Im Blickfeld

Trügerische Sicherheit

Seit einiger Zeit wird kontrovers darüber diskutiert, ob es eine Preisblase am deutschen Immobilienmarkt gibt oder nicht. Die Frage ist jedoch falsch gestellt, denn der deutsche Immobilienmarkt ist nicht homogen, sondern zumindest zweigeteilt: Es gibt erstens die bei institutionellen Investoren und bei Fonds beliebten "Core-Märkte" in Städten wie Frankfurt am Main, München, Hamburg, Köln oder Berlin. Hier sind die Renditen für alle Nutzungsarten erheblich gesunken, und zwar für Büro- oder Einzelhandelsobjekte ebenso wie für Wohnimmobilien. Daneben gibt es die sogenannten B-Städte oder Mittelstädte, die - so eine jüngst veröffentlichte Studie von Jones Lang Lasalle - deutlich höhere Renditen abwerfen als die Metropolen.

"Core-Objekte" in "Core-Städten" versprechen scheinbar Sicherheit, also genau das, wonach heute alle Investoren suchen. Doch diese Sicherheit ist eben eine scheinbare. Sicher fühlen sich die Investoren nur deshalb, weil sie das tun, was alle anderen auch tun - und dies kann ja nicht verkehrt sein. In München beispielsweise sind in wenigen Jahren die Kaufpreise um fast 40 Prozent gestiegen, die Mieten jedoch nur um zwölf Prozent. Der Grund dafür ist, dass die Investoren immer niedrigere Renditen zu akzeptieren bereit sind. Die Investoren, die dort Immobilien kaufen, sind um Argumente nicht verlegen. Die Warnungen, dass sich dort eine Preisblase aufbauen könnte oder bereits aufgebaut hat, werden ignoriert. Doch nach aller Erfahrung ist es eines der ersten Anzeichen für eine Blasenbildung, dass man allerorts kluge Erörterungen darüber hören und lesen kann, warum es angeblich noch keine Preisblase gibt.

Die Preisblase baut sich jedoch nicht deutschlandweit auf, sondern eben in den bei Investoren so beliebten scheinbar "sicheren" Core-Märkten. Am Beispiel des Wohnimmobilienmarktes kann die Entwicklung verdeutlicht werden: Über viele Jahre wurde der Wohnimmobilienmarkt von deutschen institutionellen Investoren fast vollständig gemieden. Die Wohnimmobilienquote bei den Offenen Immobilienfonds lag und liegt beispielsweise nahe null Prozent. Stattdessen haben sie etwa zwei Drittel ihrer Immobilienanlagen im Bürosegment getätigt.

Das hat sich im Nachhinein als eklatante Fehlentscheidung herausgestellt, denn laut den Zahlen von IPD haben Büroimmobilien in den vergangenen zehn Jahren die mit Abstand schlechteste Performance erzielt - mit den verschmähten Wohnimmobilien konnte dagegen eine mehr als doppelt so hohe Gesamtrendite erwirtschaftet werden.

Inzwischen haben die institutionellen Investoren erkannt, dass es falsch war, Wohnungen zu meiden. Fast alle wollen jetzt in Wohnimmobilien investieren, aber fast alle wollen dies in den gleichen Städten und den gleichen Lagen. Da sich auch Family Offices und private Anleger genau um die gleichen Wohnimmobilien in den gleichen Städten und den gleichen Lagen reißen, ist ein dramatischer Renditeverfall die Folge.

Diese Entwicklung wird sich sogar noch verstärken. Laut einer Befragung der Union Investment unter 106 Großanlegern haben deutsche institutionelle Investoren ihre Anleihebestände um 28 Prozentpunkte auf 46 Prozent reduziert und gleichzeitig die Immobilienquote von fünf auf 15 Prozent erhöht. Dieser Trend wird wegen der Situation auf den Anleihemärkten weiter anhalten. Und es wird noch einige Zeit dauern, bis bei den institutionellen Anlegern die Erkenntnis reift, dass es weitaus lukrativer ist, in den A-Städten außerhalb der "Hot-Spots" und in sogenannten B-Städten zu investieren, wo es nach wie vor keine Preisblase gibt.

Die Konsequenz kann nur lauten, jetzt nach geeigneten Wohninvestments in den Märkten zu suchen, die (noch) von den meisten privaten und institutionellen Investoren gemieden werden. Wenn diese irgendwann auch diese Märkte entdecken, wird das zu erheblichen Preissteigerungen führen, von denen dann diejenigen profitieren, die früh genug in diese Märkte eingestiegen sind.

Jacopo Mingazzini, Mitglied des Vorstands, Estavis AG, Berlin

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