Leitartikel

Partnerschaf(f)t mit Gewinn

Wenn sie die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland beurteilen sollen, dann neigen die Bundesbürger und die hiesige Wirtschaft zu ausgeprägten Selbstzweifeln. Zu Unrecht, glaubt man einer internationalen Studie, deren Ergebnis dieser Tage eine überregionale Boulevardzeitung zitierte. Demnach liegen die Deutschen in puncto Arbeitsproduktivität weltweit an der Spitze. Auch die Qualität der hiesigen Infrastruktur erfährt im Ausland viel Lob. Dabei wurde die öffentliche Infrastruktur in den Jahren der konjunkturellen Stagnation und strapazierten Kassen bei Bund, Ländern und Gemeinden weniger als vielleicht nötig instand gehalten. Zwischen den Jahren 2000 und 2005 sanken die öffentlichen Investitionen immerhin um ein Fünftel auf unter 19 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt angibt. Nötig wären nach Rechnung des Deutschen Instituts für Urbanistik in diesem Jahrzehnt jedoch 686,3 Milliarden Euro, also rund 70 Milliarden Euro pro Jahr. Von maroden Systemen zu sprechen, würde der Sachlage trotzdem nicht gerecht, doch ist ein Investitionsstau unverkennbar. Um diesen abzubauen, reichen aber weder die 2006 um 2,4 Prozent gestiegenen Steuereinnahmen, noch geben die vielfach bis an die Grenzen strapazierten öffentlichen Haushalte eine höhere Verschuldung her.

Zwar hat die öffentliche Hand ihr Heil zunächst überwiegend in der Privatisierung von Wohnungen und Energieversorgern gesucht, weil dies nicht mehr als Teil des staatlichen Versorgungsauftrags gesehen wurde, doch löste das - wenn überhaupt - nur einen Teil der Probleme. Dass nach einer Studie von Deloitte mittlerweile zehn Prozent der Kommunen, die jüngst öffentliche Vermögenswerte veräußerten, nun deren Rückkauf anstreben, darf als Indiz dafür gewertet werden, dass dieser Weg doch nicht immer der beste, zumindest nicht der nachhaltigste war. Es scheint so, als sollte die Lösung weder im Wohlfahrtsstaat, der begierig Leistungen selbst erbringt, wo er Marktversagen vermutete, noch im Nachtwächterstaat, der so viel als möglich in private Verantwortung geben möchte, liegt, sondern im bereitstellenden Gewährleistungsstaat, der seine Aufgaben mit Hilfe der Privaten erfüllt (siehe Seite 789). Mit den Public Private Partnerships (PPP) steht zumindest ein mögliches Instrument bereit, um Straßen, Schulen, Krankenhäuser sowie Ver- und Entsorgungssysteme - also all das, wofür landläufig der Begriff "öffentliche Infrastruktur" gebraucht wird zu bauen und zu betreiben.

Gleichwohl ist PPP nicht gleich PPP. Denn der Erklärungen und Definitionen gibt es offensichtlich so viele, wie es Projekte gibt, die sich als solche verstanden wissen wollen. Mit entsprechender Vorsicht sollten deshalb Zahlen zur Verbreitung und Rentabilität der speziellen Beschaffungsvariante bewertet werden. So sind die mit Abstand meisten Projekte, die von den jeweils Beteiligten das Partnerschaftsetikett angeheftet bekommen, lediglich Forfaitierungsmodelle. Doch weil hierbei die öffentliche Hand per Einredeverzicht keine Möglichkeit der Zahlungskürzung oder -verweigerung mehr hat, wenn die Privaten die Leistungen nicht wunsch- und vertragsgemäß erbringen, sehen die EU-Verschuldungswächter darin einen Kommunalkredit. Demnach hat die Konstruktion einen besonderen Charme, wenn, wie in Hamburg, der private Partner ein stadteigenes Unternehmen ist, sodass die öffentliche Hand trotz des Einredeverzichts die Leistungen kontrollieren und steuern kann (siehe Seite 796). Dass die Forfaitierung aber auch bei den Privaten beliebt ist, kann ihrer relativ einfachen und erprobten Bauweise zugeschrieben werden. Mittlerweile kennt der Markt auch gewisse Standards, sodass dieses Verfahren schneller und kostengünstiger sein kann als ein komplexeres Partnerschaftsmodell.

Mehr Risiken auf die privaten Partner zu übertragen, gelingt dagegen augenscheinlich nur Bund und Ländern, wie sich am Beispiel Hessens zeigt, das Forfaitierungen gänzlich ausschließt (siehe Seite 792). Bau- und Ausfallrisiken haben dort die Privaten zu nehmen. Allerdings ist PPP kein Wundermittel, denn es heilt weder chronisch defizitäre Haushalte noch ist es immer kostengünstiger oder erfolgreicher als die Eigenerstellung, wie Birgit Frischmuth vom Deutschen Städtetag warnt (siehe Seite 794). Dass immerhin jede fünfte Kommune laut der Deloitte-Studie mit ihren Partnerschaften unzufrieden ist, dürfte zwar zum Gutteil an überzogenen Erwartungen gelegen haben, allerdings haben wohl auch die Privaten nicht immer das Leistungsniveau des kommunalen Betriebs erreicht oder übertroffen. Gleichzeitig hat die Warnow-Querung in Rostock gezeigt, dass sich PPP-Projekte mitunter nicht lohnen. Entsprechend ist die Euphorie der vergangenen Jahre einer gewissen Ernüchterung gewichen. So soll es dem Vernehmen nach der einen oder anderen Kommune passiert sein, dass auf die europaweite Ausschreibung eines Projektes kein einziges Angebot kam. PPP passt offensichtlich auch den Privaten nicht immer.

Obwohl politisch vielfach der Wille zu mehr Partnerschaften vorhanden ist, hemmen nicht selten die öffentlichen Verwaltungen, wenn sie glauben, eigene Kompetenzen und Budgets verteidigen zu müssen. Ob ein generelles Gebot, bei öffentlichen Investitionen stets PPP anderen Beschaffungsformen vorzuziehen, sofern diese nicht wirtschaftlich sinnvoller und günstiger sind, im Sinne der Sache ist, darf angesichts der wenig nachahmenswerten Erfahrungen, die Großbritannien mit den Eisenbahnen machte, durchaus in Frage gestellt werden. Zudem engagiert sich, wer in eine Partnerschaft genötigt wurde, nicht sonderlich für deren Entwicklung und Erhalt.

Die neue Beschaffungsvariante hat ihre Berechtigung. Von der öffentlichen Hand wird dies zuweilen erkannt, aber noch nicht umgesetzt. Rechtlich, steuerlich und beim Einbezug von Fördergeldern bestehen noch immer große Unklarheiten. Ob die Novellierung des Investmentgesetzes und ein ÖPP-Vereinfachungsgesetz hier bereits eindeutige Rahmenbedingungen schaffen, bleibt zu hoffen. Die Wünsche der Wirtschaft an die Politik sind klar: keine Risiken, die der Private nicht beeinflussen kann, mehr Standardisierung der Verträge und Verfahren sowie präzisere Ausschreibungen. Es sei aber in diesem Zusammenhang vor einer Überregelung des Marktes gewarnt, wie es häufig zu beobachten ist, wenn der Staat dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb nahe kommt. Für die Unternehmen hätten die Partnerschaften dann kaum noch einen Reiz. L. H.

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