Leitartikel

Abwicklung mit Ansage

Im Bundesfinanzministerium reißen langsam die Geduldsfäden. Nein, daran sind diesmal nicht die Griechen schuld, die im Sirtaki-Rhythmus immer neuen Kapitalbedarf anmelden und damit die Leidensfähigkeit der restlichen Eurozonalen prüfen. Vielmehr haben die Berliner Finanzministerialen augenscheinlich genug vom fruchtlosen Gezänk einer höchst uneinigen Fondsindustrie. Speziell die Offenen Immobilienfonds haben ein äußerst drängendes Problem: Ende Oktober werden eine Reihe von Publikumsfonds seit 24 Monaten keine Anteilscheine zurückgenommen haben. Damit hätten sie das gesetzliche Limit erreicht und müssten die Rückgabebegehren der Anleger wieder bedienen, obwohl es ihre Liquidität nicht zulässt. Der Imageschaden für die gesamte Anlageklasse wäre so gewaltig, dass eine Kettenreaktion wahrscheinlich ist. Letztlich stünde das Konstrukt des Offenen Immobilienfonds als Ganzes endgültig infrage.

Umso unverständlicher ist es, dass sich die Kapitalanlagegesellschaften weiterhin in "Stammes"-Fehden selbst zermürben. Da behaken sich die Fondsanbieter der Verbünde untereinander und mit jenen der Großbanken, beide Gruppen wiederum wollen nichts mit den Fonds gemein haben, die sich ohne bankeigenen Vertrieb derzeit mehr schlecht als recht durchschlagen. Doch auch die bankunabhängigen Fondsanbieter - obgleich gerade in der aktuellen Situation tragische Leidensgenossen zeigen gerne auf die Makel der anderen, um sich ein bisschen besser zu machen. Gefragt wäre jedoch Einigkeit, nicht Zwist.

Immerhin schafften es die Offenen Immobilienfonds, sich Ende 2008 gerade so auf einen Minimalkonsens für eine Novelle des Investmentgesetzes zu verständigen. Vier Neuerungen sollten die Lösung bringen: erstens eine zwölfmonatige Kündigungsfrist für institutionelle Anleger, zweitens ein 90-tägiger Kündigungsaufschub für Privatanleger bei hohen Mittelabflüssen, der - drittens - bei Bedarf verlängert werden kann, und viertens die uneingeschränkte Bedienung von Auszahlplänen. Dabei wurde allerdings völlig ignoriert, dass das Bundesfinanzministerium keine unterschiedliche Behandlung der Anleger wünscht. Eine Bevorzugung der privaten vor den institutionellen Investoren und die Privilegierung von Auszahlplänen hatten folglich kaum Chancen, in Berlin Gehör zu finden.

Weil die Fonds aber mittlerweile höchst unterschiedliche "Liquiditätsnöte" haben, scheint es unwahrscheinlich, dass ein neuer, politisch besser zu akzeptierender Lösungsvorschlag aus der Branche selbst kommt. Während einige Sondervermögen in den vergangenen anderthalb Jahren bereits mehrfach schließen mussten oder gar nicht erst öffnen konnten, ächzen andere unter einer gewaltigen Kasse, für die sich nur schwer passende Anlageobjekte finden lassen. Entsprechend unterschiedlich ist das Problembewusstsein ausgeprägt. Das lähmt den BVI Bundesverband Investment und Asset Management, der wertvolle Energie in die brancheninterne Konsenssuche investieren muss, die ihm in der lobbyistischen Durchsetzungskraft fehlt.

Die Politik reagiert darauf wie gehabt und droht mit hoheitlichem Dirigismus. Jetzt wurde die zweite Stufe gezündet, nachdem das Bundesfinanzministerium bereits vor Wochen Pläne bekannt machte, nach denen es - der Fondsliquidität entsprechend - gestaffelte Kündigungsfristen und Mindesthaltefristen von bis zu zwei Jahren geben sollte. Dieser deutliche Warnruf verhallte bei den Adressaten ungehört. Folgerichtig wurde jetzt ein verschärfter Diskussionsentwurf vorgelegt, wonach die Ausgabe und Rücknahme von Fondsanteilen nur noch halbjährlich oder jährlich zu festgesetzten Terminen möglich sein soll. Auszahlpläne und die Nutzung des Offenen Immobilienfonds zur Altersvorsorge wären damit kaum noch sinnvoll.

Noch gravierender ist jedoch die beabsichtigte Pflicht zum Börsenhandel der Fondsanteile. Werden diese Pläne Gesetz, sind die Offenen Immobilienfonds in ihrer traditionellen Form Geschichte, denn es würde ein grundsätzlich anderes Anlagevehikel geschaffen. Es wäre eine deutlich volatilere Kapitalanlage, die faktisch nur eine weitere Spielart des Real Estate Investment Trusts (REIT) sein dürfte. Die REIT-Kriterien wären zumindest weitgehend erfüllt: hohe Steuertransparenz, Börsenhandel, auf Immobilien begrenzte Geschäftsaktivitäten und eine hohe Mindestausschüttung (laut Gesetzentwurf mindestens 50 Prozent).

Doch als ob das noch nicht reiche, packten die Ministerialen noch ein paar schwer verdauliche Brocken in ihr Diskussionspapier. So soll auf die Verkehrswerte sämtlicher Fondsobjekte pauschal ein zehnprozentiger Abschlag vorgenommen werden. Diese Vorgabe ist auch mit dem Argument eines Sicherheitspuffers kaum ernsthaft zu begründen. Allein schon die Größenordnung ist willkürlich und anhand von Marktdaten schwerlich zu rechtfertigen. Zudem stellt die Forderung das lange gehegte und gepflegte Bewertungssystem einschließlich des Sachverständigenwesens grundlegend infrage. Ist der gesetzlich geforderte Abschlag Ausdruck des Misstrauens gegenüber den Liegenschaftswerten in Offenen Immobilienfonds, die doch laut Gesetz bisher von unabhängigen Sachverständigen nach den gesetzlichen Regeln der Verkehrswertermittlung bestimmt werden? Sind die Anteile Offener Immobilienfonds also künftig grundsätzlich unterbewertet? Wie wird sich das in den Fondsanteilen ausdrücken, die an den Börsen gehandelt werden?

Fraglich ist außerdem, ob das vorgesehene Verfahren, nach dem klamme Fonds bei Bedarf und in Abhängigkeit von der Dauer der Fondsschließung ihre Immobilien zunächst um zehn und dann um 20 Prozent unter Verkehrswert veräußern dürfen, zweckdienlich ist. Anleger werden nämlich - trotz Kündigungsfristen und -terminen - fürchten, dass ihre Fondsanteile bei Aussetzen der Anteilscheinrücknahme kontinuierlich an Wert verlieren. In der Folge könnten potenzielle Investoren die Anlageform künftig meiden, während derzeit investierte Anleger einen raschen Ausstieg suchen dürften. Dass das keine Fiktion ist, zeigen die neuerlichen Fondsschließungen unmittelbar nach Bekanntwerden der Ministeriumspläne und die eiligen Beruhigungsversuche des Fondsverbandes. Der Schaden ist bereits angerichtet. Die Offenen Immobilienfonds, wie wir sie heute kennen, wird es wohl künftig nicht mehr geben. L. H.

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