bank Gewinn macht. Ob es den Politikern gelingen wird, dieses Schlupfloch zu schließen? Zumindest der Markt glaubt nicht daran: So haben sich die Preise für Nachranganleihen der Eurohypo, der Nord-LB oder der Commerzbank in den vergangenen Tagen und Wochen bereits vervielfacht.

Sollten sich in absehbarer Zukunft neue Probleme ergeben, muss wiederum eine Zweckgesellschaft zu den genannten Bedingungen gegründet werden. Eine Bank mit einem Dutzend oder mehr Zweckgesellschaften, in denen toxische Papiere schlummern? Für jeden Aufseher ist das wahrlich ein Alptraum. Und dass das durch die Auslagerung in eine Zweckgesellschaft frei werdende Kapital der Realwirtschaft in Form neuer Kredite zugute kommen wird, wird ein frommer Wunsch der Regierenden bleiben. Vielmehr werden die Banken dieses Geld zum weiteren Abbau von Risiken und/oder zur Rückzahlung von teuren Staatsbeteiligungen nutzen.

Auf große Liebe wird dieses Modell, das zeigt sich jetzt schon, in der Kreditwirtschaft nicht stoßen. Die Deutsche Bank muss nicht auslagern, die Commerzbank gründet lieber eine eigene Restructuring Unit, um nicht auf Berlin angewiesen zu sein, und auch sonst gibt es bislang keine klaren Bekenntnisse, dafür viel Kritik. Vielleicht sind aber all die Fragen ohnehin hinfällig, wie ein Frankfurter Banker dieser Tage anmerkte, da es doch ein Problem der öffentlichen Hand sei und bleibe. Soll heißen: Nur Landesbanken würden die Bad-Bank-Lösung nutzen. An diesen ist fast nur noch der Staat beteiligt, sodass ein möglicher Dividenden-Verzicht auch nur den Staat trifft. Vielleicht hat die Bundesregierung deshalb das Landesbanken-Thema gleich mit in die Pressemitteilung zur Bad Bank gepackt.

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