Im Blickfeld

Rückfall in die Steuer-Ära

Nichts hat dem deutschen Immobilienmarkt so gut getan wie die Abkehr von der Steuerorientierung. Es ist nicht einmal acht Jahre her, dass die degressive Abschreibung für neu errichtete Wohngebäude abgeschafft wurde, und nun wird der Ruf nach ihrer Wiedereinführung zunehmend stärker. Die Union, weite Teile der SPD und die FDP fordern die Wiedereinführung der Steuervorteile. Dabei reichen die Vorschläge von einer Verdoppelung der derzeitigen Abschreibungssätze für Wohngebäude (von zwei auf vier Prozent) bis hin zu Sätzen von acht bis zehn Prozent für neu errichtete Wohnungen.

Auf den ersten Blick mag dies verwundern, da nach vielen Jahren des Rückgangs der Wohnungsbau - gerade in den Metropolen - in den vergangenen Jahren wieder in Schwung gekommen ist. Warum soll der Neubau also durch neue Steueranreize zusätzlich gefördert werden? Die Politik hat erkannt, dass der Zuwachs bei Baugenehmigungen und Baufertigstellungen eine Reaktion auf die gestiegenen Mieten ist. Nun fordern inzwischen jedoch fast alle Parteien die Einführung einer sogenannten "Mietpreisbremse" für die Wiedervermietung. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik soll damit nicht nur die Erhöhung von Bestandsmieten durch die sogenannte Kappungsgrenze limitiert werden, sondern auch die Miethöhe bei der Vermietung einer neuen Wohnung. Faktisch laufen die entsprechenden Vorschläge auf ein dauerhaftes Einfrieren der Mieten hinaus. Da die Politik erkannt hat, dass sie dadurch den Anreiz zum Neubau beseitigt, soll dieser nun durch höhere Abschreibungssätze angekurbelt werden. Man kann jetzt schon vorhersagen, dass dabei eine erhöhte Abschreibung von vier Prozent nicht ausreichen wird, da der Nachteil der Mietbegrenzung damit nicht hinreichend kompensiert wird. Es gibt also eine innere Logik, wenn aus der Politik inzwischen auch Abschreibungssätze von bis zu zehn Prozent gefordert werden. Dies wird vermutlich im ersten Schritt so nicht kommen. Wenn jedoch deutlich wird, dass durch eine Erhöhung der Abschreibung auf vier Prozent kein ausreichender Anreiz geschaffen wird, dann wird sich die Spirale der Steuervorteile weiterdrehen.

Hiervor kann nur gewarnt werden: In der Vergangenheit haben politisch motivierte Steuervergünstigungen in der Immobilienbranche immer wieder zu dramatischen Fehlallokationen von Kapital geführt. Investitionsentscheidungen wurden von Anlegern nicht mehr rational, also unter Renditegesichtspunkten, gefällt, sondern nur noch unter dem Aspekt der Steuervorteile. Die Sonderabschreibung des Fördergebietsgesetzes in den neuen Bundesländern ist ein besonders drastisches Beispiel dafür: Zunächst wurde mit Milliarden an Steuergeldern der Neubau von Wohnungen gefördert und nachdem es in der Folge einen dramatischen Angebotsüberhang mit zweistelligen Leerstandsraten in Ostdeutschland gab, wurde dann im nächsten Schritt - wiederum mit Steuergeldern - der Abriss von Wohnungen in den neuen Bundesländern subventioniert.

Für ausländische Investoren war der deutsche Markt in der Zeit der Steuervorteile unattraktiv. Der Anteil ausländischer Käufer am deutschen Immobilienmarkt war bis Ende der neunziger Jahre entsprechend niedrig. Die Vor-Steuer-Renditen deutscher Immobilien waren im internationalen Vergleich einfach nicht wettbewerbsfähig. Erst die Ende der neunziger Jahre vollzogene Abkehr von der Steuerorientierung hat dazu geführt, dass sich Angebot und Nachfrage bei einer für in- und ausländische Investoren angemessenen Rendite treffen. Das hat dem Wertsteigerungspotenzial deutscher Immobilien, das neben der Miete eine zentrale Stellgröße für die Attraktivität von Immobilieninvestments ist, außerordentlich gut getan.

Wenn jetzt einerseits die Mieten stärker reguliert werden als dies jemals der Fall war und andererseits ökonomisch zweifelhafte Steuervorteile eingeführt werden, dann wird dies erneut zu massiven Marktverzerrungen führen. Dem deutschen Wohnimmobilienmarkt, seinen Vermietern und Mietern und letztlich auch dem Steuerzahler wird dieses langfristig eher schaden als nützen.

Dr. Tobias Schmidt, Sprecher des Vorstands, Feri Euro-Rating Services AG, Bad Homburg

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