Leitartikel

Eine weitere Runde aussetzen

Trotz wenig berauschender Konjunkturaussichten werden Glühwein und Glockenklang uns auch diesmal wieder heimelig auf den Jahresausgang einstimmen. Schon schmückt der Handel seine Boutiquen zum Fest, um auch ja jedem klar zu machen, dass in einen erhabenen Heiligabend gehörig investiert werden sollte. Zu den Klassikern vorweihnachtlicher Konsumwonne gehören Gesellschaftsspiele. Dass das weltweit meistverkaufte Spiel - nach Angaben seines Herstellers - Monopoly ist, belegt freilich, dass die Kombination aus Immobilien und Geld global gleichermaßen fasziniert. Vielleicht weil es einen kleinen Kerzenschein in die menschliche Seele wirft, die im Großen und Ganzen das Streben nach Glück eben doch nicht ganz vom Materiellen zu trennen vermag. Nicht zuletzt gibt das Spiel einige Mechanismen der Immobilienmärkte - zwar als höchst simples, aber darum bestechend leicht verständliches - Modell wieder. Ob Steuern oder Strafe, Miete oder Hypothek, Glück oder Gefängnis - alles liegt stets nahe beieinander. Dabei gibt es Aktionen, die auf den ersten Blick kein Marktäquivalent zu besitzen scheinen, wie zum Beispiel eine Runde auszusetzen.

Und doch: Seit gut zwei Jahren gehört das "Aussetzen" zu den sich häufenden Handlungen bei Offenen Immobilienfonds. Wagte die Deutsche Bank noch unter heftigen Empörungen ihrer Wettbewerber Mitte Dezember 2005 als erste den Tabubruch und setzte die Rücknahme von Anteilscheinen für drei Monate aus, so nahmen sich im Oktober 2008 gleich ein Dutzend Fonds für wesentlich länger eine Auszeit. Jetzt mussten Aberdeen Immobilien und Axa IM ihre bereits wieder "geöffneten" Fonds erneut aussetzen. Damit trat ein, wovor sich die Fondsbranche am meisten fürchtete: Der "Sündenfall" wird zur Wiederholungstat. Schien die Nicht-Rücknahme von Fondsanteilen anfangs als Notbremse bei externen Schocks - bei der sich eine intensive interne Fehlersuche offensichtlich erübrigt -, verklären die Marketingpoeten die Schließung mittlerweile zum Akt der Barmherzigkeit. Schließlich diene doch alles zum Schutz der Anleger. Ja, auch jener Anleger, die diesen "Schutz" gar nicht wollen, sondern ihr Geld.

Rechtlich ist die Fondsschließung bei rasanter Anlegerflucht und Liqudititätsengpässen zulässig, ja sogar erforderlich; kundenfreundlich ist sie nicht - erst recht nicht mit einer solchen "Schutzbehauptung". Denn welcher Anleger, der aus welchen Gründen auch immer seine Fondsanteile zurückgeben möchte, fühlt sich angesichts dieser Argumentation nicht entmündigt. Da gewinnt das Qualitätsmerkmal "mündelsicher" doch eine ganz neue Bedeutung. Dass auch eine langfristig stabile und solide Anlageklasse gegen externe Schocks und irrationales Anlegerverhalten immun ist, erwartet sicherlich niemand. Trotzdem muss auch bei den Offenen Immobilienfonds - ungeachtet all ihrer hervorragenden Produkteigenschaften - nach den Ursachen des schwindenden Anlegervertrauens gefragt werden. Denn längst nicht alle Sondervermögen bilden eine Leidensgemeinschaft. Während die einen klamm sind und notgedrungen Bestände abbauen müssen, schleppen die anderen prall gefüllte Kassen mit sich herum und suchen passende Objekte.

Viele der noch ausgesetzten Fonds haben das Problem der späten Geburt. Sie starteten im Immobilienboom, als institutionelle und semiinstitutionelle Investoren Liquiditätsüberschüsse in Immobilien unterbringen wollten. Folglich ist zu vermuten, dass die Fonds häufig zu teuer einkauften, um schnell ein Portfolio aus dem Boden zu stampfen. Die unvermeidlichen Korrekturen verärgern jetzt die Anleger. Vertrauensbildende Maßnahmen sind mit dieser Historie eine echte Herkulesaufgabe. Zumal kaum ein Fonds seine Anleger wirklich kennt, geschweige denn direkten Kontakt mit ihnen pflegt. Kaum eine Kapitalanlagegesellschaft weiß um die Wünsche, Strategien und Ziele ihrer Fondszeichner. Zu oft findet die Kommunikation mit den Anlegern über den Vertrieb statt. Doch naturgemäß wachen die Vermittler eifersüchtig über ihren Kundenzugang. Entsprechend selektiv ist der Informationsfluss. Während Fondsgesellschaften, die Produktlieferant innerhalb eines Verbundes oder Bankkonzerns sind, auf eine gewisse familiäre Unterstützung im Vertrieb bauen können, hängen andere ausschließlich vom Wohlwollen unabhängiger Vermittler ab. Besonders kritisch wird es, wenn der bisher stabile und verlässliche Bankvertrieb an einen Wettbewerber fällt.

Wenn zudem nicht nur die Rücknahme von Fondsanteilen wegen massiver Mittelabflüsse eingestellt, sondern auch der Absatz von Fondsanteilen ausgesetzt wird, ruft das unschöne Vorahnungen wach. Denn für gewöhnlich wird diese Maßnahmenkombination nur gewählt, wenn massive Abwertungen im Portfolio drohen. Ohnehin stehen die Offenen Immobilienfonds unter kritischer Beobachtung, weil sie in ihren Beständen bislang kaum Immobilienwerte in dem Ausmaß wie andere Bestandshalter korrigierten. Zwar vermögen die Fonds die Nachhaltigkeit ihrer Wertansätze trefflich zu begründen, trotzdem haben einige ihre Anleger bereits mit Wertminderungen konfrontiert. Wer bewertet nun marktgerecht? Wird hier nur Stabilität suggeriert, wie Kritiker hartnäckig mutmaßen? Oder stimmt die Behauptung, dass die drastischen Korrekturen nur dazu dienen, sich möglichst rasch den Preisvorstellungen potenzieller Käufer anzupassen, weil die Fonds bekanntlich nur verkaufen, wenn der gebotene Preis die gutachterliche Bewertung nicht wesentlich unterschreitet? Der seit 50 Jahren bewährten Anlageform "Offener Immobilienfonds" schaden derlei Nachrichten, denn sie verunsichern die Anleger. Da schafft auch ein novelliertes Investmentgesetz mit längeren Kündigungsfristen und besseren Ventilen für den Mittelzu- und -abfluss nicht unbedingt mehr Vertrauen. L. H.

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