Schwerpunkt Bausparen

Steigende Zinsen - ein Risiko für die Bausparkassen?

Die Bausparkassen haben die Finanzkrise und den Einbruch der Wirtschaft ohne gravierende Probleme überstanden. Die Bausparkollektive wurden während der Krise stabil mit Spar- und Tilgungsleistungen versorgt. Liquiditätsengpässe, wie sie zum Beispiel im Bereich der Geschäftsbanken zu beobachten waren, traten bei den Bausparkassen nicht auf. Wegen der restriktiven Anlagevorschriften des Bausparkassengesetzes waren die Bausparkassen im Regelfall nicht von nennenswerten Adressausfällen bedroht. Während sich 2010 die Konjunktur in Deutschland zunehmend verbesserte, erreichte das Zinsniveau im dritten Quartal mit einer Umlaufrendite von nur noch knapp über 1,80 Prozent seinen Tiefstand. Allerdings hat sich das Zinsniveau zwischenzeitlich wieder um etwa einen Prozentpunkt erholt, eine Entlastung für das Zinsergebnis der Bausparkassen. Weil es in der Bevölkerung Inflationsängste gibt und die Sorge, Ersparnisse zu verlieren, steht Wohneigentum als wertstabile Anlage hoch im Kurs. Der Erwerb von gebrauchten Immobilien boomt, der Modernisierungsmarkt entwickelt sich äußerst dynamisch, und sogar der Neubau zieht wieder an. Die Zahl der Eigenheimgenehmigungen liegt deutlich im Plus. In diesem Umfeld verbuchten die Bausparkassen 2010 ein sehr gutes Neugeschäft, und das obwohl die Wirtschaft erst allmählich Wachstumstempo aufnahm und das Zinsniveau noch sehr niedrig war. Auch Vorfinanzierungskredite fanden in Verbindung mit niedrigverzinslichen Bauspartarifen eine große Nachfrage. Ausgangslage Allerdings bremst das niedrige Zinsniveau die Zinsüberschüsse. Vor- und Zwischenfinanzierungen und die Geldanlagen erzielen schwächere Renditen. Auch bei den Bauspardarlehen führen die Zuteilung niedrigverzinslicher Bauspartarife und vermehrte Sondertilgungen hochverzinslicher Bauspardarlehen zu einer rückläufigen Verzinsung. In diesem Umfeld werden tendenziell weniger Bauspardarlehen ausgereicht, sodass die starken Geldzuflüsse im Bausparkollektiv vermehrt in außerkollektive Kredite und Geldanlagen gelenkt werden. Dies führt zu einer Ausweitung der außerkollektiven Bestände, die aber in der Regel die Einbußen aus dem Rückgang der Bestandsverzinsung nicht voll ausgleichen kann. Es ist davon auszugehen, dass sich die durchschnittliche Verzinsung der außerkollektiven Bestände aller Bausparkassen, die im Jahr 2009 bei rund 4,80 Prozent lag, leicht verschlechtert hat. Bei den Bauspardarlehen wird die Durchschnittsverzinsung aller Bausparkassen ebenfalls unter dem Wert des Jahres 2009 (4,45 Prozent) liegen. In den Bauspareinlagen, deren Verzinsung durch die Einführung neuer Tarife in den vergangenen Jahren kontinuierlich abgenommen hat, sind noch angemessene Bestände höherverzinslicher Alttarife sowie sogenannter Renditetarife vorhanden. Dies belegt die bestehende relativ hohe Durchschnittsverzinsung der Bauspareinlagen aller Bausparkassen, die 2009 bei 2,41 Prozent lag. Die Verzinsung der Bauspareinlagen dürfte 2010 erneut gesunken sein. Unterm Strich werden die Zinsüberschüsse aller Bausparkassen voraussichtlich auf dem Niveau des Jahres 2009 liegen. Im Jahr 2010 überwogen die Geldzuflüsse im Bausparkollektiv. Damit dürfte die Trägheitsreserve aller Bausparkassen, die 2009 bei rund 95,7 Milliarden Euro gelegen hat, abermals zugenommen haben. Der Anlegungsgrad der Bauspareinlagen in Bauspardarlehen, der 2009 bei 23,5 Prozent lag, dürfte weiter abgenommen haben. Die Vertragsbestände aller Bausparkassen beliefen sich 2009 auf rund 763,4 Milliarden Euro, der nicht zugeteilte Vertragsbestand betrug 657,7 Milliarden Euro. Damit waren rund 86,2 Prozent der Vertragsbestände nicht zugeteilt. Durch das sehr gute Neugeschäft und eine eher verhaltene Nachfrage nach Zuteilungsmitteln wird diese Kennzahl 2010 weiter gestiegen sein. Zwischenergebnis Die Bausparkollektive sind derzeit sehr "liquide", der Bestand nicht zugeteilter Bausparverträge ist hoch. Die relativ hohe Durchschnittsverzinsung legt den Schluss nahe, dass die Bausparkollektive eine gute Mischung aus höherverzinslichen Alttarifen und niedrigverzinslichen neuen Bauspartarifen aufweisen. Der Zinssatz für Bauspareinlagen wird weiter sinken, weil die Bauspartarife, die in der Niedrigzinsphase eingeführt wurden, einen immer größeren Anteil am Vertragsbestand einnehmen. Stellen steigende Zinsen bei dieser Ausgangslage ein Risiko für die Bausparkassen dar? Diese Frage lässt sich anhand verschiedener Szenarien diskutieren. Szenario 2011 und 2012: moderater Zinsanstieg Orientiert man sich an den Eckpunkten, die der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem Jahresgutachten 2010/11 unterstellt hat, dann wird sich die konjunkturelle Erholung im Jahr 2011 fortsetzen, allerdings nicht mehr in dem bisherigen Tempo. Der private Konsum wird von der erfreulichen Beschäftigungsentwicklung und steigenden Löhnen gestützt. Vergleichsweise niedrige Zinsen werden sich positiv auf Investitionen auswirken, insbesondere auf den Wohnungsbau. Risiken für die wirtschaftliche Erholung bestehen aufgrund ungelöster Probleme bei Handelspartnern sowie bei Staaten, die erhebliche Konsolidierungsaufgaben zu bewältigen haben. Ferner ist die Finanzbranche noch nicht über dem Berg. Das Zinsniveau wird - Risiken etwaiger Rückschläge ausgeblendet - infolge leicht höherer Preise bei Energie-, Import- und Produzentenpreisen moderat steigen. Für das Bauspargeschäft würde das bedeuten: - Das Neugeschäft bleibt auf hohem Niveau, weil die Bausparprodukte als Zinssicherungsinstrumente attraktiv sind. Die Spargeldeingänge bleiben ebenfalls stabil, da die Bausparkunden ihr Ziel, Immobilien zu erwerben, weiterhin durch kontinuierliche Sparleistungen verfolgen. - Die Abrufe von Bauspardarlehen werden nur leicht zunehmen, weil sie zum großen Teil noch aus höherverzinslichen Bauspartarifen stammen und erst relativ wenige Tarife mit marktgerecht niedrigen Darlehenszinsen zur Zuteilung anstehen. Außerdem führt das begrenzte Immobilienangebot zu einer gemäßigten Zuteilungsnachfrage. - Vorfinanzierungskredite werden voraussichtlich verstärkt nachgefragt werden, weil sie attraktive Konditionen und eine langfristige Zinssicherheit bieten. - Neu geparkte Geldanlagen können infolge leicht steigender Zinsen rentierlicher angelegt werden. - Die Durchschnittsverzinsung für Bauspareinlagen wird sich weiterhin vermindern, weil die Spareinlagen auf den neuen Bauspartarifen zunehmen. - Insgesamt dürften sich die Zinsüberschüsse der Bausparkassen verbessern. - Kurswertabschreibungen auf Wertpapiere dürften bei nur leicht steigenden Zinsen die Ertragslage lediglich geringfügig verschlechtern. - Die niedrigen Anlegungsgrade werden voraussichtlich erhalten bleiben. Szenario 2011 und 2012: stärkerer Zinsanstieg Die Wirtschaft wächst schneller und stärker. Das Zinsniveau legt im Prognosezeitraum um weitere zwei Prozentpunkte zu. Im Vergleich zum Basisszenario wären folgende Auswirkungen auf das Bauspargeschäft zu erwarten: - Die Zinsüberschüsse werden sich noch spürbarer verbessern, weil sich neu ausgereichte Kredite und Neuanlagen verfügbarer Gelder höher verzinsen. - Je nach Struktur der Geldanlagen werden Kurswertabschreibungen auf Wertpapiere stärker zunehmen. Bei der von den Bausparkassen im Regelfall verfolgten Buy-and-Hold-Strategie handelt es dabei aber nur um eine vorübergehende Belastung der Ergebnisse. - Die Zuteilungsanforderungen werden auch in diesem Szenario nur moderat steigen, da das Immobilienangebot begrenzt ist und Mindestanforderungen für eine Zuteilung erfüllt sein müssen. - Es kommt verstärkt zur Auszahlung von Bausparguthaben aus Renditetarifen, die anderweitig am Kapitalmarkt angelegt werden. - Die daraus resultierenden höheren Mittelabflüsse können bei gleichzeitig stabilen Spargeldeingängen aus den vorhandenen Geldanlagen ausgeglichen werden. Die Anlegungsgrade werden leicht steigen. - Tarifanpassungen mit höheren Spar- und Darlehenszinsen werden nur in Maßen vorgenommen. - Hohe Trägheitsreserven mit einer am Markt orientierten Verzinsung erzielen höhere Zinserträge, die den Zinsaufwand aus neuen Tarifen deutlich übertreffen. - Insgesamt verbessert sich die Ertragslage im Prognosezeitraum. Szenario 2011 bis 2015: nachhaltiger Zinsanstieg Würde die Wirtschaft längerfristig in einem stärkeren Tempo wachsen, damit einhergehend die Nachfrage nach Immobilien und Finanzierungen steigen und sich das Zinsniveau gegenüber heute in den nächsten beiden Jahren um zwei Prozentpunkte und in einem Zeitraum von weiteren drei Jahren um zusätzliche zwei Prozentpunkte erhöhen, so wären folgende Effekte zu erwarten: - Die Nachfrage nach Zuteilungsmitteln erhöht sich stärker als in den anderen Szenarien. Soweit in Tarifen Rechte der Bausparer zu einer Wahl- oder Mehrzuteilung vorgesehen sind, könnten sich periodisch verstärkende Effekte beim Abruf von Zuteilungsmitteln ergeben. Ferner würden die Bausparkassen voraussichtlich vermehrt Bauspareinlagen aus Renditetarifen verlieren. - Nach einer Orientierungsphase würden wieder höherverzinsliche Bauspartarife auf den Markt kommen. Damit würde sich im Zeitverlauf durch die Verteuerung der Bauspareinlagen und durch die verstärkte Ausreichung niedrig verzinslicher Bauspardarlehen die kollektive Zinsspanne verengen. - Die Anlegungsgrade würden sich stärker als in den anderen Szenarien erhöhen. - Angesichts des niedrigen Ausgangsniveaus der Anlegungsgrade wäre die Trägheitsreserve immer noch sehr hoch, sodass damit aufgrund der gestiegenen Zinsen höhere Erträge zu erzielen sind, mit denen die niedrigere kollektive Zinsspanne auszugleichen wäre. - Die Ertragslage würde sich erheblich verbessern. Ausreichend Liquidität Die Liquidität der Bausparkollektive dürfte - ausgehend von historisch niedrigen Anlegungsgraden - auch bei stärker steigenden Kapitalmarktzinsen gesichert sein. Ausreichende Reaktionszeiten, vorhandene Steuerungsmechanismen und die in die Tarifkonstruktionen eingeflossenen Erfahrungen der Vergangenheit tragen dazu bei, dass selbst unter der Annahme stärker steigender Zinsen ausreichend Liquidität vorhanden sein sollte. Auch die Ertragssituation wird per saldo positiv beeinflusst. Eine Rückkehr zu höheren Einlagenverzinsungen auf dem Niveau der 90er Jahre bei gleichzeitiger Inanspruchnahme von niedrigverzinslichen Darlehen würde zwar zunächst zu einer Verengung der kollektiven Marge führen. Die Zinsveränderungen im kollektiven Bereich weisen allerdings eine sehr geringe Volatilität auf. Die Ertragschancen aus der Anlage außerkollektiver Mittel wirken sich schneller und stärker aus und können dadurch negative Effekte überkompensieren. Seit den 90er Jahren haben die Bausparkassen mit neuen Tarifen das Zinsniveau im Kollektiv kontinuierlich abgesenkt. Eine Rückkehr zur damaligen Tariflandschaft würde einen Anstieg der Durchschnittsverzinsung auf ein vergleichbares Niveau bedeuten - freilich zeitversetzt erst in der Spar- und dann in der Darlehensverzinsung. Betrachtet man dagegen die Verzinsung eines rollierend in zehnjährige Bundesanleihen investierten Portfolios, so zeigt sich, dass sich hier eine Zinsveränderung schneller und vor allem mit größerem Hebel auswirkt, während das Kollektiv vergleichsweise wenig volatil reagiert. Insofern überwiegen auch auf der Ertragsseite die Chancen von steigenden Zinsen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X