Nachhaltige Immobilien

Ökonomie als Konsequenz

Das Thema Nachhaltigkeit wird seit fast zwei Jahrzehnten diskutiert. Sucht man auf Google nach "Definition Nachhaltigkeit" erhält man zirka 458 000 Ergebnisse. Auch in der Immobilienwirtschaft ist das Thema Nachhaltigkeit angekommen. Hier tut sich derzeit insbesondere eine Vielzahl von Zertifikaten hervor, die versuchen, dem Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und sozialem Handeln in ihrer Beurteilung gerecht zu werden. Auf der Nutzer- beziehungsweise Investorenseite zeigt sich ein differenziertes Bild. Während sich bereits viele größere Firmen zum Ziel gesetzt haben, in einem bestimmten Zeitraum ihre Immobilien CO2-neutral zu betreiben, steht bei den Investoren zumeist noch der kurzfristige Renditegesichtspunkt im Vordergrund. Dies macht die Zielkonflikte augenscheinlich, die es zu überwinden gilt. Hierzu ist nicht weniger als ein vollständiger Paradigmenwechsel für Investoren und Nutzer von Immobilien notwendig.

Investitionskosten als kritischer Faktor

Kein Zweifel, nachhaltiges Bauen kostet Geld. Denn einen Neubau nachhaltig auszurichten, erfordert zunächst eine zusätzliche Investition, die im zweistelligen Prozentbereich liegen kann. Das Maklerunternehmen PNB Paribas Real Estate schätzt die Mehrkosten auf bis zu sieben Prozent, das Beratungs- und Bauunternehmen Drees & Sommer benennt Mehrkosten von bis zu neun Prozent. Dem stehen in manchen Ländern auch höhere Mieten gegenüber. Ein Beispiel sind die USA. Hier sind sowohl die Mieten, die Vermietungsstände als auch die Verkaufspreise bei nachhaltigen Gebäuden höher. Diese Erkenntnisse lassen sich jedoch nicht unreflektiert auf Deutschland übertragen.

Denn ein Grund für das bessere Abschneiden nachhaltiger Gebäude im Vergleich zu konventionellen Gebäuden in den USA betrifft die deutlich höhere Bauqualität gegenüber dem bisherigen Standard und damit verbunden wesentlich niedrigere Nebenkosten für den Mieter - die Mieter können bei gleich bleibender Gesamtmietbelastung eine höhere Kaltmiete zahlen. Der Unterschied zwischen nachhaltigen und konventionellen Gebäuden ist in Deutschland jedoch deutlich geringer als in den USA, denn die gesetzlich vorgeschriebenen energetischen Anforderungen an Neubauten sind in Deutschland strenger. In einer Umfrage von Jones Lang Lasalle im Jahr 2008 signalisierten zudem nur zwei von 183 befragten Nutzern die Bereitschaft, für ein ökologisch nachhaltiges Bürogebäude eine höhere Miete zu zahlen.

In der Regel erfüllen Neubauten in Deutschland bereits per se die Mindestanforderungen für die Erlangung der gängigen Zertifikate. Vor diesem Hintergrund sind darüber hinausgehende Investitionen sehr sorgfältig im Hinblick auf ihre ökologischen und ökonomischen Auswirkungen zu selektieren.

Neues Nachhaltigkeitsverständnis erforderlich

Feri Euro-Rating löst sich in seiner Interpretation ganz bewusst von der Drei-Säulen-Darstellung. Für das Ra-ting-Unternehmen ist die ökonomische Komponente nicht als Indikator der Nachhaltigkeit zu betrachten, sondern als Resultat nachhaltigen Bauens und Betreibens von Immobilien. Übertragen auf ein entsprechendes Nachhaltigkeitsverständnis für Immobilien bedeutet dies: Aus Sicht eines Investors ist eine Immobilie nachhaltig, wenn diese langfristig eine angemessene Rendite erzielt. Im Vordergrund steht dabei die Fähigkeit der Immobilie, den Wandel ökonomischer und soziokultureller Rahmenbedingungen so aufzugreifen, dass dies die Wirtschaftlichkeit des Gebäudes unterstützt und fördert. Dabei müssen neben den Potenzialen auch die ökologischen und gesellschaftlichen Risiken im Zusammenhang mit dem jeweiligen Land und der Region berücksichtigt werden.

Auch wenn im ersten Augenblick genau das Gegenteil vermutet werden kann diese Definition steht in voller Übereinstimmung mit der vorstehend erwähnten Definition der Brundtland-Kommission. Dies wird offensichtlich, wenn man nicht den Neubau, sondern den Bestand betrachtet. Gutachter rechnen Büroimmobilien in der Regel eine wirtschaftliche Nutzungsdauer von 60 Jahren zu, Wohnimmobilien in der Regel sogar 80 Jahre. Die Türme der Deutschen Bank werden jetzt nach einer Nutzungsdauer von gerade mal 30 Jahren totalsaniert. Wir erleben derzeit, wie sich in vielen Großstädten das Gesicht der Innenstädte durch Abriss und Neubau von Gebäuden deutlich verändert. Die wenigsten dieser Immobilien werden eine Lebensdauer von 60 Jahren erreicht haben. Es gilt also Abschied zu nehmen von der Annahme, dass Immobilien eine ewige Rente erwirtschaften.

Nachhaltigkeitsrating mit Ökonomie als Konsequenz

Ausgehend von dieser Überlegung hat Feri Euro-Rating gemeinsam mit der Technischen Universität München ein Nachhaltigkeitsrating entwickelt. Ziel des Systems ist es, die Einflussfaktoren der ökologischen und soziokulturellen Nachhaltigkeit auf den Marktwert der Immobilie zu ermitteln. Dabei wurde auf eine einfache und übersichtliche Methodik Wert gelegt, um das Rechenverfahren möglichst transparent zu gestalten.

Auf der Ebene der Gesellschaft spielt beispielsweise der Wohlfühlfaktor der Räume eine Rolle, aber auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Marktes, in dem sich die Immobilie befindet. Hierzu zählen beispielsweise der Grad der Urbanisierung, die Bevölkerungsentwicklung und die politische Stabilität. Gemessen wird so die Attraktivität des Marktes und der Immobilie - denn sie bestimmen den Wert und die Wertentwicklung der Immobilie maßgeblich mit. Auf der ökologischen Ebene werden insbesondere technische Aspekte gemessen, die die Energieeffizienz betreffen, aber auch Immissionen betrachtet, die auf die Immobilie wirken. Erneut steht die wirtschaftliche Relevanz der einzelnen Punkte im Vordergrund, insbesondere im Hinblick auf die Lebenszykluskosten. Auch Flächeneffizienz, Flächenflexibilität und die Frage, wie adäquat die Flächen für den vorgesehenen oder bereits vorhandenen Nutzer sind, werden hier behandelt. Die Ergebnisse der beiden Felder Gesellschaft und Ökologie fließen in eine Cash-Flow-Prognose unter Berücksichtigung der spezifischen Markt- und Objektrisiken ein. Über ein Discounted-Cash-Flow-Verfahren wird der Marktwert ermittelt. Ökonomie wird somit in diesem Modell nicht als Bestandteil von Nachhaltigkeit gewertet. Sie steht vielmehr als deren Konsequenz am Ende der Betrachtung. Hier tritt klar der Wert der Nachhaltigkeit einer Immobilie zutage, nämlich eine angemessene Rendite über die jetzige Generation hinaus zu erzielen. Der Zielkonflikt wird dadurch aufgelöst.

Ausblick

Die Nachhaltigkeitsdiskussion hat den Markt verändert und wird ihn weiter verändern. Die Lebenszykluskosten im Verhältnis zu den Bau- und Investitionskosten werden eine immer größere Rolle spielen. Immobilien so zu gestalten, dass sie langfristig marktfähig bleiben, ist eine der zentralen Herausforderungen für Entwickler, aber auch für Investoren - denn sie müssen diesen Aspekt beim Bau und Kauf berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für Bestandsimmobilien, deren Werthaltigkeit je nach Lage und Qualität in der nächsten Dekade deutlich in Frage gestellt werden muss. Eine ebenso große Herausforderung liegt jedoch darin, dieses Verständnis auch auf den Mieter und Nutzer zu übertragen und die Partnerschaft zwischen Investor und Mieter in diesem Sinne neu zu definieren. Denn Nachhaltigkeit zeigt sich nicht nur im Bau, sondern auch in der Nutzung der Immobilien. Hier sei die Problematik der Mülltrennung als simples, aber treffendes Beispiel angeführt. Es ist davon auszugehen, dass in zehn Jahren die jetzigen Zertifikate ihren Zweck erfüllt haben und damit aber auch an Bedeutung verlieren werden. Denn das, was heute durch Nachhaltigkeitszertifikate bescheinigt wird, wird dann längst Stand der Technik sein.

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