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Anlagemöglichkeiten im Spannungsfeld zwischen Liquidität, Ertrag und Risiko

Die deutschen Bausparkassen verfügen zurzeit (Stand 31. Dezember 2010) über Bauspareinlagen von 132,7 Milliarden Euro; hiervon sind 27,9 Milliarden Euro in Bauspardarlehen angelegt, was einen Anlegungsgrad von etwa 21 Prozent ergibt. Die Trägheitsreserve, das heißt der nicht in Bauspardarlehen angelegte Teil der Bauspareinlagen in Höhe von 104,8 Milliarden Euro, kann - oder muss - in Voraus- oder Zwischenkrediten oder am Kapitalmarkt angelegt werden. Rahmenbedingungen für die Geldanlagen von Bausparkassen Hierbei hat der Gesetzgeber zum Schutz der Einlagen der Bausparer die Anlagemöglichkeiten stark reglementiert. Die Rahmenbedingungen für Geldanlagen sind in den Vorschriften des § 4 Abs. 3 des Bausparkassengesetzes explizit aufgeführt. Der Anlagekatalog umfasst dabei ausschließlich festverzinsliche verbriefte und unverbriefte Anlageformen. Geldanlagen, die mit einem Haftungsrisiko verbunden sind, hat der Gesetzgeber ausgeschlossen. Zu Einzelheiten sei auf den Wortlaut des Bausparkassengesetzes verwiesen. Zur Aufrechterhaltung der Sofortzuteilungsprämisse hat die Bausparkasse ihre Anlagepolitik an der zu erwartenden Nachfrage von zugeteilten Bauspardarlehen zu orientieren. Die sogenannte "vorübergehende" Anlage von Zuteilungsmitteln am Kapitalmarkt kann sich in Anbetracht der derzeitigen Anlegungsgrade durchaus über zehn und mehr Jahre erstrecken. Da eine Bausparkasse ihre Passivkosten, das sind im Wesentlichen die Zinsen für Bauspareinlagen, nur mittelfristig über Neugeschäft und Bestandsabbau beeinflussen kann, ist sie auf entsprechende Erträge aus der Aktivseite, das heißt zu großen Teilen aus der Trägheitsreserve, angewiesen, um ihre Bedarfsspanne zu erwirtschaften. Hier bildet sich naturgemäß ein Spannungsfeld zwischen dem Ziel möglichst hoher Erträge aus der Trägheitsreserve, dem Ziel der jederzeitigen Zuteilungsbereitschaft und dem Ziel eines begrenzten - möglichst niedrigen - Gesamtrisikos; besonders ausgeprägt war dieser Zielkonflikt 2010 in der Phase extrem niedriger Kapitalmarktzinsen festzustellen. Liquiditätsanforderungen aus dem Kollektiv Wie erwähnt, dienen die "vorübergehend" am Kapitalmarkt angelegten Mittel in erster Linie zur Aufrechterhaltung der kollektiven Liquidität, also der Bereitschaft, alle zugeteilten und abgerufenen Bauspardarlehen auszahlen zu können. Hierzu erstellt jede Bausparkasse eine sogenannte Kollektivsimulation, in der - basierend auf Vergangenheitswerten, Expertenwissen und geplanten Veränderungen - die kollektive Liquidität (und andere Parameter) über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren, bedarfsweise auch länger, hochgerechnet wird. Hierbei lässt sich auch die Entwicklung der Wartezeit bis zur Zuteilung abschätzen; jede Bausparkasse hat ein hohes Interesse daran, die Wartezeit konstant - und kurz - zu halten. Sollte dann im Laufe der Zeit ein von der Planung abweichender Bedarf an Zuteilungsmitteln entstehen, der aus dem laufenden kollektiven Cash-Flow und den auslaufenden Geldanlagen nicht gedeckt wird, muss Liquidität über alternative Wege beschafft werden. Dieses können die von der EZB angebotenen Refinanzierungsformen, der Verkauf von Wertpapieren oder die Refinanzierung am Kapitalmarkt - gegebenenfalls gegen Verpfändung von Wertpapieren - sein. Erträge aus Trägheitsreserve Die Möglichkeiten und insbesondere die Kosten dieser Maßnahmen zur Liquiditätsbeschaffung hängen in hohem Maße von der jeweiligen Kapitalmarktsituation ab. Auch unterscheiden sich die verschiedenen Klassen von Geldanlagen in Krisenzeiten stark in ihrer Liquidierbarkeit. Gerade das vergangene Jahr hat gezeigt, dass manche Anlageformen zwar nicht ausfallgefährdet waren und bei dem Ziel der endfälligen Haltung keine Probleme bereiteten, dass sie aber am Markt nicht oder nur mit Kursabschlägen verkäuflich waren. Als neue Anforderung wird auch auf die Bausparkassen im Rahmen von Basel III/ CRD IV eine veränderte Betrachtungsform von Liquiditätsrisiko zukommen, die bei diesen hier angeführten Überlegungen zu berücksichtigen sein wird. Derzeit (31. Dezember 2009, die vollständigen Daten für 2010 liegen noch nicht vor) "kosten" die Bausparkassen die Bauspareinlagen im Mittel 2,41 Prozent. Die Tendenz ist sinkend, da nahezu alle Bausparkassen in den letzten Jahren ihr Tarifwerk an die aktuelle Kapitalmarktsituation angepasst und die Passiv- und Aktivzinsen gesenkt haben. Die Bauspardarlehen erbringen im Mittel 4,45 Prozent mit einer kollektiven Zinsspanne von 2,04 Prozent, die aber beim Anlegungsgrad von 24 Prozent nur für knapp ein Viertel der Bauspareinlagen zutrifft. Maßgeblich für eine Bausparkasse ist die kollektivbedingte Zinsspanne, die auf der Aktivseite die Erträge aus Bauspardarlehen und Trägheitsreserve widerspiegelt. Falls auch die kollektivbedingte Zinsspanne 2,04 Prozent betragen soll, müsste der Bestand an Geldanlagen im Mittel mit 4,45 Prozent - wie auch die Bauspardarlehen - verzinst werden, was im Jahr 2010 bei den Neuanlagen nur unter Inkaufnahme langer Fristen oder eines deutlich höheren Risikos möglich gewesen wäre. Einerseits sind lange Fristen auf der Aktivseite für Bausparkassen in der Regel ein gutes "Sicherheitspolster" bei sprunghaft sinkenden Kapitalmarktzinsen, denn sie verlängern die Reaktionszeit für die Anpassung der Produktpalette erheblich. Eine hohe Duration der Aktivseite muss andererseits für eine Bausparkasse im Zinsänderungsrisiko "verkraftbar" sein, was eine entsprechende Eigenkapitalbasis voraussetzt. Überlegungen in der Branche deuten darauf hin, dass das Risikooptimum bei einer Duration von sechs bis acht Jahren liegt, naturgemäß abhängig vom Einzelkollektiv. Risiken für Liquidität und Ertrag Das in den MaRisk aufgeführte Liquiditätsrisiko betrachtet dem Sinne nach die jederzeitige Zahlungsbereitschaft, auch bei sich plötzlich verändernden Liquiditätsanforderungen; diese Anforderungen können von Bausparkassen in der Regel ohne große Schwierigkeiten erfüllt werden. Komplexer wird die Situation bei der Betrachtung der kollektiven Liquidität, bei der Defizite zu einer Wartezeitverlängerung führen können. Der Bedarf an kollektiver Liquidität hat jedoch eher geringen Einfluss auf die Anlagepolitik einer Bausparkasse. Eine Überbeanspruchung der kollektiven Liquidität ist im Wesentlichen über die Produktgestaltung zu steuern und damit auch Gegenstand der präventiven Tarifkontrolle. Die Risiken für den Ertrag stellen sich in dem eng gesteckten Rahmen der Anlagemöglichkeiten einer Bausparkasse im Zusammenhang mit der Kapitalmarktkrise jedoch neu dar. Während noch vor wenigen Jahren das Adressenausfallrisiko bei europäischen Staatsanleihen ein "Unwort" war, wird dies heute für einige Länder anders gesehen, wie die Spreads zu den Bundesanleihen zeigen. Möglichkeiten im aktuellen Kapitalmarktumfeld Nicht gedeckte Anlagen bei Kreditinstituten streuen in ihrem Spread erheblich breiter als früher; gerade hier ist bei vielen Instituten die Marktfähigkeit der Papiere in Krisenzeiten zu beachten. Letztlich wird auch hier der "Risikoappetit" einer Bausparkasse durch das zur Verfügung stehende Risikokapital begrenzt, aus dem alle Risiken, auch das kollektive Liquiditätsrisiko und das kollektivbedingte Zinsspannenrisiko als die beiden bausparkassenspezifischen Risiken abzudecken sind. Die hohe kollektive Liquiditätsausstattung der Bausparkassen so wie sie sich in den letzten Jahren entwickelt hat, dürfte sich auch in den nächsten Jahren nicht wesentlich verringern. Das gesetzlich zulässige Produktspektrum für die Geldanlage von Bausparkassen hat sich als ausreichend erwiesen; Korrekturen im Detail, insbesondere im Hinblick auf das veränderte Refinanzierungsverhalten einzelner Marktteilnehmer, erscheinen sinnvoll und werden derzeit ebenfalls mit der BaFin diskutiert. Sie werden aber keine gravierenden Veränderungen der Anlagemöglichkeiten bewirken. Die Niedrigzinsphase aber auch die Diversifikation nach der Finanzmarktkrise haben den Fokus auch verstärkt auf Unternehmensanleihen gerichtet, die bis zum Rating BBB, das heißt im Investmentgrad für Bausparkassen zulässig sind. Hier sind noch bessere Margen zu erzielen, wenn auch die Belastung des Risikokapitals höher ist als bei vielen anderen Papieren. Eine interessante Form der Anlagen für Bausparkassen sind Spezialfonds; sie enthalten zwar letztlich nur Papiere, die die Bausparkassen auch selbst erwerben dürfen, bieten aber mit ihrer Saldierung von stillen Reserven und stillen Lasten einen "Zwischenpuffer", der in bestimmten Situationen wie der Belastung der Gewinn- und Verlustrechnung bei ansteigenden Marktzinsen eine flexible Ausschüttungspolitik ermöglicht. Gerade bei bestimmten Wertpapierkategorien wie zum Beispiel Unternehmensanleihen (gegebenenfalls auch noch branchenspezifischen) oder europäischen Banktiteln (möglicherweise auch noch länderspezifischen) kann das Know-how der Investmentgesellschaften für Bausparkassen eine wichtige Unterstützung darstellen. Bei den Anlagemöglichkeiten in europäische Staatsanleihen sind fraglos heute andere Fragen zu stellen als noch vor fünf Jahren. Die Risikoaspekte bei Anleihen der PIGS-Staaten sind bekannt, die Zweifel bei weiteren Emittenten wachsen; erste Zweifel an der Bonität von US-Staatsanleihen - für Bausparkassen nur mit Hilfe von Wechselkursabsicherungen nutzbar - werden bereits geäußert. Inwieweit Pessimisten auch die Bonität von Bundesanleihen anzweifeln, bleibt abzuwarten; dies ist dann aber kein Problem allein der Bausparkassen mehr. Als die vom Volumen her wichtigste Anlageform haben sich die von Banken emittierten Papiere entwickelt; insbesondere Pfandbriefe der Hypothekenbanken waren und sind für Bausparkassen eine maßgebliche Anlageform. Die gesunkene Zahl der Markteilnehmer führt jedoch dazu, dass die Frage des Klumpenrisikos wichtig wird. Für die Bausparkassen aus den Bankenverbünden ist die Anlage in der Regel etwas leichter, da Institutssicherungssysteme das Emittentenrisiko vermeiden oder verringern, aber auch hier ist die Zahl der möglichen Handelspartner kleiner geworden. Alles in allem bleibt festzuhalten, dass es für Bausparkassen auch unter dem Aspekt der Finanzmarktkrise weiterhin ausreichende Anlagemöglichkeiten am Markt gibt, wenn auch mit einer eingeschränkten Vielfalt, und dass die Risikosteuerungssysteme der Bausparkassen auch den neuen Anforderungen gerecht werden können.

Dr. Friedrich Miehe , Lehrbeauftragter , Universität zu Köln
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