Rating kurz notiert

Strengere Regeln für Ratingagenturen

Wenn es um die Bonitätsbewertung geht, scheint nichts so erstrebenswert zu sein, wie das Triple A von einer der drei großen US-Ratingagenturen Fitch Ratings, Moody's oder Standard & Poors. Die Machtstellung dieses Oligopols sorgt daher immer wieder für Diskussionen. So wurden die Bonitätsanalysten heftig kritisiert, weil sie im Vorfeld der US-Hypothekenkrise positive Beurteilungen vergeben hatten, die sich als zu gut herausstellten. Als sie in ihrer Bewertung strenger wurden, mussten sie sich den Vorwurf gefallen lassen, zentrale Auslöser und Antreiber der Schuldenkrise zu sein.

Der Ruf nach verstärkter Regulierung wurde deswegen lauter. Mitte Januar hat das Europäische Parlament nun die Änderungen zur EU-Verordnung über Ratingagenturen verabschiedet. Die förmliche Annahme der neuen Verordnung durch den Ministerrat dürfte angesichts der vorausgegangenen Einigung im Trilog von Europäischer Kommission, Rat der Europäischen Union und dem Europäischen Parlament nur noch ein formaler Akt sein.

Die neuen Regelungen zielen einerseits darauf ab, Interessenkonflikte zu minimieren. Wenn ein Anteilseigner oder Mitglied zehn Prozent der Stimmrechte der Agentur hält und in das bewertete Unternehmen investiert hat, soll die Ratingagentur die Bewertung unterlassen beziehungsweise eine mögliche Beeinflussung mitteilen. Außerdem sollen die neuen Vorschriften Anteilseigner oder Mitglieder, die fünf Prozent oder mehr an einer Agentur halten, daran hindern, eine Beteiligung an einer anderen Ratingagentur zu halten, es sei denn, die betreffenden Agenturen gehören zur selben Gruppe.

Zweitens wurde beschlossen, dass Ratings und Rating-Ausblicke für Länder keine Vorgaben, Leitlinien oder Bezugnahmen hinsichtlich politischer Entscheidungen enthalten dürfen. Damit will die Politik vor allem erreichen, dass ihre Beschlüsse nicht durch die Ratingurteile konterkariert oder die Zielerreichung erschwert wird. Abgesehen davon, dass die Ratingagenturen daran gehindert werden sollen, die Politik aktiv zu beeinflussen, kann ein solcher Eingriff aber auch eine Verzerrung der Objektivität darstellen. Zudem soll die Veröffentlichung nicht angeforderter Länderratings auf nur noch drei Mal jährlich an zuvor angekündigten Terminen außerhalb der europäischen Börsenzeiten beschränkt werden. Bei den Ratingagenturen stößt insbesondere die Unterscheidung zwischen beauftragten und unaufgeforderten Länderratings als ungewöhnlich und nicht zielführend auf Unverständnis. Sie kritisieren, dass sie mit dieser Regelung nicht mehr flexibel auf Marktentwicklungen reagieren können. Durch die genaue Bekanntgabe der Veröffentlichungstermine können bewertungsrelevante Entscheidungen verschoben werden, um einer Beurteilung zu entgehen.

Drittens: Zu begrüßen ist die Einführung der Haftung der Ratingagenturen für grob fahrlässiges Fehlverhalten - unabhängig davon, ob zwischen Anleger und Ratingagentur vertragliche Beziehungen bestehen. Neben der Zuwiderhandlungen, die das Europäische Parlament - zum Beispiel in der Ausgabe eines durch einen Interessenkonflikt belas teten Ratings - sieht, werden die Folgen weiterer Konfliktpotenziale geregelt. So kann kann auch ein Programmierfehler, wie in der Vergangenheit bereits geschehen, falsche Bewertungen erzeugen. Anleger, die sich auf ein solches Rating verlassen haben, können Schadenersatzansprüche geltend machen. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Regulierung ist allerdings die Nachweisbarkeit. Die Beweislast liegt nach EU-Überlegungen bei der Ratingagentur.

Mit der Pflicht, die wesentlichen Ratingfaktoren zu erläutern, steigt die Transparenz. Sie ist aber ein zweischneidiges Schwert. Ähnliche Vorstöße in der Vergangenheit scheiterten immer wieder an der Sorge, Unternehmen könnten ihr Handeln dann noch stärker an den den Ratings zugrunde liegenden Details ausrichten, was die objektive Bewertung weiter erschweren würde. Bleibt der Vorstoß, die internen Bewertungsmodelle der Banken auch aufsichtrechtlich wieder aufzuwerten. So erhoffen sich die EU-Verantwortlichen eine Verringerung der Abhängigkeit der Anleger von den Beurteilungen der drei großen Agenturen. Die Vorschläge zur vierten Eigenkapitalrichtlinie sehen bereits eine Einschränkung der Bedeutung externer Ratings vor. Und auch in den verschiedenen Vorschriften des Unionsrechts zur Anlagepolitik der Finanzdienstleister soll bis 2020 die alleinige Bezugnahme auf Ratings von Moody´s, Fitch oder S&P aufgeweicht werden, um interne Risikobewertungen als Alternative zu den Beurteilungen des Oligopols zu stärken.

Kritikern der Ratingagenturen geht die Verordnung dagegen nicht weit genug. So wurde beispielsweise der ursprünglich diskutierte Vorschlag eines Rotationsprinzips, um Interessenkonflikten vorzubeugen und die Abhängigkeit von den Urteilen zu verringern, fallen gelassen. Daher sei die "Macht der großen Drei" immer noch zu groß, wird gewarnt.

Die ebenfalls angedachte Alternative einer unabhängigen, öffentlichen europäischen Ratingagentur hatte es nicht mal bis in den Gesetzentwurf von Binnenmarktkommissar Michel Barnier geschafft. Zu unklar ist wohl noch, wie diese organisiert werden kann und wer für die Investitionen aufkommen soll. Denn der Aufbau einer neuen Bewertungsagentur ist teuer und erfordert einen Track Record über einen längeren Zeitraum, um das Vertrauen der Unternehmen und Anleger zu erwerben. Nicht zuletzt aus diesen Gründen scheiterte jüngst ein Vorhaben der Unternehmensberatung Roland Berger, das auf einer privaten Initiative fußte. Damit bleibt die Regulierung mittelfristig die einzige Alternative, wenn auch nur die zweitbeste: Mehr Wettbewerb und damit mehr Markt wären allemal zu bevorzugen. Ch

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