Infrastruktur-Finanzierung

PPP - von der Finanzierungszur Beschaffungsvariante

Das gemeinschaftliche Umsetzen von Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand und private Unternehmen hat sich in zahlreichen Ländern Europas nach einem verhaltenen Beginn in den achtziger Jahren zwischenzeitlich als ergänzende Beschaffungsform zur Eigenerstellung und/oder einer vollständigen Privatisierung etabliert. Die innewohnenden Vorteile dieser partnerschaftlichen Vorgehensweise werden in jüngster Zeit immer deutlicher sichtbar, denn Public Private Partnership (PPP) ermöglicht im Normalfall die notwendigen Investitionen kostengünstiger, effizienter und zügiger umzusetzen und reicht folglich weit über die häufig in den Vordergrund gestellte (Fremd-)Finanzierungsfunktion hinaus.

Motivwandel bei PPP-Projekten

Um dies zu verdeutlichen, lohnt ein Blick zurück in die neunziger Jahre, als PPP-Modelle vor allem in den neuen Bundesländern zum Auf- und Ausbau der dortigen Infrastruktur eingesetzt wurden. Wesentliche Motive zur Nutzung dieser Ansätze waren vormals neben der nach der Wiedervereinigung angespannten Haushaltslage die Nutzung von Steuervorteilen bei Investoren, der Vorfinanzierungseffekt sowie eine haushaltsrechtlich andere Veranschlagung im Vergleich zur Kreditaufnahme. Sowohl die Nutzung privaten Know-hows zur Realisierung von Kosten- und Effizienzvorteilen als auch die Einhaltung von Verschuldungskennziffern spielte damals dagegen häufig noch eine untergeordnete Rolle.

Als prominentes Beispiel für eines der ersten Hochbau-PPP-Projekte in Deutschland kann das Universitätsklinikum Jena in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre angeführt werden. Ein privates Unternehmen als Generalübernehmer bot einen wesentlich günstigeren Preis als dies bei der bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Realisierungsform über Einzelgewerke möglich gewesen wäre und war auch bereit, die Bezahlung des Baupreises dem Auftraggeber über zehn Jahre analog der mittelfristigen Haushalts- und Finanzplanung zu stunden (Vorfinanzierungsfunktion durch Forfaitierung gestundeter Werklohnforderungen).

Standen bei diesem Vorhaben noch die Bauleistungen und kamerale Überlegungen im Vordergrund, war neben der zeitnahen und damit schnelleren privatwirtschaftlichen Sanierung vor allem die effizientere Bewirtschaftung der Schulen ausschlaggebender Faktor für den Kreis Offenbach (2004), die Schulen im Rahmen einer PPP-Struktur (Lebenszyklusmodell) zu modernisieren. In einem Zeitraum von fünfzehn Jahren werden Kosten- beziehungsweise Einsparpotenziale von rund 180 Millionen Euro (etwa 18 Prozent der Gesamtkosten) realisiert.

Seit einigen Jahren stehen solche Projekte auch für den allmählichen Übergang von einer stärker fiskalischen Einordnung der PPP-Modelle zu einer betriebswirtschaftlich-orientierten ganzheitlichen Definition als Beschaffungsvariante. Vor dem Hintergrund der bundesweit geführten Diskussion über den Umfang staatlichen Handelns und der anhaltenden Zwänge zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien (auch wenn bei dem aktuell günstigen Steueraufkommen derzeit eine Entschärfung eingetreten ist) werden heute erste Lebenszyklusmodelle umgesetzt, bei denen nicht mehr nur Bau/Sanierung und Bewirtschaftung, sondern auch die Finanzierung komplett privatwirtschaftlich, das heißt ohne Haftungsübernahme durch öffentliche Stellen (wie noch im obigen Projekt Offenbach durch Ankauf der Betreiber-/Dienstleistungsentgelte), umgesetzt wird.

Dies bedeutet, dass nicht mehr die Bonität des Kreditnehmers oder eines der involvierten Vertragspartner (wie beispielsweise die Bereitschaft des öffentlichen Auftraggebers Bürgschaften/Garantien oder Einredeverzichte zu erteilen) maßgeblich ist, sondern primär der Cash-Flow und damit die Einnahmeströme des Projektes/des Vorhabens. An die Stelle des eine vollständige Fremdfinanzierung erlaubenden, einredefreien Forderungsankaufs treten somit komplexe und beratungsintensive Finanzierungsstrukturen.

Verteilung der Risiken

Charakteristisch für Projektfinanzierungen ist eine Allokation von Risiken entsprechend der Kompetenzen und Ressourcen der einzelnen Projektbeteiligten. Die Risikoverantwortlichkeit wird dort angesiedelt, wo diese sinnvollerweise "gemanaged" werden kann. Gesetzgeberische und politische Risiken sollten beim öffentlichen Auftraggeber verbleiben, während der Auftragnehmer mit seinen Partnern und Subunternehmern die Risiken aus Planung, Bau, Betrieb und/oder Markt sowie der Finanzierung (Liquiditätsbereitstellung, Zinssicherung) trägt.

Solche risikoorientierten Finanzierungsstrukturen benötigen selbstverständlich Haft- und damit Eigenkapital. Vor dem Hintergrund der nachgefragten, in der Regel sehr langen Projektvertragslaufzeiten und der Notwendigkeit, auch seitens der Gesellschafter/Sponsoren einer Projektgesellschaft einen "eigenen" Haftungsbeitrag zu leisten, bieten sich hier vielversprechende Ansatzpunkte, neben den eigentlich privaten Projektbeteiligten private Anleger als Investoren für Infrastrukturvorhaben einzubeziehen. Ausschlaggebendes Motiv für die Kapitalanlage des privaten Investors ist (neben seiner gegebenenfalls vorhandenen operativen Einbindung) der langfristige, nachhaltige Zahlungsstrom des Nutzers/Mieters "öffentliche Hand".

Leasinganbieter frühzeitig in Infrastruktur-Finanzierung tätig

Das Augenmerk wird im Besonderen auch auf die Qualität der laufenden Kosten (Betriebs- und Unterhaltungsaufwand) und die Drittverwendung nach Vertragsende gelegt. Dies sind Faktoren, mit denen Leasingverträge schon immer konfrontiert waren, sodass es nicht verwundert, dass sich diese Anbietergruppe auch bei PPP-Vorhaben der aktuellen Ausprägungsform mehr und mehr etablieren konnte. Aufbauend auf den langjährigen Erfahrungen konnten in jüngster Vergangenheit "traditionell" öffentliche Bauvorhaben im Bereich der Verwaltung und im Schulbau für anlagesuchendes Kapital geöffnet und damit eine weitgehend privatwirtschaftliche Projektrealisierung umgesetzt werden.

Mit einem Investitionsvolumen von rund 129 Millionen Euro zählt das Justiz- und Verwaltungszentrum, welches die Stadt Wiesbaden mit dem Land Hessen gemeinsam entwickelt, zu den größten PPP-Hochbau-Projekten Deutschlands. In dem neuen Justizzentrum werden auf rund 33 350 Quadratmetern das Amts-, Land-, Verwaltungs-, Arbeits- und Sozialgericht sowie die Staatsanwaltschaft mit rund 650 Bediensteten zusammengeführt. Im Verwaltungszentrum mit rund 16 700 Quadratmetern Mietfläche werden etwa 600 Bedienstete aus allen Bereichen arbeiten. Nach Fertigstellung der Gebäude im Herbst 2009 werden das Land Hessen, das Justizzentrum und die Landeshauptstadt Wiesbaden das Verwaltungszentrum für 30 Jahre fest anmieten.

Auch der Landkreis Offenbach realisiert sein zweites großes Bildungsprojekt, HLL - Haus des Lebenslangen Lernens, Campus Dreieich, wieder in Form eines PPP-Modells. Durch die Zusammenführung verschiedener, bisher voneinander getrennt wirkender Bildungsanbieter zu einem neuartigen Zentrum wird das HLL die Bildungslandschaft des Kreises Offenbach nachhaltig verändern. Das HLL wird sowohl für junge Menschen im Übergang in die Arbeitswelt als auch für Erwachsene ein breites Spektrum maßgeschneiderter Bildung, Bildungsgang-Beratung und Selbstlernmöglichkeiten bieten. Mit einem Investitionsvolumen von rund 60 Millionen Euro werden in einer campusartigen Anlage etwa 28 000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche geschaffen; die Fertigstellung ist zum Schuljahresbeginn 2008/2009 vorgesehen. Die Nachfrage der Wirtschaft und auch privater Bildungsanbieter, dort Flächen vom Kreis (Hauptmieter) anzumieten, ist sehr positiv, sodass der Kreis Offenbach davon ausgeht, zusammen mit den öffentlichen Bildungsangeboten eine deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegende tägliche Nutzungsdauer der Einrichtungen erzielen zu können. In beiden Fällen wurden individuelle Finanzierungsstrukturen entwickelt, die neben klassischen Bankdarlehen und langfristiger Zinssicherheit auch die Einbindung von Eigenkapital privater Investoren vorsehen. Aufgrund der unternehmerischen Struktur der Fondsprodukte ist es möglich, Chancen und Risiken aus der Bau- und Betriebsphase zu übernehmen.

Festzuhalten bleibt, dass Projektfinanzierungen im Rahmen von PPP-Vorhaben immer häufiger neben die in der Vergangenheit eindeutig dominierenden einredefreien Forderungskäufe treten. Die Entwicklung des PPP-Marktes wird auch dadurch bestimmt werden, wie es gelingt, Finanzierungsströme (mit Eigenkapitalcharakter) in PPP-Projekte zu lenken. Interessant wird die Entwicklung von mittelstandsorientierten Projekten, die häufig dadurch an Grenzen stoßen, dass kleinere und mittlere Unternehmen nicht bereit oder in der Lage sind, Eigenkapital über die geforderten langen Laufzeiten einzubringen.

Stabile Cash-Flows und wenig Ausfallrisiken

Dies heißt bei interessierten Investoren, dass an die Stelle der steuerorientierten Finanzierungsmodelle der neunziger Jahre zunehmend renditeorientierte Anlageformen treten, die eine zusätzliche Assetklasse eröffnen, nämlich "Öffentliche Infrastruktur". Ausschlaggebendes Motiv für die Kapitalanlage des privaten Investors ist neben seiner möglicherweise operativen Einbindung vor allem der langfristige, nachhaltige Zahlungsstrom des Nutzers/Mieters "öffentliche Hand" (speziell für reine Finanzinvestoren). Auch wenn dieser Cash-Flow nicht staatlich verbürgt und damit risikofrei ist, stellt die besondere Form der Verträge und die langfristige Anmietung durch die öffentliche Hand einen unter Risikogesichtspunkten nicht zu vernachlässigenden Vorteil dar.

Der Durchbruch bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften könnte dafür sorgen, dass sich der PPP-Markt weiter ausdehnt und neben die heutigen Hochbauprojekte zunehmend auch Hochschul- und Schulgebäude sowie andere Sozialimmobilien treten werden. Nicht nur in der Bau- beziehungsweise Sanierungsphase und damit in engem Zusammenhang mit der eigentlichen Investition liegen die PPP-Vorteile, sondern gerade auch beim Betrieb erlauben diese Modelle höhere Flexibilität und eine finanzielle Belastung entsprechend den tatsächlichen Nutzungsverläufen. Dies macht diese Vorhaben so bedeutsam und sie damit als Problemlöser für die öffentlichen Gebietskörperschaften wie die privaten Dienstleister interessant.

Weitere Impulse für PPP

Um dem Markt zusätzliche Anschubhilfe zu geben, wurde seit Ende vergangenen Jahres von der Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD), zu der führende Kredit- und Versicherungsinstitute, die Deutsche Börse, die Bundesbank sowie die Spitzenverbände der Finanzwirtschaft gehören, ein Konzept einer auf PPP spezialisierten Beratungsgesellschaft entwickelt und vorgeschlagen. Ziel ist es, vor allem in der Frühphase solcher Projekte, mit zielgerichtetem Know-how PPP-Projekte auf den Weg zu bringen, wobei nicht nur der Hochbau, sondern auch weitere Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge unterstützt werden sollen. Diese Idee ist nicht neu, denn auch hier orientiert sich der deutsche PPP-Markt am Beispiel Großbritanniens (die dortige Regierung gründete 2000 die Partnerships UK - PUK- als Nachfolgeorganisation der PPP Treasury Taskforce).

Noch sind nicht alle Details bekannt und sicherlich sind noch einige Weichenstellungen bis zur möglichen Implementierung vorzunehmen, aber die individuelle Vorteilhaftigkeit von PPP-Strukturen lassen es mehr als gerechtfertigt erscheinen, über zusätzliche, im Ausland bereits erfolgreiche Wege nachzudenken, wie der in unserem Land nach wie vor unstrittig vorhandene Investitionsrückstau bei öffentlicher Infrastruktur schnell und effizient beseitigt werden kann.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X