Bausparen und Bausparkassen 2013

Das außerkollektive Kreditgeschäft der Bausparkassen im Niedrigzinsumfeld

Die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern steigt seit einigen Jahren in Deutschland wieder an.1) Es ist für die Langfristentscheidung zum Erwerb der eigenen vier Wände maßgeblich, dass die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, also zum Beispiel Konjunkturentwicklung oder Arbeitsmarkt, stabil sind. Hinzu kommen die historisch niedrigen Zinsen. Sie erlauben Finanzierungen mit monatlichen Belastungen, die kaum noch über einer vergleichbaren Miete liegen.

Boom in der privaten Wohnungsbaufinanzierung

Positive Auswirkungen auf die Immobiliennachfrage hat schließlich auch die Einführung der Wohn-Riester-Förderung im Jahr 2008. Mit ihr gibt der Staat ein wirksames Bekenntnis ab zur Bedeutung des Wohneigentums für die private Altersvorsorge.

Das stark gestiegene Baufinanzierungsgeschäft in der deutschen Kreditwirtschaft bestätigt diese Entwicklung. Mit über 1,13 Billionen Euro war der Bestand an Wohnbaukrediten Ende 2012 so hoch wie nie zuvor.2)

Ausgleich rückläufiger Kollektivdarlehen

Die LBS Baden-Württemberg verzeichnet seit 2008 ein Wachstum der Kreditauszahlungen von über 40 Prozent. Verantwortlich dafür war im Wesentlichen das außerkollektive Kreditgeschäft. Das sind Vorfinanzierungs- und Zwischenkredite, mit denen sich der Handlungsspielraum einer Bausparfinanzierung vergrößern lässt. Ziel des Bausparens ist es, nach einer Sparphase den Anspruch auf Zuteilung eines Bauspardarlehens zu erwerben. Kunden, die einen sofortigen Finanzierungsbedarf haben, können die Zeit bis zur Zuteilung des Bauspardarlehens mit einem Vorfinanzierungs- oder Zwischenkredit überbrücken.

In den letzten Jahren entwickelten sich die Zinssätze an den Kapitalmärkten kontinuierlich nach unten. Das führte zu Zinssätzen für klassische Wohnbaudarlehen, die unter den Sätzen der aktuell zuteilungsreifen Bauspardarlehen liegen. Kunden reagieren in dieser Situation mit Sondertilgung ihrer Bauspardarlehen und nehmen zugeteilte Bauspardarlehen weniger in Anspruch. Für die Bausparkasse führt dies zu einem deutlich niedrigeren Anlegungsgrad. Anpassungen am Tarifwerk entfalten ihre Wirkung erst mit großer Zeitverzögerung. Das außerkollektive Kreditgeschäft ist in dieser Phase ein wichtiges - und kurzfristig wirksames - Instrument, die Einlagen Ertrag bringend anzulegen und das Bauspargeschäft zu stabilisieren.

Finanzierungsmodelle aus Vorfinanzierungskredit und Bausparvertrag ermöglichen eine langfristige Zinssicherheit von bis zu 30 Jahren. Der außerkollektive Kredit wird zu aktuellen Marktzinsen vereinbart und der Darlehenszins für das Bauspardarlehen bereits mit Abschluss des Bausparvertrages festgelegt. Mit dem Bausparvertrag gewinnt der Kunde zusätzliche Spielräume für die Gestaltung seiner Finanzierung, sowohl in der Frage, ob er das Bauspardarlehen bei Zuteilung überhaupt in Anspruch nehmen will als auch nach dessen Inanspruchnahme bei der Tilgung.

Großen Wert legen die Bausparkassen in ihren Finanzierungsmodellen auf eine weitgehend konstante Belastung über die gesamte Laufzeit. Das erhöht die Planbarkeit und wirkt sich ausfallmindernd aus. Zudem ist die Einbindung der Wohn-Riester-Förderung über die gesamte Finanzierungslaufzeit möglich. Insgesamt verbinden sich für den Kunden so Berechenbarkeit und Flexibilität.

Nutzen der Vor- und Zwischenkredite

Die Wohnbaufinanzierung gehört zu den Kernkompetenzen einer Bausparkasse, die Vergabe außerkollektiver Kredite zum ureigenen Geschäftsmodell. Die Bausparkasse profitiert bei der Abwicklung der Kredite von ihrer langjährigen Erfahrung: Sie kennt den regionalen Markt, kann also Objekt und Finanzierung beurteilen und verfügt über die internen Abläufe zur schnellen, kostengünstigen Abwicklung des Kredites.

Die Verbindung von Vor- beziehungsweise Zwischenfinanzierung und Bausparvertrag verlängert in der Regel die ohnehin langfristig angelegte Kundenbindung von Bausparer und Bausparkasse. Die Verknüpfung der Zinsfestschreibung des Kredites mit der Zuteilung des Bausparvertrages sorgt für eine Stabilisierung und damit bessere Planbarkeit des Geldeingangs. Die Möglichkeit, einem Kunden für eine konkrete Bau- oder Kaufabsicht kurzfristig ein Darlehen zur Verfügung zu stellen, erlaubt es den Bausparkassen, ihren Kundenkreis über den perspektivischen Finanzierer hinaus bis zum Soforterwerber auszudehnen.

In einer Niedrigzinsphase kommen einige weitere Vorteile hinzu. Das außerkollektive Kreditgeschäft bildet einen Ausgleichsfaktor für die zurückgehende Inanspruchnahme von Bauspardarlehen insbesondere älterer Bauspartarife mit höheren Darlehenszinsen. Damit bildet es gleichzeitig eine attraktive Alterna tive zur Anlage der überschüssigen Mittel am Kapitalmarkt, die in einer sol chen Phase ebenfalls wenig Ertrag bringt.

Vorteile für die Bausparer

Mit Blick auf den Kunden erlaubt das außerkollektive Kreditgeschäft zu Marktkonditionen die Überbrückung der Zeit bis zur Zuteilung neuer Bauspartarife mit attraktiven Darlehenszinsen. Kunden mit bestehenden Bausparverträgen erhalten so wieder Anschluss an das aktuelle, niedrigere Zinsniveau. Vorfinanzierungs- und Zwischenkredite sind in einer solchen Phase ein sehr erfolgreiches Mittel zur Kundenbindung und -gewinnung.

In der Regel wird der außerkollektive Kredit bereits parallel zum Start des Bausparvertrags ausbezahlt. Die Bausparkasse hat also nicht die Möglichkeit, sich wie beim Bausparen, wo der Ansparprozess der Darlehensgewährung vorausgeht, vorab ein Bild von der Zahlungsfähigkeit ihres Kunden zu machen. Das macht eine besonders sorgfältige Steuerung dieses Geschäfts notwendig. Sie erfolgt sowohl auf der Ebene des einzelnen Kreditfalles als auch auf Ebene der Gesamtbanksteuerung.

Ebenen der Risikosteuerung

Bei der Steuerung auf Einzelfallebene geht es insbesondere um die Reduzierung des Ausfallrisikos. Die LBS Baden-Württemberg orientiert sich bereits während des Beratungsprozesses an einer risikoorientierten Konditionengestaltung, wie sie die Mindestanforderungen an das Risikomanagement vorsehen. Abhängig von verschiedenen Kriterien ergibt sich eine Klassifizierung und eine damit zusammenhängende Konditionengestaltung. Hinzu kommt das Antrags- und Bestandsscoring jedes Kreditfalls.

Wesentliche Bestandteile jeder Antragsbearbeitung sind die Prüfung von Bonität und Kapitaldienstfähigkeit. Sie bilden - neben einigen anderen Merkmalen - die Grundlage für das Antragsscoring, das später während des Finanzierungsablaufs in regelmäßigen Abständen durch ein Bestandsscoring fortgeschrieben wird. Überschreitet das Volumen der Finanzierung eine bestimmte Höhe, findet vor Kreditgewährung in der Regel zusätzlich eine Besichtigung des Objektes statt. Diese Maßnahmen erlauben in ihrer Gesamtheit eine konsequente Überwachung der Kreditengagements, das Risiko von Kreditausfällen ist daher für die LBS Baden-Württemberg gut beherrschbar.

Die Steuerung auf Gesamtbankebene betrachtet alle Wirkungen des außerkollektiven Kreditgeschäfts: auf die Prozesse und Kapazitäten, auf die Kostenstrukturen und die Erlösseite, auf das Bausparkollektiv und die Bilanzstruktur sowie auf Risiken und Eigenkapital im Gesamtzusammenhang und im zeitlichen Ablauf. Ziel ist es, daraus Steuerungssignale zu generieren.

Außerkollektive Kredite als Kapitalanlage

Strukturell unterscheiden sich außerkollektive Kredite hinsichtlich ihrer Erlösstrukturen und ihres Zinsänderungsrisikos nicht grundsätzlich von festverzinslichen Wertpapieren mit definiertem Ausfallrisiko. Insofern muss die Anlagestrategie diese Volumina einbeziehen und in den Laufzeitbändern der außerkollektiven Kredite entsprechend weniger aktiv sein.

Aus Liquiditätssicht sind außerkollektive Kredite schlechter einzustufen als alternative Anlagen am Kapitalmarkt. Daher ist es notwendig, zusätzlich zu den formalen Anforderungen des Bausparkassengesetzes eine eigene Bewertung der Liquiditätssituation zu erar beiten. Auf dieser Grundlage kann entschieden werden, bis zu welchem Volumen die außerkollektiven Kredite durch freie Bauspareinlagen finanziert werden und ab welchem Anteil in der Bilanz eine Finanzierung durch Fremdkapital erforderlich wird. Die Herausforderung liegt darin, dass in Stressphasen auch unerwartet hohe Abflüsse von Bausparguthaben beziehungsweise Abrufe von bereitgestellten Bauspardarlehen auftreten können. In der Regel geschieht dies nach einem Zinsanstieg, der die dann gegebenenfalls notwendige Fremdmittelaufnahme verteuert und möglicherweise die Margen in den außerkollektiven Krediten aufzehrt. Umgekehrt nutzt eine vollständig fristenkongruente Refinanzierung der außerkollektiven Kredite nicht die Chancen der überwiegend langfristig zur Verfügung stehenden Bauspareinlagen und belastet die Margen immer mit dem Risikoaufschlag für Kapitalaufnahmen.

Zinsänderungsrisiken

Als Grundlage für die Konditionengestaltung werden Preisuntergrenzen entwickelt, die neben Einstandszinsen inklusive Liquiditätskosten mindestens auch die Risikokosten enthalten. Diesen stehen Sollkonditionen mit voller Kostendeckung und einem Gewinnanspruch gegenüber. Die konkreten Konditionen orientieren sich an der Marktsituation und versuchen über die Preis-Absatzfunktion optimale Ergebnisse zu erzielen und dabei auch die Auslastung und Produktivität sowie die Einkommenswirkung für den Vertrieb einzubeziehen.

Das außerkollektive Kreditgeschäft benötigt eine sorgfältige und ausgefeilte Steuerung im Rahmen des Gesamtbanksteuerungssystems. Nur so lassen sich Zinsänderungs- und Liquiditätsrisiken frühzeitig erkennen und darauf reagieren, um die langfristige Handlungsfähigkeit der Bausparkasse und damit den vom Gesetzgeber geforderten besonderen Schutz des Bausparers sicherzustellen. Ist dies gewährleistet, und darüber geben die Bausparkassen gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht in regelmäßigem Abstand Rechenschaft, bildet das außerkollektive Kreditgeschäft eine sinnvolle Ergänzung des Bauspargeschäfts und bietet sowohl dem Kunden wie auch der Bausparkasse einen echten Mehrwert. Das gilt insbesondere in Zeiten sinkender und niedriger Zinsen.

Fußnoten 1) Quelle: Untersuchung des Marktforschungsinstitutes TNS Infratest im Auftrag verschiedener Finanzierungsinstitute, unter anderem der Landesbausparkassen und des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.2) Quelle: Deutsche Bundesbank.

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