Im Blickfeld

Spiel von der Grundlinie

Konsequent vage - kaum ein anderer Bankvorstand bleibt in seinen Aussagen so vorsichtig wie der Vorstandsvorsitzende der Aareal Bank. Nur wenige verstehen es, dabei so beharrlich und selbstverständlich immer wieder die gleichen, eingeübt wirkenden Floskeln herunterzubeten wie Wolf Schumacher. Nein, überschäumende Begeisterung ist nicht seine Art, Visionen zu propagieren ebenso wenig. Aber immerhin weckt er dadurch auch kaum große Erwartungen, die möglicherweise enttäuscht werden. Das Spiel von der Grundlinie ist sein Markenzeichen und mittlerweile auch das des von ihm geführten Hauses - zumindest in der öffentlichen Darstellung. Dies wurde neuerlich bei der Vorstellung der Bilanzzahlen des Instituts in Frankfurt deutlich. Obwohl das Konzernergebnis um 54 Prozent auf 134 Millionen Euro zulegte, die Hypothekenzusagen von 3,8 auf 6,7 Milliarden Euro zunahmen und auch die Dienstleistungssparte ihren Jahresüberschuss steigerte, duckt der Vorstand bei den Zukunftsaussagen - wie gewohnt - ab. Diese Vorsicht ist insofern unverständlich, als zuvor ausführlich die außerordentliche Güte des Kreditbestands, die hervorragenden Geschäftsmöglichkeiten sowie die gute Wettbewerbs- und Margensituation für die Bank referiert wurden.

Auch die Darstellung des künftigen wirtschaftlichen Umfeldes, in dem sich die Bank bewegt, sollte mehr Optimismus rechtfertigen. So erwartet das Kreditinstitut einen Anstieg des Transaktionsvolumens in den relevanten Immobilienmärkten von 321 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf rund 380 Milliarden Euro in diesem Jahr. Für die nächsten fünf Jahre sind die eigenen Marktanalysten sogar noch positiver gestimmt. Trotzdem wird bei der Neugeschäftsprognose tiefgestapelt. Mit fünf bis sechs Milliarden Euro ist der Planungskorridor für 2011 zwar höher angesetzt als er es für 2010 war, doch deutlich niedriger als das tatsächlich im Vorjahr realisierte Neugeschäft (siehe Immobilien & Finanzierung 05/06-2011, Seite 176). Traut die Bank also ihren eigenen Prognosen nicht?

Widersprüchlich sind auch die Erwartungen hinsichtlich der Ertragszahlen. Es wird von weniger Wettbewerbern auf der Finanziererseite ausgegangen, sodass sich Chancen für "Cherry Picking" ergeben sollten. Gleichzeitig betont der Vorstand gerne, dass die Bank aufgrund ihrer breiten regionalen und sektoralen Diversifizierung von unterschiedlichen Zyklen in ihren Zielmärkten profitieren könne. Sogar ein moderat steigendes Zinsniveau wird erwartet. Trotzdem rechnet der Konzern nur mit einem stabilen, allenfalls leicht steigenden Zinsüberschuss. 2010 belief sich die Position immerhin auf 509 Millionen Euro (plus elf Prozent). Lediglich in der Risikovorsorge wird die Bank etwas mutiger und erwartet eine Bandbreite von 110 bis 140 Millionen Euro respektive 50 Basispunkten auf das Immobilienfinanzierungsportfolio. Doch auch hier wird eingeschränkt, dass ein höherer Risikovorsorgebedarf bei unerwarteten Verlusten nicht ausgeschlossen sei. Alles andere wäre freilich eine echte Überraschung.

Obwohl 2011 der Verwaltungsaufwand inklusive der mit fünf Millionen Euro veranschlagten Bankenabgabe leicht über dem Vorjahreswert von 366 Millionen Euro liegen dürfte, wird von einem höheren Betriebsergebnis als 2010 ausgegangen. Auch die Eigenkapitalrendite (RoE) vor Steuern soll steigen. 2010 lag sie noch bei 6,1 Prozent, 2012 sind elf bis zwölf Prozent angestrebt. Allerdings schränkt der Vorstand sofort ein, dass dies nur unter der Annahme gelte, dass sich die Bank bis dahin wieder in normalisierten Märkten bewegt. Damit lässt sich das Management alle Türen offen, denn was "normalisierte" Märkte sind, bleibt schwammig. Bemängelt wird vor allem, dass die Kapitalmarkt- und Bankenregulierung noch viele offene Fragen aufwerfe. Diese Unsicherheiten würden Aussagen zur Ertrags- und Neugeschäftsentwicklung der Aareal Bank so schwierig machen.

Tatsächlich sorgen einige Details der künftige Regulierung zu Recht für Diskussionen, aber davon sind auch andere Institute betroffen, die sich hinsichtlich ihrer Zukunftsaussagen weniger zieren.

So viel Wenn und Aber in Schumachers Prognosen will nicht recht zu der ach so exzellenten Marktpositionierung passen. Entweder läuft bei den Wiesbadenern doch nicht alles so rund oder der Vorstand fürchtet Begehrlichkeiten. So möchte er auch in diesem Jahr auf die Zahlung einer Dividende verzichten, obwohl dies für 2010 wieder zulässig wäre, weil daran der Sonderfonds Finanzmarktstabilität (SoFFin) für seine stille Einlage überproportional beteiligt werden müsste. Nach der Teilrückführung von 150 Millionen Euro im vergangenen Jahr stützt der Rettungsfonds die Bank noch mit 375 Millionen Euro, die wie anderes Hybridkapital mit marktüblichen neun Prozent zu verzinsen sind.

Jede darüber hinausgehende Dankbarkeit gegenüber dem Steuerzahler hält das Management offensichtlich für unangemessen, weil die Bank der Hilfe doch angeblich gar nicht bedürfe.

Trotzdem wurden die bisherigen staatlichen Garantien in Höhe von zwei Milliarden Euro, mit denen die unbesicherte Refinanzierung gestützt werden soll, um weitere zwei Milliarden Euro aufgestockt (siehe Immobilien und Finanzierung 14-2010, Seite 462). Die mit der zweiten Garantietranche versehene Anleihe hält die Bank auf dem eigenen Buch, um sie beispielsweise gegebenenfalls als Sicherheit bei der EZB zu hinterlegen. Allerdings ist diese Art von Versicherung gegen Unvorhergesehenes nicht umsonst. Um die anfallenden Mehrkosten durch geringere Zinspflichten auszugleichen, wurde ein Teil der SoFFin-Einlage zurückgezahlt.

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise und der Geschichte der Bank, die ohne großen Konzern im Rücken am Markt bestehen muss, ist eine maßvolle Risikoaversion verständlich. Auch dürfte die institutionelle Wohnungswirtschaft, die der Bank Einlagen in Milliardenhöhe anvertraut, eine gewisse Zurückhaltung schätzen. Dennoch bleiben Fragen offen: Warum zum Beispiel braucht der Wiesbadener Immobilienfinanzierer weiterhin SoFFin-Einlagen und -Garantien, während einige ausschließlich am Kapitalmarkt refinanzierte Häuser diese schon vollständig zurückgeführt haben? Wieso trauen sich wieder mehr Pfandbriefbanken ein deutlich höheres Neugeschäft zu und wollen dabei vor allem im originären Neugeschäft wachsen, hingegen sich die Aareal Bank zum weit überwiegenden Teil mit Prolongationen aus ihrem Bestand heraus befasst - oder befassen muss? Der Vorstand sollte Antworten geben. Es wäre vertrauensbildend. L. H.

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