Offene Immobilienfonds

Das "Schweizer Modell" eine Alternative für Deutschland?

Die Rücknahmeaussetzungen bei Offenen Immobilienfonds in Deutschland seit Herbst 2008 haben die Fristenproblematik und das Liquiditätsmanagement wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Es ist nicht erstaunlich, dass über Alternativen zum "Deutschen Modell" nachgedacht wird. Dieses sieht grundsätzlich eine tägliche Rückgabemöglichkeit für Anleger vor.

Die Rücknahmeaussetzung ist der gesetzlich zugelassene Ausweg, wenn die Rückgabewünsche die vorhandene Liquidität übersteigen und eine kurzfristige Veräußerung von Immobilienobjekten, was der Regelfall ist, nicht möglich ist. Wenn Rücknahmeaussetzungen aber häufig vorkommen und andauern, muss die Frage gestellt werden, ob das "Deutsche Modell" die Fristenproblematik richtig adressiert.

Eckdaten der Offenen Immobilienfonds

Eine der diskutierten Alternativen ist das "Schweizer Modell". Es ist dadurch charakterisiert, dass die Rückgabemöglichkeiten an die Fondsgesellschaften stark beschränkt sind und als "Ersatz" ein Börsenhandel mit Fondsanteilen zu organisieren ist. Das "Schweizer Modell" entstand durch Änderungen des Investmentrechts im Jahre 2001. Die Eckdaten der seither diesem Regime unterliegenden schweizerischen Offenen Immobilienfonds lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- rund 12,0 bis 15,0 Milliarden Euro Fondsvermögen, der Anteil der Immobilien-Anlagefonds am gesamten Fondsvolumen beträgt damit unter fünf Prozent;

- jährlicher Mittelzufluss in den letzten Jahren rund 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro;

- spezifische Anlagepolitik: stark inlandsorientiert, Schwerpunkt auf Wohnimmobilien;

- Performance pro anno im Durchschnitt rund sechs Prozent seit Etablierung 2001.

Die wesentlichen Regelungen des "Schweizer Modells"

Die Ausgabe von Fondsanteilen erfolgt grundsätzlich zum Net Asset Value (NAV) des Fonds. Zusätzlich kann ein Aufgeld erhoben werden, üblich sind fünf Prozent. Fondsanteile werden nicht laufend, sondern in Tranchen ausgegeben. Bestandsanlegern muss ein Bezugsrecht gewährt werden, da der gleichzeitige Börsenhandel zu Kursen oberhalb des NAV führen kann. Alles in allem ähnelt die Ausgabe von Fondsanteilen mehr einem börsenmäßigen Emissionsverfahren als der bei Offenen Fonds üblichen laufenden Anteilsausgabe.

Eine Rücknahme von Anteilen zum NAV durch die Fondsgesellschaft beziehungsweise Depotbank findet nur einmal jährlich - zum Ende des Fonds-Rechnungsjahres - statt. Der Anleger muss mindestens zwölf Monate vor diesem Stichtag einen Rücknahmeauftrag erteilt haben. Die effektive Rückgabefrist (Kündigungsfrist) dauert also - je nach konkretem Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages - zwischen mindestens zwölf und maximal 24 Monaten. Die Berechnung eines Rücknahmeabschlags ist zulässig.

Feste Rücknahmetage einmal im Jahr

Die Feststellung eines Anteilwertes erfolgt zum jährlichen Rücknahmestichtag und außerdem bei der Ausgabe von Fondsanteilen. Die Objekte werden nach einem Ertragswertverfahren bewertet. Die Objektbewertung erfolgt über das Geschäftsjahr hinweg, es gibt keine Verpflichtung, alle Objekte zu jedem NAV-Tag neu zu bewerten. Nur wenn sich Anhaltspunkte für deutliche Marktveränderungen ergeben, ist eine Neubewertung auf den Rücknahme- oder Ausgabestichtag hin erforderlich. Das Bewertungssystem ist also dem Verfahren bei deutschen Offenen Immobilienfonds nicht unähnlich.

Als Kompensation für die fehlende laufende Rückgabemöglichkeit an die Fondsgesellschaft ist diese verpflichtet, über eine Bank oder einen Wertpapierhändler einen regelmäßigen, börslichen oder außerbörslichen Handel von Immobilienfondsanteilen sicherzustellen. Dementsprechend werden die Anteile aller schweizerischen Immobilienfonds an der Börse gehandelt. Das Handelsvolumen wird auf rund zehn Prozent pro anno des Fondsvermögens geschätzt (jeweils hälftig Verkäufe und Käufe).

Börsenhandel sichert tägliche Verfügbarkeit

Börsenhandel bedeutet, dass sich die Kurse beziehungsweise Anteilspreise durch Angebot und Nachfrage bilden. Dementsprechend können auch signifikante Auf- und Abschläge des Börsenkurses gegenüber dem Anteilwert entstehen, zumal die benannte Bank/der Wertpapierhändler zwar einer abstrakten Verpflichtung zum Market Making unterliegt, konkrete Vorgaben hinsichtlich zulässiger Spreads aber nicht bestehen.

Zweifellos verbessert das "Schweizer Modell" für die Fondsgesellschaft die Möglichkeiten der Liquiditätssteuerung. Für den Anleger bedeutet das vor allem, dass er nicht jederzeit zum Nettoinventarwert Anteilscheine erwerben und veräußern kann. Die Verfügbarkeit der Fondsanlage, jedenfalls zum NAV, ist stark eingeschränkt.

Trotz der langen Kündigungsfrist sind Rücknahmeaussetzungen möglich wenn "zahlreiche Anteile gekündigt werden und dadurch die Interessen der übrigen Anleger wesentlich beeinträchtigt werden könnten", wie es das Gesetz formuliert. Das sind uns vertraute Formulierungen!

Bei unterjährigem Verkauf an der Börse muss der Anleger mit Zu- oder Abschlägen auf den fairen Wert rechnen und damit das Risiko von Kursschwankungen einkalkulieren. In Stress-Situationen kann es naturgemäß auch zu deutlichen Abschlägen kommen. Der Börsenhandel schafft zwar höhere Verfügbarkeit, führt aber letztlich zu einem Produkt, dessen Rendite-/Risikoprofil mit einem Offenen Immobilienfonds des "Deutschen Modells" nicht mehr vergleichbar ist.

Die bessere Alternative?

Ist das "Schweizer Modell" in der Lage, das Fristenproblem bei Offenen Immobilienfonds besser zu lösen als es Offene Immobilienfonds nach dem deutschen Investmentgesetz vermögen? Aus meiner Sicht muss jegliche Lösung Antworten auf zwei Fragen geben:

- Kann die Wahrscheinlichkeit einer Rücknahmeaussetzung reduziert werden?

- Kann eine Rücknahmeaussetzung, wenn sie denn eintritt, mit größerer Zuverlässigkeit in einem überschaubaren Zeitraum zur Beschaffung ausreichender Liquidität führen?

Beides muss geschehen, ohne das Produkt für Privatanleger unattraktiv zu machen, sonst ist nicht wirklich etwas gewonnen.

Zeit für Verkäufe von Immobilien

Die eingeschränkten Rücknahmeverpflichtungen im "Schweizer Modell" scheinen diesen Kriterien zu entsprechen - denn sie bewirken, dass die Fondsgesellschaft im Falle von Rücknahmeaufträgen, die die vorhandene Liquidität überschreiten, immer ein bis zwei Jahre Zeit hat, um Objekte zur Liquiditätsbeschaffung zu veräußern. Genau diese ein bis zwei Jahre Zeit hat aber auch ein deutscher Offener Immobilienfonds, der die Rücknahme nach Bestimmungen des InvG aussetzt, weil die Rücknahmebegehren die Mindestliquidität überschreiten. Hiergegen mag man einwenden, dass eine Objektveräußerung innerhalb einer Kündigungsfrist ein geräuschloser Prozess ist, während eine Rücknahmeaussetzung eine negative Öffentlichkeitswirkung hat.

Rücknahmeaussetzung in Deutschland kein Problem

Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die seit Herbst 2008 erfolgten Rücknahmeaussetzungen vom Markt vergleichsweise ruhig aufgenommen worden sind. Sie wurden akzeptiert als die Anwendung einer gesetzlich vorgesehenen Maßnahme, die letztlich dem Schutz der Anleger dient.

Das eigentliche Problem, das im Gefolge der Rücknahmeaussetzungen in Deutschland seit Herbst 2008 evident geworden ist, ist ein anderes: Gezeigt hat sich, dass bei schwieriger Marktverfassung auch Zeiträume von einem Jahr und mehr im Ernstfalle nicht ausreichen, um Objektverkäufe zur Liquiditätsbeschaffung zu tätigen - jedenfalls dann nicht, wenn damit gleichzeitig das Interesse der (Mehrheit der) Anleger gewahrt werden soll, die ihren Fonds als werthaltige Anlage ansehen und investiert bleiben wollen.

Gerade davor schützt auch das "Schweizer Modell" nicht - jedenfalls dann nicht, wenn man es gedanklich nach Deutschland versetzt. Wenn es bei Schweizer Fonds bisher gewirkt hat, dürfte das wesentlich mit auf die Besonderheiten dieses Marktes - Konzentration der Anlagen auf typischerweise relativ stabile und ertragstarke inländische Wohnimmobilien - zurückzuführen sein. Wir haben diese Anlageidylle nicht, sodass sich Schweizer Erfahrungen kaum übertragen lassen.

Ansetzen der richtigen Hebel

Kündigungsfristen schaffen lediglich die Illusion eines besseren Schutzes, ohne am Problem der Veräußerungsfähigkeit ohne Schädigung verbleibender Anleger etwas zu ändern. Der ökonomisch richtige Hebel für eine nachhaltige Problemlösung sind vielmehr Rücknahmeabschläge, weil sie an beiden oben genannten Fragestellungen ansetzen.

- Wahrscheinlichkeit einer Rücknahmeaussetzung: Rücknahmeabschläge schaffen einen Anreiz, Fondsanteile nur dann zurückzugeben, wenn wirklich Liquidität benötigt wird - was gerade bei Privatkunden immer nur bei einem geringen Anteil gleichzeitig zutrifft.

- Beschaffung ausreichender Liquidität: Rücknahmeabschläge belasten denjenigen Anleger, der Liquidität verlangt.

Wenn sie dem Fondsvermögen zugeführt werden, schaffen sie Spielraum für Objektveräußerungen auch unterhalb des nachhaltigen Ertragswerts, ohne die verbleibenden Anleger zu schädigen.

Hilfreiche Auseinandersetzung, aber keine Lösung

Das Instrument des Rücknahmeabschlags bietet viele Gestaltungsformen. Er kann grundsätzlich gelten oder aber nur dann, wenn knapp werdende Fondsliquidität es erfordert. Nach den Erfahrungen in Deutschland seit Oktober

2008 spricht zudem einiges dafür, einen Unterschied zu machen zwischen Großanlegern wie zum Beispiel Dachfonds, die selbst kurzfristigen Dispositionszwängen unterliegen können, und Privatkunden.

Das "Schweizer Modell" ist als solches keine Lösung für Deutschland. Die Auseinandersetzung mit diesem Modell ist gleichwohl hilfreich. Für eine Lösung in Deutschland, wie sie soeben skizziert wurde, sollte die Zeit jetzt reif sein.

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